Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (6. Kammer) - 6 Ta 68/12

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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 27. Februar 2012 - 7 Ca 1051/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für des Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

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Der Kläger verfolgt im sofortigen Beschwerdeverfahren seinen in erster Instanz abschlägig beschiedenen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung.

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Der Kläger war seit 1. Oktober 2009 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Außendienst-/Innendienstmitarbeiter bei einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.222,37 EUR tätig. Mit am 31. Oktober 2011 zugegangenem Schreiben kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt zum 30. November 2011 (Kopie in Bl. 19 d.A.). Mit Eingang vom 8. Dezember 2011 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und bat um nachträgliche Zulassung (Bl. 2 d.A.).

3

Der Kläger versichert an Eides Statt (Bl. 21 f. d.A.), sich auf Erhalt der Kündigung am 2. oder 3. November 2011 bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet und dort erwähnt zu haben, sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen zu wollen. Hinweise, was zur Anfechtung einer Arbeitgeberkündigung zu tun sei, habe er von der Agentur für Arbeit nicht erhalten, insbesondere nicht zu etwaigen Klageerhebungsfristen. Als er am 7. oder 8. November 2011 Kontakt zur Kanzlei seines Bevollmächtigten zwecks Terminsabstimmung für den 9. bis 11. November 2011 gesucht habe, seien ihm Besprechungstermine ganztags für den 14. und 15. November 2011 angeboten worden sowie vormittags für den 16. November 2011. Den 14. und 15. November 2011 habe er wegen Probearbeiten bei einem möglichen Folgearbeitgeber nicht einrichten können. Am 16. November 2011 habe vormittags seine Frau das Auto gehabt, und er habe auf das siebenmonatige Kind aufpassen müssen. Da auch am 17., 18. und 21. November 2011 keine Termine zu erhalten gewesen seien, habe eine Besprechung schlussendlich erst am 25. November 2011 stattfinden können. Ihm - wie auch seiner Ehefrau - sei bis dahin unbekannt gewesen, dass es eine Dreiwochenklagefrist zur Abwehr von Arbeitgeberkündigungen gebe. Außerdem habe er angenommen, von der Agentur für Arbeit eventuell notwendige Schritte mitgeteilt zu erhalten.

4

Die Kanzleimitarbeiterin des Klägerbevollmächtigten, wie auch der Klägerbevollmächtigte persönlich versichern an Eides Statt, der Bevollmächtigte habe sich vom 9. bis 11. und am 18. November 2011 ganztägig auf Fortbildung befunden, am 17. November 2011 (nachmittags) einen halben Anreisetag benötigt und am 21. November 2011 Urlaub gehabt (Bl. 16 und 22 d.A.).

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Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - lehnte das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers mit Beschluss vom 27. Februar 2012 - 7 Ca 1051/11 - wegen mangelnder Erfolgsaussicht ab (Bl. 54 ff. PKH-Beiheft). Der anhängig gemachte Kündigungsschutzstreit endete ohne Terminsdurchführung mit (anwaltlich ausgehandeltem) Vergleich vom 19. März 2012 (Bl. 93 f. d.A.).

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Der Kläger erhob gegen den ihm am 2. März 2012 zugestellten Ablehnungsbeschluss bei dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Eingang vom 30. März 2012 (sofortige) Beschwerde. Er meint, die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung habe Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Kündigungsschutzklage hätte wegen Aufklärungsfehlers der Agentur für Arbeit nachträglich zugelassen werden müssen.

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Der Kläger bittet darum,

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die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern und dem Prozesskostenhilfe zu bewilligen für das Klageverfahren.

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Er beantragt ferner,

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dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen für das Beschwerdeverfahren vor dem erkennenden Gericht.

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Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

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Wegen des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Das eingelegte Rechtsmittel wie auch der ergänzend gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren bleiben ohne Erfolg. Die angegriffene Entscheidung des Arbeitsgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Dem Kläger steht zudem keine Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren zu.

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1. Die sofortige Beschwerde des Klägers war zulässig, aber unbegründet.

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a) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 78 Satz 1 und 3 ArbGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2, §§ 567 f. ZPO lagen vor. Auf die am 2. März 2012 zugestellte Ablehnungsentscheidung ging die Beschwerdeschrift beim Ausgangsgericht am 30. März 2012 per Fax ein (Bl. 62 ff. PKH-Beiheft). Sie war explizit nur auf eine Bewilligung "für das Klageverfahren" bezogen (S. 2 des Beschwerdeschriftsatzes viertletzter Absatz a.E.; Bl. 63 d.A.). Das bezog sinngemäß die abgelehnte anwaltliche Beiordnung ein. Über eine Prozesskostenhilfe für den zustande gekommenen Vergleichsbeschluss - wie im Klägerschriftsatz vom 8. Februar 2012 möglicherweise erbeten - war mangels erstinstanzlicher Befassung hierzu und hierauf ggf. zu beziehendem Rechtsmittel nicht zu befinden.

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b) Die Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs für das Verfahren war zutreffend. Im Rahmen einer summarischen Prüfung besaß die klägerische Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO.

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aa) Hinreichende Erfolgsaussichten liegen dann - aber auch nur dann - vor, wenn der Rechtsstandpunkt eines Antragsstellers aufgrund seiner Sachdarstellung sowie der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar gehalten werden kann (vgl. Zöller/Geimer ZPO 28. Auflage § 114 Rn. 19). Aufgrund summarischer Prüfung muss zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Das setzt "hinreichende" Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit voraus. "Gewiss" muss dieser Ausgang allerdings nicht sein (BVerfG 10.08.2001 - 2 BvR 569/01 - zu B I 1 der Gründe, AP GG Art. 19 Nr. 10). Sind die Erfolgsaussichten indes allenfalls entfernt vorhanden und erscheint ein Obsiegen zwar nicht schlechterdings unmöglich, weitgehend aber doch unwahrscheinlich, ist den Anforderungen des § 114 ZPO noch nicht genügt (vgl. BVerfG 13.07.2005 - 1 BvR 175/05 - zu II 1 a der Gründe, NJW 2005, 3489; LAG Hamm 21.06.2011 - 5 Ta 334/11 - zu 1 der Gründe, LAGE § 114 ZPO 2002 Nr. 16).

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bb) Vor diesem Hintergrund waren vorliegend keine durchschlagenden Wahrscheinlichkeitsmomente für einen Rechtserfolg des Klägers im streitigen Verfahren zu erkennen.

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(1) Angesichts der Tatsache, dass der Kläger seine Frist zur Klagerhebung nach § 4 Satz 1 KSchG bei Einreichung der Klageschrift bereits versäumt hatte, war nach § 7 KSchG zunächst von einer Wirksamkeit der Kündigung auszugehen.

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(2) Auch vor dem Hintergrund der vom Kläger wie auch dessen Bevollmächtigtem bzw. dessen Mitarbeiterin versicherten Umstände hatte die begehrte nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sodann keine nennenswerte Aussicht auf Erfolg. Die sachlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG waren nicht gegeben.

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(a) Die bloße Unkenntnis der dreiwöchigen Klagefrist in § 4 Satz 1 KSchG rechtfertigte keine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt, dass die Versäumung der Klagefrist trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt eintrat. Es gehört - anerkanntermaßen - zu den an jeden Arbeitnehmer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, dass er sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum kümmert, ob und wie er hiergegen vorgehen kann (BAG 26.08.1993 - 2 AZR 376/93 - zu B I 2 c aa der Gründe, NZA 1994, 281). Ihm wird insofern zugemutet, dass er die Grundzüge des Kündigungsschutzrechts kennt oder sich zumindest aktiv hierüber informiert (LAG Schleswig-Holstein 28.4.2005 - 2 Ta 105/05 - zu II der Gründe m.w.N., juris). Dem Kläger schadete deshalb die von ihm für die eigene Person wie auch sein persönliches Umfeld versicherte Rechtsunkenntnis. Er hatte weiter gegen sich gelten zu lassen, dass weder gegenüber der Agentur für Arbeit noch in den Terminsabsprachen mit der Kanzlei des Bevollmächtigten aktiv um Auskunft für die einzuhaltenden Schritte ersucht worden war.

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(b) Der Kläger war seiner Versicherung nach auch nicht tatsächlich gehindert, vor Ablauf der dreiwöchigen Frist Klage zu erheben. Ihm standen insbesondere keine unüberwindbaren Hindernisse zur Bemühung anwaltlichen Beistands entgegen. Zwischen dem 14. und 16. November 2011 (vormittags) hätte er ohne weiteres Termine wahrnehmen können. Es gab zumindest keine anerkennenswerten Gründe, die Wahrung kündigungsrechtlicher Ansprüche in besonnener Interessenbehauptung hinter zwischenzeitliche private Belange zurückzustellen. Wäre es nicht zur Kündigung gekommen, hätte der Kläger vollschichtig zu arbeiten gehabt und den dazwischen gekommenen Dingen nicht nachgehen können. Andere Kriterien für die Beurteilung der Frage, wie sehr eine Verfolgung eigener Belange von der Klageerhebung abhalten darf, als die, wie ein Arbeitnehmer seine persönlichen Angelegenheiten in aller Regel besorgt, bestehen nicht (vgl. LAG Köln 28.12.2007 - 8 Ta 355/07 - zu II 2 b der Gründe, juris).

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(c) Ausschließlich oder wesentlich fremd verschuldet war die Säumnis schlussendlich ebenfalls nicht. Die Versicherung des Klägers zur vermeintlich mangelhaften Beratung durch die Agentur für Arbeit verhält sich dazu nicht, wie anders der Kläger auch unter weitergehender Auskunft gehandelt, namentlich was anderes, als zur Aufrechterhaltung kündigungsbezogener Rechte unverzüglich, binnen vier oder fünf Tagen und noch lange vor Ablauf jedweder Klagefrist, anwaltlichen Beistand aufgesucht zu haben, er getan hätte. Es fehlt folglich an hinreichender Kausalität zur eingetretenen Säumnis. Ob und inwiefern die Bundesagentur für Arbeit ggf. als auskunftsgeeignete Stelle i.S.d. § 5 KSchG gelten kann, bedarf deshalb keiner Entscheidung. Aufgrund des Umstands, dass die Zielbestimmung in § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB III jedoch weder nach dem sog. jobaqtiv-Gesetz vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) noch durch die zuletzt erfolgte Instrumentenreform im Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) zur Erweiterung des in § 3 Abs. 1 SGB III abschließend gefassten Leistungskatalogs - namentlich um konkrete Arbeitsvertragsberatungspflichten - führte, lag der klägerische Einwand, die Grundlagen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. April 1991 (- 1 Ta 97/91 - LAGE KSchG § 5 Nr. 51) seien inzwischen überholt, eher fern. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wirkt sich ein Unterlassen der Klageerhebung - selbst wenn es ursächlich zur Wirksamkeit der Kündigung und damit zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beiträgt - auch nicht (wie der Kläger weiter meint) sperrzeitträchtig aus (BSG 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R - Rn. 37, NZA-RR 2008, 383). Die vom Kläger zudem angeführten allgemeinen Aufklärungs-, Auskunfts- und Beratungspflichten der §§ 13 bis 15 SGB I nehmen - wie sich aus § 3 Abs. 1 und 2 SGB I unschwer ergibt - nur auf die spezialgesetzlich geregelten Zuständigkeiten Bezug und erweitern diese auch nicht etwa bis hin zur Vertragsberatung.

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cc) Der sofortigen Beschwerde war deshalb kein Erfolg beschieden.

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2. Soweit der Kläger zweitinstanzlich Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren begehrte, war der Antrag nicht statthaft und deshalb abzulehnen. Nach § 114 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur für die "Prozessführung", also das eigentliche Streitverfahren, nicht aber das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren selbst gewährt werden. Bedarf der Antragsteller, bevor er einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, der Beratung über die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder -Verteidigung, findet das Beratungshilfegesetz Anwendung (BGH 30.05.1984 - VIII ZR 298/83 - zu II 2 der Gründe, NJW 1984, 2106). Das schließt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch in dem - nur der Prozesskostenhilfeprüfung dienenden - Beschwerdeverfahren aus (LAG Köln 03.02.2010 - 9 Ta 30/10 - juris; LAG Hamm 19.12.2003 - 4 Ta 605/03 - zu II 1 der Gründe - juris).

III.

26

Gegen diese Entscheidung ist hinsichtlich der Beschwerde - mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein Anlass besteht - ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG). Das gleiche gilt auch für die ablehnende Entscheidung über Prozesskostenhilfegesuch im zweiten Rechtszug (§ 78 Satz 1 ArbGG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Auf die Gebührenfolge nach Nr. 8614 des Kostenverzeichnisses in Anlage 2 zu § 3 Abs. 2 GKG wird aufmerksam gemacht.

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