Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 Sa 2096/03


Tenor

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.11.2003 - Az.: 6 Ga 2003/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Verfügungsbeklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob der Verfügungsbeklagte im Betrieb der Verfügungsklägerin zum Zwecke des Abschlusses von Tarifverträgen für die Fluglotsen Streikmaßnahmen durchführen darf.

2

Die Verfügungsklägerin betreibt den Flughafen X. Die Fluglinie V mit einer geplanten Passagierzahl von 3,6 Millionen im Jahr 2004 hat einen Anteil von 70 % des Umsatzes aus Flughafengebühren und Entgelten. Die Verfügungsklägerin beschäftigt ca. 270 Arbeitnehmer, davon etwa 15 Fluglotsen, die zu ca. 75 % bei dem Verfügungsbeklagten - Gewerkschaft U - organisiert sind (U).

3

Die Flugsicherung Deutschland wurde 1992 privatisiert. Sie wird von der bundeseigenen T GmbH (T) mit Sitz in S-Stadt wahrgenommen. Diese betreibt den Fluglotsendienst an allen Verkehrsflughäfen im Bundesgebiet. Sie beschäftigt ca. 5.150 Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden. Die Fluglotsen mit ca. 1800 Mitarbeitern stellen die größte Berufsgruppe. Etwa 1.000 Ingenieure und Techniker sind mit der Planung, Realisierung und dem Betreiben der für die Flugsicherung notwendigen technischen Systeme befasst. Im Luftfahrtbundesamt sind in der Abteilung Flugsicherung noch 128 Arbeitnehmer beschäftigt. Außerhalb der von der T betreuten Flughäfen gibt es an etwa 15 Regionalflughäfen ca. 200 im Bereich der Flugsicherung beschäftigte Mitarbeiter. Sie sind Arbeitnehmer von Gebietskörperschaften oder den Betreibergesellschaften der Regionalflughäfen und nach § 31 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG vom Bundesministerium für Verkehr mit Flugsicherungsaufgaben individuell beauftragt worden.

4

Nachdem zunächst bei der Verfügungsklägerin tarifvertragliche Regelungen lediglich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme galten, kam es im November 2000 zum Abschluss mehrerer Haustarifverträge mit der DAG und der ÖTV. Derzeit gelten ein Manteltarifvertrag, ein Entgeltrahmentarifvertrag, ein Tarifvertrag über eine leistungsbezogene Bezahlung, ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung, ein Öffnungstarifvertrag zur Entgeltumwandlung, ein Überleitungstarifvertrag sowie ein so genannter Feuerwehrtarifvertrag mit einer Sonderregelung für die Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin, die hauptberuflich im operativen feuerwehrtechnischen Dienst tätig sind.

5

Mit der DAG und später mit ver.di waren der Verband R (R) und der Verband Q (Q) zunächst durch einen Kooperationsvertrag verbunden. Die Mitglieder des R und des Q, waren aufgrund der Vereinbarung zugleich Einzelmitglieder der DAG und später ver.di. Sie erhielten tarif- und betriebspolitische Betreuung und entsandten Mitglieder in Tarif- und Verhandlungskommissionen. Im Anschluss an eine ordentliche Kündigung des Kooperationsvertrages durch den R zum 31.10.2003 kündigte ver.di diesen im Herbst 2002 außerordentlich. Im Februar 2003 wurde die U als nichtsrechtsfähiger Verein gegründet. Es hatte sich zu diesem Zweck der R umbenannt und sich der Q angeschlossen. Nachdem es über die Frage der Wirksamkeit dieser Gründung Streit gegeben hatte, fand eine Neugründung als U e.V. – des Verfügungsbeklagten - statt, die am 15.09.2003 im Register des Amtsgerichts Frankfurt am Main eingetragen worden ist.

6

Nach § 4 der Satzung des Verfügungsbeklagten in der neusten Fassung vom 07.03.2004 umfasst sein Organisationsbereich alle mit der Durchführung der Flugsicherung befassten Unternehmen und Betriebe, sowie alle Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Eintragung des U Mitglied des R oder des Q waren sowie auch die U und ihre Einrichtungen.

7

Der Verfügungsbeklagte hat mittlerweile 1.700 ordentliche Mitglieder, darüber hinaus noch außerordentliche, d.h. nicht mehr im Beschäftigungsverhältnis stehende Mitglieder. Das Beitragsaufkommen beläuft sich auf monatlich ca. 120 000,00 €. Neben diesen Einnahmen durch Mitgliedschaftsbeiträge haben die Berufsverbände P und R dem Verfügungsbeklagten 137 000,00 € zur Einrichtung einer Unterstützungskasse im Arbeitskampf für eigene Mitglieder zur Verfügung gestellt. Ob der Verfügungsbeklagte rechtmäßig über diese Zahlungen (im Arbeitskampffalle) verfügen kann, ist zwischen den Parteien streitig.

8

Der Verfügungsbeklagte unterhält neben den bisher genutzten Räumlichkeiten, die weiterhin für den Bereich der Mitgliederbetreuung und die Öffentlichkeitsarbeit benötigt werden, in C-Stadt eine neue Geschäftsstelle mit einer Größe von ca. 270 qm. In einer Geschäftsstelle in Bensheim betreut der Fachbereich FSTD die Mitglieder der technischen Bereiche. In der neuen Geschäftsstelle wird eine für die Mitgliederbetreuung und Verwaltung zuständige Vollzeitkraft tätig. Darüber hinaus sind zwei Mitarbeiterinnen in Teilzeit mit einem Umfang von monatlich 26,5 Stunden und eine weitere mit 7 Stunden wöchentlich in der Geschäftsstelle eingesetzt. Seit 01.04.2004 arbeitet ein hauptamtlicher Vorstandsassistent dem ehrenamtlich tätigen Bundesvorstand zu. Weiterhin ist ein Publizist und Journalist mit der Organisation und fachkundigen Aufbereitung aller Kommunikations- und Presseaktivitäten beschäftigt, nach Angaben des Verfügungsbeklagten in einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Arbeitstagen pro Monat. Daneben hat der Verfügungsbeklagte Beraterverträge mit den Fachanwälten für Arbeitsrecht der ihn im vorliegenden Verfahren vertretenen Kanzlei abgeschlossen. Sie erbringen im Rahmen dieser Verträge die Rechtsberatung und -vertretung der Mitglieder des Verfügungsbeklagten und führen die Schulung von Betriebsräten und von Mitgliedern der Tarifkommission durch. Einer der Rechtsanwälte steht als Mitglied für Tarifkommissionen zur Verfügung. Er war für die Vereinigung Cockpit in mehreren Tarifkommissionen als Verhandlungsführer bzw. Mitglied tätig. Daneben erbringen die sieben ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder, die sämtlich bei der T beschäftigt sind, durchschnittliche Arbeitsleistungen im Umfang von 50 Arbeitstagen pro Jahr, die 10 ehrenamtlichen Mitglieder der beiden Fachbereichsvorstände arbeiten jeweils 30 Tage pro Jahr für den Beklagten. Über die Hälfte der derzeit 30 Mitglieder des Verfügungsbeklagten, die in Tarifkommissionen tätig sind, waren zu Zeiten der Kooperation mit ver.di bzw. der DAG Mitglied einer Tarifkommission.

9

Mit Schreiben vom 12.05.2003 hatte zunächst der nicht rechtsfähige Verein U erfolglos Tarifverhandlungen mit der Verfügungsklägerin für das Flugsicherungspersonal verlangt. Mit Schreiben vom 14.10.2003 begehrte der Verfügungsbeklagte erneut unter Hinweis auf einen von ihm skizzierten Themenkatalog die Aufnahme von Tarifverhandlungen für die am Flughafen X tätigen Lotsen. Er setzte eine Frist bis zum 29.10.2003 und wies darauf hin, dass die Verfügungsklägerin "ab diesem Zeitpunkt mit jederzeitigen Warnstreiks und - bei entsprechender Beschlussfassung - mit der Einleitung einer Urabstimmung rechnen muss".

10

Die Verfügungsklägerin hat zur Begründung ihres Antrages, Arbeitskampfmaßnahmen zu untersagen, vorgetragen, der angekündigte Streik sei rechtswidrig. Bei dem Verfügungsbeklagten handele es sich wegen fehlender Leistungsfähigkeit, Unabhängigkeit und Überbetrieblichkeit nicht um eine Gewerkschaft. Angesichts der schon bestehenden tariflichen Regelungen stehe auch das Prinzip der Tarifeinheit gesonderten Tarifverhandlungen und damit Arbeitskampfmaßnahmen entgegen. Die finanziellen Auswirkungen gingen über den Verlust durch unmittelbar streikbedingte Flugausfälle hinaus. V würde den Flughafen X im Falle eines Streiks als Risiko im Rahmen ihrer derzeitigen und künftigen Strategie sehen und diesen Standort nicht aufrechterhalten mit der Folge der Gefährdung von 70 % des Umsatzes. Es würde für die Muttergesellschaft O jeglicher Anreiz entfallen, die auch in den nächsten Jahren zu erwartenden Verluste auszugleichen. Es wäre zu befürchten, dass der Unternehmensvertrag zum 31.12.2005 gekündigt würde mit der unmittelbaren Folge ihrer Zahlungsunfähigkeit.

11

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

12

dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten zu untersagen, Arbeitskampfmaßnahmen in ihrem Betrieb durchzuführen, mit denen die Forderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen des Verfügungsbeklagten vom 14.10.2003 durchgesetzt werden soll.

13

Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,

14

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

15

Er hat unter Darstellung seiner Organisation, seiner Mitgliederzahl und finanziellen Ausstattung sowie unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass es angesichts seiner zu bejahenden Gewerkschaftseigenschaft an einem Unterlassungsanspruch fehle. Ein Verfügungsgrund sei auch deshalb zu verneinen, weil erfahrungsgemäß in der Flugsicherung zur Durchsetzung der Tarifforderung keine wochenlangen Erzwingungsstreiks erforderlich seien. Es würden nach Ankündigung verschiedene An- und Abflugsektoren für den Luftverkehr gesperrt und dann die Flugverbindungen etwa im vorliegenden Fall nach N oder andere Flughäfen umgeleitet, was auch bei Verkehrsstörungen wie Nebel vorkomme und in der Luftverkehrsindustrie nicht ungewöhnlich sei.

16

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Antragsschriftsatz vom 27.10.2003 sowie die Antragserwiderung vom 03.11.2003 verwiesen.

17

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.11.2003, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, dem Antrag stattgegeben. Bei dem Verfügungsbeklagten handele es sich nicht um eine Gewerkschaft, der Verfügungsgrund sei aufgrund der von der Verfügungsklägerin geschilderten Folgen eines Arbeitskampfes trotz der vollendeten Tatsachen, die mit der Untersagungsverfügung geschaffen würden, zu bejahen.

18

Gegen dieses ihm am 17.11.2003 zugestellte Urteil wendet sich der Verfügungsbeklagte mit seiner am 11.12.2003 eingegangenen und am Montag, den 19.01.2004 begründeten Berufung.

19

Der Verfügungsbeklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Das Arbeitsgericht habe ihm zu Unrecht die Gewerkschaftseigenschaft abgesprochen. Ein Verfügungsgrund sei nicht zu bejahen. Das Arbeitsgericht habe es an der notwendigen Interessenabwägung fehlen lassen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.Januar 2004 sowie die Schriftsätze vom 14. und 26. Mai 2004 Bezug genommen.

20

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

21

das angefochtene Urteil abzuändern und den Antrag auf Erlass einer  einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

22

Die Verfügungsklägerin beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Verfügungsklägerin hält unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils und unter Wiederholung und Vertiefung ihres dahingehenden Vorbringens an ihrer Auffassung fest, bei dem Verfügungsbeklagten handele es sich nicht um eine Gewerkschaft. Nicht zuletzt seien die beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen im Hinblick auf die bei ihr zu erwartenden Schäden zu untersagen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren wird auf ihren Berufungserwiderungsschriftsatz vom 20.02.2004 sowie den Schriftsatz vom 24.05.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

A. Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 516, 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Die Berufung ist somit insgesamt zulässig.

26

B. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendigen Verfügungsanspruch und den Verfügungsgrund bejaht.

27

I. Die Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere genügt der Antrag den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

28

1) Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren gilt das Bestimmtheitserfordernis aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag muss also die konkrete Verletzungshandlung, deren künftige Begehung verboten werden soll, so genau bezeichnen, dass der Antragsgegner sich erschöpfend verteidigen kann und der Antrag rechtskraft- und vollstreckungsfähig ist (LAG Hamm 31.05.2000 - 18 Sa 858/00 - juris Rz 50).

29

2) Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht. Die Verfügungsklägerin begehrt jedwede Streikmaßnahme zu untersagen. Dies ergibt sich daraus, dass sie zum Einen auf das Schreiben des Beklagten mit der Fristsetzung zum 29.10.2003 Bezug nimmt, in dem Warnstreiks und die Urabstimmung - und damit weitere Arbeitsniederlegungen - angedroht werden, und in dem sie zum Anderen die Rechtsauffassung deutlich gemacht hat, dass sie aus Rechtsgründen jedwede Arbeitskampfmaßnahme für unzulässig hält. Die vom Verfügungsbeklagten vermisste Unterscheidung zwischen Warnstreiks und Erzwingungsstreiks würde im übrigen nicht weiterführen, da letztlich unklar ist, inwiefern sich der eine vom anderen unterscheidet (vgl Kissel, Arbeitskampfrecht, § 41 Rn 22 ff).

30

II. Der Antrag ist auch begründet. Die Verfügungsklägerin hat gegen den Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung der angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen, den sie im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen kann.

31

1) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung im Arbeitskampf wird ganz überwiegend als grundsätzlich zulässig angesehen. Die Verfassungsgarantie aus Art. 9 Abs. 3 GG steht nicht entgegen, da sie nur für rechtmäßige Arbeitskämpfe gilt (Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 2.Auflage, Rz. 766).

32

Da es sich in der Regel um eine Unterlassungsverfügung handelt, ist Voraussetzung ein Unterlassungsanspruch, der sich insbesondere aus der tarifvertraglichen Friedenspflicht oder aus §§ 1004, 823 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergeben kann. In jedem Falle ist die Darlegung und Glaubhaftmachung der Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme bzw. des Arbeitskampfes erforderlich. Es bedarf nicht der offenkundigen Rechtswidrigkeit (Grunsky, aaO; G/M/M-G/P, ArbGG, 4. Auflage, § 62 Rz. 91; LAG Hamm 08.08.1985 - 8 Sa 1498/95 - NZA 1985 743, 744). Weiterhin setzt der Verfügungsgrund voraus, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung zur Abwehr wesentlicher Nachteile notwendig ist, was nicht nur bejaht werden kann, wenn eine Notlage oder Existenzgewährdung zu befürchten ist (Walker, ZfA 1995, 185, 202 f.; LAG Hamm aaO und 31.05.2000 - 18 Sa 858/00 - juris Rz 58). Schließlich hat eine umfassende abschließende Interessenabwägung zu erfolgen (vgl. nur Schäfer, Der einstweilige Rechtsschutz im Arbeitsrecht, Rz. 262 ff.).

33

2) Die angekündigten Streikmaßnahmen sind rechtswidrig und begründen einen Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin.

34

a) Aus einer Verletzung der Friedenspflicht ergibt sich der Unterlassungsanspruch nicht.

35

Die dem Tarifvertrag immanente relative Friedenspflicht verbietet den Tarifparteien, einen bestehenden Tarifvertrag inhaltlich dadurch in Frage zu stellen, dass sie Änderungen oder Verbesserungen der vertraglich geregelten Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfes erreichen wollen (BAG 21.12.1982 – 1AZR 411/80 – AP GG Art.9 Arbeitskampf Nr. 9; Hess. LAG 02.05.2003 – 9 Sa Ga 638/03 – NZA 2003, 679, 681).

36

Der Verfügungsbeklagte hat vorliegend unter anderem gerade Forderungen gestellt, welche die Veränderung und Verbesserung von in den Haustarifverträgen geregelten Gegenständen betreffen. Es werden im Schreiben vom 14.10.2003 als zu verhandelnde "Tarifthemen" u.a. die "Übernahme der für alle FFH GmbH –Mitarbeiter geltenden Tarifbedingungen bei gleichzeitiger Herauslösung der Lotsen aus dem Entgelt-Rahmen-TV" und die "Neuregelung der für die Lotsen geltenden Vergütungsgruppen (Struktur und Höhe) genannt.

37

Eine Verletzung der Friedenspflicht lässt sich aber daraus schon deshalb nicht ableiten, weil der Verfügungsbeklagte nicht Partei der derzeit geltenden Haustarifverträge ist. Es haben lediglich die Berufsverbände, aus denen er hervorgegangen ist, im Rahmen der Kooperation mit den tarifschließenden Gewerkschaften bei den Verhandlungen mitgewirkt. Zu einem anderen Ergebnis führt es auch nicht, dass die Normen der Haustarifverträge, soweit sie seit dem Ende der Zusammenarbeit mit ver.di und dem damit verbundenen Ende der ver.di-Mitgliedschaft der jetzigen Mitglieder des Verfügungsbeklagten bis heute bestehen, nach § 3 Abs. 3 TVG für diese Mitglieder des Verfügungsbeklagten weitergelten. Die Vorschrift gilt auch für Arbeitnehmer/innen und erfasst sowohl den Austritt als auch den Ausschluss aus einer Koalition (Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn 79). Sie fingiert die Tarifgebundenheit für die Zeit nach dem Austritt. Die normativen Regelungen gelten unmittelbar und zwingend für die beiderseits Tarifgebundenen bis zum Ende des jeweiligen Tarifvertrages (Wiedemann/Oetker, TVG, 6. Auflage, § 3 Rn 58, 62), auch beim Wechsel der Organisation, jedenfalls solange die neue Koalition keinen entsprechenden Tarifvertrag geschlossen hat (H/K/Z/Z, TVG, 2.A., § 3 Rn 34). Eine schuldrechtliche Verpflichtung des neu gegründeten Verfügungsbeklagten im Verhältnis zur Verfügungsklägerin wird hingegen nicht begründet.

38

b) Es besteht aber ein Anspruch der Verfügungsklägerin aus § 1004, 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung des beabsichtigten Arbeitskampfes. Dieser wäre nicht rechtmäßig und deshalb ein rechtswidriger Eingriff in das Recht der Verfügungsklägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (LAG Rheinland-Pfalz 05.03.1986 – 1 Ta 50/86 – NZA 1986, 264, 265).

39

aa) Die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Streikmaßnahmen ergibt sich nicht schon aus der den Fluglotsen übertragenen Aufgabe. Dem Arbeitskampfrecht in Bereichen der Daseinsvorsorge können zwar zum Schutz anderer Rechte Beschränkungen auferlegt werden, ein völliger Ausschluss des Arbeitskampfsrechts für bestimmte Bereiche kann aber nicht als zulässig angesehen werden. Die durch einen Arbeitskampf beeinträchtigten Rechte Dritter sind vielmehr durch Notdienste und ähnliches zu wahren (vgl. nur Kissel, Arbeitskampfrecht, § 28 Rz. 26; Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 31 b Rn12). Vereinbarungen über derartige Notdienste hat der Verfügungsbeklagte angeboten, weshalb unter diesem Gesichtspunkt eine Untersagung der Arbeitskampfmaßnahmen ausscheidet.

40

bb) Die Rechtswidrigkeit des Streiks ergibt sich aber daraus, dass der Verfügungsbeklagten nach Auffassung der Kammer letztlich nicht als Gewerkschaft angesehen werden kann.

41

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss eine Arbeitnehmervereinigung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, um tariffähig und damit eine Gewerkschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG zu sein. Sie muss sich als satzungsgemäße Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt haben und willens sein, Tarifverträge abzuschließen. Sie muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Weiter ist Voraussetzung, dass die Arbeitnehmervereinigung ihre Aufgabe als Tarifpartnerin sinnvoll erfüllen kann. Dazu gehört einmal die Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, zum anderen aber auch eine gewisse Leistungsfähigkeit der Organisation.

42

Darüber hinaus muss die Arbeitnehmervereinigung auch von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage sein, die ihr gestellten Aufgaben zu erfüllen. Der Abschluss eines Tarifvertrages erfordert Vorbereitungen. Er muss der Mitgliedschaft vermittelt und auch tatsächlich durchgeführt werden. Dies alles muss eine Arbeitnehmervereinigung sicherstellen, um Tarifverträge abschließen zu können (BAG 06.06.2000 - 1 ABR 10/99 - NZA 2001, 160, 162).

43

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich letztlich, dass der Verfügungsbeklagte nicht als Gewerkschaft anzusehen ist, weil er zwar wesentliche Merkmale erfüllt, es aber an der erforderlichen Unabhängigkeit fehlt.

44

(a) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte nicht frei gebildet ist. Auch der Wille zur Anerkennung des geltenden Tarifrechts als verbindlich lässt sich aus der Satzung entnehmen. Die satzungsmäßige Aufgabe entspricht den genannten Erfordernissen, und es ist der Wille des Verfügungsbeklagten, Tarifverträge abzuschließen. Ebenfalls nicht zu zweifeln ist an der Gegnerfreiheit, die verlangt das eine Arbeitnehmerkoalition nur aus Arbeitnehmern und nicht aus Mitgliedern des sozialen Gegenspielers besteht (vgl. nur Bauer in: Dreier GG Band 1, 2. Auflage, Art. 9 Rz. 77).

45

(b) Die Durchsetzungsfähigkeit kann nicht verneint werden.

46

Ob eine Arbeitnehmervereinigung eine hinreichende Durchsetzungsfähigkeit besitzt, muss aufgrund aller Umstände im Einzelfall festgestellt werden. Dabei kommt der Mitgliederzahl grundlegende Bedeutung zu sowie auch dem früheren Abschluss von Tarifverträgen. Ist es noch nicht zu ernsthaften Verhandlungen über einen Tarifvertrag gekommen, kann im Einzelfall auch die Prognose ausreichen, aufgrund der Organisationsstärke sei die Aufnahme von Tarifverhandlungen ernsthaft zu erwarten (BAG 06.06.2000 aaO).

47

Nach der derzeitigen Struktur der Flugsicherung und dem Inhalt der Satzung des Verfügungsbeklagten will dieser alle Mitarbeiter der T, also auch die, die nicht unmittelbar der Flugsicherung als solcher, also in deren operativen Bereich tätig sind, ansprechen. Denn in der Satzung heißt es: "Alle mit der Durchführung der Flugsicherung befassten Unternehmen." Diese Formulierung ist nicht berufsbezogen, erfasst somit alle Mitarbeiter der T – etwa in kaufmännischen Bereichen. Darüber hinaus sollen alle Betriebe, die mit Flugsicherung befasst sind, erreicht werden, also die Bereiche, Betriebsabteilungen oder tatsächlich Betriebe im eigentlichen Sinne, die im Rahmen eines Unternehmens, das andere Zwecke als Flugsicherung verfolgt. Das sind insbesondere Fluglotsen und Flugtechniker an den Regionalflughäfen sowie die Flugsicherungsmitarbeiter beim Luftfahrtbundesamt, die als Arbeitnehmer im Bereich der Flugsicherung tätig sind. Daraus ergibt sich eine Zahl von nahezu 5.500 Arbeitnehmern als potentielle Mitglieder bei einer tatsächlichen Mitgliederzahl von 1.700 ordentlichen Mitgliedern beim Verfügungsbeklagten und somit ein Organisationsgrad von 30 %.

48

Das ist ein hoher Organisationsgrad, der für eine Fähigkeit spricht, trotz der absolut geringen Mitgliederzahl Druck auf die Gegenseite ausüben zu können. Dies gilt um so mehr, als es sich bei der Mehrzahl der Mitglieder und einem Großteil der angesprochen potentiellen Mitglieder um Spezialisten in Schlüsselstellungen handelt, deren Arbeitsniederlegungen weitreichende Folgen haben und deren Arbeitsleistung nicht von anderen übernommen werden kann (vgl. nur BAG 06.06.2000 aaO). Man wird insoweit Fluglotsen nicht anders beurteilen können als die insoweit meist – auch vom Bundesarbeitsgericht - als Beispiel genannten Piloten. Dass es bisher zum Abschluss von Tarifverträgen nicht gekommen ist, ist angesichts dessen nicht von Bedeutung.

49

(c) Auch die Leistungsfähigkeit des Verfügungsbeklagten dürfte entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin den Anforderungen noch genügen.

50

Der Abschluss von Tarifverträgen erfordert Vorbereitungen. So sind die konjunkturellen Entwicklungen und sonstigen Rahmenbedingungen zu beobachten und zu prognostizieren, um daraus die Tarifforderungen zu entwickeln. Zum anderen muss auch die tatsächliche Durchführung eines Tarifvertrages überwacht und gesichert werden. Das Verhandlungsergebnis, das regelmäßig Kompromisscharakter hat, muss verbandsintern vermittelt und durchgesetzt werden. Dies alles muss eine Arbeitvereinigung sicherstellen, um als Tarifvertragspartei Tarifverträge abschließen zu können (BAG 06.06.2000 - 1 ABR 10/99 - NZA 2001, 160, 163). Welche Ausstattung insofern zu fordern ist, ist vom Bundesarbeitsgericht nicht in abstrakten Größen etwa dergestalt festgestellt worden, dass Räumlichkeiten und Personal in einem bestimmten Verhältnis zur Zahl der Mitglieder oder der Größe des Organisationsbereichs gefordert wurden.

51

Bei einer Mitgliederzahl von 1700 ordentlichen Mitgliedern unterhält der Beklagte neben den weiterhin genutzten Räumlichkeiten in der C-Straße in C-Stadt in der C-Straße in C-Stadt eine Geschäftsstelle mit einer Größe von 270 qm. Die Zahl der nicht ehrenamtlich für den Beklagten Tätigen, also die hauptberuflich oder per Auftrag arbeitenden Personen bedeuten- von den großzügigen Räumlichkeiten abgesehen - eine personelle Ausstattung von etwa vier entgeltlich beschäftigten Personen, wenn man die freiberufliche, aber entgeltliche Tätigkeit des Anwaltsbüros hinzu nimmt und mit etwa einer Arbeitskraft bewertet und schließlich auch die Arbeitsleistung des seitens des Beklagten benannten Publizisten und Journalisten berücksichtigt, hinsichtlich dessen seitens der darlegungsbelasteten Verfügungsklägerin nicht vorgetragen wurde, was gegen seine Tätigkeit im behaupteten Umfang sprechen könnte. Berücksichtigt man weiterhin die berufliche Erfahrung des schon für die Vereinigung Cockpit tätigen Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten sowie die Tatsache, dass die ehrenamtlichen Mitglieder der Tarif- und Verhandlungskommissionen schon zu Zeiten der Kooperation mit ver.di dort tätig waren, erscheint es möglich, mit der personellen Ausstattung, die Aufgaben einer Arbeitnehmervereinigung auszuüben.

52

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass von dem Verfügungsbeklagten ein in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht weitgehend homogener Bereich zu betreuen ist. Es geht nicht darum, Regelungen für eine Mehrzahl von Branchen und Berufen, sowie eine Vielzahl von Betrieben zu treffen und zu überwachen. Auch kann erwartet werden, dass die zu betreuenden Mitglieder von ihrer Ausbildung und ihren Kenntnissen her in der Lage sind, über moderne Kommunikationsmittel Kontakt aufzunehmen und zu halten und Informationen etwa über die Mitgliederzeitungen oder in sonstiger Textform entgegen zu nehmen. Persönliche Ansprechpartner vor Ort werden deshalb weniger als in anderen Bereichen erforderlich sein.

53

(d) Der Verfügungsbeklagte wird als überbetrieblich organisiert anzusehen sein.

54

Das Bundesarbeitsgericht fordert für die Gewerkschaftseigenschaft eine überbetriebliche Organisation, was es bejaht hat, wenn der satzungsmäßige Wirkungskreis der Koalition sich nicht auf den Bereich einer Unternehmensgruppe oder eines Konzerns beschränkt (BAG 06.06.2000 aa0). Das Merkmal wird vom Bundesarbeitsgericht und einem Teil der Literatur als eigenständiges Erfordernis gesehen; es wird die überbetriebliche Organisation gesondert neben der Unabhängigkeit erwähnt. Ein Teil der Literatur sieht das ebenso, ein "Werksverein" sei keine Gewerkschaft, wobei zumeist angenommen wird, eine Ausnahme habe nur gegolten für Spezialbereiche, die ganze Wirtschaftszweige umfassten, wobei zumeist die Deutsche Bundesbahn und die Bundespost genannt werden (vgl. Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 4. Auflage, S. 103 f.; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Auflage, S. 1586; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Bd. I, S. 406; Kissel, Arbeitskampfrecht, 32; H/K/Z/Z, TVG, 2. A., § 2 Rn 41).

55

Der Organisationsbereich des Verfügungsbeklagten erfasst satzungsgemäß die T und die Betriebe oder Betriebsabteilungen der Flugsicherung auf den Flughäfen, auf denen nach §§ 27 d Abs. 4 Satz 1, 29 Abs. 1, § 31 b Abs. 2 Satz 1 LuftVG Arbeitnehmer der Flughafenbetreiber als Beliehene in der Flugsicherung tätig sind. Die Zahl dieser Flughäfen wurde im Termin mit etwa 17 angegeben. Das Zahlenverhältnis der in den jeweiligen Einheiten beschäftigten Arbeitnehmer ist hingegen ein Verhältnis von 330 Mitarbeitern außerhalb zu 5.150 Mitarbeitern innerhalb der T. Das bedeutet, dass der Prozentsatz der potentiellen Mitglieder außerhalb der T unter 7 % liegt.

56

Diese Gegenüberstellung der beiden Mitgliedsbereiche lässt die Überbetrieblichkeit zwar fraglich erscheinen (Vgl. Rieble in: Gutachten zur Tariffähigkeit einer künftigen Deutsche Flugsicherung Gewerkschaft, - künftig:Gutachten -, Anlage B 28, S.22). Im Hinblick darauf aber, dass das Merkmal, wenn man es als eigenständiges versteht, im wesentlichen der funktionalen Abgrenzung des Tarifvertragssystems von der Betriebsverfassung dient (Rieble, Gutachten, S.19), wird entscheidend darauf abzustellen sein, dass dem Verfügungsbeklagten eine Mehrzahl von Arbeitgebern als Ansprechpartner bzw. Gegner gegenüber stehen, nämlich die T sowie die Betreiber der 17 Regionalflughäfen. Diese sind auch als Arbeitgeber der Fluglotsen bzw. als Betreiber der Flughäfen nicht wie der Konzern oder die Unternehmensgruppe, die vom Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Überbetrieblichkeit erwähnt wurde, verbunden. Lediglich zwischen den an den Regionalflughäfen beauftragten Fluglotsen und der T besteht eine rechtliche Verbindung insofern, als die T gem § 31 b Abs. 2 S. 2 LuftVG die Fachaufsicht ausübt.

57

(e) Der Verfügungsbeklagte ist aber angesichts seiner Größe und des soeben behandelten satzungsmäßigen Organisationsbereichs nicht als unabhängig anzusehen.

58

Die Tariffähigkeit setzt Unabhängigkeit vom sozialen Gegenspieler, vom Staat und von gesellschaftlichen Organisationen voraus. Eine Gewerkschaft darf weder durch personelle Verflechtungen oder in organisatorischer Hinsicht beeinflussbar sein (Däubler/Peter, TVG § 2 Rn 30). Dazu wird vielfach angenommen, das Merkmal der sogenannten Überbetrieblichkeit sei nur in diesem Zusammenhang bedeutsam. Es sei Ausprägung der Forderung nach Gegnerunabhängigkeit und müsse in Richtung auf diesen Blickwinkel beurteilt werden. So sei ein kleiner Verband, der im wesentlichen nur bei einem Arbeitgeber Mitglieder habe, nicht unabhängig (Rieble, FS für Wiedemann, 2002, 519, 533). Die Beschränkung einer Arbeitnehmervereinigung auf nur einen Arbeitgeber sei als Indiz für das Vorliegen einer Abhängigkeit anzusehen (vgl. Höfling RdA 1999, 182, 184; Franzen RdA 2001, 1,6 Löwer in: v. Münch/Kunig GG Art. 9 Rn. 77; Jarass/Pieroth GG 7. Auflage Art. 9 Rz. 24 AK - GG - Kittner, Art. 9 Rz. 51; Bauer in: H. Dreier GG Band 1, 2. Auflage Art. 9 Rn. 78; ErfK/Dieterich Art. 9 GG Rn. 25, Däubler,aaO, Einleitung Rn. 90, Däubler/Peter aaO § 2 Rn 51 f; Stelling, NZA 1998, 920, 924).

59

Es wird zutreffend darauf hingewiesen, dass in einer betrieblichen Vereinigung der Arbeitgeber die Tarifauseinandersetzung mit Arbeitnehmern aus seinem Betrieb führt. Die Verhandlungsführer und Verbandsfunktionäre können mit ihrem Arbeitgeber in Konflikt geraten. Besteht hingegen aufgrund der Größe bzw. personellen Ausstattung die Möglichkeit zum Einsatz hauptamtlicher Mitarbeiter ist die Gewähr für persönliche Unabhängigkeit ohne weiteres gegeben (Rieble, Gutachten, S. 21). Hinzu kommt als entscheidender, zu Recht häufig angeführter Gesichtspunkt, dass eine im Wesentlichen auf ein Unternehmen beschränkte Vereinigung in ihrem Bestand von diesem abhängig ist (Däubler/Peter aaO; Gamillscheg aaO; Rieble, FS aaO). Die Stilllegung des Betriebs bedeutet das Ende der Gewerkschaft. Insoweit kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass es etwa mit den Gewerkschaften für Post und Bahn schon immer Koalitionen gegeben habe, die sich ganz oder doch wesentlich auf ein Unternehmen konzentriert haben. Insoweit handelte sich um große Bereiche, die ganze Wirtschaftszweige umfassten (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 187 III 2.). Für die nie in Frage gestellte Unabhängigkeit und Mächtigkeit der genannten Vereinigungen war nicht zuletzt ihre Größe entscheidend (Stelling aaO; Rieble, Gutachten, S.22).

60

Auch wenn der Beklagte angegeben hat, 25 % seiner Mitglieder stünden nicht in einem Arbeitsverhältnis mit der T, ist der ganz überwiegende Teil dort beschäftigt. Angesichts der absolut betrachtet geringen Größe und der absolut gesehen auch geringen Anzahl hauptamtlicher Mitarbeiter spricht alles für ein Gegenüber von Arbeitgeber und Arbeitgeber in der Tarifauseinandersetzung für die große Mehrheit der Mitglieder. Der Verfügungsbeklagte kann nach seiner personellen Ausstattung keine hauptamtliche Verhandlungskommission einsetzen. Der Vergleich mit Betriebsratsmitgliedern, denen ebenfalls Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zugemutet und zugetraut werden, zieht einerseits angesichts der besonderen Schutzvorschriften im BetrVG auch hinsichtlich der Verdienstsicherung nicht. Zudem gilt die Richtigkeitsgewähr, die für Tarifverträge nur aufgrund der Mächtigkeit und Unabhängigkeit der Tarifparteien angenommen wird (Däubler aaO, Rn 210), nicht für Betriebsvereinbarungen.

61

Auch für den Verfügungsbeklagten gilt, dass sein Bestand von dem der T abhängt. Die Zahl der möglichen Mitglieder außerhalb der T lässt eine gewerkschaftliche Organisation nicht zu. Allerdings handelt es sich bei der Flugsicherung um eine sicherheitspolizeiliche Aufgabe, die nicht eingestellt werden kann. Jedoch besteht die Möglichkeit, die Privatisierung rückgängig zu machen und die Flugsicherung wieder von Beamten ausführen zu lassen, was der gewerkschaftlichen Tätigkeit des Verfügungsbeklagten den Boden entzöge. Daran wird deutlich, dass eine kleine, wesentlich auf einen Arbeitgeber konzentrierte Organisation wie der Verfügungsbeklagte elementar von Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers abhängig ist, weshalb ihr Unabhängigkeit abzusprechen ist (Rieble, Gutachten, S.23).

62

cc) Der Streik stellt außerdem einen Verstoß gegen den das Arbeitskampfrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Denn die von dem Verfügungsbeklagten angestrebten Regelungen kämen nach dem Grundsatz der Tarifeinheit nicht zur Geltung.

63

(1) Durch den Abschluss von Tarifverträgen zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten käme es entgegen der vom Verfügungsbeklagten vertretenen Auffassung zum einem Fall von Tarifpluralität.

64

(a) Die Verfügungsklägerin wäre als jeweilige Tarifvertragspartei an die schon mit ver.di geschlossenen Tarifverträge und an die sodann mit dem Verfügungsbeklagten geschlossenen Tarifverträge gebunden. Beide Tarifverträge hätten - was jetzt schon erkennbar und entscheidend ist - einen sich überschneidenden Geltungsbereich. Denn die im Betrieb der Verfügungsklägerin geltenden Tarifverträge erfassen nach ihrem Geltungsbereich alle Arbeitnehmer und alle Arbeitnehmerinnen der Verfügungsklägerin, also auch die in der Flugsicherung Tätigen, für die ja der Verfügungsbeklagte Abschlüsse erzielen will (vgl. zum Begriff der Tarifpluralität BAG 05.09.1990 - 4 AZR 459/90 - NZA 1991, 202, 203, Schliemann, Sonderbeilage zu NZA Heft 24/00, 24, 25 f). Die Fälle der Tarifpluralität löst das Bundesarbeitsgericht nach den gleichen Grundsätzen wie diejenigen der sogenannten Tarifkonkurrenz, die vorliegt, wenn für ein Arbeitsverhältnis die Individualnormen konkurrierender Tarifverträge unmittelbar und zwingend gelten, sei es auf Grund von Tarifgebundenheit oder Kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung (vgl. BAG aaO; Schliemann aaO). Es kommt nur der "speziellere" Tarifvertrag zur Anwendung. Darunter wird derjenige verstanden, der dem Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am Nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der darin tätigen Arbeitnehmer am Besten gerecht wird (BAG 04.12.2002 - 10 AZR 113/02 - juris Rn 29; BAG 20.03.1991 - 4 AZR 455/90 - NZA 1991, 736, 739), was insbesondere auch der Tarifvertrag sein kann, der die Mehrheit der Arbeitnehmer erfasst (BAG 05.09.1990 aaO; Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn 77).

65

Diese Rechtsprechung hat seit jeher Kritik im Schrifttum und auch in der Rechtsprechung erfahren (vgl. aus der letzten Zeit etwa Hessisches LAG 02.05.2003 – 9 Sa Ga638/03 - BB 2003,1229, 1231; Rieble, BB 2003,1227, 2228; die Nachweise bei Schliemann aaO, Fußnote 101). Das Bundesarbeitsgericht hat seine Ansicht unter Hinweis auf die Gebote der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit verteidigt und die Auffassung vertreten, die Koalitionsfreiheit sei nicht berührt. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge, die von verschiedenen Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden seien, in einem Betrieb nebeneinander führe zu praktischen, kaum lösbaren Schwierigkeiten. Allein die betriebseinheitliche Anwendung des branchenspezifischen Tarifvertrages unter Anknüpfung an die Tarifbindung des Arbeitgebers sei geeignet, derartige Schwierigkeiten zu vermeiden. Wollte man auch auf die Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer abstellen, setzte dies eine rechtlich nicht begründbare und tatsächlich nicht durchsetzbare Pflicht zu deren Offenbarung voraus. Hinzu kämen die Schwierigkeiten durch Wechsel in der Gewerkschaftszugehörigkeit (BAG 05.09.1990 aaO S. 204; 20.03.1991 aaO S.738 f; 26.01.1994 – 10 AZR 611/92 – NZA 1994, 1038, 1040 f; 04.12.2002 - 10 AZR 113/02 – juris Rn 29 f). Das Bundesarbeitgericht sieht die Einschränkungen der einzelnen Koalitionen und ihrer Mitglieder als gerechtfertigt an, um die Tarifautonomie als Institution zu sichern (Buchner BB 2121, 2127). Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung; gerade im Eilverfahren, in dem eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht erreicht werden kann, liegt es im Interesse des Vertrauensschutzes nahe, von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht abzuweichen. (vgl. Walker ZfA 1995, 185, 194; G/M/M-G/P, ArbGG, 4. A., § 62 ArbGG)).

66

(b) Vorliegend ergibt sich aus dem Grundsatz der Tarifeinheit bzw. der Spezialität im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass ein von dem Verfügungsbeklagten erkämpfter Tarifvertrag nicht zur Anwendung käme.

67

Ein Tarifvertrag, der nur in der Flugsicherung Tätige, vorliegend also etwa 15 der bei der Verfügungsklägerin beschäftigten Arbeitnehmer erfasst, ist im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht spezieller als derjenige, der auch für Fluglotsen und die übrigen ca. 250 Arbeitnehmer gilt (Rolfs/ Clemens NZA 2003 410, 414; Buchner aaO S.2124). Nach dem Prinzip der Tarifeinheit wären vielmehr die bisher schon angewandten Tarifverträge heranzuziehen, denn es kommt nicht darauf an, ob ein für eine bestimmte Berufsgruppe besonders geschlossener Tarifvertrag der speziellere ist, sondern es ist entscheidend, dass ein Tarifvertrag geeignet sein muss, eine tarifliche Ordnung für den Betrieb insgesamt zur Verfügung zu stellen (Buchner aaO S. 2124). Im Falle des Nebeneinanders von mit ver.di geschlossenen Tarifverträgen, die auch für Fluglotsen gelten, mit von dem Verfügungsbeklagten geschlossenen Tarifverträgen, die ausschließlich Fluglotsen erfassen, müssten letztere zurücktreten. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch soweit und obwohl es zur Folge hätte, dass Arbeitnehmer/ innen ihren eigenen Tarifschutz oder auch den Schutz eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages verlieren, ohne dass ihnen die Wirkungen des Tarifvertrages, dem Vorrang zugesprochen wird, zugute kommt, was das Bundesarbeitsgericht im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit hinnimmt (05.09.1990 aaO S.204; 26.01.1994 aaO S.1041).

68

(2) Der Streik mit dem Ziel, einen Tarifvertrag zu schließen bzw über dessen Abschluss zu verhandeln, der dann aber nicht zur Anwendung kommt, verstößt gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot (Buchner aaO S. 2126; Rolfs/ Clemens aaO; Rieble aaO S. 1228; Löwisch/ Rieble, Zulässigkeit von Arbeitskämpfen, AR-Blattei SD 170.2 Rn 44).

69

Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts werden Arbeitskämpfe an dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne gemessen. Danach sind nur Arbeitskämpfe zulässig, die zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfzieles geeignet, erforderlich und nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen. (BAG13.07.1993 – 1 AZR 676/92 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 127).

70

Nach Auffassung der Kammer wären vorliegend Arbeitskampfmaßnahmen unverhältnismäßig im engeren Sinne, ein Streik stünde außer Verhältnis zum erstrebten Ziel. Zwar wäre ein Tarifvertrag zwischen der Verfügungsklägerin und dem Verfügungsbeklagten wirksam, andernfalls könnte ja nicht von einer Normenkollision gesprochen werden. Aber er käme während des Bestehens eines im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung spezielleren Tarifvertrages nicht zur Anwendung, sondern würde verdrängt (BAG 20.03.1991 aaO S.739). Die Mitglieder des Verfügungsbeklagten kämen nicht in den Genuss der erstrebten Regelung. Anwendung fänden die Tarifvorschriften nur im Falle einer Änderung des Geltungsbereichs der bestehenden Haustarifverträge bei der Verfügungsklägerin in Form einer Herausnahme der Fluglotsen oder für die Dauer eines Zeitraums, in dem die bestehenden Haustarifverträge mit ver.di nur noch gemäß § 4 Abs. 5 TVG Geltung beanspruchen könnten (vgl. Buchner S. 2125).

71

Es ginge also um einen Arbeitskampf wegen eines Tarifvertrages, der den für ihn allgemein vorgesehenen Zweck der normativen Regelung der von ihm erfassten Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nicht, sondern nur unter gewissen, von dem Verfügungsbeklagten nicht beeinflussbaren Umständen erzielen würde. Es steht deshalb das Mittel des Arbeitskampfes außer Verhältnis zum Kampfziel (Buchner aaO; Rolfs/ Clemens aaO; Rieble aaO S. 1228; Löwisch/ Rieble, aaO), was nichts mit verbotener Tarifzensur zu tun hat, da es nicht um die Beurteilung des Inhalts der Forderung geht, sondern ausschließlich um die Frage ihrer normativen Wirkung.

72

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten folgt kein anderes Ergebnis aus den vom Hessischen Landesarbeitsgericht (02.05.2003 NZA 2003, 679, 68O) herangezogenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 20.03.1991 (aaO) und vom 26.1O.1971 (- 1 AZR 113/68 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 44). Beide Entscheidungen betrafen gerade nicht den Fall eines Arbeitskampfes um einen Tarifvertrag, der nach seiner Entstehung wegen eines vorrangig anzuwendenden Tarifvertrages verdrängt wird. So betont das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung aus dem Jahr 1971 auch gerade das Interesse an einer normativen Wirkung, die vorliegend gerade nicht zum Tragen käme.

73

dd) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche so genannte Erstbegehungsgefahr ist gegeben (vgl. dazu Walker ZfA 1995, 185, 199).

74

In dem Schreiben vom 14.10.2003 hat der Verfügungsbeklagte durch seinen Bundesvorstand mitgeteilt, dass die Verfügungsklägerin nach ergebnislosem Fristablauf jederzeit mit Warnstreiks und ggf. einer Urabstimmung, also mit Arbeitskampfmaßnahmen rechnen müsse. Es bestand deshalb die ernstliche Gefahr, dass der Verfügungsbeklagte ab diesem Zeitpunkt Arbeitsniederlegungen bei der Verfügungsklägerin veranlassen würde.

75

3) Auch der notwendige Verfügungsgrund ist gegeben.

76

a) Es ist zunächst die Notwendigkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Verfügung deshalb zu bejahen, weil der Verfügungsklägerin, die nach dem Vorgesagten einen Unterlassungsanspruch hat, ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Verlust dieses Anspruchs durch Zeitablauf droht (vgl. nur Walker aaO S. 202 f.).

77

b) Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Gunsten der Verfügungsklägerin aus.

78

aa) Da es sich bei einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung eines Streiks um eine Befriedigungsverfügung handelt, die nicht nur eine vorläufige Sicherung bewirkt, sondern für die Dauer ihrer Geltung vollendete Tatsachen schafft, hat im Rahmen der Prüfung des Verfügungsgrundes eine abschließende Interessenabwägung stattzufinden (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz 05.03.1986 - 1 Ta 50/86 - NZA 1986, 264, 265; Düwell/ Lipke/ Krönig Arbeitsgerichtsverfahren § 63 Rd. Ziff. 47). Dabei kommt es nicht vorrangig auf die Höhe des möglicherweise eintretenden Schadens auf Seiten der jeweiligen Antragsteller an, sondern in erster Linie ist der zu erwartende Ausgang eines Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen (Walker aaO S. 205f; Dütz, BB 1980, 533, 539; LAG Rheinland-Pfalz aaO; LAG Niedersachsen 25.03.1987 - 4 Sa 328/97 NZA Beilage 2/98 35, 38; LAG Hamm 31.05.2000 – 18 Sa 858/00 – juris Rn 87 f ). Je wahrscheinlicher ein Obsiegen des Arbeitgebers in der Hauptsache ist, um so mehr gehen seine Interessen der Gewerkschaft vor. Ist umgekehrt der geplante Streik aus Sicht des Gerichts offenkundig rechtmäßig, muß das Verfügungsgesuch zurückgewiesen werden, auch wenn das bestreikte Unternehmen besonders hart betroffen ist (Schäfer aaO S.188). Erst bei nicht eindeutiger Sach- und Rechtslage kommt es auf die Schutzbedürftigkeit der Parteien an (Walker aaO S.206f).

79

bb) Danach ergibt sich ein Überwiegen der Interessen der Verfügungsklägerin, da ihr Obsiegen im Hauptsacheverfahren sehr wahrscheinlich ist. Das gilt selbst dann, wenn im Hinblick auf die Gewerkschaftseigenschaft und das in diesem Zusammenhang beim Arbeitsgericht Offenbach anhängige Verfahren nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 97 ArbGG von einer unklaren Rechtslage auszugehen wäre.

80

Der Verfügungsanspruch war jedenfalls aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Grundsätzen der Behandlung von Tarifpluralität sowie des im Arbeitskampfrecht geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu bejahen. Die Tatsachen sind insoweit unstreitig.

81

Mangels besonderer Umstände vermögen die Interessen des Verfügungsbeklagten eine schutzwürdigere Position nicht zu begründen. Er hat sich auf den stets mit der Untersagung geplanter Streikmaßnahmen verbundenen Gesichtspunkt berufen, dass diese dann nicht unter den gegebenen zeitlichen, örtlichen und sonstigen Umständen durchgeführt werden können. Der Verfügungsbeklagte hat den bekannten Satz zitiert, dass ein Streik nicht wie eine Taschenlampe an- und ausgeknipst werden könne. Darüber hinausgehende Gesichtspunkte wie etwa eine besonders aufwändige Streikvorbereitung für eine große Anzahl von Mitgliedern ist hingegen nicht ersichtlich (vgl. Walker aaO S.207). Vielmehr gibt es nur eine sehr überschaubare Zahl an für den Streik bei der Verfügungsklägerin in Betracht kommenden Arbeitnehmer/innen, deren erneute Mobilisierung durch direkte Ansprache eher möglich erscheint, als wenn viele Menschen wieder in Gang gesetzt werden müssen.

82

Im übrigen stehen dem Belange auf Seiten der Verfügungsklägerin gegenüber, die nicht als weniger schutzwürdig angesehen werden können. Es muss hinsichtlich der Auswirkungen eines Arbeitskampfes für die Verfügungsklägerin insbesondere berücksichtigt werden, dass die von ihr zu erbringenden bzw. zu ermöglichenden Transportleistungen anders als etwa Produktionsleistungen zeitgebunden und kaum nachholbar sind (vgl. dazu Buchner aaO S.2129). Wer Termine wahrzunehmen hat oder eine Wochenendreise plant, hat an einem auch nur um einige Stunden verschobenen Flug kein Interesse mehr. Es ist grundsätzlich nicht möglich, etwa durch Mehrarbeit eingetretene Einbußen auszugleichen, wie dies im produzierenden Gewerbe denkbar ist. Von daher besteht auch für die Verfügungsklägerin neben dem Rechtsverlust, wenn keine einstweilige Verfügung ergeht, die Gefahr nicht wieder gut zu machender wirtschaftlicher Einbußen.

83

Bei sich gleichgewichtig gegenüber stehenden Belangen ist aber zu Gunsten der Partei zu entscheiden, die in der Hauptsache mit – großer – Wahrscheinlichkeit obsiegt (Dütz aaO S. 539), also vorliegend zu Gunsten der Verfügungsklägerin.

84

Insgesamt ergibt sich damit, dass die Berufung des Verfügungsbeklagten mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen war.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.