Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (6. Kammer) - 6 Sa 241/17

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 22. März 2017 - 7 Ca 701/16 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Vereinbarung einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag und um die Zuweisung eines Arbeitsplatzes an einem bestimmten Ort.

2

Der Kläger trat zum 11. September 2012 zunächst befristet als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in die Dienste der Beklagten ein. nach mehrfacher einvernehmlicher Verlängerung der Befristung schlossen die Parteien zuletzt unter Angabe des Sachgrundes der Vertretung unter dem 13. Januar 2015 einen bis 28. Februar 2015 befristeten Arbeitsvertrag (Bl. 194 d. A), in dem es ua. heißt:

3

"…

4

Der Arbeitnehmer wird am 18.01.2015 als AN vollbeschäftigt mit der jeweils geltenden regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit eingestellt.

5

Für das Arbeitsverhältnis sind die jeweils für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Dies sind zur Zeit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (MTV-DPAG), der Entgelttarifvertrag (ETV-DPAG) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG.

6

Der Arbeitnehmer wird aufgrund seiner Tätigkeit eingruppiert in die EGr 3 ETV-DPAG. …“

7

Bis zum 28. Februar 2015 war der Kläger ausschließlich in der Zustellbasis L R als Paketzusteller eingesetzt. Er war hierbei - wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 19. Dezember 2017 unstreitig gestellt - intern der Abteilung 36 (Auslieferung PAKET) zugeordnet, in der sich Mitarbeiter befinden, die ausschließlich mit der sog. Paketzustellung in kompakten Gebieten befasst sind, während Mitarbeiter, die der Abteilung 33 (BRIEF) zugeordnet sind, mit der Verbundzustellung (dh. Brief- und Paketzustellung) und der Regelzustellung Pakete (Inselzustellung) betraut sind. Sämtliche Mitarbeiter der Beklagten in der Zustellung, auch die der Abteilung 36 zugeordneten Mitarbeiter, verfügen über Arbeitsverträge, in deren der Umsetzung des NachweisG dienender Anlage einheitlich als Beschreibung der zu leistenden Tätigkeit „Arbeitnehmer im Betriebsdienst“ aufgeführt ist.

8

Die Beklagte gründete zum 01. Februar 2015 bundesweit 49 Regionalgesellschaften für die Auslieferung Paket, die künftig das Geschäft der Paketauslieferung abbilden sollen und mit Tarifbindung an die jeweiligen Tarifgebiete Spedition und Logistik angebunden sind. Im Bereich der Niederlassung M wurde die D D M GmbH mit Geschäftssitz in L am Rhein gegründet. Allen bei der Beklagten befristet beschäftigten Mitarbeitern, auch dem Kläger, wurde im Laufe des Monats Februar 2015 eine unbefristete Anschlussbeschäftigung bei den D-Gesellschaften angeboten. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Er wurde von der Beklagten wegen Befristungsablaufs nach dem 28. Februar 2015 zunächst nicht weiterbeschäftigt und hat beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein unter dem Aktenzeichen 8 Ca 346/15 Befristungskontrollklage erhoben.

9

Die Gewerkschaft ver.di führte im Hinblick auf die Gründung der D-Gesellschaften in der Folge einen Arbeitskampf. Am 5. Juli 2015 wurde eine "Gemeinsame Erklärung des Vorstands der C. und der Ver.di" veröffentlicht (vgl. Blatt 34 ff. d. A.; im Folgenden "Gemeinsame Erklärung"). Darin heißt es unter anderem:

"

10

Der Vorstand der C. und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di setzen nachstehende Eckpunkte in vertragliche bzw. tarifvertragliche Vereinbarungen um. Die vertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen werden bis spätestens zum 31.07.2015 abgeschlossen.

11

1. Paketzustellung

12

(1) Die 7.634 derzeit bei der C. beschäftigten Paketzusteller bleiben Paketzusteller in der C.. Diese Zusage wird individualrechtlich umgesetzt.

13

(2) Für ehemals bei der C. befristet beschäftigte Kräfte der D D-Gesellschaften wird im Falle betriebsbedingter Beendigungskündigungen oder betriebsbedingter Änderungskündigungen zur Herabsetzung der Wochenarbeitszeit oder einer Insolvenz der D D-Gesellschaften ein einzelvertraglich geregeltes Rückkehrrecht zur C. unter Anerkennung der bei den D D-Gesellschaften erbrachten Beschäftigungszelten vereinbart. Die Einstellung bei der C. erfolgt gleichwertig (Entgeltgruppe 3, Wochenarbeitszeit) und unbefristet.

14

15

Erklärung zur Ergebnisniederschrift:

16

1. Zu 1. Paketzustellung

17

Paketzusteller, die vorübergehend in anderen Zustellbasen eingesetzt sind, kehren bis spätestens 15.09.2015 in ihre bisherige Zustellbasis zurück.

18

Versetzungen aus den Paketzustellbasen finden nicht statt, um den Bezirk des Paketzustellers fremd zu vergeben.

19

…"

20

In einem internen Regelungsbogen C. Tarifrunde 2015 vom 13. Juli 2015 (vgl. Bl. 174 ff. d. A.; im Folgenden: Regelungsbogen) heißt es ua.:

21

1 Regelungen für die Paketzustellung

22

Die 7.634 derzeit bei der C. beschäftigten Paketzusteller bleiben Paketzusteller in der C.. Diese Zusage wird individualrechtlich umgesetzt. Hierunter fallen auch Paketzusteller, die zum 01.07.2015 mehr als 24 Monate ununterbrochen befristet beschäftigt waren und anlässlich der Umsetzung der „Gemeinsamen Erklärung" entsprechend der Regelungen nach Ziffer 5 dieser Anweisung unbefristet beschäftigt werden.

23

Die betroffenen Paketzusteller erhalten eine nach ihrem Status als Arbeitnehmer oder Beamte differenzierte individualrechtliche Zusage gemäß beigefügter Anlage; ein Doppel wird in die Personalakte aufgenommen. Zur Umsetzung erhalten die Niederlassungen eine Liste mit den jeweils erforderlichen Angaben.

24

Paketzusteller, die vorübergehend in anderen Zustellbasen eingesetzt sind, kehren in ihre bisherige Zustellbasis zurück.

25

Versetzungen aus den Paketzustellbasen finden nicht statt, um den Bezirk des Paketzustellers fremd zu vergeben.

26

…“

27

Das Muster zur Nebenabrede gemäß Anlage zu Ziff. 1 des internen Regelungsbogens hat folgenden Inhalt:

28

„Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom „Datum“ in der Fassung vom „Datum“

29

Zwischen der C.

30

Niederlassung Brief …

31
- nachfolgend Arbeitgeberin -
32

und …

33
- nachfolgend Arbeitnehmer (in) -

34

wird folgende Nebenabrede geschlossen:

35

(1) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist bei der Arbeitgeberin als Paketzusteller/in beschäftigt.

36

(2) Die Arbeitgeberin ist nicht berechtigt, der Arbeitnehmerin/ dem Arbeitnehmer andere Arbeiten zu übertragen, es sei denn dies ist aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (gesundheitsbedingte Einschränkungen, Verlust der Fahrerlaubnis) erforderlich.

37

(3) Eine ordentliche Kündigung dieser Nebenabrede ist ausgeschlossen.“

38

In der Folgezeit bot die Beklagte den bei ihr am 1. Juli 2015 mehr als 24 Monate ununterbrochen beschäftigten Paketzustellern entsprechend der Anlage zum internen Regelungsbogen eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag an. Dem Kläger wurde eine derartige Nebenabrede nicht angeboten.

39

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 - 8 Ca 346/15 -, hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein auf Antrag des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 13. Januar 2015 nicht zum 28. Februar 2015 geendet hat.

40

Mit Schreiben vom 24. Juli 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, ab dem 28. Juli 2015 seine Tätigkeit als Zusteller beim Zustellstützpunkt A aufzunehmen. Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 (vgl. Blatt 203 d. A.) versetzte die Beklagte den Kläger ab dem 3. August 2015 in den Zustellstützpunkt B D.

41

Unter dem 7. August 2015 schlossen der Kläger und die Beklagte einen neuen unbefristeten Arbeitsvertrag (vgl. Blatt 68 d. A.). Die vorzitierte Nebenabrede für Paketzusteller bot die Beklagte dem Kläger nicht an. In dem neuen Arbeitsvertrag ist unter anderem geregelt:

42

"…

43

Der Arbeitnehmer wird am 01. März 2015 als AN vollbeschäftigt mit der jeweils geltenden regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit eingestellt.

44

Für das Arbeitsverhältnis sind die jeweils für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Dies sind zur Zeit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (MTV-DPAG), der Entgelttarifvertrag (ETV-DPAG) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG.

45

Der Arbeitnehmer wird aufgrund seiner Tätigkeit eingruppiert in die EGr 3 ETV-DPAG.

46

…"

47

Gemäß Anlage 1 zum Arbeitsvertrag lautet die Bezeichnung der zu leistenden Tätigkeit „Arbeitnehmer im Betriebsdienst“ (vgl. Bl. 384 d. A.). Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages und dessen Anlage 1 wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

48

Mit Schreiben vom 2. September 2015 (vgl. Blatt 205 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab dem 3. August 2015 dauerhaft als Paketzusteller bei der Zustellbasis L, zum ZSPL N, in den ZSP B D, in die Zustellung umgesetzt werde.

49

In der Folgezeit setzte die Beklagte den Kläger an verschiedenen Standorten immer wieder auch in der Verbundzustellung ein. Der Kläger erlitt - nach seiner Auffassung aufgrund des mit dieser Tätigkeit verbundenen Sortierens und Steckens von Briefen - immer wieder Schwindel und eine damit verbundene Arbeitsunfähigkeit.

50

Der Kläger hat am 19. April 2016 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein Klage auf Abschluss einer Nebenabrede zu seinem bisherigen Arbeitsvertrag erhoben und hilfsweise erstinstanzlich zuletzt die Zuweisung eines seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen berücksichtigenden Arbeitsplatzes verfolgt.

51

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Abschluss der geltend gemachten Nebenabrede aus der Gemeinsamen Erklärung bzw. aus der Gemeinsamen Erklärung in Verbindung mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Aus der Gemeinsamen Erklärung ergebe sich, dass vorübergehend in anderen Zustellbassen eingesetzte Paketzusteller spätestens bis 15. September 2015 in ihre bisherige Zustellbasis zurückkehren sollten. Dies habe auch für ihn zu gelten, da er ausschließlich wegen seiner Befristungskontrollklage im Juli 2015 tatsächlich nicht beschäftigt worden sei. Er sei der einzige Kollege aus L, der gegen seinen Willen versetzt worden sei. Ihm sei bekannt, dass der Mitarbeiter der Paketzustellung L D aus persönlichen Gründen um eine Versetzung in die Verbundzustellung gebeten habe. Auch der Mitarbeiter S sei aus der Paketzustellung ausgeschieden, ein weiterer Mitarbeiter sei verrentet worden. Bei der Bestimmung des Arbeitsortes habe die Beklagte seine anerkennenswerten persönlichen Belange (mit Ehefrau und zwei Kindern in L lebend und dort seit Beginn des Arbeitsverhältnisses eingesetzt) zu berücksichtigen. Es werde bestritten, dass er immer dann an Schwindel leide, wenn ihm die aufgetragene Beschäftigung widerstrebe.

52

Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 22. März 2017 der Beklagten durch seinen Prozessbevollmächtigten das entsprechende Angebot unterbreitet hat, hat zuletzt beantragt,

53

1. die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 7. August 2015

54

mit dem folgenden Inhalt anzunehmen:

55

(1) Der Arbeitnehmer ist bei der Arbeitgeberin als Paketzusteller beschäftigt.

56

(2) Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers befindet sich derzeit an der Zustellungsbasis L a R.

57

(3) Die Arbeitgeberin ist nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer andere Arbeiten zu übertragen, es sei denn dies ist aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (z. B. gesundheitsbedingte Einschränkungen, Verlust der Fahrerlaubnis) erforderlich.

58

(4) Eine ordentliche Kündigung dieser Nebenabrede ist ausgeschlossen.

59

hilfsweise mit dem folgenden Inhalt anzunehmen:

60

(1) Der Arbeitnehmer ist bei der Arbeitgeberin als Paketzusteller beschäftigt.

61

(2) Die Arbeitgeberin ist nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer andere Arbeiten zu übertragen, es sei denn, dies ist aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (z. B. gesundheitsbedingte Einschränkungen, Verlust der Fahrerlaubnis) erforderlich.

62

(3) Eine ordentliche Kündigung dieser Nebenabrede ist ausgeschlossen.

63

hilfsweise,

64

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm einen seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen berücksichtigenden Arbeitsplatz zuzuweisen.

65

Die Beklagte hat beantragt,

66

die Klage abzuweisen.

67

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, aus der als schuldrechtliche Vereinbarung der Tarifvertragsparteien zu qualifizierenden Gemeinsamen Erklärung der Tarifvertragsparteien könne der Kläger als Dritter keinen Anspruch auf die geforderte Nebenabrede herleiten. Der Kläger gehöre nicht zum von der Vereinbarung begünstigten Personenkreis, da die Tarifvertragsparteien eine Erklärung zum Bestand der bereits langfristig als Paketzusteller eingesetzten Mitarbeiter hätten abgeben wollen. Da es in L wegen der Durchführung des künftigen Paketgeschäfts durch die D D GmbH M keinen freien Arbeitsplatz als Paketzusteller gebe, sei dem Kläger zunächst der Zustellstützpunkt A angeboten worden. Aus Entgegenkommen sei er im Rahmen des Direktionsrechts wohnortnäher in B D als Verbundzusteller eingesetzt worden, die zumutbare Entfernung zum Wohnort betrag 21 km. Es sei keinesfalls so, dass die Schwindelattacken des Klägers nur beim Vorbereiten von Briefen aufträten, sondern ihrer Ansicht nach, wenn dem Kläger ihm aufgetragene Tätigkeiten widerstrebten. Der Arbeitsplatz des Mitarbeiters D in der Abteilung 36 (Auslieferung Paket) sei im Rahmen der Verbundausweitung in die Abteilung 33 (Verbundzustellung) übergegangen.

68

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22. März 2017 dem Hauptantrag des Klägers, jedoch mit dem hilfsweise begehrten Inhalt, stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Abschluss einer Nebenabrede mit dem hilfsweise geforderten Inhalt, da die Gemeinsame Erklärung nach gebotener Auslegung zwar kein Tarifvertrag, jedoch eine schuldrechtliche Vereinbarung sei, die gegenüber dem genannten Personenkreis einen Anspruch auf Verbleib als Paketzusteller bei der Beklagten begründe und die Beklagte den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletze, indem sie dem Kläger die Nebenabrede gemäß ihres internen Regelungsbogens verwehre. Der Kläger gehöre - obgleich er vorübergehend nicht beschäftigt worden sei - aufgrund der festgestellten Unwirksamkeit der letzten Befristungsabrede und auch infolge des Arbeitsvertrages vom 07. August 2015 zur begünstigten Gruppe der Paketzusteller, da es allein auf den Bestand eines Beschäftigungsverhältnisses ankomme und die Beklagte dem Kläger noch mit Schreiben vom 02. September 2015 mitgeteilt habe, er werde als Paketzusteller von der Zustellbasis L dauerhaft in den Stützpunkt B D umgesetzt. Da der Arbeitsvertrag vom 07. August 2015 keine Regelung zu einer bestimmten Tätigkeit enthalte, habe der Kläger durch diesen Vertrag auch nicht auf seinen Anspruch verzichtet. Demgegenüber habe der Kläger jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf eine Nebenabrede mit dem Inhalt des Beschäftigungsortes L, weil in der Erklärung zur Ergebnisniederschrift - anders als bei der Beschäftigung als Paketzusteller - keine individualrechtliche Umsetzung vorgesehen sei. Es ergebe sich auch kein Anspruch auf Abschluss einer Nebenabrede mit der im Hauptantrag geforderten Festlegung des Arbeitsortes L aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da der Kläger nicht vorgetragen habe, dass vergleichbare Arbeitnehmer derartige Nebenabreden geschlossen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 223 ff. d. A. verwiesen.

69

Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 06. April 2017 zugestellte Urteil mit am 05. Mai 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 20. April 2017 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit am 05. Juli 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

70

Die Beklagte hat gegen das ihr am 11. April 2017 zugestellte Urteil mit am 09. Mai 2017 Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit am 11. Juli 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

71

Der Kläger trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 05. Juli 2017 und seiner Berufungserwiderungsschrift vom 15. August 2017, hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf Bl. 274 ff. und Bl. 334 ff. d. A. ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen vor,

72

er verfolge seinen weitergehenden Antrag in modifizierter Form weiter, der darauf gerichtet sei, ihn, der derzeit im Zustellstützpunkt S als Paketzusteller tätig sei, an seinem ursprünglichen Arbeitsplatz im Postzustellungszentrum L am Rhein einzusetzen. Aus der Erklärung zur Ergebnisniederschrift zur Gemeinsamen Erklärung ergebe sich, dass Paketzusteller, die vorübergehend in anderen Zustellbasen eingesetzt worden seien, spätestens zum 15. September 2015 wieder zurückkehren und Versetzungen aus den Paketzustellbasen zum Zwecke der Fremdvergabe des Bezirks des Paketzustellers nicht erfolgen sollten. Gleiches ergebe sich aus dem internen Regelungsbogen der Beklagten. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates zu seinen Versetzungen werde bestritten. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht sein rechtliches Gehör verletzt, indem es nicht darauf hingewiesen habe, dass sein Klagebegehren nicht im Wege der Nebenabrede erfolgreich sein könne, da er anderenfalls bereits erstinstanzlich den nunmehr gestellten Antrag auf Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Postzustellungszentrum L gestellt hätte. Es werde bestritten, dass er nicht auf einer der Listen, die der Gemeinsamen Erklärung zugrunde gelegen hätten, genannt sei und dass deren Sinn und Zweck allein der Schutz langjähriger Paketzusteller habe sein sollen. Die Gewerkschaft ver.di habe mit dem Arbeitskampf zwar nicht die Auslagerung der Paketzustellung verhindern können, aber erreicht, dass die unbefristet tätigen Paketzusteller ungeachtet der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit weiterhin bei der Beklagten beschäftigt und ausschließlich als Paketzusteller tätig bleiben sollten. Eine Einschränkung in Bezug auf die Betriebszugehörigkeit sei nicht ersichtlich. Darauf, dass nach Entgeltgruppe 3 auch die Briefzusteller vergütet würden, komme es nicht an.

73

Der Kläger, der nach Hinweis im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 19. Dezember 2017 an seiner selbstständigen Berufung nicht festgehalten, sondern gebeten hat, diese in eine zulässige unselbstständige Anschlussberufung umzudeuten, beantragt,

74

das angefochtene Urteil abzuändern.

75

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 7. August 2015 mit folgendem Inhalt anzunehmen:

76

(1) Der Arbeitnehmer ist bei der Arbeitgeberin als Paketzusteller beschäftigt.

77

(2) Die Arbeitgeberin ist nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer andere Arbeiten zu übertragen, es sei denn, dies ist aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (z. B. gesundheitsbedingte Einschränkungen, Verlust der Fahrerlaubnis) erforderlich.

78

(3) Eine ordentliche Kündigung dieser Nebenabrede ist ausgeschlossen.

79

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger seinen Arbeitsplatz im Postzustellungszentrum L  R zuzuweisen.

80

3. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

81

Die Beklagte beantragt,

82

1. unter Abänderung des am 22. März 2017 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein die Klage insgesamt abzuweisen.

83

2. die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

84

Sie hat nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 11. Juli 2017 und ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes, auf die jeweils Bezug genommen wird (Bl. 306 ff. und Bl. 341 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,

85

dem Kläger stehe der Anspruch auf Abschluss der Nebenabrede mit dem ausgeurteilten Inhalt nicht zu. Auch wenn man noch davon ausgehen möge, dass die Gemeinsame Erklärung als Vertrag zu Gunsten Dritter anzusehen sei, gehöre der Kläger nicht zum berechtigten Personenkreis. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Arbeitsvertrag als reiner Paketzusteller gehabt, sondern lediglich einen solchen, der ihm eine Tätigkeit nach Entgeltgruppe 3 ETV DP AG abverlange, ohne dass eine Konkretisierung ersichtlich sei. Danach könne er beispielsweise auch als Briefzusteller eingesetzt werden. Ausweislich der Anlage 1 des zum Stichtag des 05. Juli 2015 geltenden Arbeitsvertrages vom 07. August 2015 habe der Einsatz des Klägers an verschiedenen Arbeitsorten als Arbeitnehmer im Betriebsdienst erfolgen sollen. Auf den Listen, die Grundlage der Gemeinsamen Erklärung gewesen seien, sei der Name des Klägers nicht enthalten gewesen. Auch die Beklagte sei nicht davon ausgegangen, dass der Kläger als Paketzusteller zu qualifizieren sei. Das Arbeitsgericht verkenne den Unterschied zwischen der Abteilung 33 (Verbundzustellung) einerseits und der Abteilung 36 (Auslieferung PAKET) andererseits. Der Kläger sei und werde künftig in Abteilung 33 eingesetzt. Die Gemeinsame Erklärung biete keinen individuellen Rechtsanspruch für einzelne Arbeitnehmer, sich in Abteilung 36 einzuklagen. Sinn und Zweck der Gemeinsamen Erklärung sei allein darin zu sehen, langjährige Arbeitnehmer ausschließlich in der reinen Paketzustellung (Abteilung 36) weiterzubeschäftigen (Zeugnis B). Unter diese 7634 Mitarbeiter falle der Kläger mit seinem am 05. Juli 2017 2 Jahre und 10 Monate andauernden Arbeitsverhältnis nicht. Der Betriebsrat sei ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Bl. 353 ff. d. A.) ordnungsgemäß vor den jeweiligen Versetzungen beteiligt worden.

86

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 19. Dezember 2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

87

Die zulässige Berufung der Beklagten und die in eine zulässige Anschlussberufung umzudeutende Berufung des Klägers sind nicht begründet.

88

I. Die Berufung der Beklagten und die als zulässige Anschlussberufung zu verstehende Berufung des Klägers sind zulässig.

89

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 11. April 2017 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 09. Mai 2017 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 11. Juli 2017 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

90

2. Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig.

91

a) Die vom Kläger ursprünglich eingelegte Hauptberufung erwies sich als unzulässig. Das Rechtsmittel der Berufung setzt voraus, dass der Berufungskläger die Beseitigung einer in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer erstrebt; dies erfordert, dass der im ersten Rechtszug erhobene Anspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt wird; ein im Wege der Klageänderung neuer, bisher nicht gestellter Anspruch kann nicht das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein (BAG 15. November 2016 - 9 AZR 125/16 - Rn. 10, 23. Februar 2016 - 1 ABR 5/14 - Rn. 12, jeweils zitiert nach juris). Das Arbeitsgericht hat der auf Abschluss einer Nebenabrede gerichteten Klage im Antrag zu 1) mit der hilfsweise verfolgten Formulierung stattgegeben. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger hingegen ausschließlich die Verurteilung der Beklagten, ihm einen Arbeitsplatz in L zuzuweisen. Dieser Anspruch auf Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Wege des Direktionsrechts unterscheidet sich vom erstinstanzlich im Hauptantrag verfolgten Begehren auf Abschluss einer Nebenabrede, auch wenn der Kläger im Rahmen derer die Aufnahme des Standortes L begehrt hat und insoweit unterlegen war. Da das alleinige Ziel der Berufung des Klägers in der erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Anspruch auf Zuweisung eines Arbeitsplatzes in Ludwigshafen im Wege des Direktionsrechts bestanden hat, war seine Hauptberufung mangels Beschwer als unzulässig zu qualifizieren.

92

b) Die unzulässige Hauptberufung des Klägers war jedoch in eine zulässige Anschlussberufung umzudeuten. Auch im Verfahrensrecht kann der Gedanke des § 140 BGB (Umdeutung) herangezogen werden. Eine unzulässige Hauptberufung ist in eine unselbstständige Anschlussberufung umzudenken, wenn die Voraussetzungen für eine zulässige Anschlussberufung vorliegen und die Umdeutung von dem mutmaßlichen Parteiwillen gedeckt wird (BGH 2. Februar 2016 - VI ZB 33/15 - Rn. 7, zitiert nach juris). Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger, der sich der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2017 nach Hinweis der Berufungskammer auf die Umdeutung seiner Berufung in eine Anschlussberufung berufen hat, hat die formellen Voraussetzungen des § 524 ZPO gewahrt; insbesondere bestehen gegen die Rechtzeitigkeit der Anschließung auch insoweit keine Bedenken, als im in der klägerischen Berufungsbegründung angekündigten Antrag zu 2 eine Klageerweiterung liegt, da eine solche im Rahmen einer Anschließung zulässig ist (vgl. BGH 2. Februar 2016 - VI ZB 33/15 - Rn. 10, aaO). Die Anschlussberufung erfordert keine eigenständige Beschwer (BAG 19. Mai 2016 - 3 AZR 766/14 - Rn. 14; BGH 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10 - Rn. 9 f., jeweils zitiert nach juris).

93

II. Weder die Berufung der Beklagten, noch die Anschlussberufung des Klägers haben in der Sache Erfolg.

94

1. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und weit überwiegend in der Begründung mit sorgfältigen Erwägungen zu Recht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abschluss der Nebenabrede mit den erstinstanzlich hilfsweise begehrten Eckpunkten auf Beschäftigung als Paketzusteller hat.

95
1.1. Der Anspruch des Klägers auf Abschluss einer Nebenabrede mit dem hilfsweise verlangten Inhalt über eine Beschäftigung als Paketzusteller ergibt sich - anders als vom Arbeitsgericht angenommen - unmittelbar aus Ziff. 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 05. Juli 2015.

96

a) Das Arbeitsgericht ist in Ergebnis und Begründung zutreffend davon ausgegangen, dass die Gemeinsame Erklärung vom 05. Juli 2015 keine tarifvertragliche Regelung darstellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (S. 9 f. = Bl. 223 f. d. A.) Bezug und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Parteien gehen im Berufungsverfahren von einem Tarifcharakter der Vereinbarung nicht aus.

97

b) Ziff. 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 05. Juli 2015 gewährt dem Kläger als schuldrechtliche Vereinbarung der Tarifvertragsparteien mit berechtigender Wirkung zu Gunsten Dritter einen Anspruch auf Abschluss einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, wie sie der Kläger erstinstanzlich mit der hilfsweise zum Hauptantrag zu 1) geltend gemachten Formulierung verlangt hat.

98

aa) Nach § 328 Abs. 1 BGB können die Vertragsparteien eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung vereinbaren, dass der Dritte - ohne in die Stellung eines Vertragschließenden einzurücken - unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern. Maßgebend sind nach § 328 Abs. 1 BGB die ausdrücklichen oder im Wege der Auslegung zu ermittelnden Anordnungen des Vertrages. Begrenzt wird diese rechtliche Möglichkeit dadurch, dass Lasten für nicht am Vertrag beteiligte Dritte durch einen Vertrag nicht begründet werden können. Einem Vertrag zulasten Dritter stehen die Grundsätze der Privatautonomie entgegen (vgl. insgesamt mwN im Einzelnen: BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 441/09 - Rn. 24, zitiert nach juris). Es ist aber statthaft, für einen Dritten in dem Vertrag, der zu seinen Gunsten geschlossen wird, einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Versprechenden zu begründen, mit ihm einen bestimmten Vertrag zu vereinbaren; dem Dritten kann eine Verpflichtung dergestalt auferlegt werden, dass er das Recht nur erwirbt, wenn er eine Verpflichtung übernimmt (vgl. mwN im Einzelnen: BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 441/09 - Rn. 25, aaO). Der Inhalt der Regelungen eines derartigen Vertrages ist nach §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Ausgehend vom Wortlaut der Klauseln ist deren objektiver Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Maßgebend ist dabei der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen Regelungszusammenhangs. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 32; 20. April 2005 - 4 AZR 292/04 - Rn. 18 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 22; jeweils mwN, zitiert nach juris).

99

bb) Dies zugrunde gelegt, ergibt sich aus Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung vom 05. Juli 2015 ein Anspruch des Klägers auf Abschluss der Nebenabrede mit dem von ihm hilfsweise im Hauptantrag zu 1) geltend gemachten Inhalt.

100

(1) Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung vom 05. Juli 2015 den zum Zeitpunkt der Erklärung bei der Deutschen Post AG beschäftigten Paketzustellern einen Anspruch auf Abschluss einer Vertragsabrede dahingehend einräumt, dass sie weiterhin als Paketzusteller bei der Beklagten beschäftigt bleiben. Die Gemeinsame Erklärung vom 05. Juli 2015 wurde zur Beendigung eines Arbeitskampfes geschlossen, mit dem die Gewerkschaft ver.di sich gegen die grundsätzliche Übertragung des Paketgeschäftes insgesamt auf die von der Beklagten zum 01. Februar 2015 gegründeten Regionalgesellschaften verbunden mit einer Änderung der Tarifgebundenheit an die Tarifverträge Spedition und Logistik wenden wollte. Nachdem dieses Ziel nicht erreichbar war, kann die Regelung - wie vom Arbeitsgericht zu Recht angenommen - nur dahingehend verstanden werden, dass die Tarifvertragsparteien einen berechtigenden Vertrag zu Gunsten Dritter geschlossen haben, der zumindest den zum damaligen Zeitpunkt beschäftigten Paketzustellern einen Bestandsgarantie auf Verbleib als Paketzusteller bei der Beklagten einräumt, den die Beklagte - ausweislich des Eingangssatzes der Erklärung bis 31. Juli 2015 - individualrechtlich umzusetzen hatte.

101

(2) Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung nimmt die Berufungskammer an, dass der Anspruch auf die Nebenabrede mit den konkreten Eckpunkten, wie sie der Kläger hilfsweise verfolgt hat, sich direkt aus Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung vom 05. Juli 2015 ableiten lässt. Zutreffend ist, dass die Tarifvertragsparteien der Beklagten die individualrechtliche Umsetzung der Abrede übertragen haben, ohne genaue Einzelheiten der Formulierung zu regeln. Ungeachtet dessen ergeben sich die Eckpunkte der vom Kläger begehrten Nebenabrede aus Ziff. 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 05. Juli 2015. Die Tatsache, dass eine Regelung dahingehend getroffen werden muss, dass der Arbeitnehmer bei der Beklagten als Paketzusteller beschäftigt ist, resultiert bereits aus dem Regelungsgehalt von Ziff. 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Erklärung als solchem. Der Ausspruch einer Änderungskündigung kam angesichts der Tatsache, dass den Mitarbeitern der bisherige Bestand garantiert werden, sie jedoch nicht Gefahr laufen sollten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, nicht in Betracht. Auch die schlichte Ausübung des Direktionsrechts erfüllte den Sinn einer Bestandssicherung für die Mitarbeiter nicht, sondern hätte die Situation unverändert gelassen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der Anspruch auf den Vorbehalt, dass die Beklagte lediglich aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen andere Tätigkeiten übertragen darf. Die Regelung sollte gerade dazu dienen, eine Übertragung anderer Tätigkeiten als die eines Paketzustellers aus betriebsbedingten Gründen anlässlich der Übertragung des Paketgeschäfts auf die Regionalgesellschaften auszuschließen. Auch die Tatsache, dass die Regelung nicht ordentlich kündbar sein darf, ergibt sich daraus, dass die Tarifvertragsparteien den bereits beschäftigten Arbeitnehmern eine Bestandsgarantie einräumen wollten. Dass die Beklagte davon ausgegangen ist, verpflichtet zu sein, die Vereinbarung in Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung vom 05. Juli 2015 mit derartigem Inhalt umzusetzen, lässt sich im Übrigen dem Umstand entnehmen, dass sie die Formulierung zum Gegenstand der Anlage zum Regelungsbogen vom 13. Juli 2015 gemacht hat.

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(3) Entgegen der Auffassung der Berufung unterfällt der Kläger dem Anwendungsbereich von Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung und zwar auch dann, wenn zu ihren Gunsten als zutreffend unterstellt wird, dass die Vorschrift dahingehend zu verstehen ist, dass lediglich die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien der Abteilung 36 (Auslieferung PAKET) zugeordneten Mitarbeiter gemeint waren, die ausschließlich mit der sog. Paketzustellung in kompakten Gebieten befasst sind, während Mitarbeiter, die der Abteilung 33 (BRIEF) zugeordnet und in der Verbundzustellung (dh. Brief- und Paketzustellung) und der Regelzustellung Pakete (Inselzustellung) eingesetzt wurden, nicht unter die Regelung fallen sollten. Nach zwischenzeitlich rechtskräftigem Obsiegen des Klägers im Rahmen der Befristungskontrollklage steht fest, dass der Kläger über den 28. Februar 2015 hinaus bei der Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat der Vertreter der Beklagten ausdrücklich klargestellt, dass der Kläger, der bis zum Ablauf der unwirksam vereinbarten Befristung ausschließlich in der Zustellbasis L  R als Paketzusteller eingesetzt war, seine Tätigkeit in Zuordnung zur Abteilung 36 (PAKET) verrichtet hat. Damit steht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gemeinsamen Erklärung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand, welches die Beklagte intern der Abteilung 36 (PAKET) zugeordnet hatte. Angesichts dessen zählte der Kläger bei Vertragsschluss am 05. Juli 2015 auch nach Auffassung der Berufungskammer im Sinne der Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung zu den „7634 derzeit bei der Deutschen Post AG beschäftigten Paketzustellern“. Dass der Kläger möglicherweise in von der Gewerkschaft ver.di geführten Listen - ohne dass die Beklagte dies substantiiert dargetan hätte - nicht aufgeführt war, weil er nach Ablauf der vereinbarten Befristung mit der Beklagten einen Rechtsstreit zur Überprüfung von deren Wirksamkeit geführt hat, steht dem nicht entgegen. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass weder nach dem Wortlaut, noch nach dem Sinn und Zweck der Vereinbarung eine tatsächlich am 05. Juli 2015 erbrachte Arbeitsleistung Voraussetzung für deren Anwendbarkeit ist, sondern allein der Bestand eines Arbeitsverhältnisses von Belang ist. Die allenfalls zusätzlich erforderliche Zuordnung zur Abteilung 36 (Paket) zum Stichtag lag beim Kläger vor, da die Beklagte diesen erst nach dem 05. Juli 2015 der Abteilung 33 (BRIEF) zugeordnet und den Kläger auch in der Verbundzustellung eingesetzt hat.

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cc) Dem Anspruch des Klägers steht eine abweichende Vereinbarung der Parteien nicht entgegen. Zwar hat auch ein Vertrag zugunsten Dritter iSv. § 328 BGB rechtsverbindlichen Charakter und kann nicht einseitig vom Arbeitgeber abgeändert werden. Auf individualvertraglicher Ebene sind jedoch durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen der Parteien des Arbeitsvertrags davon abweichende Absprachen möglich. Dies ergibt sich daraus, dass ein durch einen Vertrag zugunsten Dritter begründeter Anspruch keinen zwingenden Charakter hat wie ein tariflicher Anspruch gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG oder wie ein Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG (BAG 12. April 2017 - 7 AZR 446/15 - 37, mwN, zitiert nach juris). Vorliegend haben die Parteien eine von Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung abweichende Vereinbarung nicht getroffen; insbesondere liegt eine solche nicht im unbefristeten Arbeitsvertrag vom 7. August 2015. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer klargestellt, dass der Abschluss dieses Vertrages lediglich der Umsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen der Befristungskontrollklage vor dem Arbeitsgericht gedient habe. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass der Kläger mit diesem Vertrag, der bis auf die Entfristung dem früheren Arbeitsvertrag der Parteien entspricht, auf seinen Anspruch aus Ziff. 1 Abs. 1 Gemeinsame Erklärung verzichten wollte, sofern die Regelung ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt bekannt gewesen sein sollte, nachdem die Beklagte dem Kläger die eine Nebenabrede für Paketzusteller nicht angeboten hat.

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1.2. Infolge Obsiegens des Klägers mit dem Hauptantrag zu 1 in der allein noch den Gegenstand der Berufung der Beklagten bildenden hilfsweisen Formulierung ist dessen Hilfsantrag auf leidensgerechte Beschäftigung in der zuletzt erstinstanzlich geltend gemachten Fassung auch der Berufungskammer nicht zur Entscheidung angefallen.

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2. Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet. Er kann von der Beklagten nicht verlangen, ihm einen Arbeitsplatz - als Paketzusteller - im Postzustellungszentrum L R zuzuweisen. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst das Recht, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 GewO seinen Arbeitsplatz an einem anderen Ort als bisher zuzuweisen. Einen Anspruch auf ausschließlichen Einsatz am früheren Arbeitsort L R hat der Kläger nicht.

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2.1. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO, nach dem der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB (vgl. BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 19, mwN, zitiert nach juris).

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2.2. Das Weisungsrecht der Beklagten ist nicht auf einen Einsatz des Klägers in L R beschränkt.

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a) Eine vertragliche Vereinbarung, dass der Kläger ausschließlich in L R einzusetzen ist, ist nicht ersichtlich. Im letzten Arbeitsvertrag vom 07. August 2015 ist - wie im vorangegangenen Arbeitsvertrag auch - ein konkreter Einsatzort des Klägers nicht genannt. In der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag (Bl. 354 d. A.) ist unter Ziff. 1 “Arbeitsort“ vielmehr festgehalten, dass die Beschäftigung „an verschiedenen Orten“ erfolgt.

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b) Auch eine Konkretisierung des Arbeitsortes durch Zeitablauf ist nicht eingetreten. Arbeitspflichten können sich zwar nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren, dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf; vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 35, mwN, zitiert nach juris). Auch wenn der Kläger bis Ende Februar 2015 über mehrere Jahre in L R als Paketzusteller beschäftigt worden ist, fehlt es an besonderen Umständen, denen er hätte entnehmen können, dass er künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würde. Dass ein Arbeitnehmer sich im Lauf der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfelds an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - aaO, Rn. 36).

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c) Ein Anspruch des Klägers auf eine Beschäftigung ausschließlich in L R ergibt sich nicht aus der Gemeinsamen Erklärung vom 05. Juli 2015, auch wenn die Tarifvertragsparteien in Ziff. 1 der Erklärung zur dortigen Ergebnisniederschrift festgehalten haben, dass Paketzusteller, die vorübergehend in anderen Zustellbasen eingesetzt sind, bis spätestens 15. September 2015 in ihre bisherige Zustellbasis zurückkehren. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Tarifvertragsparteien eine individualrechtliche Umsetzung dieser Regelung - anders als beim weiteren Einsatz als Paketzusteller als solchem - gerade nicht vereinbart haben. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien über eine Konkretisierung der Arbeitspflicht der als Paketzusteller beschäftigten Mitarbeiter als solcher dauerhaft auch deren Arbeitsort hätten konkretisieren wollen, lassen sich der Vereinbarung keine ausreichenden Anhaltspunkte entnehmen. Darüber hinaus war der Kläger bei Abschluss der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien ohnehin nicht im Sinne der Regelung in einer anderen Zustellbasis beschäftigt. Ein Anspruch des Klägers, den dieser gegenüber der Beklagten durchsetzen könnte, ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.

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d) Auch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kann der Kläger seinen Anspruch auf einen ausschließlichen Einsatz in L nicht stützen. Er hat nichts dazu vorgetragen, dass die Beklagte andere Arbeitnehmer ungeachtet betrieblichen Bedarfs ausschließlich in L R einsetzt. Sein erstinstanzlicher Vortrag, er sei der einzige Kollege aus L, der gegen seinen Willen versetzt worden sei, genügt hierzu nicht.

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2.3. Die Berufungskammer vermochte nicht anzunehmen, dass der derzeitige Einsatz des Klägers als Paketzusteller in S billigem Ermessen iSd. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB widerspricht. Hierbei wurde zugunsten des dies nicht ausdrücklich geltend machenden Klägers unterstellt, dass er mit seinem Antrag nicht ausschließlich die Zuweisung eines Einsatzes in L R verfolgt, sondern zudem eine Ermessensausübungskontrolle hinsichtlich seiner derzeitigen Tätigkeit in Schifferstadt begehrt. Angesichts der Tatsache, dass die Entfernung vom Wohnort des Klägers in L R zu seinem derzeitigen Einsatzgebiet als Paketzusteller in S bei ca. 15 km liegt, eine Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr gegeben ist und die Beklagte geltend gemacht hat, über eine Einsatzmöglichkeit für den Kläger in L R nicht zu verfügen, ist die Zuweisung des Arbeitsortes S nach Auffassung der Berufungskammer angesichts der geringen Beeinträchtigungen des Klägers, der keinen Anspruch auf ausschließliche Beschäftigung in L R hat, jedenfalls nicht unbillig.

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2.4. Der derzeitige Einsatz des Klägers in S ist nicht nach § 99 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger als Vertreter mit mehreren Dienstorten - hierunter zuletzt S - im Bereich des ZSPL N eingesetzt wird. Einer erneuten Beteiligung des Betriebsrates bedurfte es daher nicht.

B

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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