Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 517/15

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Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.9.2015, Az.: 1 Ca 258/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über die Rückzahlung des der Beklagten von der (späteren) Insolvenzschuldnerin gezahlten Arbeitsentgelts für die Monate November 2009 bis Januar 2010 im Wege der Insolvenzanfechtung.

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Die Beklagte war seit Juni 2006 bei der als Tischlerin beschäftigt. Mit rechtskräftigem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 14.04.2010 wurde die verurteilt, an die jetzige Beklagte rückständige Arbeitsvergütung für die Monate November 2009 bis Januar 2010 in Höhe von insgesamt 7.200,00 € brutto zu zahlen. Auf der Grundlage dieses Versäumnisurteils erwirkte die Beklagte am 01.06.2010 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegenüber der Sparkasse S. als Drittschuldnerin. Daraufhin zahlte die am 16.06.2010 von ihrem Geschäftskonto bei der Sparkasse S. an die Beklagte 5.315,18 €.

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Am 10.09.2010 beantragte die BKK Pfalz die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Handwerkskammer Schlosser V. GmbH. Mit Beschluss vom 01.12.2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.12.2013 ließ der Kläger die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin vom 16.06.2010 anfechten; zugleich wurde die Beklagte zur Rückzahlung des betreffenden Betrages aufgefordert.

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Am 27.12.2013 beantragte der Kläger beim Amtsgericht Hünfeld den Erlass eines Mahnbescheides in Höhe von insgesamt 9.547,06 € gegen die Beklagte, verbunden mit dem Antrag, für den Fall eines Widerspruchs die Sache an das Landgericht Frankenthal zur Durchführung des streitigen Verfahrens abzugeben. Gegen den am 02.01.2014 erlassenen und ihr am 04.01.2014 zugestellten Mahnbescheid hat die Beklagte am 08.01.2014 Widerspruch eingelegt. Hiervon wurde der Kläger mit Schreiben des Amtsgerichts Hünfeld vom 08.01.2014, zugegangen am 10.01.2014, unterrichtet und zur Vorauszahlung weiterer Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens in Höhe von 507,50 € aufgefordert. Dieser Zahlungsaufforderung kam der Kläger laut Aktenausdruck des Amtsgerichts Hünfeld (Bl. 134 d.A.) jedenfalls bis zum 02.09.2014 nicht nach. Mit Schriftsatz vom 21.05.2014, beim Amtsgericht Hünfeld am 26.05.2014 eingegangen, begründete der Kläger die mit Mahnbescheid geltend gemachte Forderung und kündigte an, die weiteren Gerichtskosten "nach Aufforderung" zu zahlen. Außerdem beantragte er nunmehr, den Rechtsstreit nicht an das Landgericht Frankenthal, sondern an das Arbeitsgericht Darmstadt abzugeben. Mit einem beim Amtsgericht Hünfeld am 10.12.2014 eingegangenen Schriftsatz beantragte die Beklagte die Durchführung des streitigen Verfahrens. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht Hünfeld am 12.12.2014, indem es das Verfahren an das vom Kläger in seinem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids genannte Landgericht Frankenthal abgab. Dieses erklärte mit Beschluss vom 20.01.2015 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Darmstadt. Mit Beschluss vom 18.02.2015 hat sich das Arbeitsgericht Darmstadt für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Ludwigshafen verwiesen.

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Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.04.2015 die Einrede der Verjährung erhoben.

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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen, streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.09.2015 (Bl. 147 - 149 d.A.).

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Der Kläger hat beantragt:

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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.343,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2010 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.09.2015 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Zur Darstellung der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf die Seiten 4 - 7 des erstinstanzlichen Urteils (= Bl. 149 - 152 d.A.) verwiesen.

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Gegen das ihm am 22.10.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 23.11.2015 Berufung eingelegt und diese am 22.12.2015 begründet.

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Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Anspruch nicht verjährt. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass in der von ihm herangezogenen Entscheidung des BGH der bei dem unzuständigen Amtsgericht eingereichte Mahnbescheid zunächst nicht - sondern erst nach Weiterleitung an das zuständige Mahngericht - zugestellt worden sei. Dies sei der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall, wo der am 27.12.2013 beantragte Mahnbescheid der Beklagten (unstreitig) am 04.01.2014 zugestellt worden sei. Eine Verzögerung der Zustellung des Mahnbescheids habe daher zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Diese sei vielmehr zweifelsohne im Sinne von § 167 ZPO "demnächst" erfolgt.

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Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 22.12.2015 (Bl. 183 - 186 d.A.) Bezug genommen.

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Der Kläger beantragt,

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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.343,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2010 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklage verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 04.02.2016 (Bl. 210 - 216 d.A.) und macht u.a. geltend, der Anspruch des Klägers sei auch dann verjährt, wenn man davon ausgehe, dass die Zustellung des Mahnbescheids zu einer Hemmung der Verjährung geführt habe. Die Hemmung habe nämlich nach § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach Zustellung des Widerspruchs geendet. Demzufolge sei die Verjährung eingetreten.

Entscheidungsgründe

I.

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Die an sich statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht abgewiesen.

II.

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Die Klage ist unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob dem Kläger die streitbefangene Forderung gegen die Beklagte zusteht. Die Beklagte ist nämlich gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern, da der Anspruch des Klägers verjährt ist.

23

Der Anfechtungsanspruch aus §§ 129 ff InsO unterliegt gemäß § 146 Abs. 1 InsO der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Da der Anfechtungsanspruch des Klägers mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.12.2010 entstanden ist und der bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 18.10.2010 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte Kläger zumindest ohne grobe Fahrlässigkeit jedenfalls vor Jahresende von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis hätte erlangen müssen, begann die Verjährungsfrist vorliegend mit Ablauf des 31.12.2010 (vgl. hierzu: Kreft, Insolvenzordnung, 7. Aufl., § 146 InsO Rz. 6 m.w.N.).

24

Die demnach am 31.12.2013 ablaufende Verjährungsfrist wurde allerdings gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB mit Eingang des Antrages des Klägers auf Erlass eines Mahnbescheides beim Amtsgericht Hünfeld am 27.12.2013 gehemmt, da der Mahnbescheid am 04.01.2014 und damit im Sinne von § 167 ZPO "demnächst" der Beklagten zugestellt wurde. Dem steht nicht entgegen, dass der Mahnbescheid bei einem unzuständigen Gericht beantragt worden war (MüKoBGB/Grothe, 7. Aufl., § 204 Rz. 33 m.N.a.d.R.). Ewas anderes gilt - unter weiteren Voraussetzungen - nur dann, wenn die Unzuständigkeit des Gerichts, bei dem der Erlass eines Mahnbescheids beantragt wurde, zu einer Verzögerung der Zustellung des Mahnbescheids führt und diese daher nicht mehr als "demnächst" angesehen werden kann.

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Gleichwohl ist der Anspruch des Klägers verjährt. Dies folgt aus den §§ 209, 204 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB.

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Die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids hat gemäß § 209 BGB zur Folge, dass der Zeitraum, währenddessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht mit eingerechnet wird, der Lauf der Verjährungsfrist demnach pausiert und nach Ablauf der Verjährungshemmung fortgesetzt wird. Kommt es zu einem Stillstand des Verfahrens, weil dieses von den Parteien nicht weiter betrieben wird, so endet die Hemmung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Unter einer Verfahrenshandlung wird jede Handlung verstanden, die zur Begründung, Führung und Erledigung des Rechtsstreits dient und vom Prozessrecht in ihren Voraussetzungen und Wirkungen geregelt ist (BGH v. 28.01.2010 - VII ZR 174/08 - NJW 2010, 1662).

27

Die Mitteilung des Amtsgerichts Hünfeld vom 08.01.2014 an den Kläger über den Eingang des Widerspruchs - verbunden mit der Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses für das streitige Verfahren - stellt eine Verfahrenshandlung des Gerichts i.S.v. § 204 Abs. 2 BGB dar (BGH v. 05.02.1998 - VII ZR 279/96 - NJW-RR 1998, 954). Ein rechtzeitiges Weiterbetreiben des Verfahrens hätte vorgelegen, wenn der Kläger den Gerichtskostenvorschuss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB eingezahlt hätte. Dies hat der Kläger indessen unstreitig nicht getan. Stattdessen hat er mit seinem am 26.05.2014 beim Amtsgericht Hünfeld eingegangenem Schriftsatz den zuvor mit Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch begründet, verbunden mit dem Antrag, den Rechtsstreit nicht an das Landgericht Frankenthal, sondern an das Arbeitsgericht Darmstadt abzugeben. Abgesehen davon, dass eine Abgabe an ein anderes als das im Mahnbescheid genannte Gericht gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Ermangelung eines diesbezüglich übereinstimmenden Antrages der Parteien nicht erfolgen konnte, stand einer Abgabe des Verfahrens jedoch bereits entgegen, dass der Kläger den angeforderten Gerichtskostenvorschuss nicht eingezahlt hatte (§ 12 Abs. 3 Satz 3 GKG).

28

Stellt sich die beim Amtsgericht Hünfeld am 26.05.2014 eingegangene Anspruchsbegründung des Klägers als Verfahrenshandlung bzw. als ein Weiterbetreiben des Verfahrens i.S.v. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB dar, so schloss sich hieran eine weitere Sechsmonatsfrist gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB an, während der die Verjährung gehemmt war. Diese Sechsmonatsfrist endete am 26.11.2014 mit der Folge, dass ab dem 27.11.2014 die restliche Verjährungsfrist aus dem Jahr 2013 von 5 Tagen (27.12. - 31.12.2013) weiterlief. Mit Ablauf des 1.12.2014 ist somit Verjährung eingetreten.

29

Der erst nach diesem Verjährungseintritt am 10.12.2014 beim Amtsgericht Hünfeld eingegangene Antrag der Beklagten auf Durchführung des streitigen Verfahrens, dem auch ohne vorherige Zahlung des Gerichtskostenvorschusses zu entsprechen war (MüKoZPO/Schüler, 4. Aufl., § 696 Rz. 5), konnte demnach keine (weitere) Hemmung der Verjährung mehr bewirken.

III.

30

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

31

Für die Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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