Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (10. Kammer) - 10 SaGa 11/11
Tenor
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
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I. Die Parteien streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten. Die Verfügungsklägerin hat von der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung verlangt, die Besetzung der Stelle einer/eines Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt sowie die Neuausschreibung dieser Stelle zu unterlassen.
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Die Klägerin (geb. am 31.08.1967) ist von Beruf staatlich anerkannte Sozialarbeiterin. Sie ist seit dem 01.01.2005 bei dem beklagten Jobcenter, einer gemeinsamen Einrichtung im Sinne des § 44b SGB II, zunächst als Fallmanagerin und nunmehr als Sachbearbeiterin im Bereich Bildung und Teilhabe vollzeitbeschäftigt. Die Klägerin ist Vorsitzende des Personalrats. Sie wird nach Entgeltgruppe E 9 TVöD vergütet.
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Nach § 18e Abs. 1 SGB II hat bei den gemeinsamen Einrichtungen die Trägerver-sammlung Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt aus dem Kreis der Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen in den gemeinsamen Einrichtungen Tätigkeiten zugewiesen worden sind, zu bestellen. Sie sind unmittelbar der jeweiligen Geschäftsführerin oder dem jeweiligen Geschäftsführer zugeordnet.
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Die Beklagte schrieb die Stelle einer/eines Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) am 22.02.2011 intern aus. Die Stelle wurde als 0,5-Planstelle konzipiert und der Entgeltgruppe E 9 TVöD bzw. Tätigkeitsebene TE 4 der Tarifverträge der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) zugeordnet. Vorausgesetzt wurde ein Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation sowie mehrjährige einschlägige Berufserfahrung oder ein vergleichbares Profil.
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Die Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom 23.03.2011. Außerdem bewarb sich die Arbeitnehmerin Z. Y.. Da die Klägerin befürchtete, dass die Trägerversammlung in der Sitzung vom 24.10.2011 die Stelle mit ihrer Mitbewerberin besetzt, beantragte sie am 04.10.2011 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen den Erlass folgender einstweiliger Verfügung:
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der Beklagten zu untersagen, die Stelle als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit einem anderen Bewerber zu besetzen,
der Beklagten zu untersagen, die Stelle als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens neu auszuschreiben,
der Beklagten anzudrohen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffern 1 und 2 ausgesprochenen Verpflichtungen ein von dem Gericht festzulegendes Ordnungsgeld verhängt werden kann.
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Die Beklagte hat Zurückweisung beantragt.
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Ein Hauptsacheverfahren leitete die Klägerin nicht ein. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat die Anträge mit Urteil vom 12.10.2011, das der Klägerin am 18.10.2011 zugestellt worden ist, zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 19.10.2011 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 31.10.2011, der am 02.11.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet.
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Die Klägerin hat zweitinstanzlich folgenden Antrag angekündigt:
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Unter Abänderung des am 12.10.2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Az.: 3 Ga 16/11, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, die Stelle als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens neu auszuschreiben.
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Die Beklagte hat die Stelle am 09.12.2011 neu ausgeschrieben. Die Klägerin hat sich erneut beworben. Außerdem leitete sie ein weiteres einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen (Az.: 3 Ga 1/12) ein, das am 24.01.2012 durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs endete.
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Das vorliegende Verfahren haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer übereinstimmend für erledigt erklärt. Sie stellen wechselseitige Kostenanträge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
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II. Das einstweilige Verfügungsverfahren ist in der Hauptsache erledigt. Davon ist ohne nähere Prüfung auszugehen, wenn beide Parteien dies übereinstimmend erklärt haben. Wird die Hauptsache erst in der Rechtsmittelinstanz für erledigt erklärt, ist dies allerdings nur beachtlich, wenn das Rechtsmittel zulässig war. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Bei beiderseitiger Erledigterklärung und widerstreitenden Kostenanträgen ist die Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen. Dafür ist der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens maßgebend. Im Rahmen billigen Ermessens ist es vorliegend sachgerecht, der Verfügungsklägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Sie wäre auch in der Berufungsinstanz aller Voraussicht nach unterlegen, wenn das erledigende Ereignis - Neuausschreibung der BCA-Stelle am 09.12.2011 - nicht eingetreten wäre.
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Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. BAG Urteil vom 17.08.2010 - 9 AZR 347/09 - Juris-Rn. 20,21, NZA 2011, 516; BVerwG Urteil vom 31.03.2011 - 2 A 2.09 - Juris-Rn. 16; NVwZ 2011, 1528; jeweils m.w.N.), der die Berufungskammer folgt, zwingt die Durchführung einer Stellenausschreibung den Dienstherrn nicht, die Stelle mit einem der Bewerber zu besetzen; denn die Ausschreibung ist nur ein Hilfsmittel zur Gewinnung geeigneter Bewerber. Daher ist der Dienstherr rechtlich nicht gehindert, ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit zu beenden und von einer ursprünglich geplanten Einstellung oder Beförderung abzusehen. Der Abbruch des Auswahlverfahrens lässt den Bewerbungsverfahrensanspruch untergehen. Das für den Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen ist ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen (vgl. z.B. BVerfG 12.07.2011 - 1 BvR 1616/11 -Juris-Rn. 24, 25; BVerfG 19.12.2008 - 2 BvR 627/08 - NVwZ-RR 2009, 344-345).
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Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat zutreffend erkannt, dass der Abbruch des vorliegenden Besetzungsverfahrens aus sachlichen Gründen erfolgt ist. Schützenswerte Rechte der Klägerin aus Art. 33 Abs. 2 GG werden durch den Abbruch und die anschließende Neuausschreibung nicht berührt. Die Berufungskammer wäre den zutreffenden und überzeugenden Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts, auf die Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG), gefolgt, wenn die Parteien den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt hätten.
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Die Beklagte hat in der ersten Ausschreibung vom 22.02.2011 die Stelle einer/eines Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) der Entgeltgruppe E 9 TVöD bzw. Tätigkeitsebene TE 4 TV-BA zugeordnet. Die Bundesagentur für Arbeit hat am 21.09.2011 ein Fachkonzept „BCA SGB II“ herausgegeben. Dort heißt es u.a.:
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„Grundsätzliches
Das Fachkonzept … beschreibt die Aufgaben der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt in gemeinsamen Einrichtungen gemäß § 18e SGB II. Es trat am 1. September 2011 in Kraft.
Entsprechend der gesetzlichen Normierung zu den Entscheidungsbefugnissen der Trägerversammlung (§ 44c SGB II) und den Weisungskompetenzen der Träger (§ 44b Abs. 3 SGB II) hat das vorliegende Fachkonzept bzgl. der BCA in den gE für die Geschäftsführung der gemeinsamen Einrichtungen den Charakter einer Empfehlung. Für die Geschäftsführung der Arbeitsagentur stellt es eine Weisung dar. …
Qualitative Personalausstattung
Der Dienstposten BCA in der gE wird gemäß vorläufiger arbeitgeberseitiger Entscheidung durch den Geschäftsbereich POE dem Referenz-TuK Fachexperte/-in zugeordnet und somit in Tätigkeitsebene III eingruppiert.
…“
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Aufgrund dieses Fachkonzepts, das am 01.09.2011 in Kraft trat, hat sich die Beklagte entschlossen, die BCA-Stelle nach Entgeltgruppe E 10 TVöD bzw. Tätigkeitsebene TE 3 TV-BA höher zu bewerten, das laufende Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen und die Stelle - mit höherer Dotierung - erneut auszuschreiben. Dies ist ein sachlich nachvollziehbarer Grund für den Abbruch des ersten Auswahlverfahrens und die Neuausschreibung, die unstreitig am 09.12.2011 erfolgt ist. Dass der Abbruch des ersten Auswahlverfahrens allein den Zweck verfolgt hätte, die Klägerin als Mitbewerberin gezielt und willkürlich auszuschalten, ist nicht erkennbar. Die Klägerin hat sich auf die zweite Ausschreibung vom 09.12.2011 erneut bewerben können und auch beworben.
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Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die tarifliche Bewertung der BCA-Stelle mit E 10 TVöD (TE 3 TV-BA) zur Folge, dass sich auf die Zweitausschreibung potentiell auch Beschäftigte bewerben, die bereits in diese höhere Stufe bzw. Ebene eingruppiert sind. Diese Beschäftigten hatten keine Veranlassung, sich auf die Erstausschreibung mit geringerer Vergütung zu bewerben. Aber auch Beschäftigte, die - wie die Klägerin - nach E 9 TVöD (TE 4 TV-BA) vergütet werden, können an einer Beförderung interessiert sein und sich deshalb auf die Zweitausschreibung bewerben. Es war deshalb sachgerecht, wenn nicht sogar zwingend geboten, die Stelle mit verbesserter Dotierung neu auszuschreiben, damit alle in Betracht kommenden Interessenten informiert werden und somit im öffentlichen Interesse zu einer Bestenauslese beigetragen wird. Aus der Vergrößerung des potentiellen Bewerberkreises lässt sich eine Verletzung von Rechten der Klägerin aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. § 19 Abs. 4 GG nicht herleiten. Der öffentliche Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ein Auswahlverfahren für eine Stelle nach E 9 TVöD (TE 4 TV-BA) fortzuführen, die nicht mehr zur Verfügung steht. Zudem hat die Erstausschreibung geeignete Bewerber, die nur eine Tätigkeit mit Vergütung nach E 10 TVöD (TE 3 TV-BA) anstrebten, von einer Bewerbung abgehalten.
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Entgegen der Ansicht der Berufung hat die Klägerin keine „feste Rechtsposition“ bereits erlangt. Ihre Bestellung zur Beauftragten für Chancengleichheit stellt nicht „die einzig denkbare rechtmäßige Entscheidung“ der Beklagten dar. Es lag vielmehr im weiten organisatorischen Ermessen der Beklagten, die Stelle mit einer Vergütung nach E 10 TVöD erneut auszuschreiben und einen breiteren Interessentenkreis, insbesondere auch Beförderungsbewerber, anzusprechen.
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Der Hinweis der Berufung, das Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit habe für die Beklagte nur den Charakter einer „Empfehlung“, im Übrigen werde die BCA-Stelle nur aufgrund „vorläufiger“ Entscheidung nach E 10 TVöD bewertet, führt nicht weiter. Die Beklagte hat sich entschlossen, dieser Empfehlung zu folgen und die BCA-Stelle tariflich höher zu bewerten. Mit den organisatorischen Maßnahmen der Dienstpostenbewertung entscheidet der Dienstherr im öffentlichen Interesse über die qualitativen Anforderungen an die Erfüllung der auf dem Dienstposten wahrzunehmenden Aufgaben. Ob er dabei die betroffenen öffentlichen Belange fehlerfrei abgewogen hat, berührt nicht die Rechte einzelner Beamter oder Tarifbeschäftigter (vgl. BVerwG Beschluss vom 22.07.1999 - 2 C 14/98 - Juris-Rn. 31, NVwZ-RR 2000, 172, m.w.N.). Der Vorwurf der Klägerin, das Stellenbesetzungsverfahren sei aus „reine Willkür“ der Geschäftsführerin der Beklagten abgebrochen worden, ist nicht berechtigt. Im Übrigen trifft die Entscheidung über die Bestellung zur Beauftragten für Chancengleichheit nicht die Geschäftsführerin, sondern nach der gesetzlichen Regelung in § 18e Abs. 1 SGB II die Trägerversammlung.
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Auch das Vorbringen, die Klägerin werde wegen ihrer Personalratstätigkeit benachteiligt, hätte der Berufung nicht zum Erfolg verholfen. Die Entscheidung der Beklagten, das erste Besetzungsverfahren abzubrechen und die BCA-Stelle neu auszuschreiben, verletzt nicht das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungsverbot (§§ 44h SGB II, 8 BPersVG). Die BCA-Dienstposten waren nach § 18e SGB II, der am 01.01.2011 in Kraft getreten ist, bundesweit neu einzurichten und erstmals zu besetzen. Das Fachkonzept „BCA SGB II“ der Bundesagentur für Arbeit, das erst am 01.09.2011 in Kraft trat, enthält allgemeine und bundesweit einheitlichen Kriterien. Für die Geschäftsführung der Arbeitsagenturen stellt das Konzept eine Weisung dar, für die Geschäftsführung der gemeinsamen Einrichtungen hat es den Charakter einer Empfehlung. Die Entscheidung der Beklagten, dieser Empfehlung zu folgen und deshalb die BCA-Stelle mit einer Vergütung nach E 10 TVöD (bzw. TE 3 TV-BA) erneut auszuschreiben, lässt eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Tätigkeit als Personalratsmitglied nicht erkennen.
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III. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind angesichts der Kriterien von § 78 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben.
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Referenzen
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- 2 BvR 627/08 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 44h SGB II, 8 BPersVG 1x (nicht zugeordnet)
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- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
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