Beschluss vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (1. Kammer) - 1 Ta 72 b/15

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.01.2015 - 1 Ca 3138/14 - teilweise aufgehoben. Dem Arbeitsgericht Lübeck wird aufgegeben, über den Prozesskostenhilfeantrag nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts, nach der Erfolgsaussichten für die Klage nach einem Gegenstandswert von € 2.826,41 bestehen, erneut zu entscheiden. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

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A. Die Klägerin wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre vor dem Arbeitsgericht anhängige Zahlungsklage.

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Die Klägerin war auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags ab dem 25.04.2007 bei der Beklagten angestellt. Sie wurde von dieser durchgehend in einer Kindertagesstätte der Gemeinde G. eingesetzt. Ihre Tätigkeit bestand nach ihrem eigenen Vortrag in der Klagschrift vor allem aus der Essensvorbereitung und Essensausgabe sowie der Zubereitung der Getränke für die betreuten Kinder und das Personal. Eine Erlaubnis nach § 1 AÜG besaß die Beklagte nicht.

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Mit Urteil vom 10.04.2014 wies das Arbeitsgericht Lübeck eine von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene Kündigungsschutzklage ab und stellte zugleich fest, dass zwischen der Klägerin und der Gemeinde G. seit dem 25.04.2007 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Der Arbeitsvertrag der Klägerin mit der Beklagten sei nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam, nach § 10 Abs. 1 AÜG bestehe daher das Arbeitsverhältnis mit der Gemeinde G.. Am 12.06.2014 schloss die Klägerin mit der Gemeinde G. eine Vereinbarung (Bl. 35 d. A.), die auszugsweise lautet:

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2. Die Vertragsparteien stimmen dahingehend überein, dass zwischen ihnen zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis bestand. Sollte gleichwohl doch ein Arbeitsverhältnis bestanden haben, so beenden die Vertragsparteien dieses hiermit zum Ablauf des heutigen Tages.

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3. Die Gemeinde G. zahlt an Frau M. E. M. de K. zur Abgeltung sämtlicher gegenseitiger Ansprüche aus dem Umstand ihrer Zusammenarbeit, insbesondere als Entschädigung für den Verlust eines gegebenenfalls bestehenden Arbeitsverhältnisses einen Betrag in Höhe von € 18.000,00 brutto, in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz in Verbindung mit § 3 Ziffer 9 EStG. Der Zahlungsanspruch entsteht unmittelbar mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung und ist sofort fällig.

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4. Mit Abschluss dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Vertragsparteien gegeneinander, insbesondere Ansprüche aus der Zusammenarbeit in der Vergangenheit sowie der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Lübeck zu dem dortigen Aktenzeichen 1 Ca 2670 b/13, erledigt. Die Vertragsparteien verzichten insbesondere auch auf das Recht zur Einlegung einer Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck zu dem Aktenzeichen 1 Ca 2670 b/13.

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Nunmehr nimmt die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen einer Vergütung bei einer Eingruppierung in den TVöD und der von der Beklagten gezahlten Vergütung in Anspruch.

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Hierzu trägt sie vor: Gemäß § 10 Abs. 2 AÜG habe ihr die Beklagte den Schaden zu ersetzen, den sie - Klägerin - dadurch erlitten habe, dass sie es im Vertrauen auf die Gültigkeit des Arbeitsvertrags mit der Beklagten unterlassen habe, von dieser diejenige Vergütung zu verlangen, die sie bei einer Eingruppierung in den TVöD hätte beanspruchen können. Dies wäre nach ihrer Auffassung die Entgeltgruppe 4 gewesen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Stufenzuordnungen ergebe sich eine nachzuzahlende Differenzvergütung von insgesamt € 28.507,26. Wegen Einzelheiten der Berechnung wird auf die Klage Bezug genommen. Der Anspruch sei weder verfallen noch verjährt.

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Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage mit dem Antrag,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 28.507,26 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz von € 669,43 seit dem 01.01.2008, weiteren € 1.546,50 seit dem 01.01.2009, weiteren € 3.517,12 seit dem 01.01.2010, weiteren € 6.007,14 seit dem 01.01.2011, weiteren € 6.322,01 seit dem 01.01.2012, weiteren € 6.466,74 seit dem 01.01.2013 sowie weiteren € 3.978,32 seit dem 01.11.2013 zu zahlen.

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Die Beklagte hat einen Antrag auf Klageabweisung angekündigt.

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Sie meint, es bestehe kein Schadensersatzanspruch. Die Klägerin habe auch die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt. Eine Eingruppierung in die EG 4 sei nicht dargelegt.

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Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin sei kein Schaden im Sinne von § 10 Abs. 2 AÜG entstanden. Dass sie die nunmehr geltend gemachte Entgeltdifferenz nicht mehr von der Gemeinde G. verlangen könne, sei keine Folge des Umstands, dass sie auf die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags mit der Beklagten vertraut habe. Vielmehr beruhe dies auf der zwischen ihr und der Gemeinde G. vereinbarten Generalquittung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

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Gegen diesen ihr am 29.01.2015 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am Montag, den 02.03.2015 sofortige Beschwerde eingelegt.

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Sie tritt den Ausführungen des Arbeitsgerichts entgegen und stützt ihren Anspruch ergänzend auch auf § 10 Abs. 4 AÜG. Die Bestimmung erfasse nicht nur die legale, sondern auch die illegale Arbeitnehmerüberlassung. Auch sei nicht nachvollziehbar, wieso sie keinen Schaden erlitten haben solle. Jedenfalls bestünden aber hinreichende Aussichten auf Erfolg für den geltend gemachten Anspruch. Ihre Auffassung zur Anwendbarkeit von § 10 Abs. 4 AÜG werde von mehreren Kommentatoren zum AÜG vertreten.

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Wegen der von ihr ausgeübten Tätigkeiten hat die Klägerin zunächst ergänzend auf die Seiten 3 - 9 ihres Schriftsatzes vom 14.01.2014 im Vorprozess (Arbeitsgericht Lübeck, 1 Ca 2670 b/13) Bezug genommen. In einem weiteren Schriftsatz hat die Klägerin dann ergänzend ausgeführt, sie habe zwar auch wie im damaligen Schriftsatz im Arbeitsablaufplan ausgeführt gearbeitet, allerdings nicht in dem dort gegebenen zeitlichen Umfang und der dort insinuierten Einfachheit. Vielmehr hätten ihrer  Arbeitsaufgabe die von ihr laufend verrichteten organisierenden, gestaltenden und teilweise der unmittelbaren Kinderbetreuung zuzuordnenden Tätigkeiten das Gepräge gegeben. Dem entsprechend sei sie von der Beklagten auch als „Hauswirtschafterin für die Küche“ bezeichnet worden. Auch habe das Arbeitsgericht im Vorprozess die Gemeinde G. verurteilt, sie als Hauswirtschafterin zu beschäftigen.

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Die Beklagte wiederholt ihre Ausführungen aus der ersten Instanz und trägt insbesondere erneut vor, dass die Klägerin keine Tätigkeiten einer geprüften Hauswirtschafterin bei der Gemeinde G. ausgeübt habe. Zu ihren Tätigkeiten trage die Klägerin nicht ausreichend vor.

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Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 13.03.2015 Bezug genommen.

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Nach Hinweis des Beschwerdegerichts hat die Klägerin ihre Beschwerde insoweit zurückgenommen, als Schadensersatz auf Basis einer fiktiven Vergütung nach der Entgeltgruppe 4 verlangt wurde. Sie macht nunmehr nur noch Vergütung auf Basis einer fiktiven Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3 geltend. Hieraus resultiert eine Vergütungsdifferenz von noch € 24.970,81.

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Das Beschwerdegericht hat die Akte 1 Ca 2670 b/13 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akte verwiesen.

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B. Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist zum Teil begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts besteht für die vor dem Arbeitsgericht bereits anhängige Klage jedenfalls Aussicht auf Erfolg, soweit die Klägerin Nachzahlungsansprüche auf Basis einer fiktiven Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 TVöD-VKA geltend macht. Insoweit ist daher die den Antrag zurückweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben worden. Das Arbeitsgericht hat nunmehr noch über die Frage der Bedürftigkeit der Klägerin zu entscheiden. Dabei hat es hinsichtlich der Erfolgsaussichten die Auffassung der Beschwerdekammer zugrunde zu legen. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Klägerin ist hingegen unbegründet.

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Erfolgsaussichten für eine Klage mit einem höheren Gegenstandswert bestehen nicht. Im Einzelnen gilt Folgendes:

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Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

24

Für ein mutwilliges Vorgehen der Klägerin gibt es keine Anhaltspunkte. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage in vollem Umfang verneint. Jedenfalls teilweise hat die Klage zumindest Aussicht auf Erfolg.

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I. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass das Gericht den Rechtsstandpunkt der PKH-begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Das Prozesskostenhilfeverfahren dient dabei nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Eine Unterinstanz darf etwa die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine schwierige, entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht geklärt ist und es angebracht ist, dass die höhere Instanz sich mit ihr befasst (Zöller, 29. Auflage, § 114, Rn 19 und 21; vergl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015 – 1 BvR 2096/13).

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II. Ob der Klägerin für ihr Begehren eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht, ist nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu klären. Die sich insoweit stellenden Rechtsfragen sind schwierig und ungeklärt. Dies bezieht sich namentlich darauf, ob vorliegend ein Anspruch analog § 10 Abs. 4 AÜG für die Klägerin in Betracht kommt.

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1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht allerdings im Ausgangsbeschluss ausgeführt, dass § 10 Abs. 2 AÜG als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin nicht in Betracht kommt. Nach § 10 Abs. 2 AÜG kann der Leiharbeitnehmer im Falle der Unwirksamkeit seines Vertrags mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut. Ersetzt wird also der Vertrauensschaden (vergl. etwa BAG, Urteil vom 28.08.2013 – 10 AZR 185/12 (A)).

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Danach ist der von der Klägerin geltend gemachte Differenzvergütungsanspruch kein ersatzfähiger Schaden in Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 AÜG. Die Klägerin hat diesen Schaden nicht deswegen erlitten, weil sie auf die Gültigkeit ihres Arbeitsvertrags mit der Beklagten vertraut hat. Die Klägerin hätte vielmehr ihre Zahlungsansprüche, deren Erfüllung sie nunmehr von der Beklagten verlangt, noch zum Zeitpunkt des Vergleichs mit der Gemeinde G. gegen diese durchsetzen können. Zu jenem Zeitpunkt waren die Ansprüche weder verfallen noch verjährt, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Die entsprechenden Ausführungen macht sich das Beschwerdegericht zu Eigen und sieht von weiteren Ausführungen hierzu ab. Verloren hat die Klägerin diese Ansprüche erst in dem Moment, als sie sich im Vergleich auf eine Generalquittung und damit den Erlass weiterer Zahlungsansprüche mit der Gemeinde G. geeinigt hat.

29

Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung stellen dieses Ergebnis nicht in Frage. Auch hierzu hat das Arbeitsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 13.03.2015 bereits alles Notwendige gesagt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Ansprüche bei Vergleichsschluss noch nicht fällig waren. Das belegt besonders deutlich, dass die Klägerin erst durch die Generalquittung in Ziffer 4 des Vergleichs den nunmehr von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachten Schaden erlitten hat. Damit handelt es sich nicht um einen Vertrauensschaden im Sinne des § 10 Abs. 2 AÜG.

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2. Der von der Klägerin als Anspruchsgrundlage herangezogene § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG ist vorliegend unmittelbar ebenfalls nicht einschlägig.

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Nach § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG hat der Verleiher für den Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 2 AÜG dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.

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Die Vorschrift ist nicht einschlägig, weil die Vereinbarung zwischen der Klägerin als Leiharbeitnehmerin und der Beklagten als Verleiher im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG nicht nach § 9 Nr. 2 unwirksam gewesen ist, sondern nach § 9 Nr. 1 AÜG.

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3. Streitig ist indes, ob in der vorliegenden Fallkonstellation nicht ein Anspruch der Klägerin analog § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AÜG in Betracht kommt.

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a.) Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass eine verbreitete Literaturansicht

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§ 10 Abs. 4 AÜG auf alle Fälle illegaler Arbeitnehmerüberlassung anwendet. So heißt es im Kommentar von Ulber (AÜG, 4. Auflage, § 10, Rn 137), Satz 4 sei auch in den Fällen anwendbar, in denen der Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam sei. Ebenso sei der Leiharbeitnehmer in Fällen illegaler Arbeitnehmerüberlassung hinsichtlich aller Arbeitsbedingungen mit einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gleichzustellen. Dem hat sich auch Schüren (AÜG, 4. Auflage, § 10, Rn 232) ausdrücklich angeschlossen. Folgt man dieser Auffassung, ließe sich der hier geltend gemachte Anspruch auf die Differenz zwischen der bei der Gemeinde G. theoretisch  erzielbaren Vergütung und den tatsächlichen Zahlungen durch die Beklagte auf eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG stützen.

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b.) Zu Recht hat das Arbeitsgericht allerdings auf erhebliche systematische Bedenken gegen diese Auffassung hingewiesen. Höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Frage gibt es nicht.

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c.) Damit ist nach Einschätzung des Beschwerdegerichts die Rechtslage zumindest zweifelhaft und ungeklärt. Es spricht viel dafür, dass in einem Fall der vorliegenden Art das Landesarbeitsgericht die Revision gegen seine Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zulassen müsste. Damit kann die Voraussetzung einer hinreichenden Erfolgsaussicht für die Klage nicht verneint werden.

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III. Weitere Einwände dem Grunde nach bestehen gegen die streitgegenständliche Forderung nicht.

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1. Der geltend gemachte Anspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 23 des Manteltarifvertrags für das Gebäudereinigerhandwerk verfallen. Nach § 23 Abs. 1 MTV verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

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Die Klägerin macht keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder solche, die mit einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten in Verbindung stehen, geltend. Die Parteien verband kein Arbeitsverhältnis. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien ist gemäß § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam, wie das Arbeitsgericht im Vorprozess bereits festgestellt hat. Dementsprechend musste die Klägerin auch nicht irgendwelche Ausschlussfristen aus dem Arbeitsvertrag mit der Beklagten einhalten.

41

2. Entgegen der vom Arbeitsgericht ergänzend geäußerten Auffassung ist der Anspruch der Klägerin auch nicht (teilweise) durch die Abfindungszahlung im Vergleich erfüllt worden.

42

a) Ausweislich Ziffer 2 der Vergleichsvereinbarung stimmten die Parteien dahingehend überein, dass zwischen ihnen zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis bestand. Unabhängig davon, ob damit die Klägerin wirksam über ihren Status bei der Beklagten disponiert hat, wird aus der Formulierung deutlich, dass der Klägerin gerade keine Entgeltansprüche zustehen sollten.

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b) Dementsprechend ist auch die in Ziffer 3 geregelte Abfindung „insbesondere als Entschädigung für den Verlust eines ggf. bestehenden Arbeitsverhältnisses“ gezahlt worden, nicht aber als Ausgleich oder zur Erfüllung bestehender Nachzahlungsansprüche auf Vergütung. Daneben sollte durch die Zahlung das Risiko eines Berufungsverfahrens, das die Gemeinde G. anderenfalls hätte durchführen müssen, vermieden werden.

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c) Im Übrigen finden sich auch zur Höhe eines etwa mit verglichenem Vergütungsnachzahlungsanspruchs keinerlei Anhaltspunkte.

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d) Soweit die Beklagte sich ihrerseits auf die Generalquittung in Ziffer 4 der Vereinbarung bezieht und meint, damit habe die Klägerin auf Nachzahlungsansprüche verzichtet, überzeugt dies nicht. Die Beklagte ist an der entsprechenden Vereinbarung nicht beteiligt. Diese wirkt also nicht unmittelbar zu ihren Gunsten.

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Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte und die Gemeinde als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff BGB für den Differenzvergütungsanspruch haften, wirkt der Erlass der Klägerin gegenüber der Gemeinde G., der sich der Generalquittung entnehmen lässt, nicht für die Beklagte. Das wäre nach § 423 BGB nur dann der Fall, wenn die Klägerin und die Gemeinde das ganze Schuldverhältnis hätten aufheben wollen. Für einen entsprechenden Willen der Parteien gibt es aber keine Anhaltspunkte.

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IV. Der Höhe nach bestehen allerdings nur Erfolgsaussichten für eine Klage auf Basis der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 TVöD-VKA.

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1. In die Entgeltgruppe 1 sind nach der Anlage 3 zum TVÜ-VKA Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten eingruppiert. Hierzu gehören nach den ausdrücklich im Tarifvertrag genannten Regelbeispielen u. a. Essens- und Getränkeausgeber/innen sowie Spülen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich.

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2. Die Klägerin ist zu diesen Beschäftigten mit einfachsten Tätigkeiten zu rechnen. Sie hat nach ihren eigenen Angaben in der Klage vor allem das Essen vorbereitet und ausgegeben sowie die Getränke für die betreuten Kinder und das Personal zubereitet. Gekocht hat die Klägerin nicht. Das Essen wurde von einem externen Cateringunternehmen angeliefert.

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Mit ihrem Schriftsatz vom 14.01.2014 im Vorprozess, auf den die Klägerin im Beschwerdeverfahren ausdrücklich hingewiesen hat, hat sie eine Anlage K 12 eingereicht, in der sie, nach ihren eigenen Angaben, ihre „normalen Küchenarbeiten“ aufgeführt hat. Diese nach Uhrzeiten für einen Arbeitstag im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten lassen sich genauso zusammenfassen, wie die Klägerin dies bereits in der Klage getan hat. Sie war im Wesentlichen mit der Essensausgabe und den dazugehörenden Vor- und Nachbereitungsarbeiten, dem Ausgeben von Getränken, dem Bereitstellen von Geschirr, dem Aufteilen des Essens für die einzelnen Gruppen und dem anschließenden Einsammeln des Geschirrs sowie dem Reinigen des Geschirrs mit Hilfe der Spülmaschine befasst.

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Daneben hat die Klägerin zwar auch andere Tätigkeiten ausgeübt, etwa nach ihren Angaben den Kontakt zum Cateringunternehmen insofern gehalten, als sie Nachfragen gehalten hat, wenn zu wenig Essen geliefert wurde oder bestimmte Nahrungsempfindlichkeiten der Kinder nicht berücksichtigt worden waren. Dies, das Erstellen eines Hygienemaßnahmenplans (Anlage K 14 zum o. g. Schriftsatz) sowie die weiteren zusätzlich aufgeführten Tätigkeiten sind jedoch für die Eingruppierung nicht maßgeblich. Gemäß den §§ 17 I TVÜ-VKA, 22 II BAT entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit eines Angestellten den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass es sich bei den Tätigkeiten der Klägerin insgesamt um einen einzigen Arbeitsvorgang handelt, fehlt es an einer konkreten Darlegung, dass die von der Klägerin angegebenen zusätzlichen Tätigkeiten in rechtserheblichem Umfang angefallen sind (zu diesem Kriterium zuletzt: BAG v. 18.03.2015 - 4 AZR 59/13 - Juris, Rn 28).

52

Nicht entscheidend für die Eingruppierung ist, ob die Beklagte sie im Vorprozess selbst – verkürzt – als Hauswirtschafterin bezeichnet hat oder die Klägerin eine entsprechende Qualifikation aufweist.

53

Auch unter dem Gesichtspunkt, dass es vorliegend nicht um die Begründetheit der Klage geht, sondern nur darum, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, folgt nichts anderes. Eine Eingruppierung muss auch im Prozesskostenhilfeverfahren zumindest schlüssig dargelegt werden.

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Bei einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 ergibt sich nach Angaben der Klägerin, denen die Beklagte konkret nicht entgegen ist, noch ein Differenzvergütungsanspruch in Höhe von € 2.826,41.

55

V. Über die Bedürftigkeit der Klägerin hat das Arbeitsgericht noch keine Entscheidung getroffen. Dieses hat das Arbeitsgericht nachzuholen, ggf. nach weiteren Feststellungen hierzu.

56

VI. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.


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