Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (6. Kammer) - 6 Sa 242/11

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 11.05.2011 – 8 Ca 4363/09 – teilweise unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Arbeitsvergütung in Höhe von 109.200,- EUR brutto abzüglich gezahlter Honorare in Höhe von 92.302,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Leistungsklage in der Fassung des Antrags aus dem Schriftsatz vom 02.05.2012 abgewiesen.

Die Beklagte trägt 25%, der Kläger trägt 75% der Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit noch über vom dem Kläger geltend gemachte Ansprüche auf Arbeitsvergütung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die in H eine staatlich anerkannte berufsbildende Ersatzschule betrieben hat, als Lehrer für die Fächer Mathematik und Chemie tätig. Die Rechtsbeziehungen der Parteien beruhten auf jeweils für ein Schulhalbjahr (Semester) abgeschlossenen, von der Beklagten vorformulierten „Dozentenverträgen“, die nicht den Zeitraum der Sommerferien umfassten.

3

Die Beklagte vergütete die Tätigkeit des Klägers auf Honorarbasis entsprechend der mit ihm für das jeweilige Semester vereinbarten wöchentlichen Unterrichtsstunden. Lehrkräften, zu denen sie arbeitsvertragliche Beziehungen unterhalten hat, zahlte die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum eine monatliche Vergütung zwischen 2.160,00 und 2.600,00 Euro brutto.

4

Der Kläger verfügt über einen 1968 in der ehemaligen DDR erworbenen Hochschulabschluss in Form eines Staatsexamens betreffend die Lehrbefähigung für die Fächer Chemie und Mathematik (Bl. 710 – 713 d. A.). Er war bis 1987 im staatlichen Schuldienst der ehemaligen DDR, zuletzt an der Kinder- und Jugendsportschule in H tätig und hat dort auch im Abiturkurs unterrichtet (Bescheinigung der Sportschulen H vom 03.05.2012 – Bl. 598 d. A.).

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien habe jedenfalls seit dem Jahre 2006 aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden. Hinsichtlich des letzen zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages vom 06.08.2009 (Bl. 46 d. A.) hat der Kläger erfolgreich Befristungskontrollklage erhoben. Mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Teilurteil vom 26.06.2012 hat die erkennende Kammer in der Sache festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Befristung vom 06.08.2009 zum 15.01.2010 beendet worden ist.

6

Aufgrund seines Status als Arbeitnehmer sei – so hat der Kläger weiter gemeint – die Beklagte gemäß § 612 Abs. 2 BGB verpflichtet, ihm für die geleisteten Tätigkeiten im Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2009 ein Entgelt in Höhe von jedenfalls 80 % der einem vergleichbaren Lehrer an einer staatlichen Schule des Landes Sachsen-Anhalt zustehenden Vergütung zu zahlen. Diese bemesse sich nach Maßgabe der Entgeltgruppe 13 TV-L. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig geleisteten Honorarzahlungen in Höhe von insgesamt 92.302,27 Euro ergebe sich ein weiterer Vergütungsanspruch von 79.079,28 Euro zuzüglich hierauf angefallener Verzugszinsen.

7

Der Kläger hat beantragt:

8
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung zum 15.01.2010 beendet ist.
9
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 79.079,28 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 77.374,47 seit dem 24.12.2009 und aus weiteren 1.704,81 seit dem 01.01.2010 zu zahlen.
10
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 10.920,52 Euro zu zahlen.
11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie hat u. a. die Auffassung vertreten, die dem Kläger gezahlte Vergütung sei als ortsüblich anzusehen. Insbesondere sei der Kläger nicht mit Lehrern an staatlichen Berufsschulen aufgrund des unterschiedlichen Aufgabenspektrums vergleichbar.

14

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.05.2011 der Befristungskontrollklage stattgegeben, jedoch die Vergütungsklage des Klägers insgesamt abgewiesen und insoweit zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehen keine Ansprüche auf weitere Vergütung zu, weil den in den Honorarverträgen enthaltenen Vergütungsabreden Rechtswirksamkeit zukomme. Diese seien nicht gemäß § 138 BGB nichtig. Die gewährten Honorare unterschreiten nicht die für die Annahme einer Sittenwidrigkeit maßgebliche Grenze von zwei Drittel der ortsüblichen Vergütung. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 307 – 323 d. A. verwiesen.

15

Gegen diese, ihm am 01.07.2011 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 15.07.2011 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.10.2011 am 04.10.2011 begründet.

16

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er sein erstinstanzliches Klageziel – nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts im Beschluss vom 27.02.2012 (Bl. 557 f d. A.) – jedoch in modifizierter Höhe weiter.

17

Er hält an seiner Auffassung, die ihm zustehende ortsübliche Vergütung sei nach Maßgabe der für Lehrkräfte an staatlichen Berufsschulen geltenden tariflichen Sätze zu bestimmen, fest. Aufgrund des vorhandenen Hochschulabschlusses und seiner langjährigen Lehrertätigkeit im Schuldienst der ehemaligen DDR erfülle er die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die der Besoldungsgruppe A 13 entsprechende Vergütungsgruppe des BAT-O bzw. Entgeltgruppe des TV-L. Hierbei handele es sich um die Vergütungsgruppe III BAT-O bzw. nach Inkrafttreten des TV-L am 01.11.2006 um die Entgeltgruppe 11. Hieraus ergebe sich für den streitgegenständlichen Zeitraum nach Abzug der von der Beklagten gezahlten Honorare ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von 67.348,56 Euro brutto. Bei Ermittlung dieses Betrages bringt der Kläger für Unterrichtszeiten, die die für staatliche Schulen geltende Zahl von 25 Stunden pro Woche überstiegen haben, eine anteilige Erhöhung der Vergütung in Ansatz und reduziert den sich ergebenden monatlichen Gesamtbetrag auf 80%. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Rechenwerkes wird auf die Anlage 5 zum Schriftsatz vom 02.05.2012 (Bl. 595 f d. A.) verwiesen.

18

Ein Vergütungsanspruch bestehe – so hat der Kläger gemeint – auch für die von den Honorarverträgen nicht abgedeckten Zeiträume der jeweiligen Sommerferien. Die von der Beklagten verwende Vertragsgestaltung in Form semesterbezogener Honorarverträge sei als rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung zu bewerten, mit der Folge, dass zwischen den Parteien eine ununterbrochene Vertragsbeziehung bestanden habe. Jedenfalls ergebe sich ein Vergütungsanspruch auch für den Zeitraum der jeweiligen Sommerferien im Hinblick auf die von der Beklagten rechtsmissbräuchlich verwendete Vertragsgestaltung aus § 826 BGB.

19

Der Kläger beantragt,

20

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 11.05.2011 abzuändern soweit es der Klage vom 30. Dezember 2009 in den Punkten zwei und drei wie nachfolgend beantragt nicht stattgegeben hat und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 67.348,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz

21

aus     

 650,41 Euro seit dem 01.02.2006

aus weiteren

 1.653,46 Euro seit dem 01.03.2006

aus weiteren

 520,46 Euro seit dem 01.04.2006

aus weiteren

 1.142,46 Euro seit dem 01.05.2006

aus weiteren

 1.837,46 Euro seit dem 01.06.2006

aus weiteren

 903,46 Euro seit dem 01.07.2006

aus weiteren

 1.983,46 Euro seit dem 01.08.2006

aus weiteren

 3.280,46 Euro seit dem 01.09.2006

aus weiteren

 290,46 Euro seit dem 01.10.2006

aus weiteren

 1.647,46 Euro seit dem 01.11.2006

aus weiteren

 543,46 Euro seit dem 01.12.2006

aus weiteren

 1.095,46 Euro seit dem 01.01.2007

aus weiteren

 548,46 Euro seit dem 01.02.2007

aus weiteren

 1.164,06 Euro seit dem 01.03.2007

aus weiteren

 175,06 Euro seit dem 01.04.2007

aus weiteren

 1.049,06 Euro seit dem 01.05.2007

aus weiteren

 1.141,06 Euro seit dem 01.06.2007

aus weiteren

 681,06 Euro seit dem 01.07.2007

aus weiteren

 2.843,06 Euro seit dem 01.08.2007

aus weiteren

 2.613,46 Euro seit dem 01.09.2007

aus weiteren

 486,46 Euro seit dem 01.10.2007

aus weiteren

 1.020,96 Euro seit dem 01.11.2007

aus weiteren

 641,46 Euro seit dem 01.12.2007

aus weiteren

 1.374,46 Euro seit dem 01.01.2008

aus weiteren

 1.332,93 Euro seit dem 01.02.2008

aus weiteren

 1.229,43 Euro seit dem 01.03.2008

aus weiteren

 1.114,43 Euro seit dem 01.04.2008

aus weiteren

 642,93 Euro seit dem 01.05.2008

aus weiteren

 1.979,80 Euro seit dem 01.06.2008

aus weiteren

 985,08 Euro seit dem 01.07.2008

aus weiteren

 2.774,58 Euro seit dem 01.08.2008

aus weiteren

 3.896,32 Euro seit dem 01.09.2008

aus weiteren

 1.556,32 Euro seit dem 01.10.2008

aus weiteren

 1.602,32 Euro seit dem 01.11.2008

aus weiteren

 1.188,32 Euro seit dem 01.12.2008

aus weiteren

 2.016,32 Euro seit dem 01.01.2009

aus weiteren

 981,32 Euro seit dem 01.02.2009

aus weiteren

 1.624,00 Euro seit dem 01.03.2009

aus weiteren

 574,32 Euro seit dem 01.04.2009

aus weiteren

 1.754,82 Euro seit dem 01.05.2009

aus weiteren

 1.367,82 Euro seit dem 01.06.2009

aus weiteren

 995,99 Euro seit dem 01.07.2009

aus weiteren

 3.167,32 Euro seit dem 01.08.2009

aus weiteren

 1.506,02 Euro seit dem 01.09.2009

aus weiteren

 540,02 Euro seit dem 01.10.2009

aus weiteren

 1.552,02 Euro seit dem 01.11.2009

aus weiteren

 1.920,02 Euro seit dem 01.12.2009

aus weiteren

 1.759,02 Euro seit dem 01.01.2010

22

 zu zahlen

23

sowie

24

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

25

Die Beklagte beantragt,

26

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 11.05.2011 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen

27

sowie

28

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

29

Die Beklagte verteidigt die klagabweisende Entscheidung und bestreitet insbesondere, dass der Kläger als sog. „Erfüller“ die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III BAT-O / Entgeltgruppe 11 TV-L erfülle.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des Teilurteils der erkennenden Kammer vom 26.06.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

31

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Dem Kläger steht für den streitgegenständlichen Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2009 ein Anspruch auf Arbeitsvergütung in Höhe von monatlich 2.600,00 Euro brutto mit Ausnahme der auf die jeweiligen Sommerferien entfallenden Zeiträume zu. Weitergehende Vergütungsansprüche basierend auf der Vergütungsgruppe III BAT-O / EG 11 TV-L bestehen nicht. Dementsprechend war das Urteil des Arbeitsgerichts Halle hinsichtlich der von dem Kläger erhobenen Leistungsklage teilweise abzuändern.

I.

32

Ein Anspruch des Klägers auf Arbeitsvergütung in Form von Schadensersatz besteht in der geltend gemachten Höhe nicht gemäß § 826 BGB, wonach derjenige, der einen anderen vorsätzlich sittenwidrig schädigt, zum Schadenersatz verpflichtet ist. Der Kläger hat die Voraussetzungen dieser Norm dem Grunde nach nicht substantiiert dargelegt. Insbesondere fehlt hinreichender Sachvortrag zu einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten. Der Kläger trägt zwar vor, die Beklagte habe die hier streitige Vertragsgestaltung bewusst eingesetzt, um den Kläger zu schädigen. Er unterlegt diese Behauptung jedoch nicht mit entsprechendem Sachvortrag. Wie der vorliegende Rechtsstreit und auch das nach dem Vorbringen der Parteien im Termin am 17.09.2013 noch anhängige Verfahren zur sozialversicherungsrechtlichen Stellung des Klägers zeigt, ist die korrekte Einordnung der von den Parteien gewählten Vertragsgestaltung juristisch diffizil. Dass die Beklagte dennoch im hier maßgeblichen Zeitraum bis Ende 2009 wider besseren Wissens um die tatsächliche, sich aus der Vertragsgestaltung ergebende Rechtstellung des Klägers diesen auf Honorarbasis zu niedrig vergütet hat, ist nicht dargetan worden. Rechtsklarheit ist erstmals mit Rechtskraft des Teilurteils der erkennenden Kammer vom 26.06.2012 eingetreten.

II.

33

Dem Kläger steht jedoch aus § 612 Abs. 2 BGB, wonach bei einer fehlenden Vereinbarung über die Höhe der Vergütung für die geschuldete Dienstleistung die übliche Vergütung als vereinbart gilt, für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2009 ein Anspruch auf Arbeitsvergütung in Höhe von 109.200,00 Euro brutto abzüglich der als Honorare von der Beklagten für diesen Zeitraum gezahlten 92.302,27 Euro zu.

1.

34

Nach dem sich bietenden Sachverhalt ist davon auszugehen, dass zwischen den Parteien – allerdings mit Unterbrechung jeweils in den Sommerferien – befristete Arbeitsverhältnisse als Lehrkraft bestanden haben.

35

a) Der Status des Klägers als Arbeitnehmer steht für den im letzten Vertrag der Parteien vom 06.08.2009 vereinbarten Zeitraum bis 15.01.2010 aufgrund des rechtskräftigen Teilurteils der Kammer vom 26.06.2012 fest. Hinsichtlich der vorangegangenen Verträge gilt nach dem von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt nichts anderes. Danach war die Ausgestaltung dieser Verträge mit jener des letzten Arbeitsvertrages identisch.

36

b) Jedoch bestanden die befristeten Arbeitsverträge nicht lückenlos für den gesamten Zeitraum. Zwischen den Parteien ist ebenfalls unstreitig, dass jeweils für die Dauer der Sommerferien eine Unterbrechung eingetreten ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht aufgrund der von dem EuGH entwickelten (EuGH 26.01.2012 – RS C-586/10 „Kücük“) und von dem Bundesarbeitsgericht übernommenen Rechtsprechung (zuletzt BAG 13.02.2013 – 7 AZR 225/11) zur Rechtsmissbräuchlichkeit bei Kettenbefristungen von einem Fortbestand des jeweils befristeten Arbeitsvertrages auch für den Zeitraum der Sommerferien bzw. von einem jedenfalls im Januar 2006 bereits bestehenden unbefristeten Arbeitsvertrag auszugehen. Dem steht die Regelung des § 17 S. 1 TzBfG i. V. m. § 7 KSchG entgegen, wonach die vereinbarte Befristung mit Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist als rechtswirksam gilt, sofern der Arbeitnehmer nicht fristgerecht Befristungskontrollklage erhoben hat.

37

aa) Befristungskontrollklagen hat der Kläger hinsichtlich der dem Vertrag vom 06.08.2009 vorangegangenen Arbeitsverträge unstreitig nicht erhoben.

38

bb) Eine teleologische Reduzierung des § 17 TzBfG aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung ist nicht geboten. Die zur Vermeidung einer missbräuchlichen Verwendung von befristeten Arbeitsverträgen unionsrechtlich gebotene Gesamtbetrachtung der zwischen den Parteien insgesamt abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge beschränkt sich rechtsfolgenseitig konkret auf die (regelmäßig letzte) mit einer Befristungskontrollklage angegriffene Befristung in der Weise, dass bei einem zu bejahenden Rechtsmissbrauch dieser Befristung ungeachtet des „an sich“ vorliegenden Befristungsgrundes keine Rechtswirksamkeit zukommen. Siehe hierzu EuGH a. a. O. Rn. 40:

39

„Auch wenn sich die Beurteilung des geltend gemachten sachlichen Grundes auf die Verlängerung des zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrags beziehen muss, können sich das Vorliegen, die Zahl und die Dauer derartiger aufeinanderfolgender Verträge, die in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossen wurden, im Rahmen dieser umfassenden Prüfung als relevant erweisen.“

2.

40

Eine Vergütungsabrede betreffend die von dem Kläger tatsächlich im Rahmen der befristeten Arbeitsverträge erbrachten Dienste besteht nicht.

41

a) Eine ausdrückliche Abrede, wie die Dienste des Klägers in Form einer abhängigen Arbeitsleistung vergütet werden sollen, haben die Parteien gerade nicht getroffen.

42

b) Die in den Honorarverträgen jeweils enthaltenen Vereinbarungen über die Vergütung einer „freien Mitarbeit“ lassen sich nicht dahin auslegen, dass die dort niedergelegten Stundensätze auch als Brutto-Arbeitslohn gewährt werden sollen.

43

Vielmehr ist in dem Fall, dass sich ein von den Parteien als „freie Mitarbeit“ verstandenes Vertragsverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis darstellt, davon auszugehen, dass eine Vergütungsabrede nicht vorliegt, so dass § 612 Abs. 2 BGB eingreift (BAG 05.07.2000 – 5 AZR 888/98 – Rn. 74).

44

So verhält es sich vorliegend. Da die Beklagte ihre „festangestellten“ Lehrkräfte gerade nicht auf Stundenbasis, sondern nach Maßgabe eines monatlichen Festgehaltes vergütet hat, kann nicht angenommen werden, die Honorarvereinbarung solle auch im Fall der Bejahung eines Arbeitsverhältnisses gelten.

3.

45

Nach dem sich bietenden Sachvortrag ist von einer für die Tätigkeit des Klägers als ortsüblich anzusehenden Vergütung in Höhe von 2.600,00 Euro brutto monatlich auszugehen.

46

Maßgeblich ist die übliche Vergütung in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis (BAG 23.05. 2001 – 5 AZR 527/99). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betr. Lehrer an Ersatzschulen im Land Brandenburg (BAG 26.04.2006 – 5 AZR 549/05 – Rn. 26), die nach Auffassung der Berufungskammer auf das Land Sachsen-Anhalt übertragen werden kann (Urteil der erkennenden Kammer vom 04.10.2011 – 6 Sa 464/10), bestimmt sich der diesbezügliche Wirtschaftskreis wie folgt:

47

Das ist der Geltungsbereich der ESGV und damit der Kreis der in Brandenburg anerkannten privaten Ersatzschulen. Maßgeblich für die Üblichkeit ist nicht die Vergütung von Lehrkräften an öffentlichen Schulen.

48

Dabei kommt es nicht auf die absolute Vergütungshöhe an, sondern wegen der nach Schulart und -größe unterschiedlichen Anforderungen auf den Prozentsatz der Vergütung im öffentlichen Dienst beschäftigter Lehrer. Sollte die übliche Vergütung unter der Mindestgrenze von 75 % liegen, müsste durch ergänzende Vertragsauslegung die angemessene Vergütung bestimmt werden.

49

a) Angaben zu den im Land Sachsen-Anhalt an privaten Ersatzschulen gezahlten Vergütungen für Lehrkräfte, die über eine mit dem Kläger vergleichbare Ausbildung und einen vergleichbaren beruflichen Werdegang verfügen, sind von dem Kläger ungeachtet der ihm erteilten Hinweise im Beschluss vom 27.02.2012 nicht getätigt worden.

50

b) Aus den Vorgaben in Artikel 7 GG folgt jedoch, dass die ortsübliche Vergütung jedenfalls 75 % der einem vergleichbaren, an einer staatlichen Schule tätigen Lehrer zustehenden Vergütung betragen muss. Zur weiteren Begründung wird auf das den Parteien bekannte Urteil der erkennenden Kammer vom 04.10.2011 – 6 Sa 464/10 – Bezug genommen.

51

Der vorliegende Sachvortrag lässt jedoch die Ermittlung einer auf die Person des Klägers bezogenen „Referenzvergütung“ für einen an einer staatlichen Berufsschule tätigen Lehrer nicht zu. Die von dem Kläger zu seinem beruflichen Werdegang vorgetragenen Tatsachen ermöglichen nicht eine fiktive Eingruppierung anhand der für Lehrer an staatlichen Schulen geltenden Grundsätze. Gemäß § 2 Nr. 1 Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O vom 08.05.1991, der gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ-L weiter gilt, bestimmt sich die Eingruppierung der Lehrer an staatlichen Schulen nach den für beamtete Lehrer geltenden Grundsätzen, gegebenenfalls i. V. m. hierzu erlassenen Eingruppierungsrichtlinien. Für beamtete Lehrer in Sachsen-Anhalt galt im streitgegenständlichen Zeitraum das Landesbesoldungsgesetz (LBesG LSA), Anlage I – LBesO A i. d. F. des Lehrerinnen- und Lehrergleichstellungsgesetzes (LGG) vom 27.07.1995 (GVBl. LSA S. 217). Diese Regelungen wurden durch die Lehrereingruppierungsrichtlinien des Landes Sachsen-Anhalt ergänzt (MBl. LSA 1995, S. 2380).

52

aa) Danach ist zwar grundsätzlich die Eingruppierung eines Lehrers, der über eine Lehrbefähigung der ehemaligen DDR verfügt, bei einem Einsatz an Berufsschulen in die der Besoldungsgruppe A 13 entsprechende Vergütungsgruppe II a BAT-O möglich: „Studienrat bei Verwendung an einer beruflichen Schule“ und: „Lehrer mit einer Lehrbefähigung für berufstheoretischen Unterricht bei einer Verwendung an einer beruflichen Schule“ (nunmehr LBesG LSA vom 08.02.2011 Anlage I – LBesO A, BesGr. A 13 Nr. 10: „Studienrätin oder Studienrat bei Verwendung an einer berufsbildenden Schule“). Nach den Fußnoten 6 bzw. 7 (nunmehr Fußnoten 7, 8) bedarf es jedoch weiter der Anerkennung der Lehrbefähigung im Wege der Bewährung. Aus dem Sachvortrag des Klägers lässt sich nicht hinreichend konkret ableiten, dass dieser über die erforderliche Anerkennung aufgrund Bewährung verfügt. Der Kläger trägt selber vor, er sei bis 1987 im Schuldienst der ehemaligen DDR tätig gewesen. Wann eine Anerkennung dieser Tätigkeiten in Form der Bewährung erfolgt sein soll, ist jedoch nicht dargetan worden. Nach Sinn und Zweck des LGG ist nicht auf die durch staatliche Stellen der ehemaligen DDR vorgenommene, sondern auf eine nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes erfolgte Anerkennung abzustellen. Es geht nicht darum, dass die ehemalige DDR ihre „eigenen Abschlüsse“ erneut anerkennt, sondern dass diese durch den nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes zur Verbeamtung berechtigten Dienstherrn, also vorliegend durch das Land Sachsen-Anhalt, anerkannt worden sind.

53

bb) Ebenso wenig lässt sich eine fiktive Eingruppierung in die der BesGr. A 12 entsprechende Vergütungsgruppe III BAT-O, auf deren Grundlage der Kläger zweitinstanzlich seine Vergütungsansprüche errechnet, feststellen. Die durch das LGG eingeführte BesGr. A 12 betreffend „ Lehrer mit einer Lehrbefähigung für berufstheoretischen Unterricht bei einer Verwendung an einer beruflichen Schule“ stellt gemäß Fußnote 7 ebenfalls auf die durch Bewährung zu erlangende Anerkennung des Abschlusses ab (nunmehr LBesO A BesGr. A 12 Nr. 7: „Lehrerin oder Lehrer mit einer Lehrbefähigung für berufstheoretischen Unterricht bei einer Verwendung an einer berufsbildenden Schule“ i. V. m. Fußnote 9).

54

c) Als ortsübliche Vergütung kann nach alledem nur die von der Beklagten unstreitig anderen, in einem Vollzeitarbeitsverhältnis stehenden Lehrkräften gezahlte Vergütung von monatlich 2.600,00 Euro brutto in Ansatz gebracht werden. Zwar hat die Beklagte vorgetragen, sie zahle nicht allen Lehrkräften eine solche Vergütung, die Bandbreite liege zwischen 2.160,00 und 2.600,00 Euro brutto (Schriftsatz vom 22.11.2011, S. 3). Weiterer Sachvortrag, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum als Arbeitnehmer ein solches Gehalt üblicherweise nicht erhalten hätte, liegt jedoch nicht vor.

55

Angesichts der von dem Kläger jeweils zu leistenden wöchentlichen Unterrichtsstunden, die regelmäßig über der für Lehrer an staatlichen Schulen geltenden Unterrichtsverpflichtung gelegen haben, kann die Rechtsbeziehung der Parteien auch als Vollzeitarbeitsverhältnis charakterisiert werden.

56

Andererseits scheidet eine anteilige Erhöhung der von der Beklagten vollzeitbeschäftigten Lehrern gewährten Vergütung bei Vereinbarung einer gegenüber staatlichen Schulen höheren Unterrichtsstundenzahl aus. Der Kläger hat nicht substantiiert darlegen können, dass die Beklagte üblicherweise diesen „Festbetrag“ bei Überschreiten der maßgeblichen Wochenstundenzahl anteilig „aufgestockt“ hat. Im Übrigen würde auch nicht der Umfang der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung, sondern die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit den Anknüpfungspunkt für die Vergütungshöhe bilden (Urteil der erkennenden Kammer vom 04.10.2011 – 6 Sa 464/10). Eine Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen der Parteien dahin, dass die wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig über 40 Stunden liegen soll, hat der Kläger nicht dargetan.

4.

57

Bei der Bemessung der Vergütungshöhe für den streitgegenständlichen Zeitraum insgesamt sind – wie bereits ausgeführt – die jeweils während der Sommerferien eingetretenen Unterbrechungen als vergütungsmindernd zu berücksichtigen. Da der Kläger auch nach Auflage des Berufungsgerichts im Beschluss vom 23.04.2013 (Bl. 685 d. A.) keine exakten Angaben zur Länge der Unterbrechung gemacht hat, bringt die Kammer gemäß § 287 ZPO angesichts der typischen Länge der Sommerferien von sechs Wochen einen Zeitraum von 1,5 Monaten pro Jahr in Abzug. Damit ergibt sich der folgende Bruttolohnanspruch:

58

4 x 10,5 x 2.600,00 Euro = 109.200,00 Euro.

59

In dem fraglichen Zeitraum aufgelaufene Urlaubsansprüche, auf die der Kläger in seinem Schriftsatz vom 02.08.2013 hinweist, konnten im vorliegenden Rechtsstreit nicht vergütungserhöhend berücksichtigt werden, weil diese ausweislich des Klagantrages und dessen Begründung nicht streitgegenständlich sind.

60

Von dem sich ergebenden Bruttobetrag sind – entsprechend der Antragstellung (§ 308 Abs. 1 ZPO) – die von der Beklagten im streitigen Zeitraum geleisteten Honorarzahlungen, die nach den von der Beklagten nicht bestrittenen Angaben des Klägers (Anlage 5 zum Schriftsatz vom 02.05.2012) sich auf insgesamt 92.302,27 Euro belaufen, in Abzug zu bringen.

III.

61

Zinsen stehen dem Kläger erst seit Rechtshängigkeit, nämlich dem Tag nach Zustellung der Klageschrift (12.01.2010), gemäß § 291 BGB zu. Der von dem Kläger darüber hinaus geltend gemachte, auf Schuldnerverzug der Beklagten gestützte Zinsanspruch gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nicht begründet. Angesichts der komplexen Sach- und Rechtslage betreffend den Status des Klägers und die Ermittlung einer ortsangemessenen Vergütung befand sich die Beklagte mangels Verschulden (§ 286 Abs. 4 BGB) mit der Zahlung der streitigen Vergütungsansprüche nicht in Verzug.

IV.

62

Nach alledem konnte das Rechtsmittel des Klägers lediglich teilweise Erfolg haben.

B.

63

Die Kostenentscheidung für den gesamten Rechtsstreit folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

C.

64

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

65

Auf § 72 a ArbGG wird hinwiesen.


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