Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (1. Kammer) - 1 Ta 111/11
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird die Gegenstandswertfestsetzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2011 -10 Ca 2162/10- wie folgt geändert:
"Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird für das Verfahren auf 15.000,-- Euro und für den Vergleich auf 17.850,-- Euro festgesetzt. "
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer zu ½.
3. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.
Gründe
I.
- 1
Die beschwerdeführenden Prozessbevollmächtigten des Klägers wenden sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts ihrer anwaltlichen Tätigkeit durch das Arbeitsgericht.
- 2
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1995 zu einem durchschnittlichen Netto-Monatsgehalt von 2.500,-- Euro als Altenpfleger beschäftigt.
- 3
Mit seiner Klage hat er sich zunächst gegen eine ihm gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung zur Wehr gesetzt. Klageerweiternd hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, zwei Abmahnungen mit Datum vom 01.12.2005 bzw. vom 14.04.2008 aus seiner Personalakte zu entfernen sowie die in der Abmahnung vom 14.04.2008 aufgestellte Behauptung gegenüber den Mitarbeitern seiner Abteilung zu widerrufen.
- 4
Die Parteien haben ihren Rechtsstreit gemäß 278 Abs. 6 ZPO durch gerichtlichen Vergleich erledigt. In diesem Vergleich haben die Parteien geregelt: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011, eine Abfindungszahlung, die Freistellung des Klägers sowie die Abgeltung aller Urlaubsansprüche in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt, die Erteilung eines Zeugnisses mit der Schlussformel "Herr A. ist am 30.06.2011 aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden. Wir bedauern seinen Weggang und wünschen ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute", ein Zurückbehaltungsrecht, die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 1 SGB III, eine Geheimhaltungsklausel hinsichtlich des Vergleichsinhalts, der Hinweis nach § 37b SGB III sowie eine Erledigungsklausel.
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Mit Beschluss vom 26.04.2011 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf 10.000,-- Euro festgesetzt. Dabei hat es den Kündigungsschutzantrag mit drei Monatsvergütungen und den Weiterbeschäftigungsantrag mit einer Monatsvergütung bewertet.
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Hiergegen haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 05.05.2011, eingegangen beim Arbeitsgericht am 09.05.2011, Beschwerde eingelegt.
- 7
Die Beschwerdeführer begehren eine Wertfestsetzung in Höhe von 30.000,-- Euro und führen zur Begründung aus, bei der Kündigungsschutzklage sei "im Regelfall mindestens ein Quartalseinkommen" festzusetzen. Dieses reiche hier angesichts des Kündigungszeitpunktes unmittelbar vor Auszahlung des 13. Gehaltes sowie der Unkündbarkeit des Klägers nicht aus. Demzufolge seien 36 Monatsgehälter anzusetzen.
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Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat diese unter Hinweis auf § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
II.
- 9
Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde fristgerecht eingelegt und übersteigt auch die in § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG enthaltene Voraussetzung, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Ihrer Zulässigkeit steht auch nicht - im Sinne einer Widersprüchlichkeit des Antrags- entgegen, dass die Beschwerdeführer zunächst eine Festsetzung von 36 Monatsgehältern à 2.500,-- Euro begehrten und diese rechnerisch unzutreffend mit 30.000,-- Euro beziffert haben. Da sie in ihrem zuletzt verfassten Schriftsatz vom 05.05.2011 ausdrücklich die Summe von 30.000,-- Euro als begehrte Wertfestsetzung nennen, ist diese als beantragter Wert zu verstehen.
- 10
Auch wenn sich die Beschwerdeführer dem reinen Wortlaut ihres Antrags nach nur gegen die Wertfestsetzung hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags wenden, ist zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass sie den Wertfestsetzungsbeschluss auch bezüglich der Festsetzung für die Klageerweiterung und für den Vergleich angreifen möchten. Hierfür spricht die Bezifferung des Rechtsmittels auf 30.000,-- Euro, also denjenigen Betrag, in dessen Höhe sie letztlich eine Wertfestsetzung anstreben.
- 11
In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.
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Für das Verfahren war der vom Arbeitsgericht festgesetzte Gegenstandswert zu erhöhen. Bezüglich des Kündigungsschutzantrags sind, wie es das Arbeitsgericht zutreffend vorgenommen hat, drei Monatsgehälter festzusetzen. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG, wonach für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend ist. Den von den Beschwerdeführern genannten Wert des 36-fachen Monatsgehaltes legt das Gesetz nur in den -hier offensichtlich nicht einschlägigen- Fällen des § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG zu Grunde, dort auch nur in Form eines Unterschiedsbetrages. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG setzt aus sozialpolitischen Gründen als lex specialis eine Obergrenze für die dort genannten Streitigkeiten fest. Da der Kläger bereits seit 1995 bei der Beklagten beschäftigt war, kann hier der Höchstbetrag mit der Festsetzung eines Vierteljahresgehalts auch voll ausgeschöpft werden.
- 13
Für den Weiterbeschäftigungsantrag war, wie vom Arbeitsgericht zutreffend angenommen, ein Monatsgehalt festzusetzen. Die Bewertung mit einem Bruttomonatsgehalt erscheint grundsätzlich angemessen und ausreichend (vgl. Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, 3. Aufl., § 12 Rn. 278 m.w.N., LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.01.2009 -1 Ta 1/09). Besondere Anhaltspunkte, die vorliegend zu einem niedrigeren oder höheren Wert führen könnten, sind nicht ersichtlich.
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Auch die Anträge auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte sowie der Widerrufsantrag sind vorliegend streitwerterhöhend. Nach der Rechtsprechung der erkennenden Beschwerdekammer (vgl. z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.01.2006 -9 Ta 305/05- oder Beschl. v. 20.04.2007 -1 Ta 67/07) ist der Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte unter Beachtung der Ermessenskriterien der §§ 3 ff. ZPO in der Regel mit einem Bruttomonatsverdienst zu bewerten. Jede weitere Abmahnung wird sodann mit einem Drittel des Betrags eines Monatsgehalts in Ansatz gebracht. Dahinter steht der Gedanke, dass das Arbeitsverhältnis durch die zunehmende Anzahl von Abmahnungen auch zunehmend bedroht ist. Eine nachfolgende Abmahnung kann nach Auffassung des Gerichts hingegen dann nicht streitwerterhöhend berücksichtigt werden, wenn sie in engem zeitlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Zusammenhang zur zuerst ausgesprochenen Abmahnung steht. Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend, dass die Abmahnung vom 01.12.2005 als erste Abmahnung mit einem Monatsgehalt zu bewerten ist. Die zweite Abmahnung vom 14.04.2008 unterscheidet sich inhaltlich von der ersten und ist zudem in einem nicht nur unerheblichen zeitlichen Abstand zu dieser ergangen, so dass sie mit einem Drittel eines Monatsgehalt berücksichtigt werden muss.
- 15
Hier kommt allerdings der besondere Umstand hinzu, dass der Kläger neben der Entfernung dieser Abmahnung aus seiner Personalakte auch den Widerruf der in ihr enthaltenen Behauptung gegenüber den Mitarbeitern seiner Abteilung beantragt hat. Diesem Widerrufsantrag kommt ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu, da er sich zumindest potentiell auf das Verhältnis zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern seiner Abteilung auswirkt, in einem weitergehenden Rehabilitationsinteresse steht und somit für ihn als Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Da er aber inhaltlich mit der zweiten Abmahnung bzw. dem dahingehenden Entfernungsantrag einhergeht, kann er nicht mit einem ganzen Monatsgehalt zu bewerten sein.
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Es erscheint daher sachgerecht, die zweite Abmahnung und den Widerrufsantrag insgesamt mit einem Monatsgehalt zu bewerten, so dass sich in der Zusammenschau für die klageerweiternden Anträge im Ganzen zwei Monatsgehälter als Wertfestsetzung ergeben.
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Weiter ist hinsichtlich des Vergleichs ein Mehrwert auszusetzen.
- 18
Für das Zeugnis kann vorliegend ein Monatsgehalt in Ansatz gebracht werden. Die Veranschlagung eines Vergleichsmehrwerts setzt nach Nr. 1000 VV RVG voraus, dass durch die vergleichsweise Regelung "ein Streit oder eine Ungewissheit" der Parteien hinsichtlich des Regelungsgegenstandes beseitigt wird (so auch die ständige Rechtsprechung des Beschwerdegerichts, vgl. etwa LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 06.05.2008 -1 Ta 66/08, Beschl. v. 11.08.2009 - 1 Ta 170/09). Vorliegend spricht zum einen die Tatsache, dass die Beklagte das klägerische Arbeitsverhältnis zuvor fristlos gekündigt hatte dafür, dass die Parteien die Erteilung eines Zeugnisses mit der genannten Schlussformel gerade nicht als bloße selbstverständliche Erfüllung einer unzweifelhaften Verpflichtung aus § 109 GewO betrachtet haben. Auch das detaillierte Festhalten der Schlussformel im gerichtlichen Vergleich und das Erwähnen des Ausscheidens aus "gesundheitlichen Gründen" deutet - nach vorausgehendem Ausspruch einer auf dem Verhalten des Klägers beruhenden fristlosen Kündigung- auf eine zumindest bestehende Ungewissheit der Parteien bezüglich des Zeugnisses hin.
- 19
Für die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung gem. § 312 Abs. 1 SGB III sind nach der einschlägigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts pauschal 50,-- Euro (vgl. dazu z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.04.2008 -1 Ta 38/08) in Ansatz zu bringen. Ebenso können für die bloße ordnungsgemäße Abrechnung der offenen Vergütung pauschal 300,-- Euro (s. dazu z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.01.2007 - 1 Ta 11/07) berücksichtigt werden. Eine pauschalierte Betrachtungsweise erschient hier sinnvoll, da -anders als z.B. beim Kündigungsschutzantrag nach § 42 Abs. 3 GKG- kein Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und Bedeutung für den Arbeitnehmer ersichtlich ist. Die bloße Abrechnung der Vergütung und die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung sind für jeden Arbeitnehmer unabhängig vom Einkommen relevant und bedeuten für den Arbeitgeber einen von der Gehaltszahlung unabhängigen Aufwand.
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Die ebenfalls im Vergleich enthaltene Freistellung hat vorliegend keinen eigenständigen Wert, da aufgrund der langen Erkrankung zum einen noch Unsicherheit darüber bestand, ob eine Genesung des Klägers innerhalb des im Vergleich genannten Zeitraums überhaupt eintreten würde und damit die Freistellungsregelung überhaupt Bedeutung erlangen kann. Zum anderen ist sie wirtschaftlich identisch mit dem Weiterbeschäftigungsantrag, der mit einem Monatsgehalt Berücksichtigung gefunden hat.
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Die weiteren Regelungspunkte des Vergleichs sind nicht werterhöhend. Insbesondere kommt der Abfindungsregelung wegen § 42 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs. GKG kein eigener Wert zu.
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Es ergibt sich somit für das Verfahren ein Gegenstandswert von 15.000,-- Euro, für den Vergleich von 17.850,-- Euro.
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Da das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg hat, wird den Beschwerdeführern die Hälfte der Verfahrenskosten auferlegt.
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Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 RVG nicht gegeben.
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