Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (9. Kammer) - 9 Sa 577/10

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25.08.2010, AZ: 8 Ca 756/10, teilweise abgeändert und zur Klarstellung der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.636,39 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 33 % und die Beklagte zu 67 %, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 58 % und der Kläger zu 42 %.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für den Monat Juni 2010 ein weiterer Anspruch auf Arbeitsvergütung in Höhe von 1.800,-- € brutto nebst Zinsen sowie ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung für den Monat Januar 2010 in Höhe von 760,94 € brutto nebst Zinsen und den Monat Februar 2010 in Höhe von 752,06 € brutto nebst Zinsen zusteht. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung die Berücksichtigung zweier von ihr behaupteter Zahlungen in Gesamthöhe von 680,-- € auf den dem Kläger für die Monate Januar und März 2010 zustehenden Gesamtvergütungsanspruch in Höhe von 3.800,-- € brutto.

2

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25.08.2010, Az.: 8 Ca 756/10 (Bl. 65 ff. d. A.).

3

Soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, hat das Arbeitsgericht mit dem genannten Urteil die Beklagte verurteilt, dem Kläger als Lohn für die Monate Januar und März 2010 3.600,-- € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, bezieht sich die Klageabweisung auf den vom Kläger für den Monat Juni 2010 geltend gemachten Vergütungsanspruch in Höhe von 1.800,-- € brutto nebst Zinsen sowie auf vom Kläger geltend gemachte Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 752,06 € brutto und 760,94 € brutto, jeweils nebst Zinsen, für die Monate Januar und Februar 2010.

4

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt:

5

Dem Kläger stehe für die Monate Januar und März 2010 ein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung in Höhe von jeweils 1.800,-- € brutto zu. Eine - teilweise - Erfüllung dieser Vergütungsansprüche habe die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Soweit sie sich einer Zahlung in Höhe von 30,-- € dadurch berühme, dass der Kläger einen für Maut-Gebühren nicht verbrauchten Betrag in Höhe von 30,-- € habe behalten dürfen, fehle es bereits an einem Beweisantritt der Beklagten für diese vom Kläger bestrittene Zahlung. Auch weiter behauptete Zahlungen seien nicht substantiiert dargelegt worden.

6

Allerdings stünden dem Kläger weitergehende Annahmeverzugslohnansprüche für die Monate April bis Juni 2010 nicht zu. Die Voraussetzungen eines Annahmeverzugsvergütungsanspruchs lägen mangels tatsächlichen Angebot der Arbeitsleistung nicht vor. Soweit der Kläger behauptet, er habe im Hinblick auf Lohnrückstände am 31.03.2010 von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, sei dies nicht ausreichend substantiiert vorgetragen worden. Auch ein Anspruch des Klägers auf Mehrarbeitsvergütung bestehe nicht. Er habe lediglich pauschal bestimmte Ist-Stunden vorgetragen, es aber verabsäumt, die von ihm behaupteten Mehrarbeitsstunden im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen.

7

Das Urteil ist dem Kläger am 24.09.2010 und der Beklagten am 28.09.2010 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am (Mo., den) 25.10.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 25.11.2010 bis 03.12.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 01.12.2010, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet. Die Beklagte hat gegen das Urteil mit einem am 28.10.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 29.11.2010 bis zum 28.12.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 17.12.2010, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

8

Der Kläger erstrebt mit seiner Berufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 1.800,-- € brutto nebst Zinsen als Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juni 2010. Ferner erstrebt er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Mehrarbeitsvergütung für die Monate Januar und Februar 2010 nebst Zinsen.

9

Zur Begründung seiner Berufung und in Erwiderung auf die Berufung der Beklagten macht der Kläger nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 01.12.2010, 21.01.2011 sowie vom 10.02.2011, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 134 ff., 161 ff., 203 ff. d. A.), zusammengefasst geltend:

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Ihm stehe ein Anspruch auf Arbeitsvergütung für den Monat Juni 2010 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil erstinstanzlich zumindest mit Schriftsatz vom 28.05.2010 darauf hingewiesen worden sei, dass er seine Arbeitsleistung zurückhalte, bis die offenen Lohnansprüche befriedigt worden seien. Zumindest hierin liege die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts. Auch die behaupteten Mehrarbeitsstunden seien wie aus der Aufstellung im Schriftsatz vom 01.12.2010 aufgeführt (Bl. 138 ff. d. A.) angefallen. Er sei bei einer Firma in B-Stadt eingesetzt gewesen, welche ihm die entsprechenden Fahraufträge erteilt habe. Soweit die Beklagte behaupte, sie habe an ihn am 17.02.2010 einen Betrag in Höhe von 650,-- € gezahlt, welchen der Zeuge dem Geschäftsführer der Beklagten geliehen habe solle, so sei diese Behauptung unzutreffend. Ebenso sei ihm kein Restbetrag nicht verbrauchter Maut-Gebühren in Höhe von 30,-- € belassen worden.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25.08.2010, Az: 8 Ca 756/10, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über den bereits ausgeurteilten Betrag in Höhe von 3.600,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus jeweils 1.800,00 EUR seit 15.02.2010 und 15.04.2010 hinaus, weitere 1.800,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus 1.800,00 EUR seit dem 15.07.2010 zu zahlen, sowie
die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 752,06 EUR Brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2010 zu zahlen und
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 760,94 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen

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das genannte Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein teilweise insoweit abzuändern, als dem Kläger ein höherer Betrag als 2.920,00 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.800,00 EUR seit 15.02.2010 sowie aus 1.120,00 EUR seit 15.04.2010 zugesprochen wurde.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

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Zur Begründung ihrer Berufung und in Erwiderung auf die Berufung des Klägers macht die Beklagte nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 17.12.2010, 05.01.2011 sowie 03.02.2011, auf die jeweils ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 145 ff., 156 ff., 171 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend:

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An den Kläger sei am 17.02.2010 eine Zahlung in Höhe von 650,-- € geleistet worden. Der Kläger sei an diesem Tag im Büro erschienen und habe einen Betrag in Höhe von 630,-- € gefordert. Diese Zahlung habe der Geschäftsführer der Beklagten mangels entsprechender Geldmittel nicht leisten können. Der Kläger habe daraufhin das Büro verlassen. Bei dieser Begegnung sei der Zeuge zugegen gewesen, der dem Geschäftsführer der Beklagten sodann gesagt habe, er könne ihm das Geld borgen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe daraufhin den Kläger angerufen und ihm mitgeteilt, dass man ihm das Geld jetzt bringen werde. Anschließend sei er gemeinsam mit dem Zeugen zum Kläger gefahren. Der Zeuge habe sodann dem Geschäftsführer der Beklagten den Betrag von 650,-- € übergeben, den der Geschäftsführer wiederum an den Kläger weitergegeben habe. Der Kläger müsse sich schließlich auch einen Betrag in Höhe von 30,-- € anrechnen lassen. Unzutreffend sei, dass er diesen Restbetrag nicht verbrauchter Maut-Gebühren an den Geschäftsführer der Beklagten zurückgegeben habe. Soweit das Arbeitsgericht diesbezüglich ausgeführt habe, die Beklagte sei für diesen Sachvortrag beweisfällig geblieben, beruhe dies auf einer Verkennung der Beweislast.

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Ein Vergütungsanspruch für den Monat Juni 2010 bestehe mangels Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nicht. Dieses sei auch nicht mit erstinstanzlichem Schriftsatz des Klägers vom 28.05.2010 geltend gemacht worden, beziehe sich aber jedenfalls nicht auf den gesamten Monat Juni 2010. Ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung scheitere auch an dem fehlenden Leistungswillen des Klägers, der durch Nichtleistung der Arbeit seit einschließlich April 2010 dokumentiert habe, nicht mehr leistungswillig zu sein. Ein Anspruch auf Überstundenvergütung für die Monate Januar und Februar 2010 bestehe nicht, wie sich auch aus den Tacho-Diagrammscheiben (Bl. 173 ff. d. A.) ergebe.

21

Die Berufungskammer hat über die Behauptung der Beklagten, an den Kläger sei am 17.02.2010 ein Betrag in Höhe von 650,00 € übergeben worden, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen .

22

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der Sitzung vom 18.02.2011 (Bl. 207 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Berufungen sind zulässig. Das Rechtsmittel der Berufung ist jeweils an sich statthaft. Die Berufungen wurden auch form- und fristgerecht eingelegt sowie - auch inhaltlich ausreichend - begründet.

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II. Die Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg. Dem Kläger steht ein Annahmeverzugsvergütungsanspruch für den Monat Juni 2010 in Höhe von 1.636,39 € brutto nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 15.07.2010 zu. Ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung für die Monate Januar und Februar 2010 besteht hingegen nicht.

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1. Soweit der Kläger einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung geltend gemacht hat, hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat insbesondere zutreffend ausgeführt, dass der Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung geltend macht, im Prozess im Einzelnen darlegen muss, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche Tätigkeiten er ausgeführt hat. Ein Anspruch auf Überstundenvergütung setzt des Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (BAG 25.05.2005 - 5 AZR 319/04 - EZA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 1, 2).

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Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag des Klägers auch im Berufungsverfahren nicht gerecht. Der Kläger hat zwar mit seiner Berufungsbegründung eine Aufstellung mit den Zeiträumen für die einzelnen Tage, zu welchen er Arbeitsleistungen erbracht haben will, vorgelegt. Der Kläger hat es aber verabsäumt, im Einzelnen darzulegen, welche Arbeitsleistungen er innerhalb dieser Zeiträume im Einzelnen erbracht haben will. Abgesehen davon, dass dieser Sachvortrag der zu erfüllenden Darlegungslast nicht gerecht wird, ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Kopien der Tacho-Diagrammscheiben, dass der Kläger jedenfalls während der von ihm behaupteten Zeiträume nicht durchgängig die von ihm geschuldete Haupttätigkeit des Lkw-Fahrens erbracht hat. So behauptet der Kläger etwa für den 08.01.2010 eine Arbeitszeit von 6.10 Uhr bis 16.10 Uhr. Die diesbezügliche Aufzeichnung des Fahrtenschreibers weist demgegenüber einen Zeitraum, in welchem das Fahrzeug nicht bewegt wurde, von ca. 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr auf. Auch die übrigen Diagrammscheiben enthalten überwiegend zum Teil auch mehrstündige Zeiträume, in welchen das Fahrzeug nicht bewegt wurde. Es wäre daher Sache des Klägers gewesen, im Einzelnen auch darzulegen, welche Arbeitsleistungen er als Kraftfahrer innerhalb dieser Zeiten, in welchen das Fahrzeug nicht bewegt wurde, erbracht haben will.

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2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf weitere Vergütung für den Monat Juni 2010 allerdings nur in Höhe von 1.636,39 € brutto nebst Zinsen nach § 615 BGB i. V. m. § 273 BGB zu.

28

Bei einer berechtigten Leistungsverweigerung kommt der Arbeitgeber mit der Folge der Pflicht zur Zahlung der Vergütung (§ 615 BGB) in Annahmeverzug (ErfK/Preis, 11. Aufl., § 611 BGB Rz 690 m. w. N.). Das Zurückbehaltungsrecht muss allerdings ausgeübt werden. Dies kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, muss aber hinreichend deutlich sein, damit der Arbeitgeber erkennen kann, welche Leistung der Arbeitnehmer beansprucht.

29

Eine solche Geltendmachung liegt hier in Form des erstinstanzlichen Schriftsatzes des Klägers vom 28.05.2010 vor. In diesem Schriftsatz hat der Kläger wörtlich ausgeführt: "Da bisher mehr als ein Bruttomonatsgehalt offensteht, ist der Kläger berechtigt, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, bis die Lohnansprüche befriedigt wurden." Der Kläger hat in diesem Schriftsatz auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs rechtfertigt. Damit liegt eine hinreichend deutliche Ausübung des Zurückbehaltungsrechts vor. Für die Beklagte konnte nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger die Arbeitsleistung im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt noch offenstehenden Vergütungsansprüche für die Monate Januar und März 2010 zurückhält und die Erbringung von Arbeitsleistung vom Ausgleich dieser Ansprüche abhängig macht. Zum Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bestand auch ein nicht nur unverhältnismäßig geringer Lohnrückstand.

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Ein Anspruch des Klägers scheidet auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlenden Leistungswillens, § 297 BGB, aus. Die Darlegungs- und Beweislast für einen fehlenden Leistungswillen trägt im Zahlungsprozess grundsätzlich der Arbeitgeber. Allein ihr Hinweis darauf, dass der Kläger ab April 2010 keine Arbeitsleistung mehr erbracht habe, indiziert einen fehlenden Leistungswillen nicht. Zu berücksichtigen ist insoweit zudem, dass ein fehlender Leistungswille einen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung dann nicht ausschließt, wenn der Arbeitnehmer sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht beruft (ErfK/Preis, 11. Aufl., § 615 BGB, Rz 47). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger unabhängig von der Zahlung rückständiger Vergütung nicht leistungsbereit war, bestehen nicht. Ein Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugsvergütung besteht allerdings nur für den Zeitraum vom 03. Juni bis 30. Juni 2010. Der genannte Schriftsatz des Klägers vom 28.05.2010, mit welchem das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wurde, ist beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten erst am 02.06.2010 zugegangen. Mit seinem Zugang beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten entfaltete die Erklärung der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts allerdings auch rechtliche Wirkung gegenüber der Beklagten selbst. Die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Entgegennahme dieser Erklärung ergibt sich aus § 81 ZPO. Die Prozessvollmacht ermächtigt den Prozessbevollmächtigten auch zur Entgegennahme rechtsgeschäftlicher, empfangsbedürftiger Willenserklärungen materiell-rechtlichen Inhalts, soweit sie sich im Rahmen des Streitgegenstands halten und der Erreichung des Prozessziels dienen (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 81 Rz 10; BAG 21.01.1988, 2 AZR 581/86, EZA § 4 KSchG 1969 Nr. 33; vgl. auch BGH 20.03.1992 - V ZR 7/91 - NJW 1992, 712).

31

Die entsprechende Erklärung des Klägers erfolgte zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs auf Annahmeverzugsvergütung für den Monat April 2010 und hielt sich somit im Rahmen des Streitgegenstandes des Rechtsstreits und diente der Erreichung des Prozessziels.

32

Auf den genannten Zeitraum entfallen, ausgehend von 22 Arbeitstagen im Monat Juni 2010, 20 Arbeitstage, sodass sich ein Annahmeverzugsvergütungsanspruch des Klägers in Höhe von 1.636,39 € brutto errechnet. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288, Abs. 1, 247 BGB.

33

III. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

34

1. Soweit die Beklagte hinsichtlich der erstinstanzlich ausgeurteilten Vergütung für die Monate Januar und März 2010 einen Betrag in Höhe von 30,-- € anspruchsmindernd berücksichtigt wissen will, weil dem Kläger dieser Betrag als nicht verbrauchte Maut-Gebühren belassen worden sei, ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte für diese Behauptung beweisfällig geblieben ist. Das Urteil des Arbeitsgerichts beruht nicht auf einer Verkennung der Beweislast. Es geht nicht um die Erfüllung eines evtl. Rückzahlungsanspruchs der Beklagten wegen nicht verbrauchter Maut-Gebühren, sondern um die Frage der Erfüllung des Lohnanspruchs des Klägers. Hierfür ist nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast die Beklagte, die sich auf die Erfüllung dieses Anspruchs beruft, beweispflichtig.

35

2. Auch eine teilweise Erfüllung der Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate Januar und März 2010, durch die von der Beklagten behauptete Zahlung des Betrages von 650,-- € am 17.02.2010, lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Berufungskammer feststellen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch insoweit der Beklagten als derjenigen Partei, die sich auf die teilweise Erfüllung der Ansprüche des Klägers beruft, die Beweislast trifft.

36

Die Erbringung einer Zahlung in Höhe von 650,-- € an den Kläger steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen nicht zur erforderlichen Überzeugung der Berufungskammer fest. Zwar hat der Zeuge die Behauptung der Beklagten bestätigt. Am Wahrheitsgehalt verbleiben aber Zweifel. Der Zeuge hat seine Aussage nur sehr schleppend getätigt und hierbei zunächst von sich aus zu den Einzelheiten des behaupteten Gesprächs im Büro des Geschäftführers der Beklagten und dem weiteren Verlauf von sich aus keine Angaben gemacht. Erst auf Nachfrage des Gerichts hat der Zeuge - dies allerdings wiederum wenig detailreich - weitere Einzelheiten zum Geschehensverlauf bekundet.

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Angesichts der Tatsache, dass der Zeuge bekundet hat, bei der Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger zugegen gewesen zu sein, ist es auch wenig plausibel, dass der Zeuge nicht mit dem Geschäftsführer der Beklagten darüber gesprochen haben will, welchen Hintergrund die Forderung des Klägers gehabt haben soll. Er konnte keine Angaben dazu machen, ob der Kläger eine Zahlung als Lohn oder als Vorschuss gefordert hat.

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Des Weiteren ist es auch wenig plausibel, dass der Geschäftsführer der Beklagten sich die behauptete Zahlung nicht vom Kläger hat schriftlich bestätigen lassen. Nach Aussage des Zeugen hat der Geschäftsführer der Beklagten dem Zeugen gegenüber geäußert, dass das Geld bei dem Kläger nicht angekommen sei. Gerade dann aber, wenn eine Überweisung über den entsprechenden Betrag bereits veranlasst war, hätte es nahe gelegen, sich die erfolgte Zahlung schriftlich in Form einer Quittung bestätigen zu lassen.

III.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.

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