Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 657/11

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 25.10.2011 - 2 Ca 1430/11 - wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 25.10.2011 - 2 Ca 1430/11 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin

weitere 843,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 168,65 € seit dem 7.11.2011, 7.12.2011, 7.1.2012, 7.2.2012 und 7.3.2012 zu zahlen,

weitere 337,30 € brutto zu zahlen,

für die Monate Mai 2012 bis September 2012 jeweils zum 5. Werktag des Folgemonats jeweils weitere 168,65 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Sonderzuwendung.

2

Die Klägerin ist seit dem 01.10.1996 bei der Beklagten als Altenpflegerin beschäftigt. Aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des zwischen der Z Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG und der Gewerkschaft Y geschlossenen Manteltarifvertrages sowie die Bestimmungen des ebenfalls am 24.09.2004 zwischen diesen Tarifvertragsparteien geschlossenen Zuwendungstarifvertrages Anwendung.

3

Der Zuwendungstarifvertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:

4

"§ 2
Anspruchsvoraussetzungen
Der Arbeitnehmer erhält eine Zuwendung, soweit er X-Mitglied ist, wenn er am 1.Dezember in einem Arbeitsverhältnis steht und nicht für den gesamten Monat Dezember ohne Lohnfortzahlung zur Ausübung einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist; und seit dem 1. Oktober ununterbrochen Arbeitnehmer im Dienst von Z gestanden hat oder

5

im laufenden Kalenderjahr insgesamt 6 Monate bei Z im Arbeitsverhältnis gestanden hat oder steht; und nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

6

§ 3
Höhe der Zuwendung
Die Höhe der Zuwendung beträgt 82 % (für Beschäftigte nach § 13 Abs.2 des Manteltarifvertrages) bzw. 65 % ( für Beschäftigte nach § 13 Abs. 3 des Manteltarifvertrages) der Bemessungsgrundlage.
Bemessungsgrundlage ist die Vergütung die dem Arbeitnehmer für den Monat September zustand oder zugestanden hätte, wenn er gearbeitet hätte.

 (5) Die Zuwendung gemäß §3 Abs.1 wird in zwölf gleichen monatlichen Beträgen für jeden vollen Beschäftigungsmonat gezahlt. Beginn der Zahlung ist jeweils der November des Kalenderjahres.

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§ 4
Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen
1. Die jeweilige Bezirksverwaltung der Gewerkschaft Y teilt dem Arbeitgeber bis spätestens zum 31.10. des jeweiligen Kalenderjahres die Namen der Anspruchsberechtigten aus diesem Tarifvertrag mit, soweit diese der Mitteilung zustimmen.
2. Tritt ein Arbeitnehmer erst nach dem 31.10. des laufenden Kalenderjahres der Gewerkschaft Y bei und teilt diese das dem Arbeitgeber mit, erhält dieser Arbeitnehmer 3 Kalendermonate nach der Mitteilung Leistungen nach § 3 Abs.5. Unbeschadet müssen die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 erfüllt sein."

8

Die Klägerin ist zumindest seit 2008 Mitglied der Gewerkschaft Y. Die Beklagte gewährte der Klägerin bis einschließlich Oktober 2008 die tarifvertragliche Sonderzuwendung. Nachdem sie ab November 2008 die Zahlung eingestellt hatte, wurde sie durch (rechtskräftiges) Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.05.2010 (Az.: 1 Ca 874/09) zur Zahlung der Sonderzuwendung für den Zeitraum November 2008 bis September 2009 in Höhe von monatlich 174,83 € an die Klägerin verurteilt. Gleichwohl gewährte die Beklagte der Klägerin ab Oktober 2009 erneut keine Sonderzuwendung.

9

Die Gewerkschaft Y teilte der Beklagten mit Schreiben vom 30.10.2008 letztmalig die Gewerkschaftsmitgliedschaft der Klägerin mit. Diesbezüglich verwendet Y einen als "Rückmeldebogen" betitelten, vom Gewerkschaftsmitglied zu unterzeichnenden Vordruck, bei dem eine der folgenden Alternativen anzukreuzen ist:

10

"Ich bin damit einverstanden, dass mein Arbeitgeber Z gemäß § 4 des Zuwendungstarifvertrages über meine Mitgliedschaft bei Y informiert wird.

11

Ich bin nicht damit einverstanden, dass mein Arbeitgeber Z gemäß § 4 des Zuwendungstarifvertrages über meine Mitgliedschaft bei Y informiert wird. Somit habe ich auch keinen Anspruch auf Zuwendung nach dem Zuwendungstarifvertrag."

12

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Zahlung der tariflichen Sonderzuwendung für den Zeitraum Oktober 2009 bis einschließlich September 2011 geltend gemacht und (zuletzt) beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

13

an die Klägerin 4.053,71 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 174,83 EUR seit dem 07.11.2009 sowie aus je weiteren 168,65 EUR seit dem 07.12.2009, 09.01.2010, 06.02.2010, 06.03.2010, 12.04.2010, 08.05.2010, 08.06.2010, 07.07.2010, 07.08.2010, 07.09.2010 und 07.10.2010, 08.11.2010, 07.12.2010, 08.01.2011, 07.02.2011, 07.03.2011, 07.04.2011, 07.05.2011, 08.06.2011, 07.07.2011, 06.08.2011, 07.09.2011 und 07.10.2011 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Zur weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 25.10.2011 (Bl. 85 - 90 d. A.).

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25.10.2011 stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 90 - 93 d. A.) verwiesen.

18

Gegen das ihr am 17.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.11.2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 16.01.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 17.02.2012 begründet.

19

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts stelle die Erfüllung der in § 4 Ziffer 1. des Zuwendungstarifvertrages geregelten Nachweispflicht um eine Anspruchsvoraussetzung. Da eine Mitteilung seitens der Gewerkschaft Y betreffend die Gewerkschaftsmitgliedschaft der Klägerin seit 2009 nicht mehr erfolgt sei, stehe dieser daher auch kein Anspruch auf die Sonderzuwendung zu.

20

Die Beklagte beantragt,

21

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

22

Die Klägerin beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 31.03.2012, mit welchem sie zugleich ihre Klage auf Zahlung der Sonderzuwendung erweitert hat auf die Monate Oktober 2011 bis einschließlich September 2012.

25

Die Klägerin beantragt:

26

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Oktober 2011 168,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2011, für den Monat November 2011 168.65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.12.2011, für den Monat Dezember 2011 168,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.01.2012, für den Monat Januar 2012 168,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.02.2012 und für den Monat Februar 2012 168,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.03.2012 zu zahlen.

27

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Monate März 2012 bis einschließlich September 2012 jeweils zum fünften Werktag des Folgemonats einen Betrag in Höhe von jeweils 168,65 € brutto zu zahlen.

28

Die Beklagte beantragt,

29

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

30

Die Beklagte ist der Ansicht, der klageerweiternde, auf eine zukünftige Leistung gerichtete Klageantrag zu 2. sei bereits unzulässig. Insoweit hänge der Anspruch nämlich noch von einer Gegenleistung ab, welche die Klägerin in ihrem Antrag nicht aufgenommen habe.

31

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32

I. Die statthafte Berufung der Beklagten ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben.

33

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt:

34

1. Die Klägerin erfüllt unstreitig sämtliche in § 2 des Zuwendungstarifvertrages bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen. Der Umstand, dass der Beklagten die Gewerkschaftsmitgliedschaft der Klägerin - entgegen § 4 Nr. 1 des Zuwendungstarifvertrages - von Seiten der Gewerkschaft nach dem Jahr 2008 nicht mehr mitgeteilt worden war, steht dem Anspruch nicht entgegen.

35

§ 4 Nr. 1 des Zuwendungstarifvertrages enthält - im Gegensatz zu § 4 Nr. 2 - keine Anspruchsvoraussetzung. Die betreffende Tarifnorm regelt vielmehr, wie sich bereits aus ihrer Überschrift ergibt, lediglich den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen, indem der Gewerkschaft die Verpflichtung auferlegt wird, der Beklagten die Namen der anspruchsberechtigten Gewerkschaftsmitglieder mitzuteilen, soweit diese der Mitteilung zustimmen. Die Anspruchsvoraussetzungen selbst sind jedoch abschließend in § 2 des Zuwendungstarifvertrages geregelt. Bei § 4 Nr. 1 handelt es sich daher erkennbar um eine schuldrechtliche Bestimmung, die eine Verpflichtung der Gewerkschaft gegenüber der Beklagten begründet. Die Nichterfüllung dieser Verpflichtung hat - anders als im Fall des § 4 Nr. 2 des Zuwendungstarifvertrages - keinerlei Auswirkungen auf das Bestehen der Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. hierzu auch LAG Rheinland-Pfalz v. 30.11.2008 - 8 Sa 274/11 -). Diesbezüglich finden sich nämlich weder in § 4 Nr. 1 selbst, noch in den sonstigen Normen des Tarifvertrages irgendwelche Anhaltspunkte.

36

2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt des von der Gewerkschaft Y verwendeten Rückmeldebogens, der für den Fall, dass der Arbeitnehmer sich mit einer Mitteilung seiner Gewerkschaftszugehörigkeit an die Beklagte nicht einverstanden erklärt, zugleich die Erklärung des Arbeitnehmers enthält, deshalb auch keinen Anspruch auf die Zuwendung zu besitzen. Im vorliegenden Fall ist bereits weder vorgetragen, noch ersichtlich, ob die Klägerin eine solche Erklärung unterzeichnet hat. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Rückmeldebogen lediglich um ein internes Papier der Gewerkschaft Y, welches nicht den Willen der Tarifvertragsparteien widerspiegelt und auch keineswegs geeignet ist, den Inhalt des Tarifvertrages in irgendeiner Weise zu ergänzen oder abzuändern. Letztlich wäre eine darin enthaltener Verzicht der Klägerin auf die Sonderzuwendung auch gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG unzulässig.

37

3. Bezüglich der Höhe der von der Klägerin geltend gemachten und vom Arbeitsgericht ausgeurteilten monatlichen Beträge von jeweils 168,65 € ist den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (dort unter II. 3. (= Bl. 92 ff. d. A.) nichts hinzuzufügen.

38

II. Die in der Berufungserwiderungsschrift der Klägerin enthaltene Klageerweiterung stellt eine Anschlussberufung nach § 524 Abs. 1 ZPO dar und ist nach § 524 Abs. 2, 3 ZPO insgesamt zulässig.

39

Die Klageerweiterung ist gemäß § 257 ZPO vorliegend auch insoweit zulässig, als sie auf eine zukünftige Leistung gerichtet ist.

40

Die Voraussetzungen des § 257 ZPO sind erfüllt. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der geltend gemachten monatlichen Beträge ist entstanden und - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig. Es handelt sich nämlich um den nach § 2 des Zuwendungstarifvertrages, dessen Voraussetzungen unstreitig sämtlich erfüllt sind, bereits im November/Dezember 2011 entstandenen Anspruch der Klägerin auf die Sonderzuwendung, der gemäß § 3 Abs. 5 des Zuwendungstarifvertrages lediglich nicht im Wege einer Einmalzahlung, sondern nach seiner Entstehung in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen zu erfüllen ist. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien, wie in § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Zuwendungstarifvertrages vorausgesetzt, über den 31.03.2012 hinaus fortbestanden hat, ist von der Klägerin keinerlei Gegenleistung mehr zu erbringen. Die Fälligkeit der Ansprüche auf die monatlichen Teilzahlungen ist auch nach § 3 Abs. 5 des Zuwendungstarifvertrages i. V. m. § 13 a MTV- Z an den Eintritt eines Kalendertages (hier: fünfter Werktag eines Monats) geknüpft, so dass insgesamt keinerlei Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage gemäß § 257 ZPO bestehen.

41

Die klageerweiternden Anträge der Klägerin sind auch in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat - wie bereits ausgeführt - gegen die Beklagte - jedenfalls bis September 2012 - Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Sonderzuwendung i. H. v. 168,65 €.

42

Soweit im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Ansprüche der Klägerin für die Monate März und April 2012 bereits fällig geworden waren, konnte die Beklagte zur zeitlich unbedingten Zahlung verurteilt werden (II. 2. des Urteilstenors), ohne, dass es diesbezüglich einer Antragsänderung bedurfte (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage, § 257 Rz. 7).

43

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

44

III. Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

46

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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