Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 523/12

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.10.2012, Az.: 5 Ca 2218/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtstreits streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Änderung einer Leistungsbeurteilung und damit zusammenhängend die Zahlung eines höheren leistungsbezogenen variablen Entgelts verlangen kann.

2

Die 1969 geborene Klägerin ist seit 1997 bei der Beklagten als Zustellerin beschäftigt. Sie erhält ein jährliches leistungsbezogenes variables Entgelt nach §§ 17 ff. des kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Entgelttarifvertrages für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (ETV-DP AG; vgl. Bl. 72 ff. d. A.). Die Ermittlung des variablen Entgelts erfolgt für Arbeitnehmer der Entgeltgruppen 1 bis 3 - wie die Klägerin - aufgrund einer Leistungsbeurteilung. Diese ist gemäß § 19 ETV-DP AG nach einem Formblatt gemäß Anlage 5a (vgl. Bl. 77 d. A.) und den dort festgelegten Beurteilungskriterien, Beurteilungsstufen und Zuordnungen der Gesamtpunktzahlen zu den Gesamtbeurteilungsstufen vorzunehmen. § 22 ETV-DP AG regelt ein Beschwerdeverfahren vor einer paritätisch mit je zwei vom Arbeitgeber und Betriebsrat benannten Vertretern besetzten Beschwerdestelle. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 76 d. A. Bezug genommen.

3

Am 17.02.2012 wurde der Klägerin ihre Leistungsbeurteilung für das Jahr 2011 mitgeteilt; insoweit wird auf Bl. 8 d. A. Bezug genommen. Ihre Leistung wurde mit der Gesamtbeurteilungsstufe "erfüllt voll und ganz die Anforderungen" beurteilt, bei einer Gesamtpunktzahl von 7, sich ergebend aus 2 Punkten für "Arbeitsquantität", 3 Punkten für "Arbeitsgüte" und 2 Punkten für "Arbeitsweise". Die Klägerin erhielt aufgrund der Leistungsbeurteilung 2011 vom 17.02.2012 ein leistungsbezogenes variables Entgelt in Höhe von 479,65 €.

4

Die Klägerin hat am 21.02.2012 schriftlich Widerspruch gegen diese Leistungsbeurteilung bei der zuständigen Beschwerdestelle der Niederlassung Brief C (vgl. Bl. 9 d. A.) erhoben. Sie hat angeführt, sie habe in den Jahren 2007 bis 2009 im Bereich "Arbeitsweise" 3 Punkte, in der Beurteilung für die Jahre 2010 und 2011 jedoch nur zwei Punkte erhalten, obwohl in den letzten vier Jahren in keinem der hier relevanten Kriterien eine Verschlechterung ihrer Leistung eingetreten oder ihr ein Fehler oder eine Beschwerde mitgeteilt worden sei. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 22.03.2012 (vgl. Bl. 10 d. A.) mitgeteilt, nach der am 21.03.2012 erfolgten Anhörung und dem Beschluss der Beschwerdestelle sei das bindende Ergebnis dergestalt mitzuteilen, dass die Leistungsbeurteilung in der ursprünglichen Form bestehen bleibe.

5

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 15.06.2012 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangen Klage. Damit macht sie die Änderung ihrer Leistungsbeurteilung im Bereich "Arbeitsweise" auf 3 Punkte, ebenso wie für den Bereich "Arbeitsquantität" geltend.

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Die Klägerin hat vorgetragen,
die Leistungsbeurteilung 2011 sei nicht zutreffend. Hinsichtlich des Bereichs "Arbeitsweise" habe sie in keinem der im Vordruck benannten Kriterien (Kostenbewusstsein, Zuverlässigkeit, Flexibilität, Zusammenarbeit, Kundenorientierung intern/extern) seit 2009 schlechtere Leistungen erzielt als zuvor; 2007 und 2008 sei sie insoweit aber - unstreitig - noch mit drei Punkten bewertet worden, letzteres allerdings aufgrund eines Vergleichs vor dem Arbeitsgericht Koblenz. Soweit in der Verhandlung von der Beschwerdestelle durch den Arbeitgeber 128 Fehltage bemängelt worden seien, müsse sie darauf hinweisen, dass sie lediglich 16 Tage wegen Arbeitsunfähigkeit gefehlt habe. Im Übrigen seien Überstunden abgebaut worden. Soweit man ihr vorgeworfen habe, im Jahr 2011 eine Postzustellungsurkunde unrichtig ausgefüllt zu haben, sei ihr diese nie gezeigt worden; zudem sei eine deutliche Verbesserung zum Jahr 2009 eingetreten, wo sie 13 Postzustellungsurkunden fehlerhaft ausgefüllt habe. Hinsichtlich des Zeitaufkommens arbeite sie im Rahmen der Möglichkeiten und erbringe ihre Arbeitsleistung in besonderer Art und Weise, d. h. überdurchschnittlich gut. Dies folge auch aus einem für jedweden Zeitpunkt gültigen Beobachtungsprotokoll vom 03.09.2010 (vgl. Bl. 62 ff. d. A.). Dort sei ihr bescheinigt worden, dass sie ihre Zustellungen flott, zügig und ohne Verzögerungen erledigt habe.

7

Die Beklagte habe demgegenüber unsachgemäße Gesichtspunkte in die Beurteilung einfließen lassen. Denn die mit der Leistungsbeurteilung befasste Vorgesetzte Frau Z habe mehrfach in Gesprächen sowohl mit der Klägerin als auch im Beisein der Zeuginnen Y und X ausgeführt, dass Stammzusteller wie die Klägerin ohnehin nur 7 Punkte im Rahmen der Leistungsbeurteilung erhalten könnten. Im Bereich "Arbeitsquantität" sei wegen der angefallen Überstunden darauf hinzuweisen, dass diese nicht auf einer langsamen Arbeitsweise beruhten, sondern sie im Gegensatz zu vielen anderen Arbeitnehmern im Arbeitszeitmodell der IST-Zeiterfassung arbeite, bei dem kein Arbeitszeitkonto geführt, sondern Überzeitarbeit bei minutengenauer Erfassung anerkannt sei, wohingegen dies bei der SOLL-Zeiterfassung nicht der Fall sei. Dort fielen deshalb auf dem Papier wesentlich weniger Überstunden an. Dies werde bei der Leistungsbeurteilung aber nicht berücksichtigt. Im Übrigen habe sie - nach ihrem Kenntnisstand als einzige Zustellerin im Übergabepunkt A-Stadt - zu keinem Zeitpunkt ihr Einverständnis der seit dem 10.01.2011 geltenden Regelung EWP erklärt, nach der Überstunden montags und dienstags grundsätzlich nicht anerkannt würden. Schließlich sei ihr Bezirk selbst bei zügiger Arbeitsweise nicht in der vorgegebenen Zeit zu schaffen, weshalb sie bereits in den Jahren 2009 und 2010 Entlastungsanträge gestellt habe, aufgrund derer zunächst 2009 Fahrräder bereit gestellt worden sei und in 2010 eine Entlastung von 0,9 Stunden pro Woche anerkannt worden seien. Letztlich müsse sie einmal im Jahr die IKEA-Kataloge an jeden Haushalt austeilen, was etwa sieben Überstunden verursache; zudem müsse sie oft samstags als einzige Arbeitnehmerin Postwurfsendungen von ALDI an alle Haushalte austeilen. Ihre Entlastungskraft für "Einkauf aktuell" habe im Beurteilungszeitraum oft gefehlt.

8

Das Verfahren nach §§ 22 ff. ETV-DP AG sei angesichts der Unzulässigkeit von Schiedsgerichtsvereinbarungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren zudem nicht abschließend und die Beurteilungskriterien in ihrer Gesamtheit intransparent und nur schlagwortartig.

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Die Klägerin hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, die Leistungsbeurteilung der Klägerin für das Beurteilungsjahr 2011 wie folgt zu ändern:

11

Arbeitsquantität = 3 Punkte
Arbeitsgüte = 3 Punkte
Arbeitsweise = 3 Punkte

12

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere EUR 479,66 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte hat vorgetragen,
das tarifvertraglich geregelte Verfahren sei abschließend. Zudem sei die Leistungsbeurteilung auch korrekt auf der Basis der Leistungen im Beurteilungsjahr 2011 erfolgt. Da mit Aufnahme der Beurteilung in eine Sachakte die darin enthaltene Beurteilung des Vorjahres zu vernichten sei, sei ein Vergleich mit der Leistung des Vorjahres oder gar des davorliegenden Jahres ausgeschlossen, sodass stets eine aktuelle Beurteilung sicher gestellt werde. Die Klägerin könne sich im Übrigen bereits deshalb nicht gegen ihre Beurteilung im Bereich „Arbeitsquantität“ wenden, da sie die Ausschlussfrist des § 22 Abs. 1 ETV versäumt habe.

16

Wie bei der Situation der Leistungsbeurteilung bei Zeugnissen, könne des Weiteren gerichtlich nur überprüft werden, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen oder allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe außer Acht gelassen worden seien. Beanspruche der Arbeitnehmer eine bessere, als eine durchschnittliche Leistung, so müsse er die Gründe dafür im Einzelnen vortragen und beweisen. Daran fehle es vorliegend. Einwendungen gegen das Verfahren von der Beschwerdestelle seien von der Klägerin nicht vorgebracht worden. Die Behauptung, die Zeugin Frau Z habe erklärt, der durchschnittliche Stammzusteller könne ohnehin nur 7 Punkte erhalten, treffe nicht zu. Richtig sei lediglich, dass der durchschnittlich arbeitende Stammzusteller regelmäßig 6 bis 7 Punkte erhalte, weil er eben eine durchschnittliche Leistung erbringe. Die höher beurteilten Zustellerinnen - auch im Bereich der Zeugin Frau Z - zeichneten sich durch eine erhöhte Flexibilität, wie z. B. die Einsetzbarkeit auch in fremden Bezirken und verstärkten Verzicht auf freie Tage aus. Die Klägerin dagegen habe einen Einsatz in fremden Bezirken stets abgelehnt, sich eher unterdurchschnittlich häufig zum Einsatz an freien Tagen bereit erklärt.

17

Das Beobachtungsprotokoll aus dem Jahr 2010 sei bereits an sich, jedoch zumindest für das Jahr 2011, nicht aussagekräftig. Die Klägerin benötige deutlich länger für die Nachbereitung der Sendungen ihres Bezirks als andere Kräfte. Das gewählte Arbeitszeitmodell sei für die Bewertung der Klägerin dagegen ebenso wenig von Bedeutung gewesen, wie die Übernahme zusätzlicher Leistungen, die EWP-Verweigerung oder die Ausfallzeiten der Klägerin im Beurteilungszeitraum. Wurfsendungen für ALDI müsse keineswegs nur die Klägerin zustellen.

18

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 11.10.2012 - 5 Ca 2218/12 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 123-134 d. A. Bezug genommen.

19

Gegen das ihr am 26.10.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 20.11.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 28.01.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 21.12.2012 die Frist zu Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 28.01.2013 einschließlich verlängert worden war.

20

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, ihr "Ausfallverhalten" dürfe bei der Leistungsbeurteilung nicht berücksichtigt werden. Die Fehlzeiten seien zudem nur ausnahmsweise durch Krankheit verursacht gewesen, im Wesentlichen aber durch Freizeitausgleich für Überstunden. Auch könne ihr nicht vorgehalten werden, sie sei bei Ausfallzeiten anderer Kolleginnen und Kollegen nicht flexibel gewesen. Die Grenzen des billigen Ermessens seien zudem insofern überschritten, als bei der Klägerin sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt hätten. Dazu gebe es zahlreiche Beispiele. Insbesondere habe die Klägerin Konflikte mit den Betriebsleitern Herrn W und Herrn V. Die Ursache für diese Konflikte liege aber nicht im falschen Verhalten der Klägerin, sondern darin, dass die Betriebsleiter immer wieder versuchten, den arbeitsrechtlichen Rahmen zu übertreten und die Klägerin fast die Einzige zu sein scheine, die sich dagegen wehre. Zusammengefasst sei davon auszugehen, dass die in den Beurteilungsformblättern vorgesehenen Beurteilungskriterien und die dazu beispielhaft aufgeführten Unterkriterien nicht hinreichend konkret seien, dass sie nicht mess- und nachweisbar seien. Dies gelte z. B. für den Unterpunkt "Zeitnutzung" ebenso wie die "Verfügbarkeit". Auch dürften Ausfallzeiten nicht zu einer schlechteren Bewertung führen. Nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin nicht teamfähig sei und ständig Probleme mit der Zustellgruppe A-Stadt habe.

21

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Klägerin wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 28.01.2013 (Bl. 152-157 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 158 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 19.07.2013 (Bl. 227-236 d. A.) Bezug genommen.

22

Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.10.2012 - 5 Ca 2218/12 - abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, die Leistungsbeurteilung der Klägerin für das Beurteilungsjahr 2011 wie folgt zu ändern:

24

Arbeitsquantität = 3 Punkte
Arbeitsgüte = 3 Punkte
Arbeitsweise = 3 Punkte

25

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere EUR 479,66 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

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hilfsweise,
festzustellen, dass die Leistungsbeurteilung der Klägerin durch die Beklagte vom 17.02.2012 und durch die Beschwerdestelle vom 21.03.2012 rechtsunwirksam ist.

27

Die Beklagte beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, das von ihr gewählte Beurteilungsverfahren sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Darstellung dieses Verfahrens wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02.07.2013 (Bl. 209-217 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 218-226 d. A.) Bezug genommen. Im Hinblick auf das Kriterium "Zeitnutzung" sei darauf hinzuweisen, dass neben der differenzierten Berücksichtigung von Einzelfaktoren der Zuschnitt eines jeden Zustellbezirks zusätzlich einmal jährlich, u. U. auch außerplanmäßig, überprüft und bei Bedarf angepasst werde. Die überwiegende Mehrheit der Zusteller komme mit diesen Zeitansätzen hin, einige schafften die Arbeit auch in kürzerer Zeit. Dies gelinge der Klägerin dagegen nicht. Vor diesem Hintergrund seien die Ausfallzeiten der Klägerin zu sehen. Die Berücksichtigung der Teamfähigkeit sei durch die Unterkriterien "Flexibilität", "Zusammenarbeit" und "Interne Kundenorientierung" in dieser Rubrik konkretisiert. Insgesamt und zusammenfassend sei die Beklagte der Auffassung, dass die streitgegenständliche Leistungsbeurteilung ordnungsgemäß erfolgt sei und auch inhaltlich zutreffe.

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Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 25.03.2013 (Bl. 182-187 d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 02.07.2013 (Bl. 209-217 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 218-226 d. A.) und vom 13.08.2013 (Bl. 249-259 d. A.) Bezug genommen.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

32

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 09.09.2013.

Entscheidungsgründe

I.

33

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

34

Bedenken gegen die Zulässigkeit des im Berufungsverfahren erstmals gestellten Hilfsantrags bestehen insoweit nicht.

II.

35

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

36

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht die Verurteilung der Beklagten zur Veränderung der Leistungsbeurteilung für das Beurteilungsjahr 2011, wie von ihr geltend gemacht, verlangen kann, ebenso wenig zur Zahlung von weiteren 479,66 € brutto nebst Zinsen. Nichts anderen gilt für den im Berufungsverfahren erstmals gestellten Hilfsantrag.

37

Der Klägerin steht kein Anspruch auf die begehrte Änderung der Leistungsbeurteilung 2011 nach Maßgabe der §§ 19 ff. ETV-DB AG i. V. m. § 611 BGB und dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag zu. Deshalb kann sie auch die Zahlung weiteren variablen Leistungsentgelts nicht beanspruchen.

38

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Leistungsbeurteilung 2011 nach §§ 19 ff. ETV-DP AG i. V. m. § 611 BGB und dem Arbeitsvertrag nach dem Klagebegehren der Klägerin in den Einzelpunkten "Arbeitsquantität" und "Arbeitsgüte" anzuheben.

39

Mit dem Arbeitsgericht kann vorliegend offen bleiben, ob - wovon die Beklagte ausgeht - die Änderung der Leistungsbeurteilung bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil das Verfahren von der Beschwerdestelle nach § 22 ETV-DP AG abschließend ist. Insoweit macht sich die Kammer die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 7-9 = Bl. 128-130 d. A.) zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen.

40

Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass § 22 ETV-DP AG für die Frage der Überprüfung der Leistungsbeurteilung 2011 unbeachtlich ist, ist ihre Klage hinsichtlich des Bereichs "Arbeitsweise" unbegründet.

41

Denn eine Beurteilung ist stets ein Akt wertender Erkenntnis, bei welchem dem Beurteilenden ein Beurteilungsspielraum zusteht. Das Ergebnis der Beurteilung ist ein Tatsache, deren Richtigkeit letztlich nicht überprüft werden kann. Der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist nur der Beurteilungsvorgang als solcher. Der Beurteilungsspielraum in der vergleichbaren Situation der Leistungsbeurteilung bei Zeugnissen kann z. B. gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind oder allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe außer Acht gelassen worden sind. Der Überprüfung unterliegen auch die Tatsachen, die der Bewertung zugrunde liegen. Beansprucht der Arbeitnehmer dann für sich die Erbringung einer überdurchschnittlichen Leistung, muss er die Gründe dafür im Einzelnen vortragen und ggfls. beweisen (BAG 14.10.2003 EzA § 109 GewO Nr. 1; LAG Rheinland-Pfalz 12.01.2004 - 7 Sa 934/03; LAG Bremen 09.11.2000 NZA-RR 2001, 287; LAG Hamm 13.02.1992 LAGE § 630 BGB Nr. 16; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2013, Kap. 9 Rn. 70 ff.).

42

Diesen Anforderungen an die Darlegungslast ist die Klägerin vorliegend nicht nachgekommen. Insoweit folgt die Kammer ausdrücklich dem Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung. Da sie erreichen möchte, dass ihre mit "erfüllt voll und ganz die Anforderungen" (= 2 Punkte) bewertete Leistung im Bereich "Arbeitsweise" mit "übertrifft die Anforderungen" (= 3 Punkte) und damit als überdurchschnittlich bewertet wird, hätte es ihr oblegen, im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen darzulegen, aus welchen Gründen sie in den Bereichen Kostenbewusstsein, Zuverlässigkeit, Flexibilität, Zusammenarbeit, Kundenorientierung intern/extern, eine Leistung erbracht hat, die sich aus der durchschnittlichen Leistung eines Zustellers heraushebt.

43

Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es daran vorliegend fehlt. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, im Jahr 2011 keine schlechtere Leistung erbracht zu haben, als in den Jahren 2007 und 2008, kann dies keinen substantiierten Tatsachenvortrag zu den Leistungen der Klägerin ersetzen, zumal dann nicht, wenn - wie vorliegend - die herangezogenen Leistungsbeurteilungen aus den Vorjahren Resultat eines gerichtlichen Vergleichs sind, in dem sich die Beklagte zur Abwendung der erteilten Beurteilung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" und "ohne Bindungswirkung für die Zukunft" verpflichtet hat (Vergleich vom 09.12.2008 vor dem Arbeitsgericht Koblenz - 3 Ca 1304/08 -) oder ein entsprechendes rechtskräftiges Versäumnisurteil (vom 23.10.2010 - 12 Ca 679/09) ergangen ist. Nichts anderes gilt für ihren Sachvortrag, aus dem Beobachtungsprotokoll vom 03.09.2010 ergebe sich ihre überdurchschnittlich gute Leistung. Denn dabei bleibt zum einen unberücksichtigt, dass der Klägerin im benannten Beobachtungsprotokoll bescheinigt wurde, sie habe die Zustellung an diesem Tag "flott, zügig und ohne Verzögerung" erledigt, was die Beklagte aber wohl von jedem auch nur durchschnittlich arbeitenden Zusteller erwarten darf. Hinzu kommt, dass die Leistungen der Klägerin an einem einzigen Tag aus dem Jahr 2010 selbst dann keinen Rückschluss auf ihre Leistungen im Jahr 2011 zulässt, wenn unterstellt wird, dass Mitarbeiter unter Beobachtung keine höheren Leistungen erbringen als üblich. Und selbst wenn schließlich die Beklagte, wovon die Klägerin ausgeht, ihre Fehltage aus 2011 nicht habe berücksichtigen dürfen, führt dies keineswegs dazu, dass für die Zeit ihrer tatsächlichen Tätigkeit ohne Weiteres von einer überdurchschnittlichen Leistung ausgegangen werden kann. Vor diesem Hintergrund fehlt es an hinreichendem tatsächlichen Vorbringen der Klägerin, der es dem Gericht infolge werdender Betrachtung ermöglicht hätte, zu beurteilen, dass und aus welchen Gründen ihre Leistungen im Vergleich zu anderen Mitarbeitern als überdurchschnittlich zu qualifizieren waren, vollständig. Soweit die Klägerin vorträgt, die Leistungsbeurteilung sei aufgrund unsachgemäßer Gesichtspunkte ergangen, da die Mitarbeiterin Frau Z mehrfach in verschiedenen Gesprächen mit der Klägerin als auch im Beisein der Zeuginnen Frau Y und Frau X ausgeführt habe, Stammzusteller erhielten ohnehin nur 7 Punkte im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung, ist dieser Sachvortrag bereits aufgrund der - wenn auch im Rechtsweg abgeänderten - Leistungsbeurteilung der Klägerin aus den Jahren 2007 und 2008 offensichtlich unzutreffend. Insbesondere ist das Vorbringen der Klägerin insoweit aber nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen unsubstantiiert.

44

Ebenso wenig steht der Klägerin ein Anspruch auf Anhebung ihrer Bewertung im Bereich "Arbeitsquantität" zu.

45

Die Klägerin, die auch insoweit eine überdurchschnittliche Bewertung geltend macht, hat sich im Wesentlichen darauf berufen, die Beklagte berücksichtige zu Unrecht ihre aufgrund des von ihr gewählten Arbeitszeitmodells der IST-Zeiterfassung ersichtlichen Überstunden. Diese seien bei der Wahl des Arbeitszeitmodells der SOLL-Zeiterfassung nicht zu erkennen. Ihr Bezirk sei - ohne Berücksichtigung auszutragender Postwurfsendungen für ALDI und des IKEA-Katalogs - in der vorgegebenen Zeit aber nicht zu schaffen, weshalb sie bereits in den Jahren 2009 und 2010 Entlastungsanträge gestellt habe.

46

Das Arbeitsgericht hat sich infolge dieses pauschalen Sachvortrags zutreffend nicht in der Lage gesehen, zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Klägerin, obwohl sie im Vergleich zu Kollegen bereits überdurchschnittlich zeiteffizient arbeitet, allein wegen der Beschaffenheit ihres Bezirks Überstunden ableisten muss. Allein die Tatsache, dass die Beklagte in den Jahren 2009 und 2010 Entlastungsanträge der Klägerin teilweise entsprochen habe, ersetzt substantiierten Tatsachenvortrag nicht.

47

Da die Klägerin eine Änderung der Leistungsbeurteilung 2011 nicht verlangen kann, steht ihr auch der mit dem Zahlungsantrag zu 2. geltend gemachte Betrag in Höhe von zuletzt unstreitig rechnerisch zutreffend geltend gemachte 479,66 € brutto nicht zu.

48

Auch das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält zum einen keine neuen, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Es macht im Wesentlichen lediglich - aus ihrer Sicht verständlich - deutlich, dass die Klägerin die tatsächliche und rechtliche Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien durch das Arbeitsgericht, der die Kammer folgt, nicht teilt. Nichts anderes gilt zum anderen für Rechtsbehauptungen, die das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis in Frage stellen könnten.

49

Soweit die Klägerin in Frage stellt, ob das Beschwerdeverfahren, das bei der Beklagten vorgesehen ist, neutral ist, vermag die Kammer bereits einen nachvollziehbaren Zusammenhang zum hier zu beurteilenden Streitgegenstand nicht zu erkennen. Soweit die Klägerin des Weiteren behauptet, bei ihr hätten sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt, fehlt es zum einen an näheren tatsächlichen Angaben und zum anderen insbesondere an der Darlegung, inwieweit und wo im Einzelnen sich dies auf die streitgegenständliche Beurteilung ausgewirkt haben soll. Soweit die Klägerin des Weiteren die hinreichende Konkretisierung der vorgesehenen Beurteilungskriterien und der jeweiligen Unterkriterien in Abrede stellt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kammer dem zum einen nicht folgt und zum anderen sich selbst dann, wenn eine andere Auffassung zu vertreten wäre, daraus keinesfalls die Begründetheit des klägerischen Anspruchs folgen würde. Dem Vorbringen der Klägerin, insbesondere im Schriftsatz vom 19.07.2013 (Bl. 227 ff. d. A.), lässt sich insbesondere nicht entnehmen, worin im Einzelnen die Gründe zu sehen sein sollen, aus denen sich heraus ein besseres Ergebnis rechtfertigen soll, als das von der Beklagten zugestandene. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Leistungsbeurteilung anhand der hier maßgeblichen Kriterien nur möglich ist im Vergleich zur Vielzahl der anderen bei der Beklagten vergleichbar beschäftigten und beurteilten Arbeitnehmer/innen. An tatsächlichem Vorbringen der Klägerin, was sie im Hinblick auf die hier maßgeblichen Einzelkriterien von diesen positiv und nach oben hin unterscheidet, mit der Maßgabe, dass eine bessere Leistungsbeurteilung gerechtfertigt wäre, fehlt es in beiden Rechtszügen vollständig. Allein die - nicht näher positiv substantiierte - Behauptung, die Klägerin arbeite überdurchschnittlich schnell und sehr sorgfältig (Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 3 = Bl. 229 d. A.) genügt den insoweit zu stellenden Anforderungen nicht.

50

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

51

Dies gilt auch für den im Berufungsverfahren erstmals gestellten Hilfsantrag; die Kammer vermag im Hinblick auf das tatsächliche Vorbringen der Klägerin keine Gründe, insbesondere etwaige Verfahrensfehler usw. zu erkennen, die zu der Feststellung führen könnten, dass die Leistungsbeurteilung der Klägerin durch die Beklagte vom 17.02.2012 und durch die Beschwerdestelle vom 21.03.2012 rechtsunwirksam sein könnte.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

53

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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