Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Ta 2/12

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Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 10. November 2011 - 8 Ca 1074/11 - aufgehoben.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

2

Der Kläger war als Arbeitnehmer bei der Firma S. GmbH beschäftigt, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Beklagte war. Die Firma S. GmbH hat das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 fristlos gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden haben der Kläger und die Firma S. GmbH im Gütetermin vom 14. Februar 2011 einen Vergleich geschlossen, nach dem das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung vom 10. Dezember 2010 zum 15 Januar 2011 sein Ende gefunden hat und die Firma S. GmbH an den Kläger für den Monat November 2010 1.000,00 EUR brutto, für den Monat Dezember 2010 800,00 EUR brutto sowie eine Abfindung in Höhe von 750,00 EUR brutto zahlt. Die Firma S. GmbH leistete keinerlei Zahlung an den Kläger, die Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Im März 2011 gründete der Beklagte eine Sicherheitsfirma "S.", die er als eingetragener Kaufmann betreibt.

3

Mit seiner Klage nimmt der Kläger den Beklagten als vormaligen Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma S. GmbH wegen unerlaubter Handlung gemäß § 826 BGB, Firmenfortführung (§ 25 HGB) und im Wege der Durchgriffshaftung für seine Forderung gegen die Firma S. GmbH in Anspruch. Weiterhin hat er sich im Verlaufe des Verfahrens auch auf einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB berufen.

4

Der Kläger ist der Ansicht, die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 d i.V.m. § 3 ArbGG, weil der Beklagte hinsichtlich der gegen ihn als vormaligen Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter der Firma S. GmbH geltend gemachten Ansprüche als Rechtsnachfolger im Sinne von § 3 ArbGG anzusehen sei.

5

Die Beklagte ist der Auffassung, dass Grundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht das Arbeitsrecht, sondern das Zivil- bzw. Insolvenzrecht sei, so dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht gegeben sei. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der GmbH bereits zum 15. Januar 2011 und damit vor dem behaupteten Betriebsübergang sein Ende gefunden habe, könne der Kläger auch keine Ansprüche aus § 613 a BGB herleiten. Ein Betriebsübergang habe zudem nicht stattgefunden und sei vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen worden.

6

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit Beschluss vom 10. November 2011 (Az: 8 Ca 1074/11) den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Rockenhausen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für den Anspruch des Klägers keine arbeitsrechtliche Grundlage in Frage komme. Selbst wenn ein Betriebsübergang vorläge, wäre er erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Deshalb könnten gegenüber dem Beklagten auf arbeitsrechtlicher Anspruchsgrundlage keine Ansprüche bestehen und daher auch keine Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis gegeben sein.

7

Gegen den ihm am 17. November 2011 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. November 2011, beim Arbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

9

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist zulässig. Sie ist nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthaft und wurde form- sowie fristgerecht (§§ 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. 569 ZPO) eingelegt.

10

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.

11

Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen auch dann zuständig, wenn der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder durch eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt ist.

12

Der Begriff des Rechtsnachfolgers i.S.v. § 3 ArbGG ist nicht streng wörtlich, sondern im weitesten Sinne zu verstehen (BAG 13. Juni 1997 - 9 AZB 38/96 - Rn. 10, NZA 1997, 1128 m.w.N.). Für die durch § 3 ArbGG erweiterte Zuständigkeit spielt es keine Rolle, ob der Schuldner einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung wechselt oder ein Dritter als Schuldner derselben Verpflichtung neben den Arbeitgeber tritt. Vielmehr genügt es, dass ein Dritter dem Arbeitnehmer die Erfüllung arbeitsrechtlicher Ansprüche zusätzlich schuldet (BAG 29. März 2000 - 5 AZB 69/99 - Rn. 20, [juris]). Deshalb fällt unter den Anwendungsbereich des § 3 ArbGG auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch 12. Aufl. § 3 ArbGG Rn. 3). Dazu gehören insbesondere die Fälle, in denen der Arbeitnehmer den Gesellschafter seiner Arbeitgeberin (GmbH) im Wege der Durchgriffshaftung sowie gemäß § 826 BGB in Anspruch nimmt (BAG 13. Juni 1997 - 9 AZB 38/96 - NZA 1997, 1128) und/oder eine Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche wegen Firmenfortführung (§ 25 HGB) geltend macht (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch 12. Aufl. § 3 ArbGG Rn. 3; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 3 Rn. 10).

13

Der Kläger macht eine Rechtsnachfolge in diesem Sinne geltend, wenn er auf die seiner Meinung nach bestehende Haftung des Beklagten als vormaliger Geschäftsführer und Gesellschafter seiner Arbeitgeberin unter dem Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung, wegen Firmenfortführung gemäß § 25 HGB und aus unerlaubter Handlung gemäß § 826 BGB abstellt. Der Beklagte soll nach der Klagebegründung wie im Falle der Durchgriffshaftung neben der Firma S. GmbH, die seine Arbeitgeberin war, für arbeitsrechtliche Ansprüche haften, was ausreichend ist, um die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte zu begründen. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zuständigkeitsprüfung bei "doppelrelevanten" Tatsachen ist unerheblich, ob die vom Kläger behauptete Rechtsnachfolge i.S.v. § 3 ArbGG tatsächlich vorliegt oder das Klagevorbringen zur Haftung des Beklagten für die angeführten arbeitsrechtlichen Ansprüche als schlüssig anzusehen ist. Zur Begründung der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen genügt bereits die Rechtsbehauptung des Klägers, es liege eine Rechtsnachfolge im Sinne von § 3 ArbGG vor (BAG 29. März 2000 - 5 AZB 69/99 - [juris]; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 3 Rn. 4; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch 12. Aufl. § 3 ArbGG Rn. 1).

14

Da die Beschwerde Erfolg hat, war keine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 15. November 2010 - 3 Ta 225/10 - Rn. 43, [juris]; 27. März 2010 - 8 Ta 51/10 - Rn. 10, [juris]; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 48 Rn. 131; Schwab/Weth ArbGG 2. Aufl. § 48 Rn. 72).

15

Die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar.

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