Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (6. Kammer) - 6 TaBV 33/11

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.8.2011 - 11 BV 48/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

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Der Betriebsrat wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die erstinstanzlich versagte Institutionalisierung einer Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeit.

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Zum Sachstand und erstinstanzlich gestellten Anträgen wird auf die umfassende Darstellung im Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11. August 2011 - 11 BV 48/11 - (Seite 2 - 6 des Beschlusses = Bl. 100 - 104 d. A.) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG entsprechend Bezug genommen.

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Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser mangels ordnungsgemäßer Antragsstellung unzulässig sei. Das Gericht könne nicht erkennen, dass der Betriebsrat einen ordnungsgemäßen Beschluss hinsichtlich der vollständigen Tragweite des Antrages gefasst habe. Soweit der Betriebsrat vorgebracht habe, am 31. Mai 2011 den Beschluss zum Tätigwerden einer Einigungsstelle gefasst haben, bliebe offen, mit welcher Tagesordnung dieser Beschluss vorbereitet gewesen sei. Der an diesem Tag gefasste Beschluss ließe angesichts der Mitteilung des Betriebsrates vom 27. Mai 2011 nur die Annahme zu, dass sich die künftige Einigungsstelle lediglich mit dem mitgeteilte Fortsetzungsverlangen der Arbeitgeberin hinsichtlich der ursprünglichen Einigungsstelle befassen sollte. Auch der für 28. Juni 2011 behauptete Betriebsratsbeschluss ließe keine derartige Tragweite erkennen. Angesichts der Themenmitteilung des Betriebsrats: "Das von Ihnen gewünschte Einigungsstellenverfahren, das keinen Aufschub der Betriebsratssitzung erlaubt", habe der nachfolgend getroffene Beschluss kaum über die Zuständigkeit der im Jahre 2008 installierten Einigungsstelle hinaus gegangen sein können. Die ursprünglich einvernehmlich gebildete Einigungsstelle sei keineswegs zuständig gewesen, da sie keine Arbeitszeitregelungen für Angestellte zu treffen hatte. Für den Herbst 2010 fehle es an einem entsprechenden Beschluss zur Anrufung der Einigungsstelle; außerdem habe sich durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der 2008 getroffenen Regelung eine neue Sachlage ergeben, die die interne Befassungs- und Beschlusslage des Betriebsrates - bis Mai/Juni 2011 wesentlich geändert habe. Der Antrag könne auch nicht eingeschränkt auf bestimmte Personengruppen oder als Begehren bestimmter Teilregelungen aufgefasst werden. Aufgrund der rechtskräftig festgestellten Unwirksamkeit des am 10. September 2008 gefassten Einigungsstellenspruches habe die vormals gebildete Einigungsstelle fortbestanden, so dass eine neue Einrichtung nicht habe verlangt werden können. Der willkürliche Austausch einer noch bestehenden Einigungsstelle sei im System der Zwangsschlichtung nach § 76 BetrVG nicht vorgesehen. Die ausgesprochene Kündigung der spruchweise erfolgten Betriebsvereinbarung bleibe hinter der Beschlussanfechtung zurück und greife wegen der materiell-rechtlich eingetretenen Wirksamkeit des angefochtenen Einigungsstellenanspruches rechtlich "ins Leere". Da sich die Beschlüsse des Betriebsrates von Mai und Juni 2011 in den Bahnen der 2008 errichteten Einigungsstellen bewegten, könnten sie keine Grundlage für eine auf Angestellte bezogene Beschlussfassung der Einigungsstelle bilden. Die gegebenenfalls noch regelbare Thematik "flexible Arbeitszeit" sei nicht hinreichend abgrenzbar, um ohne nähere Antragspräzisierung als schlichtes Minus aus dem Globalbegehren nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Absatz 2 S. 1 BetrAVG entnommen zu werden.

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Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz Bezug genommen.

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Gegen den am 19. August 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02. September 2011 eingelegte und begründete Beschwerde des Betriebsrates. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es seien Verhandlungen über die Arbeitszeitlage der Angestellten und über die der gewerblichen Arbeitnehmer geführt worden. Der Betriebsrat habe bereits erstinstanzlich die Anlage BR 1und BR 2 vorgelegt. Auf der ordentlichen Betriebsratssitzung vom 22. Juni 2011 habe der Betriebsrat die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Er habe ausdrücklich erklärt, dass diese sowohl die Arbeitszeiten der gewerblichen Arbeitnehmer, der Angestellten als auch das Zeitkonto beträfen. Im Jahr 2010 seien Verhandlungen über alle drei Gegenstände geführt worden. Zu diesen habe die Arbeitgeberin einen Regelungsentwurf vorgelegt. Der Betriebsrat habe sich mit diesen Regelungen nicht einverstanden erklärt und das Scheitern der Verhandlungen erklärt. Die angerufene Einigungsstelle sei für den Gegenstand offensichtlich zuständig. Unabhängig von der Anfechtung habe der Betriebsrat die Regelungen, die von der Einigungsstelle getroffen worden seien, gekündigt. Das Arbeitsgericht irre, wenn es meine, die Kündigung sei ein schwächeres Gestaltungsrecht und träte hinter die Anfechtung des Beschlusses zurück. Der - Betriebsrat - hätte nach Kündigung und gegebenenfalls noch einmaliger Verhandlung diese schnell für gescheitert erklären können und eine Einigungsstelle anrufen können. Dass er gewartet habe, bis auch das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruches festgestellt und auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz seine Bewertung vorgenommen habe, ändere nichts an der Wirksamkeit der Kündigung. Das Arbeitsgericht habe den rechtlichen Maßstab für das vorliegende Verfahren verkannt; die Prüfung sei allein an dem der offensichtlichen Unzuständigkeit vorzunehmen.

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Der Betriebsrat beantragt,

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den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.08.2011 abzuändern,

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den Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeit (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage und Lage der Pausen) zu bestellen;
die Zahl der Beisitzer auf je drei festzusetzen.

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Die Arbeitgeberin hat

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Zurückweisung

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der Beschwerde beantragt und erwidert, der Betriebsrat habe es unterlassen, Ladung und Beschlussfassung über die Einigungsstellenbestellung zur Regelung der Arbeitszeit für Angestellte darzulegen. Angeblich geführte Verhandlungen über die Lage und Verteilung der Arbeitszeit der Angestellten würden bestritten. Eine Gleitzeitregelung für Angestellte würden entsprechend einer im Jahr 2007als Betriebsvereinbarung von der Arbeitgeberseite vorgelegte Regelung seit Jahren ohne Einwendung des Betriebsrates praktiziert. Die Anlage BR 1 sei nur der Vollständigkeit halber dem Betriebsrat übermittelt worden. Aus dem geführten Schriftwechsel ergäbe sich, dass es bei dem gütlichen Einigungsversuch um die Regelung "Lage und Verteilung der Arbeitszeit" für gewerbliche Arbeitnehmer gegangen sei. Die Regelung der Einigungsstelle "flexible Arbeitszeitkonten" sei nach dem entsprechenden Spruch außerhalb des diesbezüglichen Beschlussverfahrens nicht weiter thematisiert worden.

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Zu den weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Betriebsrates vom 02. September 2011 (Bl. 126 - 132 d. A), zur Beschwerdebeantwortung auf den Schriftsatz der Arbeitgeberseite vom 24. Oktober 2011 (Bl. 155 - 164 d. A.) nebst sämtlichen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

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Auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 13. Januar 2012 (Bl. 209 - 211 d. A.) wird verwiesen.

II.

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Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist u n b e g r ü n d e t.

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Im Ergebnis und in großen Teilen der Begründung zutreffend hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrates auf Institutionalisierung der beantragten Einigungsstelle zurückgewiesen.

16

Für den Antrag fehlt derzeit das Rechtschutzinteresse.

17

Auch das Verfahren nach § 98 ArbGG ist nur bei einem entsprechenden Rechtschutzinteresse zulässig. Dieses ist gegeben, wenn ein regelungsbedürftiges Sachproblem vorliegt und der Antragsteller sich vergeblich um Verhandlungen bemüht hat (vgl. Schwab/Weth-Walker § 98 Rdnr. 21 m. w. N. auf LAG Niedersachsen Beschluss vom 05. Mai 2000 - 1 TaBV 28/09 - = NZA - RR 2009, 531). Eine diesbezügliche - auch im Beschlussverfahren geltende - Behauptungslast fällt dem Antragsteller zu (Schwab/Weth a. a. O., § 83 Rz. 5). Für das Verfahren gelten gemäß § 98 ArbGG die §§ 80 - 84 ArbGG.

18

Nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens sind vorliegend ausreichende Feststellungen hinsichtlich eines Bemühens um eine vergebliche Verhandlung bezüglich der Lage und Verteilung der Arbeitszeit der Angestellten - dies wird von der Antragstellung des Betriebsrates umfasst - nicht möglich.

19

Das Arbeitsgericht hatte bereits mit Beschluss in der Anhörung vom 02. Mai 2011 (Bl. 36 d. A.) rechtlich zutreffend dem Betriebsrat aufgegeben, hinsichtlich der etwaigen Zuständigkeit einer Einigungsstelle für Angestellte darzulegen, dass hierüber streitig verhandelt wurde, dass diese Verhandlungen konkret gescheitert sind (einschließlich Unterlagen und Zeitpunkt der Verhandlung) und ferner, dass der Betriebsrat unter ordnungsgemäßer Ladung und Beschlussfassung über die Einigungsstellenbesetzung für Angestellte befunden habe.

20

Hierzu sind im Laufe des Beschwerdeverfahrens nach Darstellung der "erbitterten Gefechte" zwischen den Betriebspartnern lediglich abstrakte Behauptungen zu angeblichen Verhandlungen über die Arbeitszeitlage für Angestellte und der Hinweis auf die Anlage BR 1 (Bl. 45 d. A.) und BR 2 (Bl. 46 d. A.) erfolgt. Angesichts des Bestreitens der Beschwerde zu Verhandlungen über die Verteilung der Arbeitszeit der Angestellten und auch unter Berücksichtigung des Vortrages, dass eine Gleitzeitregelung für Angestellte entsprechend einer im Jahre 2007 der Betriebsvereinbarung vom Arbeitgeber vorgelegte Regelung seit Jahren ohne Einwände des Betriebsrates praktiziert würde, fehlt es an der Möglichkeit zu klaren Feststellungen hinsichtlich der Zeitpunkte der Verhandlungsbemühungen und deren Verifizierung durch die Vorlage der Ladungen und Protokolle der Betriebsratssitzungen. Der Betriebsrat war auch in der Anhörung im Beschwerdeverfahren hierzu nicht in der Lage, entsprechende Unterlagen zu präsentieren. Es sind damit keinerlei Feststellungen dazu möglich, welche Punkte dem Betriebsrat etwa im Zusammenhang mit der ihm zugeleiteten Betriebsvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit für Angestellte aus welchen Gründen nicht gepasst haben; es sind auch keine Gegenvorschläge erkennbar, die der Arbeitgeberseite mitgeteilt worden seien. Die bloße Behauptung, innerbetriebliche Verhandlungen seien nicht als zielführend angesehen worden, reicht für eine erneute Errichtung einer kostenträchtigen Einigungsstelle nicht aus.

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Aus diesen Feststellungen ergeben sich zwangsläufig auch die vom Arbeitsgericht getroffenen Bewertungen zur globalen Antragstellung, auf die ergänzend gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird.

22

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbG).

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