Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 Ta 274/11

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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 21.10.2011 - 8 Ca 1290/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren darüber, ob ihr Rechtsstreit um eine sog. equal-pay-Klage nach § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG wirksam ausgesetzt wurde.

2

Der Kläger macht im zugrundeliegenden Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - 8 Ca 1290/11 - Vergütungsansprüche nach den Grundsätzen der equal-pay-Vergütung für den Zeitraum von Juli 2009 bis November 2010 gegenüber der Beklagten, einem Unternehmen aus der Zeitarbeitsbranche, in einer Gesamthöhe von 4.322,99 EUR brutto geltend.

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Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 28.07.2009 beinhaltet in § 1 Ziff. 6 folgende Regelung:

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"Auf diesen Arbeitsvertrag finden - sofern nachfolgendes nichts anderes vereinbart ist - die zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) abgeschlossenen Tarifverträge vom 29.11.2004 nämlich: Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag Ost und West in der jeweils gültigen Fassung Anwendung."

5

Im Vertrag war unter Bezugnahme auf die Entgeltgruppe E 1 eine Stundenvergütung von 7,35 EUR brutto vereinbart worden.

6

Der Kläger wurde von der Beklagten als sog. Prep Cook bei den amerikanischen Streitkräften eingesetzt.

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Er bezieht sich auf eine von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion unter Datum vom 14.03.2011 erteilte Auskunft, wonach ein vergleichbarer Arbeitnehmer für die von ihm geleistete Tätigkeit bei einer 39-Stunden-Woche im Jahr 2009 bis 31.01.2010 jeweils eine Vergütung von 1.614,81 EUR und ab dem 01.02.2010 von 1.639,03 EUR brutto im Monat erzielt hätte.

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In der Güteverhandlung vom 16.09.2011 beantragte die Beklagte die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG.

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Nach schriftlicher Anhörung der Parteien setzte das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 21.10.2011 den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Tariffähigkeit der CGZP für den Zeitraum vor dem 14.12.2010 aus.

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Der Beschluss wurde laut Vermerk der Geschäftsstelle am 24.10.2011 an die Parteien übersandt.

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Der Kläger-Prozessbevollmächtigte legte am 08.11.2011 hiergegen sofortige Beschwerde ein. Er begründet diese wie folgt:

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Die Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 - seien nicht ausschließlich auf die Zukunft gerichtet. Soweit von gegenwartsbezogenen Anträgen gesprochen wird, sei dies im prozessualen Kontext zu verstehen. Das Bundesarbeitsgericht habe über einen Fall entschieden, der den Zeitraum ab Herbst 2008 betroffen habe. Es sei Bezug genommen worden auf die Satzung der Gewerkschaft CGZP vom 05.12.2005. Diese sei durch alle nachfolgenden Satzungsänderungen unberührt geblieben, so dass die tragenden Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts bis zum 05.12.2005 zurückreichten. Damit stehe fest, dass für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von einer Unwirksamkeit der in Bezug genommenen Tarifverträge auszugehen sei.

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Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 16.09.2011.

II.

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Die statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

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1. Nach § 252 ZPO findet gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften des Fünften Titels des Dritten Abschnitts des Ersten Buches der ZPO oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet wird, die sofortige Beschwerde statt. Zu den “anderen gesetzlichen Bestimmungen” gehört auch § 97 Abs. 5 ArbGG (vgl. BAG 28.01.2008 - 3 AZB 30/07 - juris Rn. 8).

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Der Beschwerdeführer hat die sofortige Beschwerde auch fristgerecht eingelegt. Nach § 569 Abs. 1 ZPO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen. Die Notfrist beginnt nach § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO mit der Zustellung der Entscheidung. Mangels förmlicher Zustellung des Beschlusses vom 21.10.2011 an den Beschwerdeführer ist der Fristbeginn hier nicht wirksam ausgelöst worden; die Entscheidung ist jedoch mit der Hinausgabe aus dem Geschäftsbetrieb laut Vermerk der Geschäftsstelle vom 24.10.2011 existent und kann daher angefochten werden.

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2. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

18

Die Aussetzungsentscheidung des Arbeitsgerichts vom 31.10.2011 ist gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG gerechtfertigt.

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a) Gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG ist für den Fall, dass die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig oder tarifzuständig ist, das Verfahren auszusetzen, bis im Beschlussverfahren über die Tariffähigkeit und -zuständigkeit dieser Vereinigung entschieden ist. Die Aussetzung geschieht von Amts wegen. Es besteht insoweit kein Ermessen des Gerichts (Erfurter Kommentar-Koch, 11 Aufl., § 97 ArbGG Rn. 5).

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b) Voraussetzung der Aussetzungspflicht ist, dass es im Rechtsstreit als Vorfrage um die Tariffähigkeit einer Vereinigung geht und die Klärung dieser Frage vorgreiflich ist. Hierbei ist im Beschwerdeverfahren von rechtlicher Bedeutung, dass die Auffassung des aussetzenden Gerichts über die Entscheidungserheblichkeit der Tariffähigkeit nur begrenzt nachprüfbar ist. Sie ist solange anzunehmen, wie der Mangel der Entscheidungserheblichkeit nicht offensichtlich ist (vgl. BAG 28.01.2008 - 3 AZB 30/07 - EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 9; LAG Rheinland-Pfalz 15.06.2011 - 6 Ta 99/11 - juris Rn. 18 m.w.N. und vom 17.08.2011 - 11 Ta 160/11 - juris Rn.39; Schwab/Weth/Walker: ArbGG-Kommentar, 3. Aufl., § 97 Rn. 48). Eine Offensichtlichkeit der fehlenden Entscheidungserheblichkeit kann hier aus folgenden Gründen nicht angenommen werden:

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Der Kläger macht hier Ansprüche nach den Grundsätzen der equal-pay-Vergütung gemäß §§ 612 Abs. 2 BGB, 9 Nr. 2 AÜG geltend.Er begehrt dasjenige Arbeitsentgelt, das sein Entleiher an seine vergleichbaren Arbeitnehmer zahlt. Diese Ansprüche stehen ihm nur zu, wenn die im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifverträge zwischen der CGZP und dem AMP keine Rechtswirkung entfalten können mangels Tariffähigkeit der CGZP. Nur in diesem Fall kann der Kläger einen Anspruch auf die Vergütung nach den Bedingungen haben, wie sie in den Kundenbetrieben der Beklagten üblich sind.

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c) Die Aussetzung ist nur dann geboten, wenn die Frage der Tariffähigkeit zweifelhaft ist.

23

Das ist in erster Linie dann der Fall, wenn die Parteien hierüber streiten. Indem die Beklagte im Gütetermin den Aussetzungsantrag nach § 97 Abs. 5 ArbGG gestellt hat, hat sie hiermit konkludent ihre Rechtsauffassung kundgetan, wonach sie von der Tariffähigkeit der CGZP und damit von der Wirksamkeit des in Bezug genommenen Tarifwerks im hier streitgegenständlichen Zeitraum ausgeht.

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d) Ist die Tariffähigkeit zwischen den Parteien im Streit, kann die Aussetzung nur unterbleiben, wenn über diese Frage bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt und dieser Beschluss noch immer bindend ist. Davon kann hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht ausgegangen werden.

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aa) Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Beschluss vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 - NZA 2011, 289) zwar festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist; es hat diese Feststellung jedoch ausdrücklich gegenwartsbezogen getroffen, vgl. BAG a.a.O. Rn. 33 und 63. Die Tarifunfähigkeit der CGZP ist dadurch gerade nicht für die Vergangenheit festgestellt worden (so auch: LAG Rheinland-Pfalz vom 15.06.2011 - 6 Ta 99/11, vom 17.08.2011 - 11 Ta 160/11 - und vom 19.12.2011 - 10 Ta 247/11 -; LAG Baden-Württemberg vom 21.06.2011 - 11 Ta 10/11 -; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 15.08.2011 - 2 Ta 42/11 - und vom 09.09.2011 - 2 Ta 45/11 -; LAG Köln vom 14.10.2011 - 13 Ta 284/11 -; LAG Hamm vom 28.09.2011 - 1 Ta 500/11 -; LAG Nürnberg vom 19.09.2011 - 2 Ta 128/11 -; LAG Sachsen vom 08.09.2011 und 05.09.2011 - 4 Ta 149/11 und 4 Ta 162/11-, jeweils dokumentiert in juris; a.A. LAG Sachsen-Anhalt vom 02.11.2011 - 4 Ta 130/11 -, juris; ArbG Frankfurt/Oder vom 09.06.2011 - 3 Ca 422/11 - AiB 2011, 550; ArbG Dortmund vom 16.03.2011 - 8 Ca 18/11 - ArbuR 2011, 272; Brors, Anm. zu ArbG Freiburg vom 13.04.2011 - 3 Ca 497/10 - jurisPR-ArbR 18/2011).

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bb) Den Gegenwartsbezug folgert das BAG aus der Antragsformulierung ("... tarifunfähig ist") und der Streitgegenstandsauslegung (vgl. BAG a.a.O. Rn. 33). Deshalb stand diesem Verfahren - trotz gleicher Antragstellung - auch nicht der bereits früher anhängige Feststellungsantrag zur Tariffähigkeit der CGZP vor dem Arbeitsgericht Berlin - 63 BV 9415/08 - entgegen, da dieser einen anderen Streitgegenstand zum Inhalt hatte. Der Streitgegenstand richtet sich nicht nur nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag, sondern auch nach dem zugehörigen Lebenssachverhalt. Maßgeblich für die Entscheidung des BAG war daher allein die gegenwärtige Tarifunfähigkeit unter Berücksichtigung der Satzung in der Fassung vom 08.10.2009.

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cc) Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob das BAG die Tarifunfähigkeit erst zum Entscheidungsdatum 14.12.2010 festgestellt hat und davor liegende Zeiträume nicht erfasst sind (so Löwisch, SAE 2011, 64 und 66) oder ob die Entscheidung zurückwirkt auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, also auf die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 - 23 TaBV 1016/09 - ( so LAG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2011 - 10 Ta 247/11 - und Neef, NZA 2011, 618). Welcher Auffassung zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auch einen Zeitraum vor dem 07.12.2009 betreffen, auf den sich die Entscheidung des BAG keinesfalls erstreckt. Dieser Zeitraum war gerade nicht Gegenstand des Verfahrens, wie sich aus den Ausführungen des BAG zu den Streitgegenständen der verschiedenen Beschlussverfahren ergibt. Bis zum 06.12.2009 ist die Tariffähigkeit der CGZP nicht rechtskräftig festgestellt, so dass die Aussetzungsentscheidung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden ist.

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dd) Mit Entscheidung vom 09.01.2012 hat das LAG Berlin-Brandenburg (- 24 TaBV 1285/11 -, juris) festgestellt, dass die CGZP auch am 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 nicht tariffähig war und zu diesen Zeitpunkten keine Tarifverträge abschließen konnte. Es hat damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt. Da diese Entscheidung des LAG noch nicht rechtskräftig ist, steht sie der weiteren Aussetzung des Verfahrens nicht entgegen.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 78 Abs. 1 S. 2 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG, da die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.

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