Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 519/15


Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 5. November 2015, Az. 2 Ca 722/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Insolvenzverwalters für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners.

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Der 1953 geborene Schuldner ist ausweislich eines vorgelegten Arztbriefes vom 17.08.2012 in der Zeit vom 16. bis 18.08.2012 wegen einer Herzerkrankung stationär behandelt worden. Mit Wirkung ab 01.02.2013 schloss er mit der Beklagten, deren Geschäftsführerin seine Tochter ist, einen Arbeitsvertrag. Dieser sah vor, dass der Schuldner als Tischlermeister und Betriebsleiter mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu einer monatlichen Vergütung von € 7.000,00 brutto beschäftigt wird. Bei Lohnsteuerklasse I errechnet sich ein Nettoverdienst von € 3.800,68.

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Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 10.05.2013 (75 IN 126/13) wurde über das Vermögen des Schuldners auf Antrag einer Gläubigerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung liegt nicht vor.

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Mit Datum 27.05.2013 schlossen der Schuldner und die Beklagte zwei Änderungsverträge. Ein Vertrag sieht vor, dass rückwirkend zum 01.05.2013 die monatliche Vergütung auf € 2.500,00 brutto herabgesetzt wird. Er enthält darüber hinaus den Satz: „Alle weiteren Vereinbarungen bleiben bestehen.“ Bei Lohnsteuerklasse I errechnet sich ein Nettoverdienst von € 1.634,74, der bei Unterhaltspflichten für zwei Personen nicht pfändbar ist. Der zweite Änderungsvertrag mit Datum vom 27.05.2013 führt in einer Präambel aus, dass der Schuldner wegen einer Herzerkrankung auf dringendes Anraten seines Arztes die Arbeitszeit reduzieren möchte und die Beklagte diesem Wunsch nachkomme. Neben der auf € 2.500,00 brutto geänderten Vergütung, sieht der Vertrag eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Schuldners von 15 Stunden vor. Die Änderung des Arbeitsvertrags focht der Kläger mit Schreiben vom 01.11.2013 an.

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Mit der am 17.06.2015 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners iHv. monatlich € 1.214,03 für 23 Monate von Juli 2013 bis Mai 2015 in Anspruch. Mit seiner Klageerweiterung vom 09.09.2015 verlangt er für den Monat Juni 2015 weitere € 1.214,03 und für die Monate Juli bis August 2015 jeweils € 1.143,31. Er berechnet die Forderung auf der Grundlage eines monatlichen Nettogehalts iHv. € 3.800,68 (aus € 7.000,00 brutto) bei Unterhaltspflichten für zwei Personen. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 05.11.2015 Bezug genommen.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 27.922,69 nebst - gestaffelten - Zinsen zu zahlen,

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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere € 3.500,65 nebst - gestaffelten -Zinsen zu zahlen,

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3. festzustellen, dass von der Beklagten für den Arbeitnehmer A. St. ein monatliches Bruttoentgelt iHv. € 7.000,00 abzurechnen ist und die monatlich pfändbaren Bezüge hiervon an ihn zu zahlen sind, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Arbeitsgericht Trier hat der Klage mit Urteil vom 05.11.2015 stattgegeben und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die vereinbarte Reduzierung des Bruttomonatsgehalts von € 7.000,00 auf € 2.500,00 durch die Änderungsverträge vom 27.05.2013 sei unwirksam. Die Reduzierung des Monatsgehalts um nahezu zwei Drittel ohne Verringerung der Arbeitszeit (erste Version) sei sittenwidrig und offensichtlich nur dazu bestimmt, in rechtsmissbräuchlicher Weise die Gläubiger zu benachteiligen. Die zweite Version des Änderungsvertrags sei ein nichtiges Scheingeschäft iSd. § 117 Abs. 1 BGB. Dieser Vertrag sei nur aufgesetzt worden, um die Gläubigerbenachteiligung zu verschleiern. Einen nachvollziehbaren Grund, warum an einem Tag zwei unterschiedliche Änderungsverträge geschlossen worden sein sollen, habe die Beklagte nicht genannt. Ihre Erklärung, die Reduzierung der Arbeitszeit sei erforderlich geworden, weil sich der Gesundheitszustand des Schuldners verschlechtert habe, überzeuge nicht. Das vorgelegte ärztliche Attest vom 17.08.2012 stamme aus der Zeit vor Begründung des Arbeitsverhältnisses. Eine Verschlimmerung der Erkrankung sei zwar denkbar, aber durch nichts belegt. Sollten die Änderungsverträge wirksam sein, so wäre das sog. verschleierte Arbeitseinkommen des Schuldners pfändbar, das nach § 36 Abs. 1 zur Insolvenzmasse gehöre. Eine monatliche Bruttovergütung von € 2.500,00 sei bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden unverhältnismäßig gering. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass die Arbeitszeit des Schuldners tatsächlich auf 15 Wochenstunden reduziert worden sei. Die Position eines Betriebsleiters erfordere regelmäßig eine vollschichtige Tätigkeit. Die Beklagte habe nicht erläutert, welche ursprünglich dem Schuldner obliegenden Tätigkeiten sie ihm auf welche Weise wieder entzogen und wie sie seit der Vertragsänderung ihren Betrieb organisiert habe. Der Vortrag der Beklagten, der Schuldner sei im Vertrieb tätig und werde von vier in Köln ansässigen Mitarbeitern unterstützt, sei unsubstantiiert und finde auch in den Verträgen keine Grundlage. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 05.11.2015 Bezug genommen.

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Gegen das am 23.11.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 24.11.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 22.02.2016 verlängerten Begründungsfrist mit am 22.02.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

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Sie macht geltend, der Vertrag vom 27.05.2013 sei nicht sittenwidrig, denn die Vertragsänderung sei nur wegen der schweren Herzerkrankung des Schuldners erfolgt. Der Schuldner leide an einer hochgradigen RIVA-Stenose. Er habe sich erstmals im August 2012 einer Herzoperation (Stentimplantation) unterziehen müssen, im September 2012 sei eine weitere Herzoperation erfolgt, im November 2012 eine Einlieferung in das Krankenhaus wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt. Der Schuldner habe im Jahr 2013 feststellen müssen, dass er aus krankheitsbedingten Gründen nicht in der Lage sei, in Vollzeit zu arbeiten. Nur deshalb sei die wöchentliche Arbeitszeit auf 15 Stunden verringert und die Vergütung entsprechend angepasst worden. Der Änderungsvertrag (erste Version) gebe das von den Vertragsparteien wirklich gewollte nicht vollständig wieder, denn die vereinbarte Reduzierung der Arbeitszeit sei versehentlich nicht in das Dokument aufgenommen worden. Sie habe den Änderungsvertrag unter Mitteilung des gewollten Inhalts anwaltlich prüfen lassen. Nachdem sie auf das Fehlen einer Regelung über die Reduzierung der Arbeitszeit auf 15 Wochenstunden hingewiesen worden sei, sei das ernstlich gewollte in den Änderungsvertrag (zweite Version) aufgenommen worden. Bei dem Änderungsvertrag handele es sich demnach um kein Scheingeschäft. Es sei auch kein verschleiertes Arbeitseinkommen pfändbar. Die Arbeitszeit des Schuldners sei von 40 auf 15 Wochenstunden reduziert worden, die Vergütung verhältnismäßig gleichwertig von € 7.000,00 auf € 2.500,00. Die dem Schuldner zugewiesenen Tätigkeiten seien nach und nach an andere, zum Teil neu in den Bereich eingearbeitete Mitarbeiter übertragen worden. Die Akquise von Aufträgen werde inzwischen überwiegend von einer Firma aus Mainz (X-GmbH) gegen Provision übernommen. Die vorliegende Vertragsgestaltung rechtfertige keine Beweislastumkehr zu ihren Lasten, vielmehr sei der Kläger verpflichtet, Art und zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung des Schuldners in ihrem Betrieb darzulegen.

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Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 05.11.2015, Az. 2 Ca 722/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er macht geltend, die im Änderungsvertrag vereinbarte Reduzierung des Monatsgehaltes von € 7000,00 auf € 2.500,00 brutto bei gleicher Leistung (erste Version) sei sittenwidrig. Der später vorgelegte Änderungsvertrag (zweite Version) sei ein Scheingeschäft. Dieser Vertrag sei nur aufgesetzt worden, um die Gläubigerbenachteiligung zu verschleiern. Die Beklagte habe ihm am 20.08.2013 eine Drittschuldnererklärung vorgelegt. Nachdem er sie aufgefordert habe, die pfändbaren Gehaltsbestandteile auf Basis des vereinbarten Bruttogehaltes von € 7.000,00 abzurechnen, habe sich am 22.11.2013 ihr jetziger Prozessbevollmächtigte bestellt und pauschal vorgetragen, dass der Schuldner in Absprache mit seiner Mandantin nur noch einen geringen Teil seiner üblichen Arbeitsleistung bei entsprechend angepasstem Lohn erbringe. Im Anwaltschreiben vom 22.11.2013 sei von einer weiteren Änderungsvereinbarung keine Rede gewesen. Erst nachdem seine Bevollmächtigte in einem Telefonat darauf hingewiesen habe, dass die Änderungsvereinbarung ausdrücklich festhalte, "alle weiteren Vereinbarungen bleiben bestehen", sei mit Telefax vom 22.04.2014 der zweite auf den 27.05.2013 datierte Änderungsvertrag vorgelegt worden. Die Erklärung, der Gesundheitszustand des Schuldners habe eine Reduzierung der Arbeitszeit notwendig gemacht, sei nicht glaubhaft. Das zum Nachweis vorgelegte ärztliche Attest vom 17.08.2012 stamme aus der Zeit vor der ursprünglichen Vereinbarung einer 40-Stunden-Woche. Der in zweiter Instanz benannte Zeuge sei als Beweismittel ungeeignet, denn der behandelnde Arzt unterliege der Schweigepflicht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

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In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für die Monate von Juli 2013 bis August 2015 insgesamt € 31.423,34 zuzüglich gestaffelter Zinsbeträge zu zahlen. Auch die Feststellungsklage ist begründet.

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Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies nach § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

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Arbeitseinkommen fällt nach den Regelungen der §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in die Insolvenzmasse, soweit es pfändbar ist. Auch verschleiertes Arbeitseinkommen iSv. § 850h Abs. 2 ZPO gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse. Gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ist ua. § 850h Abs. 2 ZPO entsprechend anwendbar. Damit wird die Masse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger um den pfändbaren Teil des verschleierten Arbeitseinkommens erweitert (vgl. BAG 16.05.2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 40 mwN).

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Der Schuldner hatte auf der Grundlage des mit Wirkung ab 01.02.2013 geschlossenen Arbeitsvertrags im streitgegenständlichen Zeitraum einen Vergütungsanspruch iHv. € 7.000,00 brutto (€ 3.800,68 netto) monatlich, was gem. §§ 850 ff. ZPO bei Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten für zwei Personen zu einem pfändbaren Arbeitseinkommen von monatlich € 1.214,03 (bis 30.06.2015) und von € 1.143,31 (ab 01.07.2015) führte. Diese pfändbaren Beträge hat die Beklagte nebst Verzugszinsen - wie vom Arbeitsgericht zugesprochen - an den Kläger als Insolvenzverwalter zu zahlen.

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Der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners ist - entgegen der Ansicht der Berufung - kein reduziertes Monatsgehalt iHv. € 2.500,00 brutto (€ 1.634,74 netto) zugrunde zu legen.

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Die erste Version des nach Insolvenzeröffnung am 10.05.2013 geschlossenen Änderungsvertrags mit Datum vom 27.05.2013 sieht rückwirkend zum 01.05.2013 eine Entgeltreduzierung von € 7.000,00 auf € 2.500,00 brutto monatlich vor, während - so ausdrücklich - alle weiteren Vereinbarungen bestehen bleiben sollten. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass diese Vertragsänderung, wie sie aus dem eindeutigen Vertragstext hervorgeht, gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB verstößt, weil der Schuldner eine Arbeitsleistung im Umfang von 40 Wochenstunden erbringen sollte, während das Gehalt um nahezu zwei Drittel gekürzt worden ist. Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Arbeitsgericht nicht die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit verkannt. Hier ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts bereits aus dessen Inhalt.

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Das Arbeitsgericht hat weiterhin fehlerfrei angenommen, dass die zweite Version des Änderungsvertrags, der unter dem Datum 27.05.2013 zwischen dem Schuldner und der Beklagten - zu einem späteren Zeitpunkt - abgeschlossen worden ist, nach den Gesamtumständen einzig und allein dem Zweck dient, ein höheres Arbeitseinkommen des Schuldners iSd. § 850h ZPO vor den Gläubigern zu verschleiern. Dies ergibt sich aus den unstreitig gebliebenen Tatsachen, die der Kläger vorgetragen hat.

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Die Erklärungsversuche der Berufung, weshalb unter einem Datum (nicht an einem Tag) kurz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 10.05.2013 zwei Versionen eines Änderungsvertrags vom 27.05.2013 rückwirkend zum 01.05.2013 schriftlich niederlegt worden sind, überzeugen nicht. Es spricht nichts dafür, dass den Vertragsschließenden erst nach anwaltlicher Beratung aufgefallen sein könnte, dass eine angeblich mit dem Schuldner aus gesundheitlichen Gründen vereinbarte Reduzierung der Arbeitszeit auf 15 Stunden in den Vertragstext versehentlich nicht aufgenommen worden sein könnte. Dagegen spricht die Kürze des Vertragstextes, der auf einer halben Seite nur die Änderung der monatlichen Vergütung auf € 2.500,00 brutto regelt und ansonsten noch den Satz enthält: "Alle weiteren Vereinbarungen bleiben bestehen". Wenn für den Schuldner wegen seiner Herzerkrankung - wie von der Berufung vorgetragen - die Reduzierung der Arbeitszeit elementar wichtig gewesen wäre, hätte sich das besondere Augenmerk auf die Änderung der Arbeitszeit richten müssen.

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Es ist unstreitig, dass der Arbeitsvertrag vom 01.02.2013, der eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zu einem Monatsgehalt von € 7.000,00 brutto regelt, in Kenntnis der Herzerkrankung des Schuldners abgeschlossen worden ist. Dem von der Beklagten vorgelegten Arztbrief vom 17.08.2012 ist zu entnehmen, dass der Schuldner vom 16. bis 18.08.2012 im Krankenhaus behandelt worden ist. Die stationäre Aufnahme erfolgte aufgrund belastungsabhängiger pektanginöser Beschwerden. Die Herzkatheteruntersuchung zeigte hochgradige Stenosen im Bereich der Herzkranzgefäße RCA und RIVA sowie eine mittelgradige Stenose der RCX. Es erfolgte die Versorgung der RCA-Stenose mit einem Stent. Der Schuldner sollte sich zur Zweitsitzung (RIVA-Intervention) in vier bis sechs Wochen, bei persistierender Symptomatik früher, vorstellen. Wenn die Beklagte mit dem Schuldner in Kenntnis dieser Herzerkrankung am 01.02.2013 eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart hat, war es an ihr konkret vorzutragen, weshalb der Schuldner ab dem 27.05.2013 (rückwirkend zum 01.05.2013) nur noch 15 Wochenstunden arbeiten konnte. Das Arbeitsgericht hat nicht verkannt, dass sich eine Erkrankung von Februar bis Mai so verschlechtern kann, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit reduzieren muss. Es ist auch denkbar, dass sich ein Herzkranker den Belastungen einer Vollzeitbeschäftigung nicht mehr gewachsen sieht. Im vorliegenden Fall fehlt für eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Schuldners jedweder Anhaltspunkt. Ein jüngeres ärztliches Attest hat die Beklagte auch zweitinstanzlich nicht vorgelegt. Dem Beweisantritt auf Vernehmung des Dr. W. als Zeugen war in Ermangelung substantiierter Beweistatsachen nicht nachzugehen. Die Beklagte hat noch nicht einmal den Versuch unternommen, die Krankengeschichte des Schuldners nach seinem Arbeitsantritt am 01.02.2013 konkret darzustellen und auf dieser Grundlage bestimmte Beweistatsachen zu bezeichnen. Ausweislich der zur Gerichtsakte gereichten Gehaltsabrechnungen hatte der Schuldner keine Krankheitstage. Die formelhafte Behauptung der Beklagten, der Schuldner habe den Versuch, seine Arbeitskraft dem Betrieb in Vollzeit zur Verfügung zu stellen, krankheitsbedingt nicht weiter aufrechterhalten können, bezeichnet keine Beweistatsachen, sondern läuft auf einen reinen Ausforschungsbeweis hinaus. Unabhängig davon hat die Beklagte auch nicht vorgetragen, dass der Schuldner den als Zeugen benannten Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden hätte.

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Das Arbeitsgericht hat mit Recht schlüssigen Vortrag der Beklagten vermisst, wie sie die Arbeiten in ihrem Betrieb organisiert haben will, nachdem der Schuldner - wie von ihr behauptet - seine Arbeitsleistung ab Mai 2013 von 40 auf 15 Wochenstunden reduziert haben soll. Der Berufung ist zuzugeben, dass die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Voraussetzungen des § 850h ZPO dem Kläger obliegt (vgl. BAG 12.03.2008 - 10 AZR 148/07 - Rn. 14 mwN). Die Beklagte trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Gerade bei Drittschuldnerklagen ist ein substantiiertes Bestreiten zu verlangen, denn der Drittschuldner kennt die Umstände der Beschäftigung des Schuldners; aufgrund Sachnähe sind deshalb an sein Bestreiten erhebliche Anforderungen zu stellen (vgl. LAG Baden-Württemberg 27.01.2011 - 3 Sa 51/10 - Rn. 20; LAG Niedersachsen 23.01.2007 - 13 Sa 953/06 - Rn. 49).

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Der Kläger hat gestützt auf den Inhalt des Arbeitsvertrags vom 01.02.2013 schlüssig zur Art und zum Umfang der Tätigkeit des Schuldners vorgetragen. Danach erzielte der Schuldner bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eine Vergütung von € 7.000,00 brutto monatlich. Die Beklagte hat den Umfang der vereinbarten Tätigkeit des Schuldners als "Tischlermeister" und "Betriebsleiter" nicht substantiiert bestritten. Ihre pauschale Behauptung, die Arbeitszeit habe sich auf 15 Stunden wöchentlich verringert, ist nicht ausreichend. Die Beklagte hätte genaue Angaben dazu machen müssen, wie und auf wen sie die bisher vom Schuldner in der 40-Stunden-Woche verrichteten Tätigkeiten im Umfang von 25 Stunden umverteilt hat, damit er seine Arbeitszeit auf 15 Stunden reduzieren konnte. Daran fehlt es auch zweitinstanzlich. Die pauschale Behauptung, sie habe die dem Schuldner zugewiesenen Tätigkeiten nach und nach an andere, zum Teil neu in den Bereich eingearbeitete Mitarbeiter übertragen, die Akquise von Aufträgen werde inzwischen überwiegend von einer Firma aus Mainz gegen Provision übernommen, genügt nicht. Es fehlt insb. jedwede Erklärung dazu, wie die fachlich-technische Leitung des Betriebes organisiert worden sein soll, weil der Schuldner als Betriebsleiter eingestellt worden ist. Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, gilt das tatsächliche Vorbringen des Klägers iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

III.

33

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

34

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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