Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (10. Kammer) - 10 Sa 315/10

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11. Februar 2010, Az.: 9 Ca 2358/08, wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Ausgangspunkt über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 28.11. zum 31.12.2008, die der Beklagte zu 1) als Insolvenzverwalter erklärt hat.

2

Der Kläger (geb. am … 1968, verheiratet, drei Kinder) war seit dem 15.01.2006 bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Er ist als Buchhalter zu einem Monatsgehalt von € 3.500,00 brutto eingestellt worden. Nach etwa einem Jahr wurde er als kaufmännischer Leiter zu einem Bruttomonatsgehalt von € 6.500,00 beschäftigt. Die Insolvenzschuldnerin, die eine Druckwerkstätte betrieb, beschäftigte insgesamt 44 Arbeitnehmer. Durch Beschluss vom 02.10.2008 bestellte das Amtsgericht Mainz den Beklagten zu 1) zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Er wurde Insolvenzverwalter, als das Amtsgericht durch Beschluss vom 28.11.2008 (280 IN 204/08) das Insolvenzverfahren eröffnete. Am 01.12.2008 zeigte der Beklagte zu 1) gemäß § 208 InsO Masseunzulänglichkeit an.

3

Am 28.11.2008 vereinbarte der Beklagte zu 1) mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der auch der Kläger aufgeführt war. Insgesamt wurden 14 Arbeitnehmer entlassen. Mit Schreiben vom 28.11.2008, das dem Kläger am 29.11.2008 zugegangen ist, kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2008. Am 02.02.2009 kündigte er hilfsweise erneut zum 31.03.2009.

4

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.02.2010 (dort Seite 2-8 = Bl. 451-457 d. A.) Bezug genommen.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

6

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die schriftliche Kündigung vom 28.11.2008 noch durch die Kündigung vom 02.02.2009 aufgelöst worden ist,

7

die Beklagten als Gesamtschuldner, hilfsweise die Beklagte zu 3), hilfsweise die Beklagte zu 2) und hilfsweise die Beklagte zu 4) zu verurteilen, an ihn € 26.000,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 6.500,00 seit dem 01.01.2009, 01.02.2009, 01.03.2009 und 01.04.2009 zu zahlen,

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für den Fall der vollständigen Abweisung des Klageantrags zu 2) festzustellen, dass ihm gegen den Beklagten zu 1) ein Gehaltsanspruch für die Beschäftigungsmonate 2008 bis März 2009 in Höhe von € 26.000,00 brutto als Masseverbindlichkeit in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma , X. Straße, W.-Stadt (AG Mainz 280 IN 204/08) unter Anrechnung des erhaltenen Arbeitslosengeldes zusteht,

9

die Beklagten als Gesamtschuldner, hilfsweise die Beklagte zu 3), hilfsweise die Beklagte zu 2) und hilfsweise die Beklagte zu 4) zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages, abgeschlossen am 23.12.2005 mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von € 6.500,00 zu beschäftigen,

10

hilfsweise

11

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 3), hilfsweise auf die Beklagte zu 2), hilfsweise auf die Beklagte zu 4) übergegangen ist und mit dieser zu unveränderten Arbeitsbedingungen besteht,

12

die Beklagte zu 3), hilfsweise die Beklagte zu 2), hilfsweise die Beklagte zu 4) zu verurteilen, ihn als Buchhalter in der Betriebsstätte X. Straße in W.-Stadt zu einem Bruttogehalt in Höhe von € 6.500,00 einzustellen.

13

Die vier Beklagten haben beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.02.2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die ordentliche Kündigung vom 28.11.2008 sei wirksam. Das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden, werde gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vermutet. Diese gesetzliche Vermutung habe der Kläger nicht widerlegen können. Die getroffene Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft im Sinne des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Schließlich sei die Kündigung vom 28.11.2008 auch nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 BetrVG unwirksam.

16

Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28.11.2008 mit Ablauf des 31.12.2008 geendet habe, gehe die hilfsweise Kündigung vom 02.02.2009 ins Leere. Der Zahlungsantrag (Klageantrag zu 2) sei abzuweisen. Gegenüber dem Beklagten zu 1) sei der Antrag bereits unzulässig, weil er am 01.12.2008 Masseunzulänglichkeit angezeigt habe. Zahlungsansprüche gegen die Beklagten zu 2) bis 4) bestünden nicht, weil das Arbeitsverhältnis am 31.12.2008 geendet habe. Dass ein Betriebsübergang schon vor dem 31.12.2008 stattgefunden haben könnte, mit der Folge, dass die Betriebserwerberin in das Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB eingetreten wäre, gehe aus dem Vortrag des Klägers nicht hervor. Angesichts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008 sei auch der Feststellungsantrag (Antrag zu 3) unbegründet. Die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit den Beklagten zu 3), 2) oder 4) (Antrag zu 5) könne der Kläger nicht verlangen. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf eine neue Arbeitgeberin scheitere schon daran, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem 31.12.2008 und damit vor dem Betriebsübergang geendet habe. Auch der zweite Hilfsantrag (Antrag zu 6) sei abzuweisen. In diesem Zusammenhang könne dahinstehen, ob und ggf. auf wen der Betrieb der Insolvenzschuldnerin übergegangen sein könnte. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung- bzw. Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses werde von der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 13.05.2004 - 8 AZR 198/03 - Rn. 20 ff., Juris) für den Fall eines Betriebsübergangs in der Insolvenz nach Ablauf der Kündigungsfrist zu Recht nicht anerkannt

17

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 8 bis 19 des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.02.2010 (= Bl. 457-468 d.A.) Bezug genommen.

18

Gegen dieses Urteil, das ihm am 25.05.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit am 24.06.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 23.08.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 12.08.2010 eingegangenem Schriftsatz begründet.

19

Er ist der Ansicht, die Kündigung sei offensichtlich wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Innerhalb der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist bis zum 23.07.2009 sei ein nachvollziehbarer Sachvortrag des Beklagten nicht erfolgt. Der Beklagte habe ohne Begründung eine Liste aller Mitarbeiter mit allen Sozialdaten, die er dem Betriebsrat ausgehändigt haben will, nicht fristgerecht vorgelegt. Der Beklagte habe behauptet, dem Betriebsrat sei sein Geburtsdatum (20.09.1968), sein Familienstand (verheiratet, drei Kinder) und sein Betriebseintritt (15.01.2006) sowie die Kündigungsfrist mitgeteilt worden. Des Weiteren sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden, dass er als kaufmännischer Leiter tätig gewesen sei. Damit sei der Beklagte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Der Beklagte habe bis zum heutigen Tag nicht vorgetragen, wann konkret, wo, was mitgeteilt worden sei. Insoweit spreche er auch lediglich von der Kündigungsfrist, ohne die Länge anzugeben, die er dem Betriebsrat mitgeteilt haben will. Die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung scheitere jedoch unbedingt daran, dass dem Betriebsrat nicht bekannt gewesen und auch nicht mitgeteilt worden sei, dass er als Buchhalter eingestellt worden sei und der schriftliche Arbeitsvertrag eine weitreichende Versetzungs- sowie eine Schriftformklausel enthalte. Es sei nicht erkennbar, warum dieser wichtige Gesichtspunkt keine Relevanz haben soll.

20

Die Kündigung sei gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Er habe die gesetzlichen Vermutungen widerlegt. Der Beklagte habe die Kündigung einerseits damit begründet, dass der Beschäftigungsbedarf für ihn entfallen sei. Auf der anderen Seite werde vorgetragen, die Stilllegung des Betriebes sei Kündigungsgrund. Er habe vorgetragen, dass er als Buchhalter und kaufmännischer Leiter tätig und voll ausgelastet gewesen sei. Sein Beschäftigungsbedarf sei nach dem 31.12.2008 nicht weggefallen. Dies zeige sich bereits darin, dass seine Arbeiten ab dem 01.01.2009 im Wesentlichen von einer Mitarbeiterin des Insolvenzverwalters erledigt worden seien. Buchhalterische Tätigkeiten würden nunmehr von der Arbeitnehmerin U. erledigt. Er sei als Buchhalter eingestellt worden und deshalb mit Frau U., die sozial weniger schutzwürdig sei, vergleichbar. Der Arbeitgeber könne ihn aufgrund der Versetzungsklausel in seinem Arbeitsvertrag problemlos als Buchhalter beschäftigen. Der Umstand, dass er nach und nach weitere Tätigkeiten wahrgenommen und sich sein Gehalt erhöht habe, sei nicht geeignet, die Vergleichbarkeit auszuschließen.

21

Die Beklagten behaupteten u.a., der Betrieb der Insolvenzschuldnerin sei stillgelegt worden. Der Betrieb werde jedoch an gleicher Betriebsstätte mit 19 Arbeitnehmern nahtlos weitergeführt. Es stehe fest, dass eine Betriebsstilllegung nicht stattgefunden habe. Demnach stehe fest, dass im Zusammenwirken der Beklagten zu 2), 3) und 4) ein Betriebsübergang stattgefunden habe. Die Kündigung sei wegen des Betriebsübergangs erfolgt. Das ergebe sich schon daraus, dass vor Ausspruch der Kündigung vom 28.11.2008 Verhandlungen mit Herrn T. geführt worden seien. Dieser Interessent habe dem Beklagten zu 1) die Namensliste als verbindliche Vorgabe diktiert, und die Entlassung der aufgeführten Arbeitnehmer zur Bedingung für die Übernahme gemacht. Die Kündigungsentscheidung zu seinen Lasten, sei vom Betriebserwerber vorgegeben worden.

22

Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 12.08.2010 (Bl. 493-517 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

23

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

24

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.02.2010, Az.: 9 Ca 2358/08, abzuändern und die Beklagten gemäß den Klageanträgen erster Instanz zu verurteilen.

25

Die vier Beklagten beantragen,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungen im Schriftsatz vom 30.09.2010 (Bl. 542-543 d.A., Beklagte zu 2) und vom 13.10.2010 (Bl. 556-566 d.A.; Beklagte zu 1), 3, 4) auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

28

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

29

Der Kläger hat die Berufung nicht in zulässiger Weise begründet, so dass sie als unzulässig zu verwerfen ist.

30

1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (vgl. zuletzt: BAG Urteil vom 19.10.2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. 7, Juris, m.w.N.).

31

Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers vom 12.08.2010 nicht gerecht. Sie setzt sich weitgehend aus Textbausteinen zusammen und geht auf die Argumente des Arbeitsgerichts noch nicht einmal ansatzweise ein. Im Einzelnen:

32

2. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28.11. zum 31.12.2008 nicht gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam sei.

33

a.) Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, im Interessenausgleich sei ausweislich der Seiten 6 und 7 das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG enthalten. Über die Kündigungsgründe sei der Betriebsrat demnach hinreichend informiert worden. Der Kläger bestreite die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates auch nur insoweit, als er geltend mache, angesichts der fehlerhaften Angabe seines Alters gegenüber der Bundesagentur für Arbeit (40 statt 41 Jahre) gehe er davon aus, dass sein Alter auch dem Betriebsrat fehlerhaft angegeben worden sei. Überdies hätte dem Betriebsrat mitgeteilt werden müssen, dass er als Buchhalter mit Versetzungsmöglichkeit eingestellt worden sei.

34

Vorliegend habe es weder der Vorlage des Arbeitsvertrages des Klägers noch einer entsprechenden Information des Betriebsrates bedurft. Es sei auch nicht erforderlich gewesen, dem Betriebsrat die persönlichen Daten des Klägers mitzuteilen. Denn der Beklagte zu 1) habe erkennbar die - vom Betriebsrat geteilte und auch zutreffende - Auffassung vertreten, dass eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten im Falle des Klägers angesichts der von ihm bekleideten Position als kaufmännischer Leiter ausscheide. Deshalb sei die Mitteilung seiner Sozialdaten entbehrlich gewesen. Hinsichtlich des vom Kläger in den Vordergrund gestellten Lebensalters sei überdies anzumerken, dass die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung sich nicht an der Frage, ob der Kläger nun 40 oder 41 Jahre alt war, entscheide. Der Betriebsrat habe außerdem nicht darüber informiert werden müssen, dass der Kläger mit einem Arbeitsvertrag als Buchhalter, der eine Versetzungsklausel enthalte, eingestellt worden ist. Eine solche Mitteilung sei schon deshalb entbehrlich gewesen, weil der Beklagte zu 1) diese vertragliche Regelung angesichts der dem Kläger später übertragenen Position als kaufmännischer Leiter für unerheblich gehalten habe. Abgesehen von diesem Gesichtspunkt der subjektiven Determination sei eine entsprechende Information auch deshalb entbehrlich gewesen, weil der Kläger nicht etwa wegen dieses Arbeitsvertrages mit anderen Arbeitnehmern, insbesondere der Arbeitnehmerin U. vergleichbar gewesen wäre. Der Arbeitsvertrag des Klägers sei durch die Übertragung der Position des kaufmännischen Leiters, die mit einer höheren Vergütung (€ 6.500,00 statt € 3.500,00) und dem Aufstieg in eine andere Hierarchieebene verbunden gewesen sei, dahingehend geändert worden, dass er nur noch die zuletzt übertragene Tätigkeit, jedoch nicht mehr die eines Buchhalters schuldete.

35

b.) Hierzu führt die Berufung aus, die Kündigung sei offensichtlich wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Innerhalb der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist bis zum 23.07.2009 sei ein nachvollziehbarer Sachvortrag des Beklagten nicht erfolgt. Der Beklagte habe ohne Begründung eine Liste aller Mitarbeiter mit allen Sozialdaten, die er dem Betriebsrat ausgehändigt haben wolle, nicht fristgerecht vorgelegt. Der Beklagte habe behauptet, dem Betriebsrat sei das Geburtsdatum des Klägers (20.09.1968), sein Familienstand (verheiratet, drei Kinder) und der Betriebseintritt (15.01.2006) sowie die Kündigungsfrist mitgeteilt worden. Des Weiteren sei ihm mitgeteilt worden, dass er als kaufmännischer Leiter tätig gewesen sei. Damit sei der Beklagte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Der Beklagte habe bis zum heutigen Tag nicht vorgetragen, wann konkret, wo, was mitgeteilt worden sei. Insoweit spreche er auch lediglich von der Kündigungsfrist, ohne die Länge anzugeben, die er dem Betriebsrat mitgeteilt haben will. Die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung scheitere jedoch unbedingt daran, dass dem Betriebsrat nicht bekannt gewesen und auch nicht mitgeteilt worden sei, dass der Kläger als Buchhalter eingestellt worden sei und der schriftliche Arbeitsvertrag eine weitreichende Versetzungs- sowie eine Schriftformklausel enthalte. Es sei nicht erkennbar, warum dieser wichtige Gesichtspunkt keine Relevanz haben soll.

36

c.) Diese Ausführungen beschäftigen sich mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts überhaupt nicht. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der Kläger die Argumentation des Arbeitsgerichts überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Zwar kann eine in sich schlüssige und rechtlich haltbare Berufungsbegründung nicht verlangt werden, jedoch muss überhaupt eine Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils erfolgen. Hieran fehlt es ganz offensichtlich.

37

d.) Die Berufung hätte insoweit auch in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation völlig, dass der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Kündigung zu bilden ist. Im Zeitpunkt der Kündigung am 28.11.2008 war er kaufmännischer Leiter mit Prokura. Das dürfte in einem überschaubaren Betrieb mit damals 44 Arbeitnehmern auch dem Betriebsrat nicht verborgen geblieben sein. Es ist vollkommen unerheblich, dass der Kläger am 15.01.2006 ursprünglich als Buchhalter eingestellt worden ist. Ihm ist unstreitig - und zwar mit seinem Einverständnis - die höherwertige Tätigkeit übertragen und eine wesentlich höhere Vergütung - € 6.500,00 statt € 3.500,00 brutto monatlich - gezahlt worden. Die mit der Übertragung der Leitungsfunktion verbundene Begrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises bzw. das gänzliche Entfallen des Erfordernisses der sozialen Auswahl, ist die rechtliche Konsequenz der Beförderung. Verengt sich die Leistungspflicht des Arbeitnehmers auf einen einzigen Arbeitsplatz, kann er ohne Sozialauswahl entlassen werden, wenn diese Position - wie hier: kaufmännischer Leiter - entfällt (so schon: BAG Urteil vom 17.09.1998 - 2 AZR 725/97 - NZA 1998, 1332). Der Beklagte zu 1) war deshalb weder verpflichtet, dem Betriebsrat die Sozialdaten des Klägers mitzuteilen noch den Inhalt des ursprünglichen Arbeitsvertrages. Im Übrigen weist der Beklagte zu 1) zutreffend darauf hin, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht nach § 102 BetrVG über die Sozialdaten zu unterrichten hat, wenn eine Sozialauswahl nach der für den Betriebsrat erkennbaren Auffassung des Arbeitgebers nicht vorzunehmen ist (BAG Urteil vom 13.05.2004 - 2 AZR 329/03 - NZA 2004, 1037). Das war hier der Fall.

38

3. Das Arbeitsgericht hat weiterhin angenommen, dass die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28.11.2008 nicht gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam sei.

39

a.) Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, aufgrund der namentlichen Benennung des Klägers in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 28.11.2008 werde nach § 128 Abs. 2 InsO vermutet, dass seine Kündigung nicht wegen Betriebsübergangs erfolgt sei. Der Kläger habe diese Vermutung nicht entkräften können.

40

Der Interessenausgleich sehe eine Reduzierung der Belegschaft vor, um eine übertragende Sanierung zu ermöglichen. Ein solches Vorhaben führe weder dann, wenn die Verringerung der Belegschaft einem Konzept des Kündigenden noch dann, wenn sie einem Konzept des potentiellen Erwerbers entspreche, zu einer nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksamen Kündigung. Das Vorbringen des Klägers, die Kündigung entspräche dem Konzept des ursprünglich am Erwerb der Insolvenzschuldnerin interessierten Herrn T., könne die Unwirksamkeit der Kündigung nicht im Ansatz begründen. Dasselbe gelte für sein Vorbringen, der Beklagte zu 1) habe geplant, den Betrieb auf die Beklagten zu 2) bis 4) oder doch auf einen oder zwei der Beklagten zu übertragen. Auf die Frage, ob tatsächlich ein Betriebsübergang erfolgt oder jedenfalls geplant worden sei, komme es nicht an.

41

Soweit der Kläger wiederholend von einer fehlenden Stilllegungsabsicht und der deshalb fehlenden Vermutungswirkung auf Grund des Interessenausgleichs ausgehe, sei dieses Vorbringen ebenfalls unerheblich. Eine derartige Fallkonstellation liege hier nicht vor. Der Beklagte zu 1) habe weder behauptet noch sei es im Interessenausgleich so dargestellt, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 28.11.2008 eine Betriebsstilllegung beabsichtigt gewesen sei. Nach dem Interessenausgleich sei nur eine Reduzierung der Belegschaft vorgesehen gewesen.

42

Hierzu führt die Berufung auf Seite 12 der Begründungsschrift unter V. aus, „die gesetzlichen Vermutungen wurden widerlegt“. Danach folgen zunächst - wie bereits zu § 102 Abs. 1 BGB - seitenlange abstrakte Ausführungen zu § 613 a BGB (bis Seite 19 unten) in lehrbuchartiger Darstellung. Diese Textbausteine haben nicht das Geringste mit dem vorliegenden Fall zu tun.

43

Auf Seite 20 der Begründungsschrift schließt sich erneut die Behauptung an, der Kläger habe die gesetzliche Vermutung widerlegt. Der Beklagte zu 1) habe die Kündigung einerseits damit begründet, dass der Beschäftigungsbedarf für ihn entfallen sei. Auf der anderen Seite werde vorgetragen, dass die Stilllegung des Betriebes Kündigungsgrund sei. Er habe vorgetragen, dass er als Buchhalter und kaufmännischer Leiter tätig und voll ausgelastet gewesen sei. Sein Beschäftigungsbedarf sei nach dem 31.12.2008 nicht weggefallen. Dies zeige sich bereits darin, dass seine Arbeiten ab dem 01.01.2009 im Wesentlichen von einer Mitarbeiterin des Insolvenzverwalters erledigt worden seien. Buchhalterische Tätigkeiten würden nunmehr von der Arbeitnehmerin U. erledigt. Er sei als Buchhalter eingestellt worden und deshalb mit Frau U., die sozial weniger schutzwürdig sei, vergleichbar. Der Arbeitgeber könne ihn aufgrund der Versetzungsklausel in seinem Arbeitsvertrag problemlos als Buchhalter beschäftigen. Der Umstand, dass er nach und nach weitere Tätigkeiten wahrgenommen und sich sein Gehalt erhöht habe, sei „selbstverständlich“ nicht geeignet, die Vergleichbarkeit auszuschließen.

44

Die Beklagten behaupteten u.a. der Betrieb der Insolvenzschuldnerin sei stillgelegt worden. Der Betrieb werde jedoch an gleicher Betriebsstätte mit 19 Arbeitnehmern nahtlos weitergeführt. Es stehe fest, dass eine Betriebsstilllegung nicht stattgefunden habe. Demnach stehe fest, dass im Zusammenwirken der Beklagten zu 2), 3) und 4) ein Betriebsübergang stattgefunden habe. Die Kündigung sei wegen des Betriebsübergangs erfolgt. Das ergebe sich schon darauf, dass vor Ausspruch der Kündigung vom 28.11.2008 Verhandlungen mit Herrn T. geführt worden seien. Dieser Interessent habe dem Beklagten zu 1) die Namensliste als verbindliche Vorgabe vorgelegt, und die Entlassung der aufgeführten Arbeitnehmer zur Bedingung für die Übernahme gemacht. Die Kündigungsentscheidung zu seinen Lasten, sei vom Betriebserwerber vorgegeben worden.

45

c.) Auch anhand dieser Berufungsbegründung ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der Kläger die sorgfältigen und wohlbegründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Auf die Argumentation des Arbeitsgerichts geht er mit keinem Wort ein. Er beschränkt sich darauf, seinen erstinstanzlichen Vortrag zu wiederholen. Das genügt nicht.

46

d.) Ohne dass es für die Entscheidung darauf ankommt, wäre die Berufung auch insoweit unbegründet. Aufgrund der namentlichen Benennung des Klägers in der Namensliste des Interessenausgleichs wird nach § 128 Abs. 2 InsO vermutet, dass seine Kündigung nicht wegen Betriebsübergangs erfolgt ist. Der Interessenausgleich mit Namensliste im Sinne des § 125 Abs. 1 InsO beruht seinem Inhalt nach unzweifelhaft auf einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG. Rechtsfolge ist, dass für die namentlich genannten Arbeitnehmer vermutet wird, dass dringende betriebliche Erfordernisse ihrer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Der Kläger hat diese gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Grund für die Kündigung war die Sanierung des Betriebes. Insbesondere der Hinweis des Klägers darauf, dass der Bedarf an seiner Beschäftigung auch weiterhin fortbestehe, beruht auf einer groben Verkennung der Sach- und Rechtslage. Der Kläger war bei seinem Ausscheiden als kaufmännischer Leiter zu einem Bruttomonatsgehalt von € 6.500,00 beschäftigt. Die Funktion des kaufmännischen Leiters sollte nach dem nachvollziehbaren Sanierungskonzept des Beklagten zu 1) wegfallen. Dass im verkleinerten Betrieb noch Buchhaltungstätigkeiten anfallen, ändert daran nichts. Die Kündigung wurde zum Zweck der Verwirklichung des im Interessenausgleich vom 28.11.2008 enthaltenen Sanierungskonzepts des Insolvenzverwalters erklärt. Dies ist ein sachlicher Grund, der unabhängig von einem angestrebten Betriebsübergang aus sich heraus die Kündigung rechtfertigt. Die Sozialauswahl ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht grob fehlerhaft i.S.v. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Wie oben bereits ausgeführt, ist durch die Übertragung der Funktion des kaufmännischen Leiters das Erfordernis der Sozialauswahl gänzlich entfallen.

47

3. Schließlich geht die Berufung auch auf die Abweisung der Klageanträge zu 2) bis 6) mit keinem Wort ein.

48

a.) Wenn im arbeitsgerichtlichen Urteil - wie hier - über mehrere Ansprüche im prozessualen Sinne entschieden worden ist, dann muss sich die Berufungsbegründung mit jedem Einzelanspruch auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 08.09.2009 - 1 Sa 230/09 - Rd. 43, Juris; Schwab/ Weth, ArbGG, 3. Auflage, § 64 Rn. 162, 163; m.w.N.). Das ist vorliegend nur teilweise der Fall.

49

b.) Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsklageantrag zu 2) gegenüber dem Beklagten zu 1) als unzulässig abgewiesen, weil der Insolvenzverwalter am 01.12.2008 Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Dieser Zahlungsanspruch hängt nicht ausschließlich vom Erfolg der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28.11.2008 ab. Auch zu den geltend gemachten Anträgen, die der Kläger - im Wege der subjektiven eventuellen Klagehäufung - hilfsweise gegen die Beklagte zu 3), hilfsweise gegen die Beklagte zu 2) und hilfsweise gegen die Beklagte zu 4) geltend gemacht hat, verhält sich die Berufungsbegründung mit keinem Wort. Die Hilfs-Ansprüche gegen die Hilfsbeklagten hängen nicht ausschließlich vom Erfolg bzw. Misserfolg der Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten zu 1) ab.

50

c.) Im Übrigen gibt die Berufung, ohne dass es darauf für die Entscheidung ankommt, Anlass zu dem Hinweis, dass die Klage mit den hilfsweise gegen die Beklagte zu 3), hilfsweise gegen die Beklagte zu 2) und hilfsweise gegen die Beklagte zu 4) gerichteten Anträgen unzulässig war. Darauf hatte das Arbeitsgericht den Kläger bereits im Beschluss vom 11.05.2009 (Bl. 206-208 d.A.) ausdrücklich hingewiesen. Der Kläger wollte mit diesen Anträgen erreichen, dass ihm, falls er mit seinen gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Anträgen unterliegt, hilfsweise Ansprüche gegen die Beklagte zu 3), hilfsweise die Beklagte zu 2) und hilfsweise gegen die Beklagte zu 4) zuerkannt werden. Er wollte die Beklagten zu 3), 2), 4) -und zwar in dieser Reihenfolge sozusagen hilfs-hilfs-hilfsweise - nicht unbedingt in Anspruch nehmen, sondern nur unter der Voraussetzung der Erfolglosigkeit seiner gegen den Beklagten zu 1) bzw. die vorherigen Hilfsbeklagten gerichteten Klage. Eine solche eventuelle subjektive Klagehäufung ist unzulässig (vgl. BAG Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 720/08 - Rn. 35, Juris, m.w.N.).

51

4. Ein rechtlicher Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung, der in der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, war nicht erforderlich.

52

Geht der Kläger - wie im vorliegenden Fall - auf die Argumente des Arbeitsgerichts mit keinem Wort ein, verlangt § 139 ZPO nicht, die Partei auf diesen Mangel der Berufung hinzuweisen, auch wenn diese - wie hier - am Ende jedes erst- und zweitinstanzlichen Schriftsatzes stereotyp um die Erteilung eines richterlichen Hinweises bittet. Unkenntnis oder Missachtung der formalen Anforderungen an die Berufung kann nicht durch die Bitte um einen Hinweis ersetzt werden. Das Ausbleiben von Hinweisen, für die kein Raum besteht, macht eine Entscheidung auch nicht überraschend im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO (vgl. BAG Urteil vom 19.10.2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. 21, 22, Juris).

53

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Berufungsverhandlung auf seine Formulierung auf Seite 2 der Berufungsbegründung vom 12.08.2010 aufmerksam gemacht hat, wonach

54

„Das Arbeitsgericht […] aufgrund falscher und unzutreffender Tatsachenfeststellungen, unzureichender Beweiserhebung, fehlerhafter Beweiswürdigung und falscher Rechtsanwendung zu Unrecht das Vorliegen eines gesetzlich anerkannten Kündigungsgrundes nach § 1 KSchG bejaht [hat]“,

55

führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Dieser Textbaustein ist ersichtlich nicht auf den Streitfall zugeschnitten. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung kann dem Arbeitsgericht schon mangels Durchführung einer Beweisaufnahme denknotwendig nicht vorgeworfen werden. Das Arbeitsgericht hat im Übrigen die Wirksamkeit der Kündigung vom 28.11.2008 nicht nach § 1 KSchG geprüft, sondern nach § 125 InsO als lex specialis.

56

Dem Kläger musste keine Gelegenheit gegeben werden, seinen Berufungsvortrag zu ergänzen. Dieser Vortrag hätte die Mängel der Berufungsbegründung nicht mehr heilen können, weil er außerhalb der bis zum 23.08.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist erfolgt wäre und damit nicht mehr hätte berücksichtigt werden dürfen.

II.

57

Die Nichtbeachtung der Vorschriften über die Berufungsbegründung hat die Verwerfung der Berufung als unzulässig zur Folge.

58

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

59

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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