Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 Sa 263/09
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.03.2009 - 12 Ca 2360/08 - wird zurückgewiesen.
2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 29. September 2008 und des in zweiter Instanz gestellten Auflösungsantrags der Beklagten.
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Der am … Januar 1961 geborene, verheiratete, gegenüber 2 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 2. Januar 1996 bei der Beklagten in deren Zweigbetrieb A-Stadt als Bezirksleiter beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Anstellungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zugrunde. Gemäß Ziffer 2 Abs. 2 dieser Vereinbarung gilt eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende als vereinbart. In Ziffer 6 des Anstellungsvertrages heißt es:
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"Als Bezirksleiter ist Arbeitnehmer für eine Zahl ihm unterstellter Filialen verantwortlich. Insbesondere wird von ihm erwartet, dass die ihm anvertrauten Filialen mit niedrigen Kosten arbeiten, stimmende Abrechnungen, gute Umsätze und hohe Umschlagsgeschwindigkeiten aufweisen und sich in einem sauberen Zustand befinden. Sein Einsatz und seine Aufgabe regeln sich insbesondere nach den Bestimmungen der Führungsanweisung, Stellenbeschreibung und Dienstanweisung, die alle Bestandteil dieser Vereinbarung sind.
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Wegen des Inhalts des Anstellungsvertrages im Übrigen wird auf die Anlage K 1 (Bl.3 ff. d. A.) Bezug genommen. Der Arbeitsvertrag des Klägers ist vom damaligen Niederlassungsleiter, Herrn W., unterzeichnet. Die in Ziffer 6 des Anstellungsvertrages in Bezug genommene "Stellenbeschreibung und Dienstanweisung" lautet auszugsweise:
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" Bereichsleiter/innen - Verkauf
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A) Stellenbezeichnung
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Bereichsleiter/in - Verkauf
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B) Unterstellung des Stelleninhabers
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Der Stelleninhaber ist fachlich dem Verkaufsleiter unterstellt. Disziplinarvorgesetzter des Stelleninhabers ist der Niederlassungsleiter. Dieser ist kündigungsbefugt. Weiter kündigungsbefugt sind die Mitglieder der Geschäftsleitung.
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C) Unterstellung der Mitarbeiter des Stelleninhabers
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Dem Stelleninhaber sind die Filialleiter seines Bezirkes fachlich, die Filialleiter-Stellvertreter und das Verkaufspersonal fachlich und disziplinarisch unterstellt. Er ist dem Verkaufspersonal gegenüber kündigungsbefugt.
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(…)
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F) Aufgabenbereiche im Einzelnen
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I. Fachliche Aufgaben
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a) Personalwesen
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1. Er ist verantwortlich für die Koordination und Steuerung von Arbeitsabläufen und die Führung aller Mitarbeiter seines Bezirkes.
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2. Er kennt die Stellenbeschreibung und Dienstanweisung der ihm unterstellten Mitarbeiter und prüft deren Einhaltung.
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3. Er ist verantwortlich für die Einhaltung der durch ihn festgelegten Personalkosten- Planwerte pro Filiale unter Berücksichtigung vergleich-ba-rer Filialbesetzungen, Umsätze und einzusetzender Stunden unter Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften. Er ergreift permanent entsprechende kostensenkende Maßnahmen.
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4. Er entscheidet über den Personalbedarf der Filialen unter dem Aspekt der Kostenminimierung in seinem Bezirk sowie unter Berücksichtigung des monatlichen Umsatzes und der Stundenleistung der Filialen. Er stellt das Personal bis zum FL-Stellvertreter einschließlich ein und aus, ebenso legt er deren Zeugnisse fest. Er berät seinen Vorgesetzten bei der Einstellung und Entlassung von Filialleitern.
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5. Zur Personalbeschaffung sind die kostenfreien Möglichkeiten (Arbeitsamt, Schilderaushang, Internet) in jedem Fall zu nutzen.
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6. Bei der Personalauswahl ist darauf zu achten, dass motiviertes Personal eingestellt wird. Das eingestellte Personal muß den Belastungen des Einzelhandels gerecht werden.
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7. (…)
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8. Der Arbeitsvertrag ist vor Arbeitsaufnahme auszustellen. Der Vertrag mit den kompletten Unterlagen und das Einstellungsdeckblatt sind sofort an die Niederlassung zu senden. Darüber hinaus ist eine Personalkarte anzulegen, die von dem jeweils zuständigen Bereichsleiter zu führen ist.
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9. Der Arbeitsvertrag ist generell bei einer Erstbeschäftigung zu befristen, die gesetzlichen Verlängerungsmöglichkeiten sind zu nutzen. Bei einer Verlängerung muss die Personalabteilung rechtzeitig informiert werden und ein entsprechender Eintrag in der Personalkarte erfolgen.
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(…)
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IV. Besondere Befugnisse
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1. Er unterschreibt seine Post.
2. Er unterschreibt Einstellungsverträge bis "FL-Stellvertreter".
3. (…)"
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Wegen des Inhalts der "Stellenbeschreibung und Dienstanweisung" im Übrigen wird auf die Anlage BK 2 (Bl. 114 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Unter dem 2. Januar 1996 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die Kraftfahrzeugbenutzung. Der Kläger erzielt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 6.300,- € brutto zuzüglich 13,29 € Arbeitgeberanteil VWL sowie der Privatnutzung des Pkw in Höhe von 315,- € brutto. Die Beklagte beschäftigt ständig mehr als 10 Vollzeitmitarbeiter ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Ein Betriebsrat besteht nicht.
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Der Kläger ist gegenüber seiner Niederlassung, das heißt dem für seinen Bereich zuständigen Niederlassungsleiter und dem Verkaufsleiter auskunfts- und rechenschaftsverpflichtet. Täglich hat der Kläger eine Vielzahl von Meldungen an die Niederlassung in A-Stadt zu fertigen. Dies erledigte der Kläger in der Regel per E-Mail. Immer wieder gab es jedoch bei allen Bereichsleitern Verbindungsprobleme.
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Am 15. September 2008 erinnerte die im Verkaufssekretariat tätige Zeugin Frau K. auf Bitten des zuständigen Verkaufsleiters Herrn B. den Kläger an fehlende Unterlagen. Der Kläger berichtete über Schwierigkeiten per E-Mail zu senden. Die Zeugin Frau K. unterstrich ausdrücklich die dem Kläger aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit ohnehin bekannte Wichtigkeit der Vorlage der abgemahnten Meldung. Sie fügte hinzu, dass der Verkaufsleiter Herr B. größten Wert auf den nunmehr umgehenden Vollzug lege. Der Kläger kommentierte dies mit der Äußerung: "Jawohl mein Führer." Die Zeugin K. beschwerte sich über die Äußerung des Klägers. Nach einem Anruf des Vorgesetzten des Klägers, des Zeugen B., beim Kläger am Wochenende entschuldigte sich dieser bei der Zeugin K..
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Mit Schreiben vom 29. September 2008 kündigte die Beklagte durch ihren Niederlassungsleiter Herrn A. das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger „fristlos“. Eine Vollmachtsurkunde lag dem Kündigungsschreiben nicht bei. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 wies der Kläger die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück. Der Kläger wendet sich mit seiner am 6. Oktober 2008 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage gegen diese Kündigung.
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Von einer wiederholenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10. März 2009, Az. 12 Ca 2360/08 (Bl. 59 ff. d. A.).
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Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. September 2008 nicht beendet wird, sondern ungekündigt fortbesteht.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. September 2008 nicht beendet worden ist.
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Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt:
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Das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung vom 29. September 2008 nicht beendet worden.
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Die Kündigung sei nicht nach § 174 S. 1 BGB unwirksam. Eine Zurückweisung der Kündigung sei nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall sei bereits aufgrund der Position des Herrn A. als Niederlassungsleiter voll umfassend von personalrechtlichen Befugnissen auszugehen. Dazu komme, dass der Kläger im Rahmen seines eigenen Vortrages erklärt habe, sein Vorgesetzter Herr B. habe ihm mitgeteilt, eine Ermahnung wegen des Vorfalls werde von Herrn A. ausgesprochen werden. Dieser Vortrag weise auf die personalrechtlichen Befugnisse des Niederlassungsleiters hin. Die Kündigungsbefugnis ergebe sich auch aus der Stellenbeschreibung und Dienstanweisung, auf die im Rahmen des Arbeitsvertrags des Klägers unter Ziffer 6 ausdrücklich Bezug genommen werde.
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Die seitens des Klägers getätigte Äußerung sei zwar an sich geeignet, einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Die in jedem Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung beider Vertragsteile führe jedoch dazu, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar erscheine. Die Äußerung seitens des Klägers "Jawohl mein Führer" stelle eine grobe Beleidigung der Frau K. dar. Grobe Beleidigungen eines Arbeitgebers oder Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuteten, stellten einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und seien an sich geeignet, eines außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer könne sich dann nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Auch eine einmalige Ehrverletzung sei grundsätzlich kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und überlegter sie erfolge. Frau K. werde durch die Äußerung in erheblichen Maß in ihrer Ehre verletzt. Durch die Äußerung stelle der Kläger sie hinsichtlich ihrer Handlungs- und Verhaltensweise mit Menschen auf eine Stufe, die in der Zeit des Nationalsozialismus Verbrechen anordneten und begingen. Sogleich stelle diese Äußerung eine Verharmlosung des in Zeit des Faschismus begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer dar. Die Anordnung und Verhaltensweise der Frau K. habe ausdrücklich mit denen eines totalitären Machthabers gleichgestellt werden sollen. Die Beleidigung werde auch nicht durch den seitens des Klägers vorgetragenen legeren Umgangston in der Abteilung gemildert. Er selbst trage vor, dass Frau K. an diesem Tag mit ihm in einem gereizten Ton gesprochen habe. Dass er von einer lockeren Atmosphäre habe ausgehen können, sei daher abwegig, ebenso die Annahme, dass eine gereizte Gesprächsatmosphäre durch eine derartige Äußerung entschärft würde. Dass Frau K. dies auch nicht so empfunden habe, werde deutlich, in dem sie ihrem Vorgesetzten Herrn B. die Äußerung des Klägers weiter getragen und sich hierüber beschwert habe. Es sei keine Äußerung gegenüber einem Dritten vorgenommen worden. Die Äußerung habe sich offensichtlich an Frau K. gerichtet.
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Die in jedem Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung beider Vertragsteile führe letztlich jedoch dazu, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar erscheine. Zugunsten des Kläger sprächen ein beinahe 13 Jahre bestehendes, unbelastetes Arbeitsverhältnis und seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber drei Personen sowie seine Entschuldigung bei der Mitarbeiterin K.. Zugunsten des Klägers sei ebenfalls davon auszugehen, dass es sich hier um eine einmalige Entgleisung gehandelt habe, dies aufgrund der Besonderheit der Gesprächssituation. Der Kläger habe sich insbesondere durch die seinerseits behauptete belehrende Art der Frau K. trotz seiner langjährigen Beschäftigungsdauer und einem doch einfach zu erfüllenden Arbeitsvorgang provoziert gefühlt. Hinzu seien die seitens der Zeugin Frau K. gewählten Worte "Meldung" sowie "sofortiger Vollzug" getreten.
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Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10. März 2009 (Bl. 61 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Das genannte Urteil ist dem Kläger am 31. März 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 30. April 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 2. Juli 2009, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag, innerhalb der durch Beschluss vom 3. Juni 2009 bis zum 2. Juli 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen, begründet.
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Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 99 ff. d. A.) zusammengefasst geltend:
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Ein wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB sei gegeben. Die Vorgesetzten des Klägers seien durch dessen Aussage "Jawohl, mein Führer" aufs Gröbste beleidigt worden. Durch diese Aussage gegenüber der Sekretärin Frau K. als Empfangsbotin seien diese, der anweisende Verkaufsleiter, Herr B., und der Niederlassungsleiter, Herr A., auf eine Stufe mit Adolf Hitler gestellt worden. Zwar sei diese Äußerung nur gegenüber Frau K. gemacht worden, sie treffe jedoch auch unmittelbar die Person des Vorgesetzten. Frau K. habe mit der Ermahnung zur Abgabe der betrieblichen Meldung schließlich nur als Überbringerin einer Nachricht fungiert. Dies sei dem Kläger bewusst gewesen, da die angeforderte Meldung für die Vorgesetzten Herrn A. bzw. B. bestimmt gewesen sei. Der Kläger sei lediglich aufgefordert worden, seiner Pflicht nachzukommen. Auf eine solche Aufforderung mit einer derartigen Beleidigung zu reagieren, sei absolut unangemessen gewesen.
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Es handele sich nicht um eine einmalige Entgleisung des Klägers. Der Kläger habe sich bereits zuvor derart gegenüber der Zeugin K. geäußert. Diese habe bei einer ersten Äußerung des Klägers nicht ihren Vorgesetzten informiert. Zwischen den Beteiligten habe auch kein lockerer oder flapsiger Umgangston geherrscht, der eine derartige Entgleisung des Klägers hätte rechtfertigen können. Es werde bestritten, dass die Aufforderung zur Abgabe der Meldung der Sekretärin K. in einem gereizten und militärischen Ton stattgefunden habe. Doch selbst diese bestrittenen Gegebenheiten könnten eine derartige Äußerung weder rechtfertigen noch mildern. Zudem sei eine militärische von einer nationalsozialistischen Wortwahl zu unterscheiden. Mit der Äußerung habe der Kläger einerseits die Zeugin K. bewusst beleidigen und ihr ihre Stellung im betrieblichen Gefüge verdeutlichen wollen. Andererseits hätten sich die Angriffe gegen den Vorgesetzten gerichtet. Eine solche schwere Beleidigung könne auch nicht als überspitzte und polemische Kritik gewertet werden und sei auch nicht durch das Recht der freien Meinungsäußerung abgedeckt. Ein leitender Angestellter müsse selbst in Stresssituationen auch auf (hier bestrittene) inkorrekte Verhaltensweisen seiner Mitarbeiter angemessen reagieren.
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Nachfolgend sei eine weitere Entgleisung des Klägers bekannt geworden. Am 16. September 2008 habe sich die aufgebrachte Kundin I. S. des ABC-Marktes in M. per Mail mit einer Beschwerde über den Kläger an sie, die Beklagte, gewandt. Die Kundin I. S. habe während ihres Einkaufes in der Filiale der Beklagten, die dem Kläger unterstellt gewesen sei, ein Gespräch zwischen dem Kläger und einer ihr unterstellten Verkäuferin mit angehört. Darin sei die Verkäuferin massiv vor den Augen der Kunden durch den Kläger zurechtgewiesen worden. Die Kundin habe ein solches Verhalten des Klägers nicht zum ersten Mal bemerkt, weshalb sie sich dann auch an sie, die Beklagte, gewandt habe.
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Aufgrund dieser Vorfälle sei das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger für sie nicht mehr zumutbar. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, dass solche Äußerungen und Beleidigungen nicht in ihrem Betrieb getätigt würden. Zudem habe der Kläger durch die grobe Beleidigung seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt. Das Arbeitsklima zwischen der Sekretärin, dem Niederlassungsleiter Herrn A. und dem Kläger sei durch diese große Beleidigung enorm belastet. Der Kläger eigne sich nach diesen Ereignissen auch nicht mehr für die Position als Bereichsleiter. Er sei nicht in der Lage, sich gegenüber Vorgesetzten und Kollegen korrekt zu verhalten und ihnen gegenüber den nötigen Respekt aufzubringen. Hinzu komme, dass er auch im Beisein von Kunden nicht angemessen mit Mitarbeitern umgehe. Als Bereichsleiter habe er in beiden Situationen anders reagieren müssen. Es bestehe daher hier die Gefahr, dass er sich wiederholt negativ äußere beziehungsweise verhalte. Dies könne zur Folge haben, dass sich das Betriebs- und Arbeitsklima der Beklagten verschlechtere und sich auf das Einkaufsverhalten der Kunden auswirke. Die Kundin I. S. führe in ihrer Beschwerdemail aus, dass sie aufgrund des Vorfalls am 2. September 2008 fluchtartig den Laden verlassen und dadurch ihren Einkauf nicht vollständig beendet habe. Eine derartige negative Beeinflussung des Klägers auf die Kunden der Beklagten sei unerwünscht, geschäftsschädigend und nicht hinnehmbar.
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Eine vorherige Abmahnung sei schon aufgrund der besonderen Schwere der Beleidigung sowie des Vorfalls vom 2. September 2008 in der Filiale M. nicht erforderlich. Der Kläger habe zudem davon ausgehen müssen, dass ein derartiges Verhalten von der Beklagten missbilligt werde und er damit seinen Arbeitsplatz gefährde.
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Hilfsweise sei das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 KSchG aufzulösen. Da der Kläger aufgrund der Stellenbeschreibung zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmer befugt gewesen sei, bedürfe es keiner Begründung dieses Antrags. Der Kläger habe von dem Recht zur selbständigen Einstellung und Kündigung regelmäßig Gebrauch gemacht. Im Jahr 2008 habe er die Kassiererinnen A. F., S. R. und M. K. selbständig eingestellt und die Kassiererin Frau S. R. wieder entlassen.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10. März 2009, Az. 12 Ca. 2360/08, die Klage abzuweisen,
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hilfsweise,
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das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung durch Urteil aufzulösen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und sowie den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
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In Erwiderung auf das Berufungsvorbringen der Beklagten macht der Kläger nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 20. August 2009, auf ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 138 ff. d. A.) im Wesentlichen und zusammengefasst geltend:
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Bei dem Vorfall vom 15. September 2008 handele es sich um eine einmalige, flapsige Äußerung aus einer konkreten Situation heraus. Die Zeugin K. habe ihn durch ihr Verhalten provoziert. Er habe hierauf locker reagieren wollen. Seine streitgegenständliche Äußerung habe nur die Zeugin K. betroffen und sei auch nur dieser gegenüber erfolgt. Eine derartige Äußerung habe es zuvor gegenüber Frau K. zu keinem Zeitpunkt gegeben.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der angeblichen E-Mail einer Frau I. S. sei unsubstantiiert. Die Vorlage einer E-Mail ersetze keinen Sachvortrag. Er bestreitet, dass es sich bei der Anlage tatsächlich um die E-Mail einer Frau I. S. handele und dass diese eine Kundin der Beklagten sei.
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Der Kläger trägt zum Auflösungsantrag vor, er sei im Zeitpunkt der Kündigung in keiner Weise leitender Angestellter im Sinn von § 14 Abs. 2 KSchG gewesen, insbesondere sei er nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt gewesen. Im Jahr 2008 hätten alle Bereichsleiter der Beklagten, so auch er eine schriftliche Anweisung von Seiten der Beklagten erhalten, wonach sie nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt gewesen seien. Die von der Beklagten vorgelegte Stellenbeschreibung vom 29. Oktober 2003 sei im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits seit längerer Zeit überholt gewesen. Die Arbeitnehmerinnen F., R. und K. habe er in keiner Weise selbständig eingestellt oder entlassen. Er habe auch in keiner Weise über deren Einstellung und Entlassung entschieden.
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Ein Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nicht gegeben.
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Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 17. September 2009 Beweis erhoben über die Befugnis des Klägers bis zum Ausspruch der Kündigung, Personal bis hin zum Stellvertreter der Filialleitung selbständig einzustellen und zu kündigen durch Vernehmung der Zeugen A. und B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 17. Dezember 2009 (Bl. 157 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
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In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
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1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde durch die von der Beklagten unter dem 29. September 2009 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht beendet. Ein wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ist nicht gegeben. Zwar liegt ein Grund vor, der überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dieser Grund führt jedoch im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nicht zum Überwiegen der berechtigten Interessen der kündigenden Beklagten an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Die Berufungskammer folgt hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung den Gründen der angefochtenen Entscheidung und stellt dies hiermit fest. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens sieht die Kammer weiter Veranlassung zu folgenden Ausführungen:
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Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, stellen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG vom 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zitiert nach juris - Rz. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz v. 25. Mai 2007 – 6 Sa 143/07 – zitiert nach juris – Rz. 36 ) einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und rechtfertigen an sich eine außerordentliche Kündigung. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte (BAG vom 17. Februar 2000 - 2 AZR 927/98 - zitiert nach juris - Rz. 15). Bei einer auf eine Beleidigung gestützten Kündigung kommt es nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf an, ob dem Arbeitgeber nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist.
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Die Äußerung "Jawohl, mein Führer" gegenüber der im Verkaufssekretariat tätigen Mitarbeiterin Frau K. ist als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung an sich anzusehen. Durch diese Äußerung hat der Kläger Frau K. in ihrer Ehre verletzt. Durch seine Wortwahl stellte der Kläger eine Verbindung zwischen der Aufforderung der Frau K. zu den menschenverachtenden Methoden des Nationalsozialismus sowie zur Person Adolf Hitlers her.
- 72
Dagegen hat der Kläger durch die Äußerung gegenüber Frau K. nicht auch den Verkaufsleiter, den Zeugen B. oder den Niederlassungsleiter, den Zeugen A. beleidigt. Die Äußerung erfolgte allein gegenüber Frau K.. Sie war vom Kläger nicht dazu bestimmt, an den Zeugen B. oder den Zeugen A. weitergegeben zu werden. Eine Beleidigung des Zeugen B. durch diese Äußerung des Klägers ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Mitarbeiterin K. den Kläger im Auftrag des Zeugen B. an fehlende Unterlagen erinnert hat. Aus der getätigten Äußerung des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass sich diese - unabhängig von der konkreten Situation und der vorangehenden Wortwahl der Mitarbeiterin K. - auch auf den gemeinsamen Vorgesetzten beziehen sollte. Der Zeuge B., bei dem sich die Zeugin K. über die Äußerung des Klägers beschwert hat, hat diese Äußerung auch nicht als Beleidigung seiner Person aufgefasst, sondern nach den insoweit unbestrittenen Angaben des Klägers diesem gegenüber bei einem ersten Telefonat mitgeteilt, dass er den Vorfall nicht als gravierend bewerte.
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Soweit die Beklagte - vom Kläger bestritten - vorgetragen hat, es handele sich um keine einmalige Entgleisung des Klägers, dieser habe sich bereits zuvor derart gegenüber der Zeugin K. geäußert, ist der Vortrag der Beklagten unsubstantiiert. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, wann genau, wo, in welchem Zusammenhang, welche genaue Äußerung vom Kläger gemacht worden ist.
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Die weitere von der Beklagen im Berufungsverfahren vorgetragene "Entgleisung" des Klägers ist kein Grund, der grundsätzlich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung des Klägers zu rechtfertigen. Die von der Beklagten behauptete und vom Kläger bestrittene "massive Zurechtweisung" einer Verkäuferin vor den Augen der Kunden durch den Kläger wurde von der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Die Kammer vermag dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, in welcher Form genau die Zurechtweisung welcher Verkäuferin aus welchem Grund erfolgte.
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Die vorliegende Beleidigung der Mitarbeiterin Frau K. führt im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nicht zum Überwiegen der berechtigten Interessen der kündigenden Beklagten an der vorzeitigen (auch nicht ordentlichen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei der Interessenabwägung sind einerseits die Schwere der Verfehlung, deren Folge für den Arbeitgeber, die Betriebsordnung und den Betriebsfrieden, ein eventuell eingetretener Vertrauensverlust sowie die Größe des Verschuldens und der Grad einer bestehenden Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen. Andererseits sind die Dauer des Arbeitsverhältnisses, etwaige Verdienste um den Betrieb, die diskriminierende Wirkung einer fristlosen Kündigung, das Lebensalter und die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung von Bedeutung. Insoweit hat die Kammer zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass es sich - da die Beklagte eine weitere ehrverletzende Äußerung des Klägers oder ein sonstiges Fehlverhalten des Klägers nicht substantiiert vorgetragen hat - um eine einmalige Entgleisung des Klägers gehandelt hat, während der Kläger im Übrigen seit 1996 beanstandungsfrei für die Beklagte tätig war, seine Arbeitsleistungen stets über dem Durchschnitt lagen und er in intern geführten Erfolgslisten der Niederlassung unter den Bezirksleitern stets auf einem der ersten Plätze gestanden hat. Zu Gunsten der Beklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger in seiner Position als Bezirksleiter Vorbildfunktion hat und es auf Grund der Beleidigung des Klägers zu einer Beeinträchtigung des Betriebsklimas in der Niederlassung der Beklagten gekommen ist. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass die beleidigte Mitarbeiterin Frau K. dem Kläger weder unter- noch übergeordnet ist und dass sie im Verkaufssekretariat tätig ist, während der Kläger als Bezirksleiter in großem zeitlichem Umfang zu den Filialen unterwegs ist. Weiter ist insoweit in die Interessenabwägung einzubeziehen, dass der Kläger sich nach der Information durch den Bereichsleiter Herrn B. über die Beschwerde der Mitarbeiterin K. und noch vor Ausspruch der Kündigung ihm gegenüber in aller Form bei der Mitarbeiterin K. entschuldigt hat. Schließlich sind zu Gunsten des Klägers auch sein Lebensalter und seine Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Die Berufungskammer hält daher trotz der verbalen Entgleisung des Klägers den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung als ultima ratio für nicht angemessen.
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2. Auch als umgedeutete ordentliche Kündigung wäre die Kündigung vom 29. September 2008 sozial ungerechtfertigt im Sinn des § 1 Abs. 1 und 2 KSchG und daher unwirksam. Auch insoweit erscheint die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nach den Einzelfallumständen nicht angemessen.
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3. Der im Berufungsverfahren von der Beklagten hilfsweise gestellte Auflösungsantrag hatte keinen Erfolg.
- 78
Der Antrag ist zulässig. Der Auflösungsantrag ist gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht möglich.
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Er ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten ohne Begründung gemäß den §§ 9, 10, 14 KSchG liegen nicht vor.
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Der Kläger ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein leitender Angestellter gemäß § 14 Abs. 2 KSchG.
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Gemäß § 14 Abs. 2 KSchG bedarf der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur dann keiner Begründung, wenn der Kläger leitender Angestellter und zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist. Die Befugnis kann alternativ gegeben sein, es reicht also aus, wenn entweder eingestellt oder entlassen werden darf. Unabdingbare Voraussetzung ist, dass die betreffende Person ihre Funktion auch tatsächlich ausübt. Dabei muss die selbständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis sowohl im Außen- wie auch im Innenverhältnis gegeben sein (BAG vom 11. März 1982 – 6 AZR 136/79 – AP Nr. 29 zu § 5 BetrVG 1972 zum Begriff des leitenden Angestellten in § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG) und die Stellung des Arbeitnehmers wesentlich prägen (BAG vom 18. November 1999 – 2 AZR 903/98 – AP Nr. 5 zu § 14 KSchG 1969; v. 18. Oktober 2000 – 2 AZR 465/99 – NZA 2001, 437, 444). Im Innenverhältnis zum Arbeitgeber muss rechtliches Dürfen gegeben sein. Der leitende Angestellte muss die Einstellungen bzw. Entlassungen selbständig ausführen können. Von einer Berechtigung zur "selbständigen Einstellung oder Entlassung" kann deshalb nicht mehr gesprochen werden, wenn die personelle Maßnahme von der Zustimmung einer anderen Person abhängig ist bzw. sich der leitende Angestellte bei seinem Arbeitgeber oder Vorgesetzten rückversichern muss. Keine Beschränkung der selbständigen Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis liegt demgegenüber vor, wenn der Angestellte interne Richtlinien bzw. interne Beratungspflichten beachten oder Zweitunterschriften lediglich zu Kontrollzwecken einholen muss (LAG Niedersachsen vom 8. Januar 2004 - 7 Sa 219/03 - NZA-RR 2004, 524, 526), sofern die letzte Entscheidungsfreiheit erhalten bleibt (ErfK/ Kiel , 10. Aufl. 2009, § 14 KSchG Rn. 14).
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Die Beklagte, die für die für sie günstigen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 KSchG nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisverpflichtet ist, konnte nicht zur Überzeugung der Kammer nachweisen, dass der Kläger zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von einer nicht unerheblichen Anzahl von Arbeitnehmern berechtigt war und diese ohne Zustimmung einer anderen Person durchführen musste.
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Zwar ist der Kläger nach der Ziffer 6 seines Anstellungsvertrages vom 15. Dezember 1995 in Verbindung mit der Stellenbeschreibung und Dienstanweisung (dort unter F) I. a) Ziffer 4) berechtigt, Personal bis zum FL-Stellvertreter einschließlich ein- und auszustellen. Diese Berechtigung bestand jedoch nach der Überzeugung der Kammer zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs jedenfalls im Innenverhältnis nicht (mehr). Dabei ist es letztlich nicht entscheidend, ob im Jahr 2008 alle Bereichsleiter der Beklagten, so auch der Kläger, eine schriftliche Anweisung von Seiten der Beklagten erhalten haben, wonach sie nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung befugt gewesen sind. Entscheidend ist, dass (unabhängig von einer solchen Anweisung) nicht der Kläger, sondern sein Vorgesetzter der Zeuge B. über die Einstellungen und Entlassungen entschieden hat. Dabei handelte es sich auch nicht um eine lediglich interne Beratungspflicht. Der Zeuge B. hat glaubhaft ausgesagt, dass er selbst über sämtliche Einstellungen und Entlassungen entschieden hat. Er hat insoweit ausgeführt, die Bereichsleiter seien grundsätzlich schon berechtigt gewesen, beispielsweise Kassiererinnen einzustellen und seien insoweit unterschriftsberechtigt gewesen. Das Ganze habe dann aber über seinen Schreibtisch laufen müssen. Er habe quasi ein Veto-Recht gehabt und habe Einstellungen noch verhindern können. Bei einem "Nein" von ihm, wären Einstellungen nicht passiert. Auch Entlassungen seien immer vorher mit ihm abzusprechen gewesen. Es habe keinen einzigen Fall gegeben, in dem ohne Rücksprache mit ihm entlassen oder eingestellt worden sei. Der Zeuge B. hat ausdrücklich ausgesagt, dass letztendlich er über die Einstellungen und Entlassungen entschieden habe. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen B. bestehen nicht. Dem steht die Aussage des Zeugen A., der Kläger habe Personalverantwortung für circa 45 Personen gehabt, für diese habe uneingeschränkt die Befugnis des Klägers zur Kündigung bestanden, nicht entgegen. Zwar mag der Kläger aus Sicht des Niederlassungsleiters - von der kurzfristigen Einschränkung ab (nach Aussage des Zeugen A.) September 2007 abgesehen - zu Einstellung und Entlassung aller Mitarbeiter im Verkauf bis zum Filialleiterassistenten theoretisch berechtigt gewesen sein. Praktisch bestand diese Befugnis im Verhältnis zu seinem direkten Vorgesetzten, dem Zeugen B., jedoch nicht. Der Kläger war somit nicht in der Lage, über den Kopf seines Vorgesetzten, des Zeugen B. hinweg Einstellungen oder Entlassungen vorzunehmen. Vielmehr war jedes Mal die Zustimmung des Zeugen B. erforderlich.
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Der von der Beklagten hilfsweise gestellte Auflösungsantrag hatte daher keinen Erfolg.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.
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