Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Sa 397/14

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.05.2014 - 2 Ca 4272/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung der Vergütung für den Monat Juli 2013 in Anspruch. Die Beklagte macht im Wege der Widerklage Ansprüche auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen und Fortbildungskosten geltend.

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Die Beklagte betreibt ein Autohaus und vertreibt F.-Fabrikate. Der Kläger absolvierte bei der Beklagten in der Zeit vom 01. August 2009 bis 11. Juni 2012 seine Ausbildung zum Automobilkaufmann. Nach seiner bestandenen Abschlussprüfung war er bei der Beklagten in der Zeit vom 12. Juni 2012 bis zum 31. Juli 2013 als Automobilverkäufer beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht.

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Im Zusammenhang mit der Übernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis als Automobilverkäufer fand im Juni 2012 ein Gespräch zwischen den Parteien statt. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, welche Vergütungsabrede in dem Gespräch getroffen wurde. Im Rahmen dieses Gespräches verabredeten die Parteien, dass der Kläger bei F. eine Fortbildung "Startklar für F." mit einer Seminardauer von 32 Tagen in 24 Monaten absolviert, durch die er bei erfolgreicher Teilnahme die Zertifizierung als geprüfter Automobilverkäufer (ZDK) erlangt; die weiteren Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere ob gemäß der Behauptung der Beklagten eine Rückzahlung der von ihr übernommenen Fortbildungskosten für den Fall einer Eigenkündigung des Klägers während der ersten drei Jahre nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme - mit einer Verringerung des Rückzahlungsbetrages für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nach Beendigung der Fortbildung um 1/36 des Gesamtrückzahlungsbetrages - vereinbart war.

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In der Folgezeit absolvierte der Kläger auf Kosten der Beklagten von den 32 Seminartagen der Fortbildung "Startklar für F." insgesamt 24 Seminartage und nahm zusätzlich an zwei weiteren Veranstaltungen bei F. ("F. erfahren 2012" und "Aktion selber testen - F. K.") auf Kosten der Beklagten teil.

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In der Zeit von Juli 2012 bis Juni 2013 erhielt der Kläger von der Beklagten - mit Ausnahme des Monats Februar 2013 - monatlich einen Betrag in Höhe von 1.300,-- EUR netto, der auf sein Konto mit dem angegebenen Verwendungszweck "Lohn/Gehalt" überwiesen wurde (Kontoauszüge des Klägers, Bl. 224 - 230 d. A.). In den von der Beklagten vorgelegten Abrechnungen für die Monate Juli 2012 bis Juni 2013, die - mit Ausnahme des Monats Februar 2013 - jeweils einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.300,-- EUR ausweisen, sind jeweils als "Brutto-Bezüge" ein Betrag in Höhe von 90,-- EUR mit der Bezeichnung "Fahrgeld Pausch. Verst." und ein Betrag in Höhe von 1.735,94 EUR bzw. ab Januar 2013 in Höhe von 1.724,53 EUR bzw. 1.720,64 EUR mit der Bezeichnung "Festbezug Netto" ausgewiesen (Bl. 246 - 257 d. A.); zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger die Lohnabrechnungen jeweils am Ende des Monats ausgehändigt wurden - so die Beklagte - oder erstmals im vorliegenden Verfahren vorgelegt worden sind - so der Kläger -. Während seiner Beschäftigungszeit erhielt der Kläger keine Provisionsabrechnungen von der Beklagten.

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Mit Schreiben vom 30. Juni 2013 kündigte der Kläger sein mit der Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2013 und wechselte als Automobilverkäufer zu M. in K-Stadt. Für den Monat Juli 2013 zahlte die Beklagte keine Vergütung an den Kläger aus.

7

Mit seiner beim Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung der Vergütung in Höhe von 1.300,-- EUR (netto) für den Monat Juli 2013 verlangt. Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage Ansprüche auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Höhe von 4.907,74 EUR und Fortbildungskosten in Höhe von 5.784,02 EUR geltend gemacht.

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Wegen des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08. Mai 2014 - 2 Ca 4272/13 - und die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

9

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.300,-- EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. August 2013 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und widerklagend,

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den Kläger zu verurteilen, an sie 10.691,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.784,02 EUR seit Rechtshängigkeit des Schriftsatzes vom 02. Januar 2014 und aus 4.907,74 EUR seit Rechtshängigkeit des Schriftsatzes vom 10. April 2014 zu zahlen.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Widerklage abzuweisen.

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Mit Urteil vom 08. Mai 2014 - 2 Ca 4272/13 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

18

Gegen das ihr am 11. Juni 2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 01. Juli 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 03. Juli 2014 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 08. August 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage in Höhe eines Betrages von 250,01 EUR und im Wege der Widerklage die Verurteilung des Klägers zur Rückzahlung überzahlter Provisionsvorschüsse in Höhe von 3.975,28 EUR, während sie den Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die Fortbildungskosten nur noch hilfsweise für den Fall geltend macht, dass der Hauptanspruch ganz oder teilweise unbegründet sein sollte.

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Die Beklagte trägt vor, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts handele es sich bei den von ihr abgerechneten Provisionsansprüchen des Klägers um Bruttoentgelte. Danach habe der Kläger im Monat Juli 2013 1.617,31 EUR brutto an Provisionen verdient, was einem Nettobetrag in Höhe von 1.153,88 EUR entspreche. Unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenze sei dem Kläger ein Betrag in Höhe von 1.049,99 EUR zu belassen, so dass ihre Aufrechnung nur in Höhe eines Betrages von 103,89 EUR (1.153,88 EUR - 1.049,99 EUR) greife und die Klage in Höhe von 250,01 EUR (1.300,-- EUR - 1.049,99 EUR) abzuweisen sei. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei eine Verrechnung der von ihr geleisteten Vorschusszahlungen mit den vom Kläger verdienten Provisionsansprüchen zulässig und begründet, so dass der Widerklage im weiterverfolgten Umfange stattzugeben sei. Gemäß ihrem erstinstanzlichen Vortrag habe der monatlich an den Kläger gezahlte Nettobetrag für die Dauer von Juni 2012 bis Juni 2013 eine Vorschusszahlung auf in diesem Zeitraum erzielte Provisionsansprüche darstellen sollen. Am Ende des Zeitraums hätten die geleisteten Zahlungen den tatsächlich verdienten Provisionen gegenübergestellt und abgerechnet werden sollen. Mit der so getroffenen Absprache sei der Kläger einverstanden gewesen. Der Argumentation des Arbeitsgerichts, das von ihr gebrauchte Wort "Vorschussgehalt" sei nicht mit einem "Provisionsvorschuss" gleichzusetzen, stehe die Absprache zwischen den Parteien eindeutig entgegen. Die hinsichtlich des Provisionsvorschusses getroffene Absprache sei auch nicht sittenwidrig, weil es allein Sache des Klägers gewesen sei, durch einen entsprechenden Einsatz zumindest Provisionen in der Höhe monatlich zu verdienen, die die Vorschusszahlungen abdecken würden, was in ihrem Betrieb erfahrungsgemäß ohne weiteres möglich gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass die Vorschusszahlungen entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht als Festgehalt zu behandeln seien, bestehe für sie nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung die Möglichkeit, die in den Monaten Juni 2012 bis Juni 2013 an den Kläger geleisteten Zahlungen den verdienten Provisionen gegenüberzustellen und einen zu ihren Gunsten verbleibenden Überschuss vom Kläger zurückzufordern. Danach stünden sich gemäß der von ihr vorgelegten Gesamtübersicht (Bl. 196 d.A.) Bruttoprovisionsansprüche des Klägers in Höhe von 15.645,79 EUR (17.263,10 EUR - 1.617,31 EUR) und die von ihr geleisteten Zahlungen in Höhe von 22.170,79 EUR brutto gegenüber, was Nettobeträgen in Höhe von 11.452,67 EUR (12.606,55 EUR - 1.153,88 EUR) und 15.531,84 EUR entspreche. Die Verrechnung der gegenseitigen Nettobeträge ergebe zu ihren Gunsten eine Differenz in Höhe von 4.079,17 EUR. Abzüglich des aufgerechneten Betrages in Höhe von 103,89 EUR verbleibe noch ein Betrag in Höhe von 3.975,28 EUR, den sie mit der Widerklage weiterverfolge. Gegen die Annahme eines Provisionsvorschusses spreche nicht der Umstand, dass monatlich von ihr keine Provisionsabrechnungen erstellt worden seien. Dies sei allein im Hinblick darauf geschehen, dass aufgrund der getroffenen Vereinbarung erst nach Ablauf eines Jahres eine Gesamtabrechnung habe vorgenommen werden sollen. Die von ihrem Steuerberater erstellten Lohnabrechnungen seien dem Kläger jeweils am Ende des Monats ausgehändigt worden. Den Lohnabrechnungen sei zu entnehmen, dass sich der Nettobetrag in Höhe von 1.300,-- EUR aus einem Provisionsvorschuss in Höhe von. 1.210,-- EUR und einem monatlichen Fahrgeld in Höhe von 90,-- EUR zusammensetze, wie es in dem Gespräch im Juni 2012 zwischen den Parteien auch vereinbart worden sei. Soweit sie im Verfahren zunächst nicht zwischen diesen Beträgen differenziert habe, beruhe dies auf einem Versehen. Weiterhin habe ihr Lohnbuchhalter die vom Steuerberater versehentlich und irrtümlicherweise in die Lohnabrechnungen aufgenommenen Falschbezeichnungen "Fahrgeld Pausch. Verst." bzw. "Festbezug Netto 1.735,94 EUR" bzw. "Nettoverdienst 1.300,-- EUR" nicht erkannt. Denn weder sei das Fahrgeld zu versteuern gewesen, noch sei der Betrag von 1.735,94 EUR ein Festbezug und ein Nettobetrag gewesen. Der Nettoverdienst habe sich auch nicht auf 1.300,-- EUR, sondern nur auf 1.210,-- EUR im Monat belaufen. Weiterhin stehe ihr auch ein Anspruch auf Erstattung der Lehrgangskosten zu, den sie nur noch hilfsweise für den Fall geltend mache, dass der Hauptanspruch ganz oder teilweise unbegründet sein sollte. Dabei würden die Ansprüche in der Reihenfolge zur Auffüllung des Hauptanspruches verwandt, wie sie in der mit Schriftsatz vom 02. April 2014 überreichten Liste "Ausbildungskosten" dargestellt seien. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts habe sie die Rückzahlungspflicht nicht einseitig vorgegeben. Im Streitfall seien individuell mündliche Absprachen zwischen den Parteien getroffen worden, die nur für den vorliegenden Fall hätten gelten sollen. Diese Absprachen seien weder vorformuliert noch so gestaltet gewesen, dass der Kläger keine Einflussmöglichkeiten auf sie gehabt hätte. Insbesondere habe es diesbezüglich keine einseitigen Vorgaben von ihrer Seite gegeben. Die Absprachen seien frei diskutiert und ohne Druck bzw. Zwang einvernehmlich festgelegt worden, wobei der beiderseitige Vorteil im Vordergrund gestanden habe. Bei dem gemeinsamen Gespräch im Juni 2012 sei zwischen den Parteien gemeinsam erarbeitet worden, dass sie keinesfalls eine Rückzahlung der Kosten für die Fortbildungsmaßnahme geltend machen könne, wenn durch ihr Verhalten eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der abgesprochenen Karenzzeit herbeigeführt werde. Andererseits habe eine Rückzahlungspflicht des Klägers gegeben sein sollen, wenn dieser aus freien Stücken das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der zwischen den Parteien abgesprochenen Karenzzeit beende. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Rückzahlungsverpflichtung daher nicht mangels Differenzierung nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens unwirksam. Jedenfalls wäre bei der hier anzunehmenden Individualabrede eine geltungserhaltende Reduktion vorzunehmen. Die vereinbarte Bindungsdauer von drei Jahren sei unbedenklich. Die Fortbildung habe neben dem theoretischen Teil auch in einem praktischen Teil bestanden, so dass von einer dualen Ausbildung des Klägers zum zertifizierten Automobilverkäufer auszugehen sei. In solchen Fällen sei der praktische Teil der Fortbildungsmaßnahme dem theoretischen Teil hinzuzurechnen. In der Zeit, in der der Kläger an den Kursen nicht teilgenommen hätte, sei er vom Verkaufsleiter P. in der praktischen Ausübung eines zertifizierten Automobilverkäufers zusätzlich unterrichtet, angeleitet und beaufsichtigt worden. Faktisch hätte der Kläger danach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zehn Monate der Fortbildungsmaßnahme als zertifizierter Automobilverkäufer durchlaufen. Zwar sei die Rückzahlungsklausel, wie sie vereinbart worden sei, aufgrund des vorzeitigen Abbruchs der Fortbildungsmaßnahme unstreitig nicht zum Tragen gekommen. Soweit das Arbeitsgericht der Auffassung sei, dass es für einen solchen Fall einer besonderen Regelung zur Begründung von Rückzahlungsansprüchen bedürfe, vermöge sie sich diesen Ausführungen nicht anzuschließen. Vielmehr sei der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck zu untersuchen, um zu einer sachgerechten Lösung für beide Parteien bei der hier gegebenen, jedoch nicht ausdrücklich geregelten Fallgestaltung des vorzeitigen Abbruchs der Fortbildungsmaßnahme zu gelangen. Wenn die vereinbarte Regelung schon nach einer erfolgreich beendeten Fortbildungsmaßnahme hätte greifen sollen, so gelte dies vom Sinn und Zweck der Vereinbarung auch im Falle eines durch den Kläger grundlos herbeigeführten Abbruchs der Fortbildungsmaßnahme. Sie hätte die Maßnahme mit den hohen Investitionen nicht gefördert, wenn sie gewusst hätte bzw. wenn fraglich gewesen wäre, dass die Fortbildungsmaßnahme nicht konsequent bis zum Ende der Ausbildungsdauer in Anspruch genommen würde. Von daher würde eine nicht unerhebliche Benachteiligung auf ihrer Seite eintreten, falls ihr die Kosten der fehlgeschlagenen Investition nicht erstattet würden. Dem Kläger hätte bewusst sein müssen, dass sie einen vorzeitigen Abbruch der Fortbildungsmaßnahme mit den bis dahin entstandenen erheblichen Aufwendungen nicht folgenlos hinnehmen würde, wenn der Abbruch wie hier grundlos allein vom Kläger herbeigeführt würde. Der vorzeitige Abbruch bedeute nicht, dass die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse und absolvierten Seminarblöcken wertlos geworden seien. Im Hinblick darauf, dass alle anderen Automarken in Deutschland gleiche Fortbildungsmaßnahmen anbieten und durchführen würden, bestehe ohne weiteres die Möglichkeit, bei diesen die begonnene Fortbildungsmaßnahme ohne zeitlichen Verlust fortzusetzen und als zertifizierter Automobilverkäufer zu beenden. Mithin treffe eine entsprechende Anwendung der getroffenen Vereinbarung auch auf den Fall eines vorzeitigen Abbruchs der Fortbildungsmaßnahme den Kläger bei weitem nicht so hart wie sie, falls zu ihren Lasten eine entsprechende Anwendung abgelehnt würde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre Schriftsätze vom 08. August 2014, 24. September 2014, 20. Oktober 2014 und 10. November 2014 verwiesen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08. Mai 2014 - 2 Ca 4272/13 - dahingehend abzuändern, dass

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1. die Klage in Höhe eines Betrages von 250,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. August 2013 abgewiesen wird,

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2. der Kläger verurteilt wird, an sie 3.975,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit ihres Schriftsatzes vom 10. April 2014 zu zahlen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er erwidert, bei dem Gespräch im Juni hätten die Parteien lediglich die Übereinkunft gefunden, dass er im Monat jedenfalls 1.300,-- EUR netto haben sollte. Anderenfalls hätte er sich überhaupt nicht auf ein Beschäftigungsverhältnis eingelassen. Das Arbeitsgericht habe überzeugend begründet, dass nicht von einem reinen Provisionsvorschuss auszugehen sei. Vorschüsse seien nur dann echte Geldleistungen auf noch nicht verdientes Entgelt, wenn sie dem zeitnahen Erwerb unterlegt seien. Sie seien letztendlich als Garantievergütung anzusehen. Gehalt im Sinne des § 64 HGB sei zudem eine ohnehin fest verstetigte Grundvergütungsform, die bei kaufmännischen Angestellten sogar als im Zweifel regelmäßig vereinbart zu vermuten sei. Dieser Umstand werde auch durch die Tatsache gestützt, dass ihm während der Beschäftigungszeit keine nachvollziehbaren Provisionsabrechnungen überlassen worden seien. Entscheidend sei allerdings auch, dass eine Vergütungsabrede, so wie die Beklagte sie verstanden haben wolle, als eindeutig sittenwidrig einzustufen sei. Das Arbeitsgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, dass er bei einem derartigen Ansatz monatelang vergütungslos stünde. Die von der Beklagten vorgelegten Provisionsabrechnungen, deren Richtigkeit er bestreite, seien nicht nachvollziehbar. Mit den nunmehr vorgelegten Gehaltsabrechnungen sei er erstmals im vorliegenden Verfahren konfrontiert worden. Von einem Fahrgeld in Höhe von 90,-- EUR sei ihm nichts bekannt gewesen. In Bezug auf die von ihr behauptete Rückzahlungsvereinbarung werde von der Beklagten § 310 BGB ignoriert, wonach die Vorschriften des AGB-Rechts auch dann anwendbar seien, wenn die Vertragsbedingungen lediglich für eine einmalige Verwendung vorgesehen seien. Das Arbeitsgericht habe zu Recht festgehalten, dass der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten dahingehend gewesen sei, dass die Rückzahlungspflicht einseitig vorgegeben worden sei. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Einvernehmen zwischen den Parteien gegeben, weil er weder den Wunsch zur Erstattung von Aufwendungen geäußert, noch die Beklagte mit ihm ein Einvernehmen über irgendwelche Konditionen erzielt habe. Dazu habe auch keine Veranlassung bestanden, weil durch die Ausbildung lediglich die Ausübung der geschuldeten vertraglichen Tätigkeit und nicht etwa sein Marktwert gefördert worden sei. Dementsprechend habe die Beklagte ihn auch nicht über die Höhe der Aufwendungen aufgeklärt. Es seien auch keine Absprachen bezüglich des vorzeitigen Ausscheidens getroffen worden. Weiterhin treffe es auch nicht zu, dass neben der theoretischen noch eine praktische Ausbildung vorgesehen gewesen sei. Zusammenfassend müsse festgestellt werden, dass es an keiner Stelle irgendeinen konkreten Sachvortrag gebe. Stattdessen nehme die Beklagte die Rechtsprechung zur Rückzahlungsklausel und stelle Behauptungen auf, die in etwa die Grundlagen einer solchen Vereinbarung abbildeten. Der Vortrag laufe zudem auf einen Ausforschungsbeweis hinaus.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

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Die Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist auch in Bezug auf den mit der Berufung noch angegriffenen Teil der Klageforderung in Höhe von 250,01 EUR begründet. Die mit der Berufung in Höhe von 3.975,28 EUR noch weiterverfolgte Widerklage ist sowohl in Bezug auf den geltend gemachten Hauptanspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen als auch mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung der verauslagten Fortbildungskosten unbegründet.

I.

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Die Klage ist - über den bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrag in Höhe von 1.049,99 EUR hinaus - auch in Höhe des mit der Berufung angegriffenen Betrages von 250,01 EUR für den Monat Juli 2013 begründet.

31

Der Kläger kann nach § 611 Abs. 1 BGB für den Monat Juli 2013 ein Mindestgehalt in Höhe von 1.300,-- EUR (netto) beanspruchen.

32

1. Die nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) vorzunehmende Auslegung der Vergütungsabrede der Parteien ergibt, dass die Parteien zwar eine Vergütung auf Provisionsbasis vereinbart haben, dem Kläger aber ein Mindestgehalt in Höhe der vereinbarten monatlichen Zahlung von 1.300,-- EUR netto verbleiben sollte.

33

Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie nach der einvernehmlich festgelegten Provision dem Kläger auf seine Bitte insoweit entgegen gekommen sei, als der Kläger vorerst für die Dauer eines Jahres ein "Vorschussgehalt" in Höhe von 1.300,-- EUR netto monatlich erhalten sollte. Nach Ablauf des Jahres habe das tatsächliche Provisionseinkommen in dem Jahr ermittelt und anschließend bilanziert und abgerechnet werden sollen. Daraufhin hat die Beklagte dem Kläger ausweislich der von ihm vorgelegten Kontoauszüge monatlich 1.300,-- EUR mit der Bezeichnung "Lohn/Gehalt" überwiesen. In den von der Beklagten vorgelegten Gehaltsabrechnungen, die der Kläger nach ihrer Darstellung am Ende eines jeden Monats erhalten haben soll, wird der abgerechnete Betrag in Höhe von zunächst 1.735,94 EUR und dann 1.724,53 bzw. 1.720,65 EUR als "Festbezug" bezeichnet. Soweit daneben noch ein Betrag in Höhe von 90,-- EUR als Fahrgeld abgerechnet ist, das von der Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2014 überhaupt erwähnt worden ist, würde dieser Betrag dem Kläger selbst bei Annahme einer entsprechenden Abrede ohnehin als monatliches Fahrgeld zustehen und wäre ebenso wie ein "Festbezug" nach seiner Bezeichnung jedenfalls nicht als rückzahlbarer Provisionsvorschuss anzusehen.

34

Auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten durfte der Kläger als objektiver Empfänger auf den Willen der Beklagten schließen, dass ihm das - auf seine Bitte hin - monatlich gezahlte "Gehalt" als Mindestgehalt gewährt wird, das zwar auf die von ihm verdienten Provisionen nach der noch vorzunehmenden Abrechnung anzurechnen ist, aber keine Rückforderungsansprüche der Beklagten entstehen lässt. Dafür spricht auch, dass die Beklagte entgegen der gesetzlichen Regelung in § 87 c Abs. 1 HGB während des Arbeitsverhältnisses der Parteien keine Abrechnungen über die vom Kläger verdienten Provisionen erteilt hat. Nach § 65 HGB i.V.m. § 87 c Abs. 1 HGB hat die Beklagte über die Provision, auf die der Kläger Anspruch hat, monatlich abzurechnen, wobei der Abrechnungszeitraum auf höchstens drei Monate erstreckt werden kann. Die Abrechnung hat unverzüglich, spätestens bis zum Ende des nächsten Monats, zu erfolgen. Die sich hieraus ergebenden Rechte sind nach § 87 c Abs. 5 HGB unabdingbar. Die Zahlung eines monatlichen "Gehalts" ohne monatliche Provisionsabrechnungen lässt ebenfalls darauf schließen, dass dem Kläger das monatliche "Vorschussgehalt" ohnehin als Mindestgehalt zustehen sollte und deshalb keine zeitnahe Abrechnung erfolgte. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten nicht angenommen werden, dass dem Kläger hinreichend deutlich vor Augen geführt worden ist, dass es sich bei dem als "Vorschussgehalt" bezeichneten und monatlich als "Gehalt" bzw. "Festbezug" gezahlten Betrag nicht um ein abgesichertes (Mindest-) Gehalt handelt, das lediglich bei der nach einem Jahr vorzunehmende Abrechnung der Provisionen anzurechnen ist, sondern - abweichend von der verwandten Bezeichnung - um einen reinen Provisionsvorschuss, der ggf. von ihm zurückgezahlt werden muss, soweit er nicht ins Verdienen gebracht wird.

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2. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte selbst nach Ablauf eines Jahres zum 30. Juni 2013 dem Kläger keine Abrechnung über die von ihm verdienten Provisionen erteilt hat, durfte der Kläger auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten davon ausgehen, dass er mangels abweichender Absprache auch im Juli 2013 zumindest das monatlich gezahlte "Gehalt" erhält. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass der Kläger den monatlich gezahlten Betrag "vorerst für die Dauer eines Jahres" erhalten und nach Ablauf dieses Jahres das Provisionseinkommen im Jahr abgerechnet werden sollte. Danach sollte das "Vorschussgehalt" jedenfalls bis zu der nach Ablauf eines Jahres von der Beklagten vorzunehmenden Provisionsabrechnung gezahlt werden. Im Übrigen hat die Beklagte keine Angaben dazu gemacht, was nach Ablauf des Jahres gelten sollte. Mangels anderweitiger Absprache und mangels vorgenommener Abrechnung der Provisionsansprüche des Klägers verbleibt es bei dem vereinbarten (Mindest-) Gehalt für den Monat Juli 2013.

36

3. Nach Auffassung der Beklagten soll die alleinige Zusage einer Provision ohne Festlegung eines Mindestverdienstes erfolgt sein, die beim Kläger dazu führen würde, dass er aufgrund der - nach der behaupteten Abrede - erst nach Ablauf eines Jahres vorzunehmenden Provisionsabrechnung etwa 4.000,-- EUR zurückzahlen und danach ohne Vorschuss tätig sein müsste, wobei er auch noch die Fortbildung zu absolvieren hätte und in dieser Zeit keine Provision verdienen kann. Eine derartige Vergütungsabrede wäre gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB einzustufen, weil es dem Kläger im vorliegenden Einzelfall nicht möglich ist, durch vollen Einsatz seiner Arbeitskraft ein ausreichendes Einkommen bzw. die geforderten Umsätze zu erzielen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 98/11 - Rn. 33, juris). Auch die Beklagte hat nicht behauptet, dass die Arbeitsleistung des Klägers zu beanstanden gewesen wäre und er keinen vollen Einsatz seiner Arbeitskraft gezeigt hätte. Im Hinblick darauf, dass die Vergütungsabrede der Parteien unter Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten als sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB zu bewerten wäre, könnte der Kläger auch dann als übliche Vergütung zumindest den monatlich gezahlten Betrag in Höhe von 1.300,-- EUR beanspruchen.

II.

37

Die in Höhe von 3.975,28 EUR weiterverfolgte Widerklage ist unbegründet.

38

1. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Vorschüsse, weil die monatliche Gehaltszahlung gemäß den obigen Ausführungen als garantiertes Mindestgehalt anzusehen ist.

39

2. Der aufgrund des Unterliegens mit dem Hauptanspruch zur Entscheidung gestellte Hilfsanspruch auf Rückerstattung der verauslagten Fortbildungskosten in Höhe der Widerklage ist ebenfalls unbegründet.

40

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Parteien die von der Beklagten behauptete Rückzahlungsabrede getroffen haben, ist der Kläger nicht zur Rückzahlung der von der Beklagten verauslagten Fortbildungskosten verpflichtet.

41

a) Die Parteien haben unstreitig für den Fall einer vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses vor Abschluss der Fortbildung keine Kostenerstattung durch den Kläger vereinbart. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt.

42

aa) Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen; die darin enthaltenen Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Lassen sich danach hinreichende Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus. Im Übrigen findet die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grenze an dem im Vertrag zum Ausdruck kommenden Parteiwillen; sie darf daher nicht zu einer Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstands führen (BGH 17. April 2002 - VII ZR 297/01 - Rn. 27, NJW 2002, 2310).

43

bb) Im Streitfall liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, ob und ggf. zu welchen Bedingungen die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben eine Kostenerstattung bei einer vorzeitigen Kündigung des Klägers während der Fortbildung vereinbart hätten (vgl. hierzu auch LAG Hamm 5. September 1997 - 10 Sa 636/97 - Rn. 49, juris). Zwar hat die Beklagte ein Interesse daran, auch im Falle eines vorzeitigen Abbruchs der Fortbildung die Kosten ihrer fehlgeschlagenen Investition zurückerstattet zu erhalten. Dieses berechtigte Anliegen ist aber gegen das Interesse des Klägers abzuwägen, seinen Arbeitsplatz als Berufsanfänger frei ohne Belastung mit Kosten wählen zu können. Im Streitfall ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Fortbildung über einen sehr langen Zeitraum von zwei Jahren erstrecken sollte. Im Hinblick darauf, dass nach der Anmeldung bereits Seminargebühren in Höhe von 1.900,-- EUR als Grundgebühr anfallen, würde eine Ausdehnung der Rückzahlungsabrede auf die Zeit der zweijährigen Fortbildung die nach dem Vortrag der Beklagten vereinbarte Bindungsdauer von drei Jahren nach Abschluss des Seminars erheblich verlängern und insgesamt eine fünfjährige Bindung bewirken. Eine ergänzende Vertragsauslegung würde mithin zu einer erheblichen Ausdehnung der Bindungswirkung führen, ohne dass der Kläger als Berufsanfänger bei Antritt der Fortbildung hätte abschätzen können, welche Provisionen er bei der Beklagten verdienen kann und ob er danach eine solche Bindung bereits vor Erlangung einer Zertifizierung eingehen will. Eine derart wesentliche Erweiterung der behaupteten Rückzahlungsabrede wäre von dem in ihr zum Ausdruck kommenden Parteiwillen nicht mehr gedeckt. Auch wenn die Fortbildung zum zertifizierten Automobilverkäufer vom Kläger erwünscht gewesen war, ist das von F. angebotene Seminar "Startklar für F." ausweislich der angegebenen Seminarinhalte auf das von der Beklagten vertriebene Produkt "F." abgestimmt und stand damit nach seiner Ausrichtung in besonderer Weise im Interesse der Beklagten als F.-Händler. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die bereits absolvierten Seminarblöcke bei einem vorzeitigen Abbruch nicht völlig wertlos geworden sind und auch bei Fortbildungsmaßnahmen anderer Automarken verwertet werden können, handelt es sich um eine auf die Marke "F." ausgerichtete Fortbildung, die gerade den spezifischen Interessen eines F.-Händlers Rechnung trägt. Hinreichende Anhaltspunkte für eine auch vom hypothetischen Willen des Klägers gedeckte Kostenbeteiligung bereits während der zweijährigen Laufzeit der auf das von der Beklagten vertriebene Produkt abgestimmten Fortbildung lassen sich im Streitfall auch bei umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht finden.

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b) Unabhängig davon scheitert eine Rückzahlungspflicht des Klägers auch daran, dass die nach dem Vortrag der Beklagten vereinbarte Rückzahlungsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

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aa) Gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts handelt es sich bei der von der Beklagten behaupteten Rückzahlungsabrede um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen.

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Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02. Januar 2014 vorgetragen, dass eine Rückerstattung aller Lehrgangskosten für den Fall vereinbart worden sei, dass während der ersten drei Jahre nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme das Arbeitsverhältnis durch den Kläger gekündigt werden sollte. Allerdings sollte die Höhe des Rückzahlungsanspruchs dahingehend gequotelt werden, dass der Rückzahlungsbetrag für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme um 1/36 des Gesamtrückzahlungsbetrages gemindert werde. Mit Schriftsatz vom 02. April 2014 hat die Beklagte vorgetragen, dass es - im Hinblick auf die bei erfolgreichem Abschluss der Fortbildung erlangte Zertifizierung als geprüfter Automobilverkäufer - angemessen und vertretbar gewesen sei, dem Kläger eine Rückzahlung der Ausbildungskosten beim Ausscheiden vor Ablauf von drei Jahren nach Ende der Fortbildungsmaßnahme (gequotelt) "abzuverlangen".

47

Entgegen der Bewertung der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung ergibt sich danach aus ihrem eigenen Sachvortrag, dass jedenfalls die behauptete Rückzahlungsklausel von ihr vorgegeben wurde. Unter Zugrundelegung dieses Vortrags der Beklagten handelt es sich bei der vom Kläger abverlangten Rückzahlungsklausel um eine von ihr vorformulierte Vertragsbedingung, die sie dem Kläger bei Vertragsschluss stellte. Die dem Kläger "abverlangte" Rückzahlungsklausel dient allein den Interessen der Beklagten an einer entsprechenden Bindung des Klägers und ist mit der vorgesehenen monatlichen Staffelung zur zeitanteiligen Minderung der Rückzahlungspflicht während der vorgesehenen Bindungsdauer an der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientiert, so dass sie ersichtlich von der Beklagten vorgegeben und unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung vorformuliert ist. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, dass etwa der Kläger als Berufsanfänger in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung eine solche Rückzahlungsklausel selbst formuliert bzw. in das Gespräch eingebracht haben soll.

48

Das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages schließt die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht aus (§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch eine mündliche Vertragsbedingung kann eine Allgemeine Geschäftsbedingung sein (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11- Rn. 14, NZA 2012, 908).

49

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch nicht entgegen, dass die Modalitäten der Rückzahlungsabrede mündlich erörtert und dann einvernehmlich festgelegt worden seien, so dass es sich um mündliche Absprachen zwischen den Parteien handele, die nur für den vorliegenden Fall hätten Geltung haben sollen. Der Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NZA 2005, 1111). Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB finden bei Verbraucherverträgen § 305 c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Im Streitfall konnte der Kläger auf die ihm abverlangte Rückzahlungsklausel keinen Einfluss nehmen. Die Beklagte hat eine gegenüber dem Kläger gezeigte Bereitschaft zur Abänderung dieser Klausel jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt.

50

Die Möglichkeit der Einflussnahme setzt voraus, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB bzw. vorformulierten Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt. Das Merkmal des "Einflussnehmens" in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB entspricht dem "Aushandeln" in § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Die Möglichkeit der Einflussnahme ist nicht bereits dann auszuschließen, wenn der vorformulierte Text bestehen bleibt. In aller Regel schlägt sich eine Bereitschaft zum Aushandeln zwar an Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Bleibt es nach Erörterung bei dem vorformulierten Text, weil der Betroffene nunmehr mit diesem einverstanden ist, so kann der Vertrag gleichfalls als das Ergebnis eines Aushandelns betrachtet werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu eventuell gewünschten Abänderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dass dies dem anderen Teil bei Abschluss des Vertrages bewusst war. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich dabei auf die konkrete Klausel beziehen, deren Anwendbarkeit oder Auslegung im Streit steht. Vorformulierte Bedingungen in einem Vertragswerk, die nicht ausgehandelt wurden, sind weiterhin am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu messen. Dies folgt aus der Verwendung des Wortes "soweit" in § 305 Abs. 1 S. 3 und § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender - nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast - den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er die Klausel zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klausel freiwillig akzeptiert (BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 829/12 - Rn. 31, NZA 2014, 905).

51

Der Kläger hat unter Berufung auf § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geltend gemacht, dass die Rückzahlungspflicht nach dem Vortrag der Beklagten einseitig vorgegeben worden sei. Auch unter Zugrundelegung des vom Kläger bestrittenen Vortrags der Beklagten ist die behauptete Rückzahlungsabrede nicht "ausgehandelt" worden. Die Beklagte hat nicht konkret dargelegt, dass sie gerade die vom Kläger abverlangte Rückzahlungsabrede ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Kläger diesbezüglich Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt hat.

52

bb) § 307 Abs. 3 S. 1 BGB steht der Anwendung der §§ 307 ff. BGB nicht entgegen. Danach gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 545/12 - Rn. 15, NZA 2014, 957). Um eine derartige Regelung handelt es sich hier. Die Beklagte hat in der behaupteten Rückzahlungsabrede festgelegt, unter welchen Voraussetzungen nicht sie, sondern der Kläger die Kosten zu tragen hat.

53

cc) Die behauptete Rückzahlungsabrede für den Fall einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger ist zu weit gefasst und benachteiligt den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

54

Nach dem Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 02. Januar 2014 wurde eine Rückerstattung aller Lehrgangskosten für den Fall vereinbart, dass während der ersten drei Jahre nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme das Arbeitsverhältnis durch den Kläger gekündigt werden sollte. Dementsprechend heißt es auch in dem als Anlage zu diesem Schriftsatz vorgelegten Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 06. August 2013 an den Kläger, dass dieser in einem persönlichen Gespräch mit ihm und Herrn P. vereinbart habe, dass er die anfallenden Ausbildungskosten zurückzahlen werde, falls er das Arbeitsverhältnis kündige. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 545/12 - Rn. 17, NZA 2014, 957; BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 829/12 - Rn. 35 ff., NZA 2014, 905). Die Rückzahlungsklausel ist auch nicht mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, dass der Arbeitnehmer nur bei einer seinem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Eigenkündigung, die nicht durch treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers veranlasst ist, zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet ist. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Klausel scheidet ebenso wie eine ergänzende Vertragsauslegung aus, weil hierdurch die Regelung des § 307 BGB unterlaufen würde (vgl. BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 829/12 - Rn. 41 und 43, NZA 2014, 905; BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 29 und 34, NZA 2006, 1042).

55

Erstmals mit ihrer Berufungsbegründung hat sich die Beklagte zwar darauf berufen, dass sie bei der getroffenen Absprache dem Kläger gegenüber angeblich "unmissverständlich" zu erkennen gegeben habe, dass eine Rückzahlungspflicht nur im Falle seines vorzeitigen Ausscheidens durch eine von ihm aus freien Stücken ausgesprochene Kündigung in Betracht komme, während ein Ausscheiden aus sonstigen Gründen eine Rückzahlungspflicht nicht auslöse. Der Kläger hat zutreffend gerügt, dass es hierzu keinen konkreten Sachvortrag gebe und der an die vom Arbeitsgericht zitierte Rechtsprechung angepasste Vortrag auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufe. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, nach welchem Gesprächsverlauf sie anlässlich der Erörterung welcher Punkte in welchem Zusammenhang eine angebliche Differenzierung nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens auf welche Weise zum Ausdruck gebracht haben will, zumal sie einen solchen Vertragsinhalt erstinstanzlich nicht einmal erwähnt hat. Auf der Grundlage des unsubstantiierten Vorbringens der Beklagten lässt sich nicht feststellen, ob und ggf. aufgrund welcher Erklärungen nach dem Inhalt der behaupteten Rückzahlungsabrede nach dem Grund des Ausspruchs einer Eigenkündigung differenziert worden sein soll.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

57

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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