Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 463/09

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 6.5.2009 - 1 Ca 1025/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren darüber, ob auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis, abgesehen von den im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausnahmeregelungen, die Bestimmungen des TV-L anzuwenden sind.

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Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger, dem W e. V., seit dem 01.04.1991 als Altenpfleger beschäftigt. Der zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag vom 28.03.1991 enthält unter Ziffer 14 folgende Bestimmung:

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"Abgesehen von den hiermit vereinbarten Ausnahmen gelten im Übrigen für das durch diesen Vertrag begründete und geregelte Beschäftigungsverhältnis die Bestimmungen des BAT/AVR in der jeweils maßgebenden Fassung."

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Zur Darstellung des Inhalts des Arbeitsvertrages im Einzelnen wird auf Blatt 5 bis 7 der Akte Bezug genommen.

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Die Höhe der Arbeitsvergütung des Klägers richtete sich immer nach den für die Tarifgemeinschaft Bund/Länder maßgeblichen Vergütungstarifverträgen bzw. Tabellen.

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Nach Inkrafttreten des TVöD und des TV-L bot die Beklagte dem Kläger - ebenso wie anderen Mitarbeitern - an, das Arbeitsverhältnis künftig unter Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des V Werkes (AVR) fortzuführen. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab. Daraufhin vertrat die Beklagte die Auffassung, das Arbeitsverhältnis und insbesondere auch die Arbeitsvergütung des Klägers bestimmten sich fortan nach den maßgeblichen Vorschriften des BAT in seiner letzten Fassung.

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Mit seiner am 24.07.2008 beim Arbeitsgericht eingereichten und mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger zunächst die Erhöhung seiner Arbeitsvergütung zum 01.01.2008 sowie zum 01.01.2009 nach Maßgabe des Tarifabschlusses für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunalen Arbeitgebern geltend gemacht. Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er darüber hinaus die Feststellung begehrt, dass dem Arbeitsverhältnis, abgesehen von den im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausnahmen, die Bestimmungen des TVöD, hilfsweise die Bestimmungen des TV-L, zugrunde zu legen sind.

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Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahme auf den BAT müsse sinngemäß auch als Verweisung auf das Nachfolgetarifwerk, also auf den TVöD bzw. den TV-L verstanden werden. Es handele sich um einen Fall der Tarifsukzession.

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Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,

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im Wege eines Teilurteils vorab festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem mit ihm am 01.04.1991 begründeten und geregelten Beschäftigungsverhältnis, abgesehen von den im Vertrag vereinbarten Ausnahmen, die Bestimmungen des TVöD in seiner jeweils gültigen Fassung zugrunde zu legen,

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hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem mit ihm am 28.03.1991 begründeten und geregelten Beschäftigungsverhältnis, abgesehen von den im Vertrag vereinbarten Ausnahmen, die Bestimmungen des TV-L in seiner jeweils gültigen Fassung zugrunde zu legen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, der TVöD stelle keine bloße Fortschreibung des BAT dar. Im Übrigen habe der BAT auch nicht automatisch mit dem Inkrafttreten des TVöD seine Geltung verloren, sondern lediglich seine zwingende Wirkung eingebüßt und wirke daher nach, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt werde. Im Rahmen einer Vertragsauslegung könne nicht unterstellt werden, dass die Parteien, hätten sie gewusst, dass der BAT gekündigt werde, den TVöD vereinbart hätten. Sie - die Beklagte - hätte bei unterstellter Kenntnis der Kündigung des BAT und der Einführung eines leistungsorientierten Tarifwerkes nicht auf den TVöD, sondern auf die AVR Bezug genommen. Außerdem verweise der Arbeitsvertrag des Klägers auch nicht ausschließlich auf den BAT, sondern auf den "BAT/AVR".

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Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.05.2009 (Bl. 69 - 71 d. A.) Bezug genommen.

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Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 06.05.2009 festgestellt, dass dem Arbeitsverhältnis der Parteien, abgesehen von den im Arbeitsvertrag vom 28.03.1991 vereinbarten Ausnahmen, die Bestimmungen des TV-L in seiner jeweils gültigen Fassung zugrunde zu legen sind. Den Hauptantrag hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Darstellung der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 7 (= Bl. 72 - 74 d. A.) des Urteils vom 06.05.2009 verwiesen.

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Gegen das ihr am 29.06.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.07.2009 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 31.08.2009 verlängerte Berufungsbegründungsfrist am 29.09.2009 begründet.

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Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach die Arbeitsvertragsparteien bei Vertragsschluss offensichtlich der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes vertraut hätten, sei unzutreffend. Vielmehr habe man im Hinblick auf die im Arbeitsvertrag enthaltenen Regelungen sowie in Ansehung der Satzung des V Werkes das Arbeitsverhältnis nach den Grundsätzen des Kirchlichen Rechts gestalten wollen. Insoweit sei durch den TV-L eine völlig neue Situation eingetreten. Weder in den AVR noch im BAT sei der nunmehr im TV-L verankerte Gedanke einer leistungsorientierten Vergütung enthalten. Eine solche widerspreche entschieden ihrem kirchlichen Leitbild. Sie sei daher - ebenso wie die Mitarbeitervertretung - der Auffassung, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien dem Grundgedanken des kirchlichen Arbeitsrechts mehr entsprächen als der TV-L.

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Die Beklagte beantragt,

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das erstinstanzliche Teilurteil abzuändern und die Feststellungsklage insgesamt abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 04.11.2009 (Bl. 125 - 127 d. A.), auf den Bezug genommen wird.

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Wegen aller Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätzen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 25.11.2009 (Bl. 129 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung dem Hilfsantrag des Klägers stattgegeben.

II.

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1. Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig.

27

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger an dieser Feststellung ein rechtliches Interesse hat. Der Feststellungsantrag muss sich dabei nicht auf das gesamte Rechtsverhältnis - etwa auf die Wirksamkeit eines Vertrages - beziehen, sondern er kann auch einzelne Folgen aus einem Rechtsverhältnis, etwa bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht betreffen. Darum geht es dem Kläger im vorliegenden Fall. Er will festgestellt wissen, dass sich seine Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis - abgesehen von dem im Arbeitsvertrag enthaltenen Ausnahmebestimmungen - nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) richten.

28

An dieser Feststellung hat der Kläger auch ein rechtliches Interesse, da die Beklagte die Geltung des TV-L auf das Arbeitsverhältnis in Abrede gestellt hat.

29

Zwar beinhaltet der Feststellungsantrag des Klägers die Einschränkung, dass die Bestimmungen des TV-L nur insoweit auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden seien, als der Arbeitsvertrag keine (abweichenden) Ausnahmeregelungen enthalte. Dies steht jedoch der Zulässigkeit des Feststellungsantrages nicht entgegen. Dass die im Arbeitsvertrag explizit enthaltenen Vereinbarungen der Bezugnahmeklausel in Ziffer 14 des Vertrages vorgehen, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die betreffende Passage im Feststellungsantrag hat daher ersichtlich nur klarstellende Bedeutung und führt auch nicht zur Unbestimmtheit des Antrages.

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2. Die Feststellungsklage ist auch, soweit ihr das Arbeitsgericht stattgegeben hat, begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind - abgesehen von dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausnahmeregelungen - die Bestimmungen des TV-L in seiner jeweils gültigen Fassung anzuwenden.

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Dies ergibt sich zwar nicht aus § 4 Abs. 1 TVG, da weder der Kläger noch die Beklagte tarifgebunden sind. Die Anwendbarkeit des TV-L folgt jedoch aus Ziffer 14 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages.

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a) Zwar sollen nach dem Wortlaut von Ziffer 14 des Arbeitsvertrages nicht die Bestimmungen des BAT, sondern vielmehr diejenigen des "BAT/AVR" in der jeweils maßgebenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Was mit der Bezeichnung "BAT/AVR" gemeint war, ergibt sich weder aus der betreffenden Vertragsklausel noch aus sonstigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages. Die Formulierung könnte dahingehend zu verstehen sein, dass bei bestimmten Regelungskomplexen (z. B. Urlaub oder Entgeltfortzahlung) die Vorschriften des BAT, bei anderen Regelungskomplexen hingegen die Arbeitsvertragsrichtlinien anwendbar sein sollen. Denkbar wäre auch, dass innerhalb einzelner Regelungskomplexe bestimmten Vorschriften des BAT oder der AVR Vorrang eingeräumt werden soll. Die nach den §§ 133, 157 BGB durchzuführende Vertragsauslegung führt insoweit zu keinem eindeutigen Ergebnis, zumal auch keine außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände ersichtlich sind, die diesbezüglich für ein bestimmtes Auslegungsergebnis sprechen könnten. Eine auf nicht bereits in den anderen Klauseln des Arbeitsvertrages bezogene tatsächlich geübte Durchführung des Arbeitsverhältnisses, aus der sich insoweit Rückschlüsse ziehen lassen könnten, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

33

Die somit nicht behebbaren Zweifel hinsichtlich des Umfangs der Bezugnahme auf den BAT gehen nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Bei den im Arbeitsvertrag der Parteien enthaltenen Bestimmungen, insbesondere bei Ziffer 14 des Vertrages handelt es sich um arbeitgeberseitig vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. von § 305 Abs. 1 BGB. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Die in § 305 c Abs. 2 BGB enthaltene Regelung, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen, gibt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wieder, der schon bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch im Arbeitsrecht Geltung besaß. Die Unklarheitenregel beruht auf dem Gedanken, dass es Sache des Verwenders ist, sich klar und unmissverständlich auszudrücken. Danach kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahme auf den BAT sei wegen der unklaren Formulierung "BAT/AVR" in ihrem Umfang eingeschränkt. Die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB, die gerade auch für den Fall gilt, dass die Tragweite einer Verweisung auf Tarifnormen zweifelhaft ist (BAG v. 09.11.2005 - 5 AZR 128/05 - NZA 1999, 659, m. w. N.), führt daher vorliegend zu dem Auslegungsergebnis, dass die Parteien in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages die Geltung des BAT vereinbart haben.

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b) Die Bezugnahmeklausel in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages ist auch dahingehend auszulegen, dass nunmehr auf den TV-L verwiesen wird.

35

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG v. 06.09.2006 - 5 AZR 644/05 - NZA 2007, 352).

36

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt im vorliegenden Fall, dass eine arbeitsvertragliche Bindung der Parteien an die Bestimmungen des TV-L besteht.

37

Der Rechtsvorgänger der Beklagten, mit dem der Kläger den Arbeitsvertrag geschlossen hat, war - ebenso wie die Beklagte - nicht tarifgebunden. Sinn der vertraglichen Regelung konnte daher nicht die Gleichstellung der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen sein. Objektiv erkennbarer Zweck der vertraglichen Inbezugnahme des BAT "in der jeweils maßgebenden Fassung" war es daher, weitgehend einheitliche Arbeitsbedingungen entsprechend den in Bezug genommenen Tarifregelungen zu schaffen und insoweit eine Gleichstellung der Mitarbeiter mit solchen des öffentlichen Dienstes herbeizuführen. Dies ist auch der typische Zweck derartiger Vertragsgestaltungen (vgl. Möller/Welkoborsky, NZA 2006, 1382, 1385).

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Aus Ziffer 14 des Arbeitsvertrages ergibt sich weiter, dass ein verständiger und redlicher Vertragspartner davon ausgehen konnte, dass der Arbeitgeber das tarifliche Normenwerk des öffentlichen Dienstes als interessengerecht betrachtet und dies nicht nur in dem Rechtszustand bei Vertragsschluss. Durch die Einbeziehung der tariflichen Regelungen "in der jeweils maßgebenden Fassung" wurden auch nachfolgende Tarifergebnisse als im Voraus interessengerecht anerkannt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch unter Geltung des BAT dieses Tarifwerk vielfältige Änderungen mit nicht nur unerheblichen Auswirkungen erfahren hat, so dass die im Arbeitsvertrag zum Ausdruck kommende Unterwerfung unter eine nicht mehr vertragsautonome Regelung von vornherein von erheblicher Reichweite war. Aus Sicht der Vertragspartner enthält Ziffer 14 des Arbeitsvertrages die Zusage, dass die in Bezug genommenen tariflichen Regelungen den Inhalt des Arbeitsvertrages bestimmen und dieser auch an zukünftigen Tarifänderungen partizipieren wird. Hierdurch sollten nachfolgende Vertragsverhandlungen über die Arbeitsbedingungen vermieden und deren Anpassung dem Verhandlungsergebnis der Tarifvertragsparteien unterworfen werden. Diese im Arbeitsvertrag angelegte Dynamisierung spricht für eine Auslegung im Sinne des Klägers.

39

Für eine solche Auslegung spricht auch, dass der TV-L zwischen den selben Tarifvertragsparteien ausgehandelt wurde wie auch der BAT, so dass es bei einer Auslegung im Sinne des Klägers nicht dazu kommt, dass die Beklagte nunmehr der Regelungsmacht anderer Tarifvertragsparteien unterworfen wäre. Darüber hinaus wurden durch die neuen Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes - trotz nicht zu verkennender Strukturveränderungen - die bisherigen Regelungsgegen-stände nur mit anderen Inhalten versehen und weitreichende Übergangsrege-lungen vereinbart, so dass es sich um einen Fall der Tarifreform und damit um einen Fall der Tarifsukzession handelt (Möller/Welkoborsky, a. a. O., S. 1385), der nicht mit der Fallkonstellation eines Tarifwechsels vergleichbar ist.

40

Keine andere Beurteilung ergibt sich dann, wenn man infolge der Ersetzung des BAT durch den TVöD und den TV-L von der Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung ausgeht, weil der ursprünglich in Bezug genommene Tarifvertrag nicht mehr fortgeführt wird und deshalb eine Regelungslücke angenommen werden kann. Wie bereits ausgeführt, bezweckte die vertragliche Gestaltung eine weitgehende Gleichstellung der Mitarbeiter der Beklagten mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, wobei auch zukünftige Veränderungen weitreichend mit einbezogen wurden. Dies spricht dafür, dass die Parteien - hätten sie die Regelungsbedürftigkeit erkannt - diese ggf. bestehende Regelungslücke durch ausdrückliche Einbeziehung auch des TV-L geschlossen hätten. In der getroffenen vertraglichen Regelung kommt zum Ausdruck, dass die Vertragsparteien das tarifliche Regelwerk des öffentlichen Dienstes für interessengerecht erachtet haben und deshalb auf eigenständige arbeitsvertragliche Regelungen weitgehend verzichtet haben. Ein übereinstimmender Parteiwille dahingehend, dass durch die Nichtaufnahme auch des Tatbestandes der "Ersetzung" in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages für den Fall der Ablösung des BAT durch einen nachfolgenden Tarifvertrag gerade keine Regelung getroffen werden sollte, lässt sich nicht feststellen.

41

Der Einwand der Beklagten, die in § 18 TV-L normierte Möglichkeit, ein Leistungsentgelt zusätzlich zum Tabellenentgelt einzuführen, widerspreche ihrem kirchlichen Leitbild im Pflegebereich, steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Es macht insoweit nämlich keinen Unterschied, dass die Tarifvertragsparteien, auf deren Regelungen im Arbeitsvertrag Bezug genommen wird, die Einführung einer leistungsorientierten Vergütung nicht noch im BAT selbst, sondern in einem den BAT ersetzenden Tarifvertrag vereinbart haben.

42

c) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergibt sich schließlich, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TV-L, nicht jedoch das Tarifwerk des TVöD anzuwenden ist.

43

Die arbeitsvertragliche Regelung nimmt Bezug auf den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, der durch die damalige Tarifgemeinschaft des Bundes und der Länder abgeschlossen worden war. Hinsichtlich der Höhe der Vergütung wurden unstreitig immer die Tabellen angewendet, die durch die Tarifgemeinschaft aus Bund und Ländern erstellt worden waren. Nach dem Auseinanderfallen der tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes für den Bereich des Bundes und den Bereich der Länder ist nachträglich eine Vertragslücke entstanden, denn die Parteien haben zu einem - inzwischen - regelungsbedürftigen Punkt keine Vereinbarung getroffen.

44

Liegt eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit im Vertrag vor, so ist der hypothetische Parteiwille im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln und zur Geltung zu bringen. Bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens ist nicht die subjektive Vorstellung einer Vertragspartei maßgeblich, sondern was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten.

45

Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens ergibt vorliegend, dass die Parteien die tariflichen Vorschriften für den Bereich der Länder vereinbart hätten, wenn sie ein Auseinanderfallen der ursprünglichen Tarifgemeinschaft vorher gesehen hätten. Hierfür spricht zum einen, dass es sich bei der Beklagten, ebenso wie bei ihrem Rechtsvorgänger, nicht um einen bundesweit agierenden Arbeitgeber handelt, sondern um eine nur in der Region Pfalz agierende Rechtspersönlichkeit. Andererseits wollten die Parteien das Arbeitsverhältnis aber auch nicht unter die Regelungsmacht der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber stellen. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Parteien nie die Vergütungstabellen der VKA zur Anwendung brachten.

III.

46

Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

47

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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