Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (6. Kammer) - 6 Ta 209/19

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 12. November 2019 - Az.: 3 Ca 229/17 - aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

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I. Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer monatlichen Ratenzahlung im Rahmen ihm bewilligter Prozesskostenhilfe.

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Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat dem Kläger nach verfahrensbeendendem Vergleich in der Hauptsache vom 22. Juni 2017 mit Beschluss vom 07. Juli 2017 Prozesskostenhilfe einstweilen ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Der Bewilligung lag die Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 25. Juni 2017 nebst Anlagen zugrunde, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 2 ff. d. PKH-Beiheftes verwiesen wird. Unter dem 01. August 2017 wurde die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf 1.094,21 Euro festgesetzt.

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Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 120a ZPO reichte der Kläger eine neue Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 14. September 2019 nebst Belegen zur Akte, hinsichtlich deren Inhaltes auf Bl. 59 ff. PKH-Beiheft Bezug genommen wird. Das Arbeitsgericht hat den Kläger mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 zu einer beabsichtigten Ratenzahlungsanordnung in Höhe von monatlich 66,00 Euro angehört, gegen den dieser eingewendet hat, der Ratenzahlungsanordnung stehe entgegen, dass er sich nach Eröffnung seines Privatinsolvenzverfahrens am 12. September 2018 und dessen Aufhebung mangels zu verteilender Masse am 12. September 2019 nunmehr in der Wohlverhaltensphase befinde.

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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 12. November 2019 monatliche Raten in Höhe von 66,00 Euro angeordnet. Wegen der Begründung wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.

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Der Kläger hat gegen den am 13. November 2019 zugestellten Beschluss mit am 27. November 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 22. November 2019 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, die Staatskasse gehöre mit ihrer bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Forderung zu den Insolvenzgläubigern und könne diese nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens, nicht jedoch im Wege der nachträglichen Zahlungsanordnung im Änderungsverfahren nach § 120a ZPO geltend machen.

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Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im weiteren Beschwerdeverfahren hat der Kläger seine Rechtsauffassung wiederholt und vertieft.

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II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich.

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1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG iVm. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 78 Satz 1 ArbGG zulässig, da sie fristgerecht eingelegt wurde und auch ansonsten statthaft ist.

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2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die zwischenzeitliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers, hinsichtlich dessen Restschuldbefreiung noch nicht eingetreten ist, steht der nachträglichen Anordnung einer Ratenzahlung gemäß § 120a ZPO im Hinblick auf die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Forderung der Staatskasse entgegen.

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2.1. § 120a Abs. 1 ZPO sieht eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen vor, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben.

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2.2. Ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der nachträglichen Anordnung von Zahlungen im Änderungsverfahren nach § 120a ZPO entgegensteht, wenn der Anspruch der Staatskasse - wie vorliegend - bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, ist streitig.

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a) Teilweise wird dies mit der Begründung verneint, dass das unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegende Einkommen nicht der Zwangsvollstreckung unterliege und daher nicht zur Insolvenzmasse gehöre, weshalb insoweit kein Verfügungsverbot des Insolvenzschuldners bestehe (vgl. LAG Köln 07. Oktober 2015 - 1 Ta 231/15 - Rn. 3, OLG Koblenz 06. April 2010 - 9 WF 159/10 - Rn. 7, OLG Zweibrücken v. 04. Oktober 2005 - 6 UF 87/05 - Rn. 1, jeweils zitiert nach juris).

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Anderer Auffassung nach stellt ein vor der Insolvenzeröffnung entstandener Anspruch der Staatskasse auf Gerichtskosten und auf nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG auf sie übergegangene Gebührenansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts eine Insolvenzforderung dar, die nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens - und damit nicht im Wege einer nachträglichen Zahlungsanordnung gemäß § 120a ZPO - geltend gemacht werden kann (vgl. BGH 20. August 2019 - XII ZB 119/19 - Rn. 13 ff., OLG Frankfurt 03. Januar 2019 - 5 WF 133/18 - Rn. 14 ff.; LAG Rheinland-Pfalz 19. Dezember 2011 - 10 Ta 271/11 - Rn. 7 und 5. Januar 2011 - 10 Ta 266/10 - juris Rn. 10 ff., jeweils zitiert nach juris).

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b) Die Beschwerdekammer schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.

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aa) Die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Forderungen der Staatskasse, zu deren Geltendmachung die nachträgliche Zahlungsanordnung ergehen würde, sind Insolvenzforderungen im Sinne von §§ 38, 87 InsO. Nach § 38 InsO dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Die Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Zu den von dieser Durchsetzungssperre erfassten Insolvenzgläubigern gehört auch die Staatskasse, soweit ihre Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind (vgl. insgesamt BGH 28. August 2019 - XII ZB 119/19 - Rn. 14 f., mwN, zitiert nach juris). Forderungen der Staatskasse, die - beispielsweise im Zusammenhang mit einem neuen gerichtlichen Verfahren - nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, sind demgegenüber keine Insolvenzforderungen und daher auch nicht von der Durchsetzungssperre des § 87 InsO erfasst. Maßgeblich dafür, ob ein Beteiligter über einzusetzendes Einkommen verfügt, bleibt insoweit allein § 115 ZPO (vgl. BGH 28. August 2019 - XII ZB 119/19 - Rn. 23 - aaO; LAG Rheinland-Pfalz 5. September 2012 - 10 Ta 142/12 - Rn. 9, zitiert nach juris).

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bb) Demnach ist die Staatskasse Insolvenzgläubigerin für die Gerichtskosten, die bereits bei Insolvenzeröffnung angefallen sind, sowie für die Rechtsanwaltsgebühren, und zwar unabhängig davon, wann der Forderungsübergang auf die Staatskasse (§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG) erfolgt ist, denn die Legalzession lässt den übergegangenen Vermögensanspruch unberührt (BGH 28. August 2019 - XII ZB 119/19 - Rn. 16, aaO). Durch die Ratenzahlungsanordnung im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens wird kein neuer Schuldgrund geschaffen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewirkt lediglich eine Stundung der entstandenen Forderung bzw. ein Einziehungsverbot und eine Forderungssperre (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 05. Januar 2011 - 10 Ta 266/10 - Rn. 10, mwN, zitiert nach juris). Der für § 38 InsO maßgebliche Zeitpunkt der Begründung des Vermögensanspruchs bleibt von der Ratenzahlungsanordnung unberührt. An der Einstufung als Insolvenzforderung ändert es zudem nichts, dass es dem Insolvenzschuldner durch das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO unbenommen bleibt, aus seinem insolvenzfreien Einkommen freiwillig Verbindlichkeiten zu erfüllen. Der Schuldner kann zwar aus seinem Vermögen Verfügungen treffen; das Vollstreckungsverbot verbietet es jedoch, dass solche Verfügungen zwangsweise - also etwa durch eine Ratenzahlungsanordnung - durchgesetzt werden. Dies würde zu einer Privilegierung der Staatskasse als Insolvenzgläubigerin führen, die die Insolvenzordnung - von gesetzlichen Ausnahmefällen abgesehen - gerade verhindern will (vgl. OLG Frankfurt - 03. Januar 2019 - 5 WF 133/18 - Rn. 19, aaO).

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cc) Gleiches gilt, wenn sich der Insolvenzschuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Restschuldbefreiungsverfahren gemäß §§ 286 ff. InsO befindet, es ihm gemäß §§ 294 Abs. 2, 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO verwehrt ist, Zahlungen zur Befriedigung an einzelne Insolvenzgläubiger zu leisten und nach § 294 Abs. 1 InsO auch jede Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger unzulässig ist. Das gemäß § 294 Abs. 1 InsO in der Wohlverhaltensperiode zum Tragen kommende Zwangsvollstreckungsverbot dient ähnlichen Zwecken wie der Ausschluss der Zwangsvollstreckung in insolvenzfreies Vermögen gemäß § 89 Abs. 1 InsO. Die Norm will erreichen, dass sich in der Wohlverhaltensphase die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger untereinander nicht verschieben. Ferner soll der Neuerwerb des Schuldners, der nicht gemäß § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetreten oder an diesen gemäß § 295 InsO herauszugeben ist, dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen sein. Hieraus folgt, dass das Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO umfassend zu gelten hat (vgl. BGH 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03 - Rn. 9., aaO). Das Vollstreckungsverbot während der Laufzeit des Restschuldbefreiungsverfahrens gilt auch für Insolvenzgläubiger, die am Insolvenzverfahren nicht teilgenommen haben und die der Schuldner nicht in das Vermögensverzeichnis aufgenommen hat (vgl. BGH 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03 - Rn. 8 ff., zitiert nach juris).

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2.3. Nach alledem kam vorliegend eine nachträgliche Ratenzahlungsanordnung gemäß § 120a ZPO nicht in Betracht. Sowohl die Gerichtskosten als auch die Rechtsanwaltsgebühren waren bereits angefallen, als das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet wurde. Daher handelte es sich bei den Forderungen der Staatskasse um Insolvenzforderungen, welche nicht über eine Ratenzahlungsanordnung geltend gemacht werden können.

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III. Da die Beschwerde erfolgreich war, fallen Kosten nicht an. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar

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