Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Ta 69/04
Tenor
1. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird auf 10.068,39 EUR festgesetzt.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
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Die Arbeitgeberin begehrte im vorliegenden Beschlussverfahren die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zu ersetzen. Dieses Betriebsratsmitglied bezieht eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.356,13 €.
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Im Anhörungstermin vom 11.02.2002 hat die Arbeitgeberin den Antrag zurückgenommen.
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Auf Antrag des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit entsprechend § 8 Abs. 2 BRAGO auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
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Gegen diese Festsetzung richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats.
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Sie sind der Auffassung, dass im Verfahren auf Zustimmungsersetzung nach § 103 Abs. 2 BetrVG der Gegenstandswert des Verfahrens in Anlehnung an § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG mit dem dreifachen Bruttomonatseinkommen des betroffenen Betriebsratsmitglieds zu bewerten sei.
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Der Vorsitzende des Arbeitsgerichts hat unter Hinweis auf die kontroverse Rechtsprechung sich einer in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach auch im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG der Gegenstandswert ausschließlich anhand des in § 8 Abs. 2 BRAGO genannten Wertes festzusetzen sei; dementsprechend hat es dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und hat es dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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1. Bei dem Rechtsmittel der Beschwerdeführer handelt es sich um eine Beschwerde im Sinne von § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG. Sie wurde innerhalb der 6-Monats-Frist von § 25 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 GKG fristgerecht eingelegt. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.
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2. In der Sache ist das Rechtsmittel auch begründet. Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung und insbesondere in seiner Nichtabhilfeentscheidung ins Einzelne gehend die unterschiedlichen Auffassungen zur Höhe des Gegenstandswertes im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG dargelegt. Das Beschwerdegericht schließt sich diesen sorgfältigen Ausführungen des Arbeitsgerichts an, macht sie sich zu Eigen und sieht in entsprechender Anwendung von § 69 Abs. 2 ArbGG insoweit von der erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. zur ausführlichen Darstellung der kontroversen Rechtsprechung: Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht; Rz. 433 ff.).
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In der Sache schließt sich das Beschwerdegericht allerdings der vom Arbeitsgericht abgelehnten Gegenmeinung an. Danach ist im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG, in dem es um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds geht, das in § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO erwähnte " billige Ermessen" anhand der Wertungen von § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG auszuüben. Bei der Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Verfahren enthält § 12 Abs. 7 ArbGG eigenständige Regelungen für bedeutende Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Die dort für das Urteilsverfahren enthaltenen Sonderregelungen des Arbeitsgerichtsprozesses finden auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Beachtung (GK-Wenzel, § 12 Rz. 265). Die gelegentlich vertretene Gegenauffassung, der sich das Arbeitsgericht angeschlossen hat, und die auch von der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. BB 2001, 528) vertreten wird, hat zwar auch gute Argumente auf ihrer Seite. Danach schützt die Regelung von § 103 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat und das einzelne Betriebsratsmitglied bei der unbefangenen Amtsausübung. Allerdings ist allein damit noch nicht gesagt, dass für im anderen Zusammenhang aufgestellte aussagekräftige Verfahrenstrukturen nicht auch im Beschlussverfahren Beachtung finden. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BRAGO ist der Gegenstandswert in Fällen, in denen - wie vorliegend - einschlägige ausdrückliche Verfahrensregelungen nicht bestehen, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nur in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen der Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, festzusetzen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts handelt es sich bei diesem Wert um keinen Regelstreitwert, sondern um einen Hilfswert. Dies ergibt sich schon aus der ausdrücklichen gesetzlichen Formulierung, wonach auf diesen Wert nur "in Ermangelung" zurückzugreifen ist.
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Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren im Rahmen von § 103 Abs. 2 BetrVG hat für das spätere Individualverfahren des einzelnen Betriebsratsmitglieds eine überragende präjudizielle Wirkung (vgl. etwa BAG vom 11.05.2000 - 2 AZR 276/99, NZA 2000, 1106). Von Sonderfällen abgesehen, geht es im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG letztlich maßgeblich um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Gerade für diese Verfahren enthält § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG eine ausdrückliche gesetzliche Sonderregelung. Im Rahmen des nach § 8 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BRAGO auszuübenden billigen Ermessens ist daher auch in dem Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG auf diese Sonderregelung maßgeblich abzustellen. Wenn sich die in § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG genannten eigenen Verfahrensgrundsätze auch auf das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren niederschlagen können, dann insbesondere und in erster Linie im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG. Das erkennende Gericht vermag sich daher nicht der Gegenauffassung anzuschließen, wonach auch in solch einem Beschlussverfahren der in § 8 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BRAGO genannte Wert heranzuziehen sei. Ansonsten würde es sich hierbei in der Tat letztlich um einen Regelwert handeln, was nach ständiger Rechtsprechung der erkennenden Kammer nicht der Fall ist.
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Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
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Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht kann im Hinblick auf § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht zugelassen werden (vgl. BAG, Beschl. v. 17.03.2003 - 2 AZB 21/02), weil das Gesetz in diesem Zusammenhang eine in der Praxis gebotene einheitliche Rechtsprechung verhindert.
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