Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Sa 302/17

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 27.04.2017 - 5 Ca 393/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten darüber, wer zur Erklärung der Zustimmung zur Auszahlung einer hinterlegten Invaliditätsleistung in Höhe von 105.000,00 EUR verpflichtet ist.

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Der 1954 geborene Kläger war aufgrund Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2013 (Bl. 32 - 38 d. A.) seit 01. Juli 2013 bei der Beklagten als Fahrer eines LKW-Silozuges beschäftigt.

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Am 02. August 2014 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall und war seitdem arbeitsunfähig erkrankt.

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Der Kläger war - wie alle Arbeitnehmer der Beklagten - aufgrund einer von der Beklagten abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung unfallversichert. Der hierzu von der Beklagten abgeschlossene Versicherungsvertrag bei der KRAVAG-SACH Versicherung des Deutschen Kraftverkehrs VaG (Gruppenunfallversicherung Nr. 000000000) umfasste den Kläger als versicherte Person.

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Wegen seines Arbeitsunfalls vom 02. August 2014 meldete der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 01. Dezember 2014 (Bl. 46, 47 d. A.) den Schadensfall der Versicherung mit dem Antrag, seine Ansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag dem Grunde nach anzuerkennen und die zur Ermittlung des Anspruchs erforderlichen Maßnahmen - Begutachtung - einzuleiten.

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In dem vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - unter dem Aktenzeichen 5 Ca 935/15 geführten Kündigungsschutzverfahren ist zwischen den Parteien gemäß Beschluss vom 28. Dezember 2015 (Bl. 41 - 45 d. A.) ein Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen worden, der u.a. folgende Regelungen enthält:

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1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 26.11.2015 unter Beachtung der geltenden Kündigungsfrist zum 31.12.2015 ("Beendigungsdatum") enden wird.

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2. Die Parteien gehen davon aus, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin arbeitsunfähig erkrankt sein wird. Sollte gleichwohl die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt sein, wird das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungsdatum auf Basis eines Bruttomonatsgehalts in Höhe von EUR 2.600,00 ordnungsgemäß abgerechnet und die sich hieraus ergebenden Nettobeträge an den Kläger zur Auszahlung gebracht werden.

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3. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG in Höhe von EUR 8.500,00 brutto. Der Abfindungsanspruch ist mit Protokollierung dieses Vergleichs entstanden und vererblich und zum Beendigungsdatum zur Zahlung fällig.

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(…)

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9. Mit Protokollierung dieses Vergleichs sind mit Ausnahme der sich aus diesem Vergleich ergebenden Ansprüche alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis oder im Zusammenhang mit dessen Beendigung sowie auch aus sonstigen Rechtsgründen, gleich welcher Art abgegolten und erledigt.

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Dieser Vergleich verliert durch eine Veränderung betrieblicher Umstände nach seinem Abschluss nicht seine Gültigkeit. Der Kläger verzichtet insbesondere auf einen eventuell zukünftig entstehenden Wiedereinstellungsanspruch.

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10. Die Parteien sind sich ferner einig, dass darüber hinausgehende Vergütungsbestandteile, insbesondere auf Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht bestehen. Der Kläger verzichtet ausdrücklich auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, insbesondere solcher, die im Rechtsstreit AZ 5 Ca 871/15 geltend gemacht worden sind.

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11. Mit diesem Vergleich ist der vorliegende Rechtsstreit, sowie die vor dem Arbeitsgericht Landau unter den Az.: 5 Ca 871/15 und 5 Ca 870/15 anhängigen Rechtsstreite erledigt.

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12. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben."

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Mit Schreiben vom 28. Januar 2016 (Bl. 5, 6 d. A.) teilte die Versicherung dem Kläger mit, dass nach dem ihr vorliegenden Gutachten eine Invaliditätsleistung von 105.000,00 EUR abrechnungsfähig sei, aber die Beklagte darum bitte, die Invaliditätsleistung an sie selbst zu überweisen. Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 08. Februar 2016 (Bl. 194 - 196 d. A.) vorsorglich die Anfechtung des Vergleichs erklärt. Am 18. Februar 2016 hat die Versicherung die Versicherungssumme von 105.000,00 EUR beim Amtsgericht Hamburg - Az.: 57 HL 259/16 - hinterlegt unter Verzicht auf die Rücknahme.

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Mit seiner am 01. April 2016 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - eingegangenen Klage begehrt der Kläger von der Beklagten deren Zustimmung zur Auszahlung der hinterlegten Invaliditätsleistung von 105.000,00 EUR an ihn. Die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage ihrerseits die Erteilung der Zustimmung des Klägers zur Auszahlung des hinterlegten Betrags in Höhe von 105.000,00 EUR an sie.

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Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 27. April 2017 - 5 Ca 393/16 - verwiesen.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Hamburg Zustimmung mit der Auszahlung der Invaliditätsleistung von 105.000,00 EUR der KRAVAG-SACH Versicherung VaG, Heidenkampsweg 102, 20097 Hamburg zur Unfall-Schaden-Nr.: 00000000 an ihn zu erklären.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und widerklagend,

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den Kläger zu verurteilen, die Zustimmung zur Auszahlung des durch die KRAVAG-Sachversicherung des deutschen Kraftverkehrs VaG zum Unfallversicherungsfall Nr. 000000000 beim Amtsgericht Hamburg hinterlegten Betrag (Geschäftsnummer 57 HL 259/16) in Höhe von 105.000,00 EUR an sie zu erteilen.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Widerklage abzuweisen.

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Mit Urteil vom 27. April 2017 - 5 Ca 393/16 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

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Gegen das ihr am 18. Mai 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. August 2017 mit Schriftsatz vom 18. August 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

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Sie trägt vor, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bestehe nicht und sei jedenfalls durch den abgeschlossenen Prozessvergleich im Vorprozess untergegangen. Sie habe der Verfolgung der Rechte des Klägers aus dem Versicherungsvertrag gegenüber der Versicherung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt oder hierzu eine Einwilligung erteilt. Bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages habe sie dem Kläger eine Ablichtung der "Versicherungsurkunde" ausgehändigt. Entgegen der unzutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts lasse sich aus der abermaligen Übergabe einer Ablichtung der "Urkunde" keine Einwilligung in die Geltendmachung von Ansprüchen entnehmen. Über die bloße Informationsweitergabe an den Kläger habe mit der Übermittlung der Urkunde durch den Zeugen Z eine darüber hinausgehende Erklärung nicht verbunden sein sollen und können, zumal der Zeuge Z zu derartigen Erklärungen in ihrem Betrieb nicht bevollmächtigt und beauftragt sei. Im Hinblick darauf, dass nach § 44 VVG die versicherte Person nur Ansprüche unter Vorlage des Versicherungsscheins (im Original) geltend machen könne, habe sie auch mit der Vorlage einer Ablichtung einer - selbst gestalteten und selbst erstellten - Versicherungsurkunde einen über die Informationsweitergabe hinausgehenden Erklärungswert nicht befürchten müssen. Insbesondere habe in der Übermittlung auch keine Erklärung dahingehend gelegen, dass eine Auszahlung unmittelbar an den Kläger erfolgen solle. Im Hinblick darauf, dass dem Kläger nach seiner eigenen Erklärung in der Klageschrift vom 22. März 2016 nicht bekannt gewesen sei, dass kein Direktanspruch gegen die KRAVAG zur Auszahlung bestehe und eine entsprechende Zustimmung durch sie erforderlich sei, könne auch nach dem Empfängerhorizont nicht ihre Einwilligung zur Auszahlung an den Kläger unterstellt werden, der selbst vom Bestehen derartiger Ansprüche nicht ausgegangen sei bzw. über seine Ansprüche keine Klarheit gehabt habe. Erst durch die unzutreffende Unterstellung, eine konkludente Einwilligung habe bereits vor Vergleichsabschluss vorgelegen, sei das Arbeitsgericht fehlerhaft zu der Annahme gelangt, dass der Auszahlungsanspruch nicht von der später vereinbarten Ausgleichsklausel mit umfasst sei. Mit dem Vergleich vom 28. Dezember 2015 habe sich der Kläger etwaiger Ansprüche auf Auszahlung bzw. Zustimmung zur Auszahlung von Versicherungsleistungen gegen sie begeben. Entgegen der unzutreffenden Unterstellung des Arbeitsgerichts habe der Kläger keine konkrete Vorstellung davon gehabt, dass die vermeintlichen Ansprüche auf Zustimmung zur Auszahlung von dem Vergleich nicht mit umfasst seien. Vielmehr habe der Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hierüber noch keine Vorstellung gehabt, weil er nämlich nicht davon ausgegangen sei, dass kein Direktanspruch bestehe und sie ihre Zustimmung zur Auszahlung verweigern werde. Hingegen sei ihr zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bekannt gewesen, dass eine Auszahlung in der hier gegenständlichen Höhe anstehe. Dementsprechend umfassend und detailliert sei auch der Vergleichstext von ihrem Prozessbevollmächtigten entworfen, an die Prozessbevollmächtigten des Klägers übermittelt und von diesen letztlich ohne Änderungswunsch mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2015 angenommen worden. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe sich der Kläger auf Anforderung der KRAVAG immerhin einer gutachterlichen Untersuchung seines Gesundheitszustandes unterzogen gehabt, so dass er bereits zu diesem Zeitpunkt mit einem Leistungsfall und einer möglichen Versicherungsleistung habe rechnen können. Sehr wahrscheinlich hätten die Prozessbevollmächtigten des Klägers vor Abschluss des Vergleichs und bei zutreffender Bewertung, dass es sich um keinen Direktanspruch handele, eine Ausnahme in die Ausschlussklausel formuliert. Nach den Überlegungen des Arbeitsgerichts wäre es künftig erforderlich, dass Prozessbevollmächtigte die Gegenseite über das mögliche Bestehen von Ansprüchen aufklärten, um nicht dem Einwand fehlender interessengerechter Auslegung zu begegnen. Sie habe sehr wohl erkannt, dass bei dem Kläger möglicherweise ein Informationsdefizit bezüglich des Anspruchs auf Zustimmung zur Auszahlung vorliege. Die Anspruchsanmeldung bei der KRAVAG und das Kündigungsschutzklageverfahren seien durch verschiedene Sachbearbeiter in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers bearbeitet worden. Die wechselnde Bearbeitung eines Mandates durch verschiedene Sachbearbeiter führe zu derartigen Reibungsverlusten. Es sei fraglich, ob der das Kündigungsschutzmandat des Klägers bearbeitenden Prozessbevollmächtigten die vermeintlichen Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungsleistung überhaupt bekannt gewesen seien. Sie sei davon ausgegangen, dass dies von Seiten des Klägers vergessen worden wäre. Ihr Prozessbevollmächtigter habe mit ihrem Prokuristen hierüber mehrfach gesprochen. Entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts habe sie sehr wohl die Ansprüche auf dem Schirm gehabt, während dies beim Kläger nur deshalb nicht der Fall gewesen sei, weil er irrig davon ausgegangen sei, einen Direktanspruch zu haben. Damit habe der Kläger einer rechtlichen Fehlbewertung unterlegen, die ihr jedoch nicht anzulasten sei. Käme es alleine auf die Feststellung eines Verzichtswillens an, hätte dies zur Konsequenz, dass sich der Betroffene immer dadurch schützen könnte, dass er schlicht behaupte, an diesen Anspruch nicht gedacht zu haben. Im Übrigen sei sie bereits erstmals mit Schreiben vom 24. August 2015 aufgefordert worden, der Auszahlung an den Kläger zuzustimmen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger noch vier Monate Zeit gehabt, die Auszahlung an sich zu verlangen, bis es zum Abschluss des Vergleichs und dem hiermit erklärten Verzicht auf die diesbezügliche Erklärung/Handlung durch sie gekommen sei. Bei zutreffender Würdigung habe das Arbeitsgericht von der Miterfassung des Auszahlungsanspruchs von der Abgeltungsklausel ausgehen müssen. Der Kläger sei lediglich aufgrund unzutreffender rechtlicher Würdigung vom Bestehen eines Direktanspruches ausgegangen und habe deshalb nicht angenommen, dass die Abgeltungsklausel einen Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung mit umfassen würde. Bei dem Auszahlungsanspruch aus der Unfallversicherung handele es sich nicht um einen Versorgungsanspruch im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. In der zitierten Entscheidung vom 20. April 2010 - 3 AZR 225/08 - habe das Bundesarbeitsgericht über gesetzlich unverfallbare Ansprüche aus dem BetrAVG entschieden, während es sich vorliegend um Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag bzw. nach dessen Auflösung um Ansprüche aus einem nachvertraglichen Treue- bzw. Treuhandverhältnis handele. Auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Februar 2012 - 2 Sa 635/11 - sei allein über "unverfallbare Rentenansprüche" ergangen. Der vom Kläger reklamierte Anspruch sei als Nebenanspruch aus dem Arbeitsverhältnis anzusehen, auf den er jedoch gegenüber ihr verzichtet habe. Dementsprechend habe sie seit Hinterlegung des Betrages durch die KRAVAG gegen den Kläger einen Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung des Anspruchs gegenüber der Hinterlegungsstelle aus § 812 BGB. Für das Bestehen der Freigabepflicht des Klägers sei die Gläubigerstellung gegenüber der KRAVAG und nicht das Innenverhältnis zwischen den Parteien maßgebend. Ziff. 9 des Vergleichstextes lasse nach ihrem Verständnis keine andere Auslegung zu, als dass alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien erledigt sein sollten, mit Ausnahme derer, die in dem Vergleichstext abweichend behandelt würden. Die in Ziff. 10 des Vergleichs aufgezählten Positionen seien lediglich deklaratorisch aufgenommen worden.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 27. April 2017 - 5 Ca 393/16 - abzuändern und die Klage abzuweisen sowie widerklagend, den Kläger zu verurteilen, die Zustimmung zur Auszahlung des durch die KRAVAG-Sachversicherung des deutschen Kraftverkehrs VaG zum Unfallversicherungsfall Nr.: 00000000 beim Amtsgericht Hamburg hinterlegten Betrag (Geschäftsnummer 57 HL 259/16) in Höhe von 105.000,00 EUR an sie zu erteilen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er erwidert, gemäß § 44 Abs. 1 VVG würden die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zustehen, während der VersicherungsnZ die Leistung zwar fordern, sie aber dem Versicherten zukommen lassen müsse. Er sei nicht berechtigt, sie unter Umgehung des § 179 Abs. 3 VVG für sich zu behalten. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, gegenüber der Hinterlegungsstelle die Zustimmung zur Auszahlung der Versicherungssumme zu erklären. Die Beklagte habe ihm die Urkunde übergeben, die "seine Mitversicherung bei der KRAVAG Unfallversicherung" beinhalte. Sie habe damit der Verfolgung seiner Rechte gegenüber der Versicherung zugestimmt. Nach einem Telefonat mit dem Zeugen Z, der als sein Vorgesetzter und Chefdisponent bei der Beklagten eine leitende Stellung innegehabt habe, habe dieser ihm die vorgenannte Urkunde zugeschickt, damit er seine Ansprüche direkt bei der KRAVAG geltend machen könne. Zuvor habe er auf seine schlechte finanzielle Lage aufgrund des Unfalls hingewiesen und um Auflösung des Guthabenkontos gebeten, woraufhin der Vorgesetzte Z ihn darauf verwiesen habe, seine Zahlungsansprüche gegen die Unfallversicherung durchzusetzen, um so seine finanzielle Lage zu verbessern. Diese Urkunde sei ihm nach dem erfolgten Unfall zugeschickt worden und die Beklagte habe damit der Verfolgung seines Rechts gegenüber der Versicherung zugestimmt, wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt habe. Er habe auch das Handeln der Beklagten nicht anders verstehen können, weil sich die Übergabe der Urkunde auf den konkreten Schadensfall bezogen habe und er die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag selbst habe geltend machen sollen. Das Arbeitsgericht habe auch zu Recht festgestellt, dass der Vergleich vom 28. Dezember 2015 seinem Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung der Versicherungssumme nicht entgegenstehe. Im Hinblick darauf, dass die KRAVAG-Versicherung die Versicherungsleistung erst nach Abschluss des Vergleichs hinterlegt habe und dementsprechend auch der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung erst nach Abschluss des Vergleichs entstanden sei, habe dieser Anspruch vom damaligen Vergleich gar nicht erfasst sein können. Der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme an sich bestehe gemäß § 44 VVG gegenüber der Versicherung. Mit dem gerichtlichen Vergleich seien lediglich Ansprüche zwischen den Parteien abgegolten worden, nicht jedoch Ansprüche zwischen ihm und der KRAVAG-Versicherung. Der geschlossene Vergleich wirke zulasten der Beklagten. Aufgrund der Abgeltungsklausel stehe fest, dass die Beklagte keine Ansprüche mehr habe, die sei gemäß § 44 VVG seinem Auszahlungsanspruch entgegenhalten könnte. Die Beklagte habe nach ihren eigenen Ausführungen zum Zeitpunkt des Abschluss des Vergleiches gewusst, dass für ihn als versicherte Person eine Versicherungssumme in Höhe von 105.000,00 EUR von der KRAVAG an ihn habe ausbezahlt werden sollen und die Versicherung gemäß § 45 Abs. 3 VVG zur Leistung an die Beklagte als Versicherungsnehmerin nur verpflichtet sei, wenn der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt habe. Die KRAVAG-Versicherung sei deshalb berechtigt gewesen, die Versicherungssumme unter Verzicht auf die Rücknahme mit befreiender Wirkung zu hinterlegen. Das Gericht habe zu Recht ausgeführt, dass die im Vergleich enthaltene Ausgleichsklausel auszulegen sei. Die Beklagte habe aus keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt davon ausgehen können, dass er im Rahmen des Vergleichs zu ihren Gunsten auf Ansprüche aus der Unfallversicherung habe verzichten wollen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Betriebsrentenansprüchen hingewiesen, wonach Gesamterledigungsklauseln im Regelfall dahin auszulegen seien, dass Betriebsrentenansprüche nicht erfasst seien. Auch die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegenden Ansprüche aus der Unfallversicherung seien als Versorgungsansprüche zu werten und hätten für die Berechtigten eine große Bedeutung. Eine Ausgleichsklausel könne daher ohne unmissverständliche Erklärung nicht als Verzicht auf solche Versorgungsansprüche bewertet werden. Ein solcher Verzicht hätte eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden müssen, was aber gerade nicht geschehen sei. Vielmehr ergebe sich im Gegenteil aus Ziff. 9 Abs. 2 und Ziff. 10 des Vergleichs, dass die Ansprüche, auf die verzichtet werden sollte, ausdrücklich bezeichnet worden seien. Ein Verzicht, ein Erlass oder ein negatives konstitutives Schuldanerkenntnis sei im Hinblick auf Ansprüche aus der Unfallversicherung zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Die massive bleibende Schädigung, die er durch den Arbeitsunfall erlitten habe und die auch der Beklagten als Arbeitgeberin bekannt gewesen sei, müsse bei der Auslegung des Vergleichs ebenso berücksichtigt werden. Die Beklagte habe ohne besondere Hervorhebungen und ohne besonderen diesbezüglichen Anlass nicht annehmen können, dass er auf die Auszahlung der Invaliditätsleistung in Höhe von 105.000,00 EUR habe verzichten wollen. Tatsächlich würde die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des Vergleichs dazu führen, dass keine der Parteien die Auszahlung der Versicherungssumme mangels Zustimmung der Gegenseite erwirken könnte und die Verweigerung der Zustimmung letztlich dazu führen würde, dass die Beklagte ihn vorsätzlich schädige, weil die Hinterlegung durch die KRAVAG Versicherung unter Verzicht auf die Rücknahme erfolgt sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

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Die Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

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1. Die Beklagte hat bei der KRAVAG-SACH Versicherung des Deutschen Kraftverkehrs VaG eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen, die den Kläger als versicherte Person umfasst. Mangels schriftlicher Einwilligung des Klägers handelt es sich nicht um eine Eigenversicherung, sondern um eine Fremdversicherung (§§ 179 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 i.V.m. 43 ff. VVG, vgl. BAG 17. Juni 1997 - 9 AZR 839/95 - Rn. 13, NZA 1998, 376; LAG Rheinland-Pfalz 18. August 2005 - 1 Sa 171/05 - Rn. 58, juris). Bei einer solchen Fremdversicherung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag materiell dem Versicherten zu (§ 44 Abs. 1 Satz 1 VVG). Der Versicherungsnehmer ist nur formeller Träger der Versicherungsrechte (§ 45 VVG). Soweit ihm die Versicherungssumme zufließt, hat er in der Art eines gesetzlichen Treuhänders das empfangene Geld an die versicherte Person auszukehren (BAG 17. Juni 1997 - 9 AZR 839/95 - Rn. 13, NZA 1998, 376). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsnehmer sind im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers über die materiell dem Versicherten zustehende Entschädigungsforderung als gesetzliches Treuhandverhältnis anzusehen (BAG 21. Februar 1990 - 5 AZR 169/89 - Rn. 13, NZA 1990, 701; BAG 17. Juni 1997 - 9 AZR 839/95 - Rn. 13, NZA 1998, 376; BGH 07. Mai 1975 - IV ZR 209/73 - Rn. 12, NJW 1975, 1273). Aufgrund dieses Treuhandverhältnisses, das dem Versicherungsnehmer nur die Stellung einer Durchgangsperson einräumt, ergibt sich die Verpflichtung, die Versicherungsleistung an den Berechtigten abzuliefern. Besteht zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer ein Arbeitsverhältnis, folgt auch hieraus die Verpflichtung des Arbeitgebers, die erhaltene Versicherungssumme auszukehren. Denn es wäre mit seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht unvereinbar, einen Betrag zu behalten, auf den nach den Vorschriften des Versicherungsvertragsrechts der Arbeitnehmer als Gefahrperson allein Anspruch erheben könnte (BAG 21. Februar 1990 - 5 AZR 169/89 - Rn. 13, NZA 1990, 701).

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2. Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte gemäß der Annahme des Arbeitsgerichts mit der dem Kläger ausgehändigten "Urkunde" konkludent ihre Zustimmung erteilt hat, dass dieser die ihm zustehenden Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag selbst gegenüber der Versicherung verfolgt (§ 44 Abs. 2 VVG). Aus dem Treuhandverhältnis, das vorliegend durch den im Innenverhältnis bestehenden Arbeitsvertrag modifiziert wird, hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese zu seinen Gunsten auf ihr Verfügungsrecht nach § 45 Abs. 1 VVG verzichtet und der Auszahlung des hinterlegten Betrages an ihn zustimmt. Jedenfalls ist die Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, der Auszahlung des hinterlegten Betrages an den Kläger zuzustimmen.

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a) Ein Recht der Beklagten, die Versicherungssumme für sich selbst zu behalten, besteht nicht. Insbesondere haben die Parteien in dem im Vorprozess geschlossenen Vergleich nicht vereinbart, dass die Versicherungsleistung nicht mehr dem Kläger als materiell Berechtigtem, sondern nunmehr der Beklagten zustehen soll. Vielmehr steht im Gegenteil aufgrund der vereinbarten Abgeltungsklausel fest, dass der Beklagten keine aufrechenbaren Gegenansprüche gegen den Kläger mehr zustehen. Die Beklagte kann sich im Streitfall nicht auf das Verfügungsrecht aus § 45 Abs. 1 VVG berufen. Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber aus dem Treuhandverhältnis einen Anspruch auf "Abtretung" der gegenüber der Versicherung bestehenden Ansprüche dahingehend, dass der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers auf das Verfügungsrecht aus § 45 Abs. 1 VVG verzichtet (LAG Rheinland-Pfalz 18. August 2005 - 1 Sa 171/05 - juris). Im Streitfall ist das gesetzliche Treuhandverhältnis der §§ 43 ff. VVG durch den im Innenverhältnis bestehenden Arbeitsvertrag mit der daraus resultierenden Fürsorgepflicht modifiziert. Mit der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht, die auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortwirkt, wäre es nicht nur unvereinbar, einen Betrag zu behalten, auf den nach den Vorschriften des Versicherungsvertragsrechtes der Arbeitnehmer als Gefahrperson allein Anspruch erheben könnte. Gleiches gilt auch für die Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers nach § 45 VVG. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber entgegen seiner Fürsorgepflicht erheblich erschweren, dass der Arbeitnehmer die ihm infolge des Unfalls zustehende Versicherungsleistung erhält (LAG Rheinland-Pfalz 18. August 2005 - 1 Sa 171/05 - Rn. 88, juris). Aus dem Treuhandverhältnis, das vorliegend durch den im Innenverhältnis bestehenden Arbeitsvertrag modifiziert wird, hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese zu seinen Gunsten auf ihr Verfügungsrecht nach § 45 Abs. 1 VVG verzichtet und der Auszahlung des hinterlegten Betrages an ihn zustimmt.

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b) Jedenfalls ist die Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, der Auszahlung des hinterlegten Betrages an den Kläger zuzustimmen.

42

Die Rechtsausübung ist missbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (Palandt BGB 76. Aufl. § 242 Rn. 50). Im Hinblick darauf, dass der Beklagten als Versicherungsnehmerin aus dem Innenverhältnis (Arbeitsverhältnis) keine (aufrechenbaren) Ansprüche gegen den Kläger als Versicherten mehr zustehen (können), fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse der Beklagten, die Zustimmung zur Auszahlung der allein dem Kläger zustehenden Versicherungsleistung zu verweigern.

43

2. Der Kläger hat mit dem im Kündigungsschutzprozess abgeschlossenen Vergleich vom 28. Dezember 2015 und der darin vereinbarten Abgeltungsklausel nicht zugunsten der Beklagten auf die ihm zustehende Versicherungsleistung verzichtet.

44

Nach Ziff. 9 des Vergleichs sind mit Protokollierung dieses Vergleichs mit Ausnahme der sich aus diesem Vergleich ergebenden Ansprüche alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis oder im Zusammenhang mit dessen Beendigung sowie auch aus sonstigen Rechtsgründen, gleich welcher Art, abgegolten und erledigt. Diese Abgeltungsklausel steht dem Anspruch des Klägers auf Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung des hinterlegten Betrags nicht entgegen. Das ergibt die Auslegung der Abgeltungsklausel.

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a) Bei der vorzunehmenden Auslegung der Abgeltungsklausel ist zunächst der übereinstimmende Parteiwille maßgeblich. Lässt sich ein übereinstimmender Wille nicht feststellen, sind die Erklärungen der Vertragspartner jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Dabei sind alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören insbesondere die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrags und die bei Vertragsschluss vorliegende Interessenlage. Dabei sind Ausgleichsklauseln in Vergleichen im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Die Parteien wollen in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie bei Vertragsschluss daran dachten oder nicht (BAG 11. Oktober 2006 - 5 AZR 755/05 - Rn. 24, juris).

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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Parteien mit der vereinbarten Abgeltungsklausel zwar ihr Arbeitsverhältnis abschließend bereinigt, nicht aber den sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden materiellen Anspruch des Klägers auf die Versicherungsleistung und die aus dem Treuhandverhältnis resultierende Pflicht der Beklagten zur Weiterleitung der Versicherungsleistung bzw. - nach erfolgter Hinterlegung - zur Erteilung der Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrags zum Erlöschen gebracht.

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Unter dem Begriff der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis fallen alle vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Bei derartigen Ansprüche sind die Parteien des Arbeitsvertrages Gläubiger und Schuldner, der Anspruch richtet sich immer gegen den Arbeitgeber oder gegen den Arbeitnehmer und hat eine Leistung aus dem Vermögen des jeweiligen Schuldners zum Gegenstand. Entscheidend ist dabei der Entstehungsbereich des Anspruchs (BAG 21. Februar 1990 - 5 AZR 169/89 - Rn. 16, NZA 1990, 701). Im Streitfall stammt die Versicherungsleistung nicht aus dem Vermögen der Beklagten, sondern aus dem des Versicherers. Ansprüche, die auf der Grundlage des Treuhandverhältnisses vom Versicherten als Treugeber gegen den Versicherungsnehmer als Treuhänder erhoben werden, sind keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Entstehungsbereich ist nicht das Arbeitsverhältnis, sondern das daneben bestehende besondere Versicherungsvertragsverhältnis (BAG 21. Februar 1990 - 5 AZR 169/89 - Rn. 17 und 18, NZA 1990, 701). Auch mit den "sonstigen Rechtsgründen" i.S.d. Ziff. 9 des Vergleichs sind erkennbar Ansprüche gemeint, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Die Formulierung knüpft an die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder im Zusammenhang mit dessen Beendigung an. Mit einer Ausgleichsklausel wollen die Parteien regelmäßig ihr Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen. Trotz der weiten Fassung der Abgeltungsklausel muss entsprechend ihrem Zweck das Arbeitsverhältnis die Grundlage für den Anspruch bilden. Ein loser tatsächlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis qualifiziert Ansprüche aus selbständigen Verträgen - wie hier aus dem Versicherungsvertrag und dem daraus resultierenden Treuhandverhältnis -, deren rechtliche Ausgestaltung außerhalb der Rechtsbeziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer liegen, nicht als Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen (BAG 21. Februar 1990 - 5 AZR 169/89 - Rn. 19, NZA 1990, 701). Im Hinblick darauf, dass der aus dem Treuhandverhältnis resultierende Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung von der Abgeltungsklausel nicht erfasst wird, kann für den Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrags nichts anderes gelten. Die Versicherungsleistung ist erst nach Abschluss des Vergleichs vom Versicherer hinterlegt worden. Der damit erst nach Vergleichsabschluss entstandene Anspruch des Klägers auf Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung des hinterlegten Betrags wird von der Abgeltungsklausel ebenso wie der aus dem Treuhandverhältnis resultierende Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung nicht erfasst, auch wenn das gesetzliche Treuhandverhältnis durch den im Innenverhältnis bestehenden Arbeitsvertrag und der daraus abzuleitenden Fürsorgepflicht, die auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortwirkt, gemäß den obigen Ausführungen modifiziert wird.

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Bei der Auslegung ist insbesondere auch die Bedeutung der Versorgungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu berücksichtigen (vgl. hierzu BAG 20. April 2010 - 3 AZR 225/08 - Rn. 50, NZA 2010, 883). Für die Beklagte war bei Abschluss des Vergleichs eindeutig erkennbar, dass der Kläger ohne besonderen Grund nicht auf seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag und dem durch den Arbeitsvertrag modifizierten Treuhandverhältnis zu ihren Gunsten verzichten will. Die Beklagte hat dies nach ihrem Vortrag in der Berufungsbegründung auch tatsächlich erkannt und ist selbst davon ausgegangen, dass der Kläger lediglich "vergessen" habe, diesbezüglich eine Ausnahmeregelung zu treffen. Nichts spricht für einen Willen des Klägers, auf die ihm als materieller Anspruchsinhaber zustehende Versicherungsleistung in Höhe von mehr als 100.000,00 EUR zugunsten der Beklagten zu verzichten. Die Beklagte hat selbst ausgeführt, dass ihr zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gewesen sei, dass eine Auszahlung in der hier gegenständlichen Höhe anstehe. Dementsprechend durfte die Beklagte nach Treu und Glauben aus ihrer Sicht als Erklärungsempfängerin die mit dem Vergleich abgegebenen Erklärungen des Klägers nicht dahingehend verstehen, dass der Kläger auf die ihm zustehende Versicherungsleistung mit dem ihr bekannten hohen Wert und dementsprechend großer Bedeutung verzichten will. Vielmehr hätte ein Verzicht des Klägers auf die ihm aus dem Versicherungsvertrag zustehende Versicherungsleistung eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden müssen. Eine derartige unmissverständliche Erklärung fehlt im vorliegenden Fall. Danach steht die erst nach Vergleichsabschluss ausgezahlte Versicherungsleistung nicht der Beklagten, sondern dem Kläger zu, der auch auf seine diesbezüglichen Rechte gegenüber der Beklagten aus dem Treuhandverhältnis nicht zu deren Gunsten verzichtet hat. Der erst nach Vergleichsabschluss entstandene Klageanspruch auf Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrags wird von der Abgeltungsklausel nicht erfasst.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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