Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (9. Kammer) - 9 Ta 158/11
Tenor
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern -Auswärtige Kammern Pirmasens- vom 12.05.2011, Az. 6 Ca 131/11, wird aufgehoben.
2. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht eröffnet. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Amtsgericht Zweibrücken verwiesen.
Gründe
I.
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Die Klägerin war vom 01.06.2010 bis 31.08.2010 zu einem Entgelt von insgesamt 1.200,-- € als geringfügig Beschäftigte bei der Minijobzentrale gemeldet.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Ehemann habe ab Mai 2010 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Die Beklagte habe in dieser Zeit einen Auftrag erhalten, eine Testamentsvollstreckung zu betreuen, von der auch kanadische Grundstücke betroffen gewesen seien. Da der Geschäftsführer der Beklagten nicht ausreichend Englischkenntnisse habe, habe der Ehemann der Klägerin angeboten, dass seine Frau dies erledigen könne, die gut Englisch spreche und auch Erfahrung mit Testamentsvollstreckungen habe. Daraufhin sei vereinbart worden, dass sie dies im Rahmen eines Minijobs erledigen solle. Eine Vorstellung ihrerseits bei der Beklagten sei wegen des überschaubaren Umfangs der Tätigkeit nicht vorgesehen gewesen. Sie habe ab Ende Mai 2010 wegen der Zeitverschiebung meist spät abends Emailkorrespondenz verfasst, aber auch mit kanadischen Gesprächspartnern telefoniert. Auf Wunsch von Herrn E. sei als Absender ihr Ehemann genannt worden, obwohl sie die Mails geschrieben habe, was Herrn E. aber bekannt gewesen sei.
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Auch sei die Anmeldung bei der Minijobzentrale nicht durch ihren Ehemann manipuliert worden. Dieser habe keinen Zugang zu der Personalbuchhaltung gehabt. Auch für Juli und August 2010 seien jeweils 400,-- € als Lohn und Gehalt für die Klägerin angewiesen worden, wie dies einer Sammelüberweisung zu entnehmen sei. Auch dies belege, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.
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Die Beklagte erwidert,
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es habe kein Arbeitsvertrag mit der Klägerin bestanden. Die Klägerin habe nie das Büro der Beklagten betreten. Auch habe die Klägerin nie den Auftrag zur Erledigung von Arbeiten für die Gesellschaft erhalten. In der Kanzlei in Z. sei kein Mandat mit englischer bzw. Korrespondenz nach Kanada geführt worden.
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Im Oktober 2010 seien Manipulationen an der Lohnbuchhaltung festgestellt worden. Sie gehe davon aus, dass der Ehegatte der Klägerin diese Manipulationen vorgenommen habe.
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Soweit Zahlungen an die Klägerin vorliegen würden, handele es sich um Zahlungen auf Honoraransprüche des Ehegatten aus seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter. Dieser sei als Steuerberater freiberuflich vom 01.06.2010 bis 15.08.2010 tätig gewesen.
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Der Ehemann der Klägerin habe gebeten, Zahlungen jeweils in Höhe von 400,-- € mittels Scheck oder Überweisung direkt seiner Frau zukommen zu lassen. Da die Klägerin der Geschäftsführung nicht bekannt sei, sie nie im Büro der Gesellschaft gewesen sei, habe nur ihr Mann die Zahlungen veranlassen können.
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Mit Beschluss vom 12.05.2011, Az. 6 Ca 131/11, hat das Arbeitsgericht entschieden, dass das Arbeitsgericht Kaiserslautern –Auswärtige Kammern Pirmasens- sachlich zuständig sei. Die Klägerin sei Arbeitnehmerin der Beklagten. Zwar fehle es an der Erfüllung der üblichen materiellen Kriterien für die fachliche, zeitliche örtliche und organisatorische Fremdbestimmung der Arbeit. Allein aufgrund der Anmeldung der Klägerin bei der Minijob-Zentrale und der entsprechenden Entgeltzahlungen sei ein Arbeitsverhältnis gewollt gewesen, woran sich die Beklagte festhalten müsse.
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Die Beklagte hat gegen diesen ihr am 10.06.2011 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 22.06.2011 sofortige Beschwerde eingelegt und verweist insbesondere darauf, dass die Zahlungen nicht für die Klägerin, sondern für deren Ehemann bestimmt gewesen seien.
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Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Sie habe von zu Hause aus für die Beklagte gearbeitet.
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Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 48 Abs. 1 ArbGG, § 78 ArbGG, § 17 a Abs. 4 GVG an sich statthaft. Sie wurde auch gem. § 78 ArbGG iVm. § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt.
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Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht eröffnet.
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a) Eine Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten folgt vorliegend nicht schon in Anwendung der Grundsätze für sog. sic-non-Fälle. Ein sic-non-Fall liegt vor, wenn der erhobene Anspruch nur auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, die zweifelsfrei in die Rechtswegkompetenz des angerufenen Gerichts fällt (vgl. etwa BAG Beschluss vom 17.2.2003 -5 AZB 37/02-, EzA § 17a GVG Nr. 16). Dies trifft auf den von der Klägerin verfolgten Vergütungsanspruch nicht zu. Ein Vergütungsanspruch kommt auch in Betracht, wenn zwischen den Parteien kein Arbeits-, sondern ein freies Mitarbeiterverhältnis bestanden haben sollte. Nichts anderes ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin ihre Vergütungsansprüche als Bruttolohnforderung geltend macht. Eine Bruttolohnforderung kann auch in einem freien Dienstvertrag bestehen (vgl. BAG Beschluss vom 26.9.2002, -5 AZB 19/01-, EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 57).
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b) Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG eröffnet.
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Die klagende Partei ist für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass das jeweilige Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, darlegungspflichtig. Die bloße Rechtsbehauptung genügt nicht /vgl. nur ErfK/Koch, 11. Aufl., § 2 ArbGG Rz. 49; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.03.2005, -8 Ta 47/05-).
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (etwa Beschluss vom 20.1.2010, -5 AZR 106/09-, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr 17) unterscheiden sich das Arbeitsverhältnis und das Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt.
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Eine solche persönliche Abhängigkeit lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie fachlichen, inhaltlichen Weisungen der Beklagten unterlag. Sie hat noch nicht einmal behauptet oder näher dargelegt, dass es zwischen ihr und der Beklagten überhaupt nach der behaupteten Begründung des Vertragsverhältnisses über ihren Ehemann zu einem wie immer gearteten Kontakt zu der Beklagten gekommen ist. Ebenso wenig ist ersichtlich oder behauptet, dass die Klägerin einem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer oder Ort der Erbringung ihrer Tätigkeit unterlag oder solche Weisungen erfolgt sind oder sie sonst in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen wäre. Auch die Art der behaupteten Tätigkeit spricht nicht notwendigerweise für ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin sollte nach ihrer Darstellung Übersetzungen ins Englische vornehmen. Übersetzungstätigkeiten können auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden.
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Ebenso wenig folgt entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Annahme eines Arbeitsverhältnisses aus der Anmeldung bei der sog. Mini-Job-Zentrale oder den erfolgten Zahlungen an die Klägerin. Die Klägerin hat eingeräumt, dass zu ihren Gunsten Zahlungen erfolgt sind, die in den Zeitraum fallen, für welchen sie nunmehr auch Gehaltsansprüche geltend macht, ohne dass sie diese Zahlungen bei ihrem Klageantrag berücksichtigt hätte. Die Beklagte hat ihrerseits -insoweit bislang von der Klägerin unbestritten- geltend gemacht, dass ein Teil der Vergütung für den Ehemann der Klägerin auf dessen Veranlassung zu Gunsten der Klägerin überwiesen wurden. Dies schließt es aus, die Zahlungen und eine eventuell von der Beklagten vorgenommene Anmeldung bei der Minijob-Zentrale als durchschlagendes Indiz dafür zu werten, dass die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart hätten. Es ist -nachdem die Klägerin Zahlungen an sie nicht anspruchsmindernd berücksichtigt hat- ebenso denkbar, dass diese Zahlungen in Wahrheit in Erfüllung der Vergütungsansprüche des Ehemanns der Klägerin erfolgten.
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c) Schließlich liegen auch die Voraussetzungen einer Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht vor.
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Die für die Einstufung als arbeitnehmerähnliche Person erforderliche wirtschaftliche Abhängigkeit ist gegeben, wenn der Dienstverpflichtete auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage angewiesen ist. Die Partei, die ihre Anerkennung als arbeitnehmerähnliche Person erstrebt, hat dabei ihre gesamten wirtschaftlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen (vgl. etwa LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3.5.2010, -11 Ta 163/09-, juris). Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt wären, hat die Klägerin auch nicht ansatzweise dargelegt.
III.
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Ist damit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet, war der Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht Z. zu verweisen. Einer Kostenentscheidung bedurfte es im Hinblick auf § 17 b Abs. 2 GVG nicht (Bader, in. GK-ArbGG, § 48 Rz. 66). Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.
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