Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 Sa 582/09
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11. August 2009 - Az. 8 Ca 708/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 20. April 2009.
- 2
Die gegenüber ihrem Ehemann, einem minderjährigen Kind und einem unter ihrer Vormundschaft stehenden Enkel zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war spätestens seit dem 01.07.2005 bei der Beklagten als Kassiererin und Shopservicemitarbeiterin in der von der Beklagten betriebenen Tankstelle in der C-Straße in C-Stadt zunächst bei dem früheren Betreiber G. D. beschäftigt. Bei dem früheren Betreiber war die Klägerin aufgrund des Arbeitsvertrags vom 01.07.2005 im Umfang von 10 Stunden/Woche bei einer monatlichen Vergütung in Höhe von 400,00 € brutto tätig. Nach der Übernahme der Tankstelle im März 2008 durch die Beklagte arbeitete die Klägerin in der Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und einem Bruttomonatseinkommen in Höhe von 1.257,- €.
- 3
Neben der Tankstelle in der C-Straße, in der 6,5 Arbeitnehmer beschäftigt sind, betreibt die Beklagte die H-Tankstelle in der H. Straße in H.
- 4
Im Juni 2008 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin die Tür des Betriebs nachts nicht geschlossen hatte und auch den Nachtschalter nicht benutzte, so dass die Kunden in den Shop kamen. Wegen dieser Beobachtung mahnte die Beklagte die Klägerin mündlich ab. In der Nachtschicht vom 15. bis 16.08.2008 ließ die Klägerin abermals die Shopeingangstür offen und benutzte den Nachtschalter nicht. Die Beklagte erteilte der Klägerin aus diesem Anlass unter dem Datum von 19.08.2008 eine schriftliche Abmahnung. Wegen des Inhalts dieser Abmahnung im Einzelnen wird auf die Anlage B 2 (Bl. 21 d. A.) Bezug genommen.
- 5
Des Weiteren öffnete die Beklagte in der Nachtschicht am 15.08.2008 um 4.20 Uhr die Kasse mit dem Schlüssel. Wegen des Öffnens der Kasse mit dem Schlüssel erteilte die Beklagte der Klägerin mit Datum vom 01.09.2008 eine weitere Abmahnung. Wegen des Inhalts dieser Abmahnung wird auf die Anlage B 3 (Bl.22 d. A.) Bezug genommen.
- 6
Weil die Klägerin in der Nachtschicht am 15.08.2008 auch Kunden in den Shop hineinkommen ließ und ein Zählbrett mit 500,- € im Kassenbereich offen liegen gelassen hatte, wurde ihr mit Datum vom 01.09.2008 eine weitere Abmahnung erteilt. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf die Anlage B 4 (Bl. 23 d. A.) Bezug genommen.
- 7
Am 12.09.2008 ließ die Klägerin nachts erneut den Shop offen, anstatt die Kunden durch den Nachtschalter zu bedienen. Auch ließ sie zu, dass sich ein Kunde nachts hinter der Kassenzone aufhielt. Hierfür erteilt die Beklagte ihr unter dem 20.10.2008 eine Abmahnung, wegen deren Inhalt auf die Anlage B 5 (Bl. 24 d. A.) Bezug genommen wird.
- 8
An einer von der Beklagten anberaumten Mitarbeiterbesprechung am 17.10.2008, 18.00 Uhr nahm die Klägerin nicht teil. In der Nacht vom 17. auf den 18.10.2008 arbeitete die Klägerin in der Nachtschicht von 21.30 Uhr bis 6.00 Uhr. Wegen der Nichtteilnahme an der Mitarbeiterbesprechung erteilte die Beklagte der Klägerin eine weitere Abmahnung vom 20.10.2008. Wegen deren Inhalt wird auf die Anlage B 6 (Bl. 41 d. A.) Bezug genommen.
- 9
Am 01.04.2009 nahm die Klägerin um 3.40 Uhr drei in der Verkaufstheke befindliche Berliner, packte sie in eine Tüte und verstaute sie sodann in ihrer Privathandtasche. Eine Bezahlung dieser Berliner durch die Klägerin erfolgte nicht.
- 10
In der Zeit vom 07.04.2009 bis zum 16.04.2009 sowie im Zeitraum vom 24.04.2009 bis zum 03.05.2009 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.
- 11
In der Nacht vom 18. auf den 19.04.2009 hatte die Klägerin die Shopeingangstür nicht verschlossen und bediente nicht über den Nachtschalter.
- 12
Am 19.04.2009 verstaute sie sodann um 5.30 Uhr eine Bierflasche in ihrer Handtasche.
- 13
Mit Datum vom 20.04.2009 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine ordentliche Kündigung zum 31.05.2009, hilfsweise und höchst vorsorglich zum nächstmöglichen Termin aus.
- 14
Gegen diese Kündigung wendete sich die Klägerin mit ihrer am 29.04.2009 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage.
- 15
Von einer wiederholenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.08.2009, Az. 8 Ca 708/09 (Bl. 74 ff. d. A.).
- 16
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- 17
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.04.2009 aufgelöst worden ist und darüber hinaus fortbesteht.
- 18
Die Beklagte hat beantragt,
- 19
die Klage abzuweisen.
- 20
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Klage abgewiesen.
- 21
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt:
- 22
Die Kündigung der Beklagten habe unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.05.2009 beendet. Dabei könne offen bleiben, ob das KSchG Anwendung finde oder nicht, denn auch bei Anwendbarkeit des KSchG auf das Arbeitsverhältnis sei die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 S. 1 2. Alt. KSchG). Die Klägerin habe trotz mehrfacher Abmahnungen die Shoptür nachts offen gelassen und nicht den Nachtschalter benutzt. Eine Abmahnung müsse nicht unterschrieben sein und in der Abmahnung müsse nicht das Wort „Kündigung“ stehen. Auch müsse sich die Pflicht, die Ladentür nachts geschlossen zu halten, nicht aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben. Sie liege unzweifelhaft im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts und des Rechtes der Beklagten zu entscheiden, wie die von ihr genutzten Betriebsmittel eingesetzt werden sollen. Spätestens nach der ersten Abmahnung sei unmissverständlich die Anweisung erteilt worden, dass die Shoptür nachts geschlossen und der Nachtschalter benutzt werden musste. Danach habe es noch weitere Abmahnungen und den Vorfall gegeben, der dann schließlich auch zur Kündigung geführt habe. Daneben stelle die Entnahme der Berliner um 3.40 Uhr einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar. Selbst wenn es so sein sollte, wie die Klägerin erklärt habe, dass die Arbeitnehmer entscheiden könnten, wann etwas nicht mehr verkaufbar sei, habe die Klägerin sich selbst an die von ihr erläuterten Regeln nicht gehalten. Beide Vertragsverstöße führten zusammen dazu, dass eine Weiterbeschäftigung über den ordentlichen Kündigungstermin hinaus, sollte das KSchG anwendbar sein, der Beklagten nicht zuzumuten sei. Auch eine Interessenabwägung führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Arbeitsverhältnis bestehe noch nicht sehr lange und sei außerdem schon seit langem belastet. Es könne dahinstehen, ob daneben noch weitere Gründe für eine ordentliche Kündigung, etwa wegen eines Diebstahls der Bierflasche oder eines vorgetäuschten Arbeitsunfalls vorlägen.
- 23
Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.08.2009 (Bl. 77 ff. d. A.) Bezug genommen.
- 24
Das genannte Urteil ist der Klägerin am 24.08.2009 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 23.09.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 21.10.2009, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet. Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 101 ff. d. A.) zusammengefasst geltend:
- 25
Hinsichtlich der Anordnung, die Shoptür nachts geschlossen zu halten, habe die Beklagte das dahinter stehende Direktionsrecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die Praxis, die Shoptür teilweise offen zu lassen, sei auch von anderen Mitarbeitern durchgeführt worden, denen gegenüber keine Abmahnungen ausgesprochen worden seien. Das Arbeitsgericht habe keine Überprüfung der in diesem Zusammenhang ergangenen Abmahnungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin vorgenommen. Es sei zu beachten, dass offensichtlich eine andere betriebliche Übung hinter dem Verhalten stehe. Die Abmahnungen seien unwirksam, da sie insgesamt in fünf Fällen binnen kürzester Frist abgemahnt worden sei. Teilweise habe die Beklagte sich auf zwei kalendertägliche Abmahnungen festgelegt wegen unterschiedlicher und teilweise nicht nachvollziehbarer Sachverhalte. Außerdem beinhalteten die Abmahnungen lediglich die allgemeine Formulierung „mit dem Verlust des Arbeitsplatzes“ rechnen zu müssen bzw. die „Arbeitsplatzgefährdung“.
- 26
Die Interessenabwägung sei in sich widersprüchlich soweit ausgeführt werde, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht lange bestehe und außerdem schon seit langem belastet sei.
- 27
Die Klägerin beantragt,
- 28
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.08.2009, zugestellt am 17.09.2009, Az. 8 Ca 708/09 aufzuheben,
- 29
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20.04.2009 aufgelöst worden ist und darüber hinaus fortbesteht.
- 30
Die Beklagte beantragt,
- 31
die Berufung zurückzuweisen.
- 32
In Erwiderung auf das Berufungsvorbringen des Klägers macht die Beklagte nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24.11.2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 114 ff. d. A.), im Wesentlichen und zusammengefasst geltend:
- 33
Es könne nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass sie im Rahmen des Direktionsrechts berechtigt sei, die Klägerin anzuweisen, während der Nacht die Shoptür geschlossen zu halten und die Kundschaft ausschließlich über den Nachtschalter zu bedienen. Ihr sei kein Fall bei anderen Mitarbeitern bekannt, dass entgegen ihrer Anweisung die Shop-Tür nachts offen gelassen worden sei. Aus diesem Grund existiere auch keine Abmahnung gegenüber anderen Mitarbeitern, die ebenfalls in der Nachtschicht tätig gewesen seien. Würde sie auch bei anderen Mitarbeitern feststellen, dass diese gegen die Anweisung verstießen, würden auch diese eine Abmahnung erhalten.
- 34
Die alten Berliner hätten noch bis 5 Uhr angeboten und dann gegen neue aufgetaute Berliner ausgetauscht werden sollen. Bis zum Anbieten der neuen Berliner hätten die alten Berliner noch zum Verkauf stehen müssen und nicht zuletzt deshalb sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, die Berliner bereits um 3.40 Uhr aus dem Angebot und an sich zu nehmen.
- 35
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 36
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
- 37
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Berufungskammer folgt der zutreffenden Begründung des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich die nachfolgenden Ergänzungen veranlasst:
- 38
Soweit das Arbeitsgericht ausgeführt hat, die Anwendbarkeit des KSchG zu Gunsten der Klägerin unterstellt, liege ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinn des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor, ist dies nicht zu beanstanden. Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt, wenn ein (in der Regel schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat, (in der Regel zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist, danach ein weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.
- 39
Die Klägerin hat schuldhaft gegen die ihr obliegenden Vertragspflichten verstoßen, indem sie nachts die Shopeingangstür nicht verschlossen und über den Nachtschalter bedient hat. Dadurch hat sie gegen die Arbeitsanweisung der Beklagten, die spätestens in der Abmahnung vom 19.08.2008 zum Ausdruck gekommen ist, verstoßen. Ausweislich ihrer Unterschrift hat die Klägerin diese Abmahnung auch erhalten. Die Arbeitsanweisung der Beklagten ist auch von deren Direktionsrecht gedeckt. Mit dem Direktionsrecht, das in § 106 GewO ausdrücklich gesetzlich normiert ist, kann der Arbeitgeber primär die jeweils konkret zu leistende Arbeit und die Art und Weise ihrer Erbringung festlegen. Bei der Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 GewO steht dem Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Hierzu gehört es auch, festzulegen, zu welchen Zeiten die Shopeingangstür geöffnet und geschlossen sein soll und wann der Nachtschalter benutzt werden soll. Dem Arbeitnehmer steht es nicht zu, Anweisungen, die vom Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts erteilt werden und die der Arbeitnehmer für wirtschaftlich unsinnig hält, einfach außer Acht zu lassen. Eine entgegenstehende betriebliche Übung hat die Klägerin bereits nicht substantiiert unter Angabe, welcher Mitarbeiter wann aus welchem Anlass und in welchem Umfang die Shoptür offen gelassen und nicht über den Nachtschalter bedient hat, vorgetragen. Die Anordnung, die Shoptür nachts geschlossen zu halten, verstößt auch nicht gegen die Grenzen billigen Ermessens. Sie dient zum einen dem Schutz der Klägerin und der übrigen in der Nachtzeit in der Tankstelle beschäftigten Arbeitnehmer sowie zum anderen dem Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) und der Vermögensinteressen der Beklagten hinsichtlich des Risikos von nächtlichen Straftaten. Die Anordnung verlangt von der Klägerin auch nichts tatsächlich oder rechtlich Unmögliches. Schlimmstenfalls ist es der Klägerin nicht möglich, wegen der geschlossenen Shoptür alle Kunden in angemessener Zeit zu bedienen. Das Risiko des hierdurch entstehenden Verlustes hat die Beklagte zu tragen.
- 40
Die Beklagte hat das Offenlassen der Shoptür und die Nichtbenutzung des Nachtschalters auch durch die weitere Abmahnung vom 20.10.2008 abgemahnt. Eine Abmahnung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber – in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise – Leistungsmängel beanstandet und damit den eindeutigen Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfall der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Nicht erforderlich ist es, bestimmte kündigungsrechtlich Maßnahmen, insbesondere die Kündigung anzudrohen. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer durch eine zur Abmahnung berechtigte Person eindeutig und unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass bei wiederholten Leistungsmängeln der gerügten Art der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei (BAG, Urt. vom 18.01.1980 – 7 AZR 75/78 – AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).Diese Abmahnung erfolgte zwei Monate nach der Abmahnung vom 19.08.2008. Sie bezeichnet das Fehlverhalten der Klägerin genau, indem in ihr dargelegt ist, dass sie am 12.09.2008 trotz zweimaliger Abmahnungen erneut einen Kunden nachts im Shop gehabt hat. Die Warnfunktion kann eine Abmahnung auch dann erfüllen, wenn sie formell fehlerhaft ist (vgl. BAG, Urt. vom 21.05.1992 – 2 AZR 551/91 – BB 1992, 2079, 2080).
- 41
Nach Ausspruch der Abmahnung hat die Klägerin unstreitig in der Nacht vom 18. auf den 19.04.2009 erneut die Shopeingangstür nicht verschlossen und auch nicht über den Nachtschalter bedient, also erneut gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
- 42
Darüber hinaus hat die Klägerin unstreitig am 01.04.2009 um 3.40 Uhr drei in der Verkaufstheke befindliche Berliner aus dieser entnommen und in ihrer Privathandtasche verstaut. Die Klägerin hat insoweit bereits nicht substantiiert dargelegt, aus welchem Grund sie berechtigt war, zum Verkauf stehende Berliner zu diesem Zeitpunkt aus dem Verkauf und an sich zu nehmen.
- 43
Bereits der Verstoß gegen die Anweisung, nachts die Shoptür geschlossen zu halten und über den Nachtschalter zu bedienen, führt zumindest in Zusammenschau mit der Entnahme der Berliner im Rahmen der Interessenabwägung nach Auffassung der Berufungskammer zu einem Überwiegen der Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in ordentlicher Kündigungsfrist gegenüber dem Interesse der Klägerin an dessen Fortsetzung. Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass durch den Verstoß der Klägerin gegen ihre Verpflichtung die Shoptür nachts geschlossen zu halten, sowohl sie selbst als auch das Eigentum und die Vermögensinteressen der Beklagten nachhaltig gefährdet werden. Berücksichtigt hat die Kammer zu Gunsten der Klägerin ihr fortgeschrittenes Lebensalter und ihre Unterhaltspflichten sowie den Bestand des Arbeitsverhältnisses seit Mitte 2005. Dabei hat die Kammer aber auch berücksichtigt, dass beim Vorbetreiber lediglich ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit 10 Wochenstunden bestand und die Klägerin erst seit der Übernahme der Tankstelle im März 2008 in größerem Umfang in der Nachtschicht beschäftigt war. Bereits kurze Zeit nach der Tankstellenübernahme durch die Beklagte kam es zu Differenzen zwischen den Parteien hinsichtlich des Offenlassens der Shoptür. Schließlich hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Klägerin deutlich gemacht hat, dass sie die Arbeitsanweisung der Beklagten hinsichtlich des Schließens der Shoptür weiterhin für nicht durchführbar hält und aus diesem Grund davon ausgeht, dass die Shoptür – auch ohne aktuellen Anlass - nachts offen gehalten werden muss.
- 44
Da – die Anwendbarkeit des KSchG unterstellt - bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts ein verhaltensbedingter Grund für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung gegeben ist, mussten nicht die von der Klägerin angebotenen Beweismittel hinsichtlich der weiteren, von der Beklagten zusätzlich vorgetragenen Kündigungsgründe ausgeschöpft werden.
- 45
Die Berufung der Klägerin hatte daher keinen Erfolg.
III.
- 46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.