Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 Sa 147/09

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts M. vom 21.01.2009, 10 Ca 768/08, teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.156,00 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2008 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 22.156,00 €.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten zuletzt noch die Zahlung einer Abfindung.

2

Die Beklagte gehört zum Konzern der R.-Gruppe. Der Kläger, geboren am … 1957, verheiratet und zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig, war seit dem 16.02.2001 für verschiedene Gesellschaften dieser Gruppe tätig, seit dem 15.01.2005 war er bei der Beklagten beschäftigt. Er bezog zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt von 5.539,00 € zuzüglich Nebenleistungen (Tantieme, Dienstfahrzeug auch zur privaten Nutzung, Erstattung der durch die Zulassung des Klägers als Rechtsanwalt entstehenden Kosten).

3

§ 7 des Anstellungsvertrages vom 05.01.2004 sieht vor:

4

„Herr A. wird sich während der Dauer des Anstellungsvertrages nicht an einem Unternehmen beteiligen, das mit der Gesellschaft in Konkurrenz steht oder in wesentlichem Umfang Geschäftsbeziehungen zu der Gesellschaft unterhält. Anteilsbesitz, der keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglicht, gilt nicht als Beteiligung im Sinne dieser Bestimmung.“

5

Unter dem Datum 22.02.2008 beantragte der Kläger die Bewilligung von Elternzeit für die Dauer eines Jahres ab dem 22.04.2008, die ihm unter dem 25.02.2008 von der Beklagten bewilligt wurde mit dem Zusatz, der Kläger dürfe während dieser Zeit im Rahmen des gesetzlich Zulässigen einer beruflichen Tätigkeit nachgehen.

6

Geschäftsführer der Beklagten war zunächst H. R.. Am 26.02.2008 hielten die Gesellschafter C. B. und N. R., die eine Anteilsmehrheit innehatten, eine außerordentliche Gesellschafterversammlung ab, in der sie H. R.. als Geschäftsführer abberiefen und N. R. zum neuen Geschäftsführer bestellten. Dies teilte N. R. dem Kläger am gleichen Tage mit, während H. R. den Kläger anwies, nicht mit N. R. zusammenzuarbeiten und keine Informationen herauszugeben. Am 27.02.2008 ordnete H. R. an, dass der Kläger seine Arbeit flexibel und gegebenenfalls von zu Hause aus zu erledigen habe. Am 27. oder 28.02.2008 ließ N. R. den Computer des Klägers aus dessen Büro entfernen, weil er angeblich Urkunden gefälscht habe. Am 28.02.2008 bewilligte H. R. dem Kläger Urlaub für die Zeit vom 10.03. bis zum 22.04.2008. Vom 03. bis zum 07.03.2008 betreute der Kläger seine erkrankte Tochter.

7

Mit Schreiben vom 10.03.2008 verweigerte das Amtsgericht M. die Eintragung von N. R. als Geschäftsführer der Beklagten, da die Beschlüsse vom 26.02.2008 unter Missachtung von Frist und Form gefasst worden seien.

8

Unter dem 17.03.2008 schlossen der Kläger und H. R. im Namen der Beklagten eine Abfindungsvereinbarung. Diese sah Folgendes vor:

9

„Am 26.02.2008 haben die Gesellschafter der R. C. B. und N. R., die am 22.02.2008 weitere Gesellschaftsanteile an der R. erworben haben, und nun zusammen 80 % der Gesellschaftsanteile halten unter bewusstem Verstoß gegen die gesellschaftsvertraglichen Einladungsfristen und Bestimmungen zur Tagesordnung gegen die Willen des Gesellschafters H. R. eine so genannte Gesellschafterversammlung abgehalten und anschließend Herrn A. mitgeteilt, dass nunmehr Herr N. R. und nicht mehr Herr H. R. Geschäftsführer der R. sei. Die Mitarbeiter der R. wurden ultimativ aufgefordert dies so als richtig zu akzeptieren. Anderenfalls würden die Mitarbeiter zunächst von der Arbeit freigesetzt mit dem Ziel der späteren Aufhebung des Arbeitsvertrages.

10

Herr A. hat dieses offensichtlich rechtswidrige Vorgehen der Gesellschafter B. und N. R. nicht akzeptiert und dem amtierenden Geschäftsführer die Loyalität erklärt.

11

Es steht als sicher zu erwarten, dass angesichts der Mehrheitsverhältnisse unter den Gesellschaftern die Abberufung des amtierenden Geschäftsführers kurzfristig erfolgen und eine Bestellung des Herrn N. R. als Geschäftsführer ebenfalls erfolgen wird. Für Herrn A. ist angesichts der Vorfälle in der Vergangenheit unter diesen Umständen eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem neuen Geschäftsführer sicher nicht mehr möglich und zumutbar.

12

Aus diesem Grund vereinbaren die Parteien:

13

Das Arbeitsverhältnis mit Herrn A. endet mit dem Ende seines Erziehungsurlaubs, spätestens am 22.04.2009. Bis zum Beginn seines Erziehungsurlaubs am 22.04.2008 erhält Herr A. sein reguläres Gehalt nebst Nebenleistungen. Von Arbeitsleistungen ist er freigestellt (Urlaub).

14

Herr A. erhält darüber hinaus eine Abfindung in Höhe von 4 Bruttomonatsgehältern, fällig am 22.04.2008.

15

Die R. verzichtet ab sofort auf die Einhaltung eines Wettbewerbsverbotes durch Herrn A..

16

Mit Erfüllung vorstehender Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche bis auf den Anspruch auf ein ordnungsgemäßes wohlwollendes Arbeitszeugnis abgegolten.“

17

Am 05.04.2008 erklärte H. R. notariell, dass er die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 26.02.2008, nämlich seine Abberufung als Geschäftsführer und die Bestellung von N. R. als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung, genehmige. Grundlage war eine privatschriftliche Vergleichsvereinbarung vom 19./20.03.2008. Der Geschäftsführerwechsel wurde am 24.04.2008 im Handelsregister eingetragen.

18

Mit Schreiben vom 18.04.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie vorsorglich ordentlich.

19

Seit dem 01.05.2008 ist der Kläger bei der R. Baubetreuungsgesellschaft mbH, Geschäftsführer H. R., beschäftigt und betreibt außerdem in denselben Räumen eine Rechtsanwaltskanzlei.

20

Am 11.11.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal.

21

Einer vorzeitigen Beendigung der Elternzeit zum 31.01.2009 stimmte die Beklagte nicht zu.

22

Die Beklagte hat H. R. den Streit verkündet. Er ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

23

Der Kläger hat vorgetragen:

24

Er sei Opfer des Streits zwischen H. und N. R.. Nach der Gesellschafterversammlung am 26.02.2008 habe N. R. ihm weitere wichtige Aufgaben in der Gesellschaft in Aussicht gestellt. Hätte er dessen Anweisungen befolgt, hätte dies H. R. zur Kündigung berechtigt. Nunmehr habe er durch sein korrektes Verhalten H. R. gegenüber seinen Arbeitsplatz verloren.

25

In der Abfindungsvereinbarung sei ein zur Sittenwidrigkeit führendes grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht erkennbar. Angesichts der Dauer seiner Konzernzugehörigkeit sei eine Abfindung von vier Monatsgehältern als moderat zu bezeichnen. Die Abfindungsvereinbarung sei auf Drängen von H. R. zustande gekommen. Er, der Kläger, habe ursprünglich eine Abfindung von sieben bis acht Bruttomonatsgehältern gefordert. Nachdem H. R. einen Fachanwalt für Arbeitsrecht konsultiert habe, habe man sich auf die vier Bruttomonatsgehälter geeinigt. Ohne die Vereinbarung vom 17.03.2008 hätte die Beklagte ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr beschäftigen wollen und ihm noch mehrere Monatsgehälter zahlen müssen. Den Fälligkeitszeitpunkt für die Zahlung der Abfindung habe H. R. vorverlegt, damit die finanziellen Dinge geklärt seien; der Zinsvorteil sei nur geringfügig. Der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei ebenfalls auf Vorschlag von H. R. gewählt worden und führe nicht zu einer finanziellen Belastung für die Beklagte. Ihm, dem Kläger, wäre auch der 21.04.2008 recht gewesen; dann hätte sich auch die Frage eines Wettbewerbsverbots nicht gestellt. Bereits die Gestattung einer Berufstätigkeit während der Elternzeit habe einen Verzicht auf ein Wettbewerbsverbot beinhaltet, so dass die nochmalige Erklärung in der Abfindungsvereinbarung keine Beeinträchtigung der Beklagten darstelle. H. R., dem alle Unterlagen entzogen worden seien, sei irrtümlich davon ausgegangen, dass sein, des Klägers, Arbeitsvertrag ein Wettbewerbsverbot enthalte, und habe mit dem Verzicht die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung ausschließen wollen.

26

Bei der R. Baubetreuungsgesellschaft mbH sei er lediglich zu einer monatlichen Bruttovergütung von 401,00 € beschäftigt. Die Zusammenarbeit mit H. R. habe sich erst ab der zweiten Aprilhälfte 2008 entwickelt. Er verrate keine Betriebsgeheimnisse, da H. R. diese ohnehin kenne. Er erbringe nunmehr überwiegend Leistungen im Bereich der Vermietung, also einem anderen Geschäftsgegenstand als dem der Beklagten. Seine Tätigkeit beeinträchtige die Interessen der Beklagten nicht.

27

Der Kläger hat beantragt,

28

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 18.04.2008 aufgelöst ist, sondern fortbesteht,

29

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.964,66 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 893,39 € seit dem 31.03.2008, aus 22.156,00 € seit dem 22.04.2008 und aus 3.915,27 € seit dem 30.04.2008 zu zahlen,

30

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 421,79 € netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

31

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 11.11.2008 aufgelöst ist, sondern fortbesteht.

32

Die Beklagte hat beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen.

34

Sie hat vorgetragen:

35

Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Beschlusses vom 26.02.2008 seien nicht gerichtlich festgestellt worden. Der Beschluss vom 26.02.2008 sei auch nicht unwirksam, weil Form- und Fristverletzungen das Abstimmungsverhältnis nicht hätten beeinflussen können. H. R. wäre nämlich auch einer fristgemäßen Terminsladung nicht gefolgt und wäre als Betroffener in eigenen Angelegenheiten ohnehin nicht abstimmungsberechtigt gewesen. Aufgrund der Genehmigung durch H. R. und der Eintragung von N. R. als Geschäftsführer seien mögliche Mängel geheilt worden.

36

Der Kläger habe sich nicht loyal verhalten gegenüber der Gesellschafterversammlung als dem obersten Souverän der Gesellschaft. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass eine Gesellschafterversammlung jederzeit neu hätte einberufen werden können und dass aufgrund der Mehrheitsverhältnisse die Abberufung von H. R. als Geschäftsführer nicht hätte verhindert werden können. Auf die Publizität des Handelsregisters könne sich der Kläger nicht berufen, da er nicht gutgläubig gewesen sei.

37

Der Kläger und H. R. hätten kollusiv zu ihrem, der Beklagten, Nachteil zusammengewirkt. H. R. habe falsche Bilanzen erstellt und Kreditverträge in Millionenhöhe abgeschlossen, was der Kläger mitgetragen habe. Die Sachverhalte seien, was unstreitig ist, bereits Gegenstand einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 13.02.2008 gewesen. Da der Kläger folglich mit der fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses habe rechnen müssen, habe er unter anderem durch die unrechtmäßige Abfindungsvereinbarung, die er selbst formuliert habe, Vorsorge zu treffen versucht. Für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung habe es keine Veranlassung gegeben. Mit der vorzeitigen Fälligkeit der Abfindung habe dem Kläger Kapital verschafft werden sollen, um sich an der R. Baubetreuungsgesellschaft mbH beteiligen zu können. Die Zusammenarbeit sei von Anfang an geplant gewesen. In einem seit dem 11.06.2008 vor dem Landgericht M. anhängigen Verfahren, in dem N. R. Beklagter sei, habe der Kläger, der zuvor für N. R. anwaltlich tätig gewesen sei, sich als Kronzeuge des Prozessgegners angedient und diesem Privat- und Geschäftsgeheimnisse offenbart. Auch in weiteren Fällen verletze der Kläger seine Verschwiegenheits- und Treuepflichten und werbe ihr, der Beklagten, Kunden ab. Die Konkurrenztätigkeit während der Elternzeit sei unzulässig.

38

Die fristlose Kündigung beinhalte vorsorglich auch die Anfechtung und den Widerruf der von H. R. als Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossenen Abfindungsvereinbarung.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts M. vom 21.01.2009 verwiesen.

40

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 18.04.2008 noch durch die Kündigung vom 11.11.2008 beendet worden ist. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.808,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 893,39 € (Vergütung für die Zeit vom 03.03. bis zum 07.03.2008) seit dem 31.03.3008 und aus 3.915,27 € (Urlaubsentgelt für die Zeit vom 01.04. bis zum 22.04.2008) seit dem 30.04.2008 sowie weitere 421,79 € netto (Sterbegeldumlage, Kammergrundbetrag, Benzinkosten) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.05.2008 zu zahlen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

41

Zur Begründung der Abweisung der Klage auf Zahlung einer Abfindung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch entfalle gemäß §§ 134, 138 BGB. H. R. sei zwar noch Geschäftsführer der Beklagten gewesen. Die Vereinbarung vom 17.03.2008 sei aber wegen kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Kläger und H. R. nichtig. Da nach dem Vortrag des Klägers kein Anhaltspunkt für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bestehe, hätte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ohne Weiteres ordentlich mit der vertraglich vereinbarten Frist von sechs Wochen zum Monatsende kündigen können. Aufgrund der Vorfälle am 26.02.2008 habe der Kläger mit der Kündigung rechnen und davon ausgehen müssen, dass er allenfalls noch zwei Bruttomonatsgehälter erhalten würde. Demgegenüber habe ihm die Abfindungsvereinbarung vier Bruttomonatsgehälter zukommen lassen, fällig bereits mit Antritt der Elternzeit, sowie die Möglichkeit, sofort in Konkurrenz zur Beklagten zu treten. Dass der Kläger dies auch getan habe, zeige, dass solches von vornherein ins Auge gefasst gewesen sei. Wer die Vereinbarung formuliert habe, sei unerheblich. Bezüglich des genauen Inhalts der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts M. vom 21.01.2009 verwiesen.

42

Gegen das ihm am 21.02.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.03.2009, bei Gericht eingegangen am 12.03.2009, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.05.2009, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.05.2009 verlängert worden war.

43

Nach dem Ende der Elternzeit bot der Kläger der Beklagten seine Arbeitskraft an, war jedoch nur kurz tätig. Insoweit ist zwischen den Parteien streitig, ob die Beklagte dem Kläger einen vertragsgemäßen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat.

44

Der Kläger wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und trägt weiter vor:

45

Schon die Tatsache, dass H. R. wegen der Frage, welche Abfindung angemessen sei, anwaltlichen Rat eingeholt habe, spreche gegen ein kollusives Zusammenwirken. Nachdem er in der R.-Gruppe etwa sieben Jahre tätig gewesen sei, liege die vereinbarte Abfindungshöhe auch nicht weit außerhalb der üblichen Bandbreite. Die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts sei der freien Parteivereinbarung überlassen und habe ihm einen Zinsvorteil von allenfalls 1.000,00 € verschafft. Die Aufhebung eines Wettbewerbsverbots, sofern ein solches überhaupt wirksam vereinbart gewesen sei, sei generell zulässig und wegen der bevorstehenden Elternzeit von untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar gewesen, da die Gesellschaften der R.-Gruppe einen gemeinsamen Betrieb mit mindestens 19 Arbeitnehmern gebildet hätten.

46

Der Kläger beantragt,

47

unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts M. vom 21.01.2009 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.156,00 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2008 zu zahlen.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, nimmt Bezug auf ihren Vortrag erster Instanz und trägt weiter vor:

51

Der Kläger verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bestätige und andererseits wegen der behaupteten Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung begehre. Für den geltend gemachten Anspruch bestehe daher kein Rechtsschutzbedürfnis.

52

Wegen der Abfindungshöhe habe sich H. R. nicht anwaltlich beraten lassen. Vielmehr habe er in anderen Angelegenheiten gegen Gesellschaften der R.-Gruppe einen Rechtsanwalt mandatiert, der auch N. R. vertreten habe, um sie, die Beklagte, unter Druck zu setzen. Bei Kenntnis des Sachverhalts hätte kein Rechtsanwalt die vom Kläger behauptete Auskunft erteilt, was der Kläger als Rechtsanwalt auch gewusst habe.

53

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

54

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

55

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

56

Dem Kläger steht aus der Abfindungsvereinbarung vom 17.03.2008 ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 22.156,00 € brutto (4 x 5.539,00 € brutto) zu. Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.

57

1. Es konnte offen bleiben, ob H. R. bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung am 17.03.2008 noch Geschäftsführer der Beklagten war.

58

a) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird die Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Nach § 10 Abs. 1 GmbHG sind bei der Eintragung einer GmbH in das Handelsregister die Personen der Geschäftsführer anzugeben, und nach § 39 Abs. 1 GmbHG ist jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

59

Eine Abberufung von H. R. als Geschäftsführer war am 17.03.2008 jedenfalls nicht im Handelsregister eingetragen, so dass nach § 15 Abs. 1 HGB die Beklagte dem Kläger grundsätzlich nicht entgegenhalten kann, dass H. R. nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei.

60

Zwar waren dem Kläger die Vorgänge vom 26.02.2008 noch am gleichen Tag mitgeteilt worden. Unabhängig davon, ob die Abberufung von H. R. entsprechend der Auffassung der Beklagten wirksam war oder nicht, durfte aber der Kläger aufgrund des Schreibens des Amtsgerichts M. vom 10.03.2008, in dem die Eintragung von N. R. als Geschäftsführer der Beklagten wegen Fehlern bei der Beschlussfassung am 26.02.2008 abgelehnt wurde, bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung davon ausgehen, dass die Eintragung im Handelsregister richtig, H. R. also weiterhin vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten war. Nur seine positive Kenntnis hätte gegen den Kläger gewirkt. Ein Kennenmüssen genügt nicht, weil der Dritte nicht zu Nachforschungen verpflichtet ist (Baumbach/ Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 15, Rn. 7). Eine Prüfung der Rechtslage konnte dem Kläger, obgleich er Rechtsanwalt ist, nicht abverlangt werden.

61

b) Dass H. R. am 19./20.03.2008 privatschriftlich und am 05.04.2008 auch notariell die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 26.02.2008 einschließlich seiner eigenen Abberufung genehmigte, ist unerheblich. Verträge können nämlich nicht mit Rückwirkung zum Nachteil Dritter, hier des Klägers, geschlossen werden. Die Eintragung von N. R. als Geschäftsführer der Beklagten erfolgte erst am 24.04.2008 im Handelsregister, konnte also dem Kläger am 17.03.2008 nicht entgegengehalten werden.

62

c) Als im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer der Beklagten konnte H. R. am 17.03.2008 die Beklagte wirksam vertreten. Verletzt der Vertreter seine Pflichten aus dem Innenverhältnis, ist, wie sich aus § 37 Abs. 2 GmbHG ergibt, die Vertretung dennoch wirksam. Das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht trägt grundsätzlich der Vertretene.

63

2. Ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Kläger und H. R. erfolgte entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht.

64

a) Kollusion liegt vor, wenn Vertreter und Vertragsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken. Nach § 138 BGB wird der Vertretene dann nicht verpflichtet, muss sich das rechtsgeschäftliche Handeln des Vertreters nicht zurechnen lassen. Ebenso kann § 242 BGB einem Anspruch entgegenstehen, wenn der Vertragsgegner den Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Vertreter kennt oder sich ihm wegen der verdächtigen Begleitumstände ein entsprechender Verdacht aufdrängen muss. Die Berufung auf einen solchen Vertrag gilt als unzulässige Rechtsausübung und genießt nicht den Schutz der Rechtsordnung (BAG, Urteil vom 29.01.1997, 2 AZR 472/96).

65

Dass der Kläger zumindest davon ausgehen durfte, dass H. R. am 17.03.2008 weiterhin vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten war, wurde bereits dargelegt. Mit dem Abschluss der Abfindungsvereinbarung vom 17.03.2009 handelten der Kläger und H. R. auch nicht bewusst zum Nachteil der Beklagten.

66

b) Zwar hatte der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Gleichwohl lag es im Interesse beider Parteien, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Der Kläger befand sich im Unklaren darüber, wessen Anweisungen, denen H. R. oder denen N. R., er zu folgen hatte, und riskierte, sich den Unmut des jeweils anderen zuzuziehen. Auch die Beklagte ging nach ihrem eigenen Vortrag davon aus, dass eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zu erwarten war. Die Beklagte wirft dem Kläger nämlich vor, er habe sich gegenüber der Gesellschafterversammlung nicht loyal verhalten und habe wegen seiner Mitwirkung an der Erstellung falscher Bilanzen und der Aufnahme von Krediten mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen müssen. Wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung hatte N. R. am 27. oder 28.02.2008 den Computer des Klägers beschlagnahmen lassen. Die Beklagte hätte aber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger weder außerordentlich noch ordentlich kündigen können. Der Kläger hatte am 22.02.2008 Elternzeit ab dem 22.04.2008 beantragt, so dass nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG ein Kündigungsverbot bis zum Ende der einjährigen Elternzeit bestand. Eine Kündigung wäre damit nur mit behördlicher Zustimmung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 BEEG möglich gewesen oder ohne eine solche frühestens zum Ende der Elternzeit, § 19 BEEG. Der Abschluss einer Abfindungsvereinbarung war vor diesem Hintergrund nicht fernliegend. Die Situation ist in der Vertragseinleitung zutreffend beschrieben.

67

c) Die getroffene Abfindungsvereinbarung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

68

Die Höhe einer Abfindung ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern unterliegt der freien Vereinbarung der Parteien. Bei einer Betriebszugehörigkeit des Klägers zu der Beklagten von mehr als drei Jahren und einer Konzernzugehörigkeit von mehr als sieben Jahren erscheint die Festlegung einer Abfindung von vier Bruttomonatsgehältern nicht als unangemessen hoch, auch wenn die Werte des – nicht anwendbaren – § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG überschritten sind. Zugrunde gelegt wurde für die Berechnung nur die monatliche Grundvergütung ohne Nebenleistungen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Kläger bei der Beklagten in herausgehobener Position beschäftigt war. Danach ist unerheblich, wie die Einigung über die Höhe der Abfindung zustande gekommen ist und ob eine anwaltliche Beratung erfolgt war.

69

Die unübliche Vereinbarung einer Fälligkeit der Abfindung bereits ein Jahr vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mag darauf zurückzuführen sein, dass der Kläger während dieses Jahres infolge seiner Elternzeit ohnehin keine Arbeitsleistung mehr erbringen würde und daher das Arbeitsverhältnis der Einfachheit halber schon vollständig finanziell abgewickelt werden sollte. Jedenfalls aber verschaffte sie dem Kläger einen nur geringen Zinsvorteil. Dass dem Kläger auf diesem Wege das Kapital für eine Beteiligung an der R. Baubetreuungsgesellschaft mbH zukommen sollte, ist nicht nachgewiesen. Unstreitig ist der Kläger nunmehr Arbeitnehmer der R. Baubetreuungsgesellschaft mbH.

70

Dass in der Abfindungsvereinbarung die Beklagte mit sofortiger Wirkung auf die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots durch den Kläger verzichtete, ist ein erheblicher Vorteil für den Kläger, dem im Zusammenhang mit der Bewilligung der Elternzeit lediglich allgemein gestattet worden war, während dieser einer beruflichen Tätigkeit „im Rahmen des gesetzlich Zulässigen“ nachzugehen. Wettbewerbsverbote bleiben während der Elternzeit, in der die Hauptleistungspflichten ruhen, grundsätzlich bestehen. Ob die Regelung in § 7 des Anstellungsvertrages das allgemein während des Bestands des Arbeitsverhältnisses geltende Wettbewerbsverbot einschränkt, konnte offen bleiben. Nicht jede Besserstellung einer Vertragspartei vermag den Vorwurf der Kollusion zu begründen. Der sofortige Verzicht auf das Wettbewerbsverbot ist für sich genommen nicht geeignet, dem Gericht die Überzeugung von einem kollusiven Zusammenwirken zu vermitteln.

71

d) Auch die Begleitumstände erweisen ein kollusives Verhalten nicht.

72

Dass die Abfindungsvereinbarung nur zwei oder drei Tage vor der zwischen H. und N. R. getroffenen privatschriftlichen Vergleichsvereinbarung getroffen wurde, lässt nicht zwingend auf eine Kollusion schließen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass H. R. am 17.03.2008 bereits entschlossen war, die Beschlüsse der Gesellschaft vom 26.02.2008 alsbald zu genehmigen, und dass der Kläger hiervon wusste. Die Überlegung der Beklagten, die Abfindungsvereinbarung sei möglicherweise rückdatiert worden, bewegt sich im Bereich reiner Spekulation.

73

Die Behauptung der Beklagten, die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der von H. R. geführten R. Baubetreuungsgesellschaft mbH sei von vornherein geplant gewesen, ist ebenfalls nicht nachweisbar, sondern kann allenfalls aufgrund der zeitlichen Nähe vermutet werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass der Kläger sich auch bei anderen Unternehmen beworben hatte. Sollte der Kläger tatsächlich Geschäftsgeheimnisse verraten und unerlaubte Konkurrenztätigkeiten entfalten, könnte die Beklagte hiergegen gerichtlich vorgehen, ohne dass dies indes die Wirksamkeit der Abfindungsvereinbarung beeinträchtigen würde.

74

Ob der Kläger oder H. R. die Idee zum Abschluss der Abfindungsvereinbarung hatte und wer sie formulierte, ist unerheblich.

75

3. Der Kläger verhält sich schließlich auch nicht widersprüchlich.

76

a) Mit seinen Kündigungsschutzklagen wandte sich der Kläger gegen außerordentliche Kündigungen vom 18.04. und 11.11.2008, während die Abfindungsvereinbarung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 22.04.2009 vorsieht. Der Kläger ist nicht gehindert, einerseits die Wirksamkeit der beiden früheren Kündigungen anzugreifen und sich andererseits auf eine erst spätere Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag zu berufen.

77

b) Dass der Kläger nach dem Ende der Elternzeit seine Arbeitskraft der Beklagten angeboten hat, ist ebenfalls unverfänglich. Denn der Kläger trug damit dem Umstand Rechnung, dass das Arbeitsgericht M. in seinem Urteil vom 21.01.2009 von der Unwirksamkeit der Abfindungsvereinbarung und damit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausging.

78

4. Ein Grund für eine Anfechtung oder einen Widerruf der Abfindungsvereinbarung vom 17.03.2008 ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

80

Gründe, die gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision gebieten würden, sind nicht ersichtlich.

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