Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (4. Kammer) - 4 Sa 221/16

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.06.2016 – 1 Ca 358 b/16 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 01.10.2014 / 03.06.2015 nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 30.06.2016 geendet hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Verfahren).

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristungsabrede zum 30. Juni 2016.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 als vollbeschäftigte Angestellte tätig.

3

Unter dem 01. Oktober 2014 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung, und zwar beginnend ab 15. Oktober 2014 bis zum 30. Juni 2015. In § 8 dieses Arbeitsvertrages versicherte die Klägerin, zuvor bei der Bundesagentur für Arbeit in keinem Arbeitsverhältnis gestanden zu haben, dessen Ende drei Jahre oder weniger zurückliegt.

4

Mit Änderungsvereinbarung vom 03. Juni 2015 wurde die Klägerin als Vollzeitbeschäftigte bis zum 30. Juni 2016 weiterbeschäftigt.

5

Die Beklagte hat gemeint, die Befristung sei sachgrundlos gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässig. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG stehe dem nicht entgegen, denn die Klägerin habe mit ihr – Beklagte – in den letzten drei Jahren zuvor kein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis gehabt.

6

Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts und hat gemeint, das Anschlussverbot gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestehe zeitlich uneingeschränkt.

7

Wegen der Argumentation in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und folgt der Rechtsprechung des 7. Senats.

9

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13. Juli 2016 zugestellte Urteil am 09. August 2016 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis 13. Oktober 2016 am 12. Oktober 2016 begründet.

10

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihre Rechtsauffassungen zum Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

11

Die Klägerin beantragt,

12

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.06.2016 – 1 Ca 358 b/16 – abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 01.10.2014 / 03.06.2015 nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 30.06.2016 geendet hat.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie auch Erfolg. Der Wirksamkeit der vereinbarten sachgrundlosen Befristung steht das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Die erkennende Kammer vermag dem Auslegungsergebnis des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 06. April 2011 – 7 AZR 716/09 –; BAG, Urteil vom 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 –) zum Verständnis des „bereits – zuvor Arbeitsverhältnisses“ nicht zu folgen. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG dahin zu verstehen, dass eine sachgrundlose Beschäftigung auch dann ausscheidet, wenn – wie hier – das Ende eines zwischen den Parteien vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt. Die erkennende Kammer schließt sich insoweit den Entscheidungen das Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Februar 2016 (9 Sa 376/15) und des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2016 (17 a Sa 14/16) und der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur an (z. B. Schaub / Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 16. Auflage, § 39 Rn 13; Backhaus in APS Kündigungsrecht, 5. Auflage, § 14 TzBfG, Rn 381 d ff.; KR-Lipke, 11. Auflage, § 14 TzBfG, Rn 570 ff.; Meinel / Heyn / Herms, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 5. Auflage, § 14 Rn 258 ff.). Wortlaut, der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers und Sinn und Zweck des Gesetzes verbieten ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, wonach das Tatbestandsmerkmal „bereits zuvor“ zeitlich begrenzbar sein soll. Insbesondere Verfassungsrecht (Art. 12 GG, Art. 3 GG) zwingt nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Anschlussverbots.

1.

16

Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nach Auffassung der erkennenden Kammer bereits eindeutig. Er spricht für ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot. Mit dem Begriff „bereits zuvor“ hat sich der Gesetzgeber eines sprachlichen Ausdrucks bedient, welchem keine zeitliche Begrenzung innewohnt. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Urteil vom 06. November 2003 (2 AZR 690/02) ausgeführt, der Wortlaut sei eindeutig. Das Anschlussverbot enthalte keine zeitliche Begrenzung. Dies hat der 2. Senat mit Urteil vom 13. Mai 2004 – 2 AZR 426/03 – erneut bestätigt. Der 7. Senat wiederum beschied im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 29. Juli 2009 – 7 AZN 368/09 –, der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei eindeutig.

17

Backhaus (APS Kündigungsrecht, § 14 TzBfG, Rn 381 f.) führt zutreffend aus, dass die adverbiale Bestimmung „zuvor“ zwar durch einen ausdrücklichen Zusatz oder durch den Kontext beschränkt werden kann. Fehle aber ein solcher Zusatz oder ein solcher Kontext, dann sei das Wort „zuvor“ zeitlich unbestimmt. Hätte der Gesetzgeber also eine zeitliche Beschränkung gewollt, dann hätte es dazu einer entsprechenden sprachlichen Präzisierung bedurft, welche im Wortlaut der Regelung keinen Niederschlag fand. Das Wort „zuvor“ spricht ohne sprachliche Einschränkung sämtliche Fälle an, in denen bereits irgendwann einmal zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2016 – 17 a Sa 14/16 –, zitiert nach juris, Rn 29). Der Wortlaut ist auch nicht deshalb auslegungsfähig, weil er nicht die Worte „irgendein“ und „irgendwann“ oder „jemals zuvor“ enthält. Allein der Umstand, dass eine noch präzisere sprachliche Fassung denkbar gewesen wäre, ist als Auslegungsmittel nicht tauglich. Die Voraussetzung des „bereits zuvor“ vorhandenen Arbeitsverhältnisses gibt hinreichend deutlich und zweifelsfrei zu verstehen, dass es auf einen „engen sachlichen Zusammenhang“ wie unter der Geltung des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1996 nicht mehr ankommen soll (Arbeitsgericht Braunschweig, Beschluss vom 03.04.2014 – 5 Ca 463/13 –, zitiert nach juris, Rn 41).

2.

18

Auch die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 TzBfG verbietet jegliche einschränkende Auslegung.

19

Dazu hat das Arbeitsgericht Braunschweig (Beschluss vom 03.04.2014 – 5 Ca 462/13 –, zitiert nach juris, Rn 44 ff) zutreffend Folgendes ausgeführt:

20

„Nach der Vorgängerregelung zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, nämlich § 1 Abs. 2 BeschFG, war eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn zu einem früheren Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang bestand, der insbesondere anzunehmen war, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als vier Jahren lag. Diese Beschränkungen sind in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht erneut und auch keine anderen Beschränkungen aufgenommen worden. Die erleichterte Befristung eines Arbeitsverhältnisses sollte mit Einführung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes nur noch bei einer Neueinstellung, das heißt bei erstmaliger Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber zulässig sein (BT – Drucksache 14/4374, Seite 14). Der Gesetzentwurf, eine zweijährige Karenzregelung einzufügen (BT – Drucksache 15/5556, Seite 7, 12), hat in der schließlich verabschiedeten Gesetzesfassung keine Aufnahme gefunden. § 14 TzBfG ist seit dem Inkrafttreten am 01. Januar 2001 in der Fassung vom 21. Dezember 2000 insgesamt viermal geändert worden, nämlich mit seinen Fassungen vom 23. Dezember 2002, 24. Dezember 2003, 19. April 2007 und zuletzt mit der Fassung vom 20. Dezember 2011. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist dabei auch in Kenntnis der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2004 (2 AZR 426/03) und vom 06. November 2003 (2 AZR 690/02) sowie der hiervon abweichenden neuen Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts gemäß den Urteilen vom 06. April 2011 und 21. September 2011 nicht angetastet und auch nicht der neueren Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts angepasst worden.

21

Insbesondere hat der Gesetzgeber auch die im Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009 (Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26.10.2009, Seite 22) vorgesehene Grenze des Vorbeschäftigungsverbots nicht beschlossen (HaKo-Mestwerdt, § 14 TzBfG, Rn 198, 4. Auflage). Die „lebenslängliche“ Wirkung des Wortes „zuvor“ wurde während des Gesetzgebungsverfahrens betont und kritisiert, ohne dass der deutsche Bundestag dieser Kritik nachgekommen ist (APS-Backhaus, § 14 TzBfG, Rn 381, 4. Auflage).

22

Demnach hat sich der Gesetzgeber für eine nur einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund entschieden (Höpfner NZA 2011, 897 – Arbeitsgericht Gelsenkirchen vom 26.02.2013 – 5 Ca 2133/12). Ihm kann kein Wille zur Einführung einer Zeitgrenze unterstellt werden, den er erkennbar bewusst nicht geäußert hat (LAG Baden-Württemberg vom 26.09.2013). Es hat zwar das politische Ziel gegeben, das Vorbeschäftigungsverbot in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen, dieses ist jedoch in keiner Gesetzesfassung tatsächlich umgesetzt worden, weil eine Einigung auf eine bestimmte Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots gerade nicht zustande gekommen ist. Damit hat der Gesetzgeber eine Änderung dieser Vorschrift nicht gewollt. Eine einschränkende Auslegung dieser Norm führt dazu, dass das gesetzgeberische Ziel, nämlich die sachgrundlose Befristung nur noch bei Neueinstellungen zuzulassen, verfälscht wird.“

23

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. Gesetzesgeschichte und Gesetzesmaterialien belegen den dokumentierten und offenkundigen Willen des Gesetzgebers, das Anschlussverbot nicht zeitlich zu beschränken. Zwar ist es richtig, dass maßgebend für die Auslegung von Gesetzen der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers ist, die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe daher nicht entscheidet. Entgegen der Auffassung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 –, zitiert nach juris, Rn 19) ist nach Auffassung der erkennenden Kammer aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG aber deutlich der objektivierte Wille des Gesetzgebers erkennbar, das Anschlussverbot nicht zeitlich zu beschränken. Der Begriff „bereits zuvor“ lässt sich sprachlich nur umfassend verstehen. Im Übrigen wäre selbst bei einer Interpretationsfähigkeit des Wortlautes „bereits zuvor“ die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu berücksichtigen, die im Gegenteil entscheidende Hinweise zu dem gewollten Ausschluss einer wiederholten sachgrundlosen Befristung enthält (KR-Lipke, a. a. O., § 14 TzBfG, Rn 575).

3.

24

Auch der gesetzessystematische Wortlaut bekräftigt, dass in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der objektivierte Wille des Gesetzgebers erkennbar ist, das Anschlussverbot nicht zeitlich zu beschränken. Hätte der Gesetzgeber eine solche Regelung gewollt, dann hätte er ohne weiteres dem Rechnung tragen und eine entsprechende Formulierung wählen können. So hat er die zeitliche Komponente etwa in der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG oder in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG sprachlich präzisiert. Im Umkehrschluss spricht das Fehlen jeglicher einschränkender Begrifflichkeiten in der Norm des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG deshalb dafür, dass das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vom Gesetzgeber zeitlich unbeschränkt gewollt war und dies entsprechend auch objektiv im gesetzessystematischen Wortlaut zum Ausdruck gekommen ist (LAG Baden-Württemberg, 16.11.2016 – 17 a Sa 14/16 –, zitiert nach juris, Rn 30).

4.

25

Auch die Regelungssystematik des Gesetzes spricht für ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot. § 14 Abs. 1 TzBfG – so führt es das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 16.11.2016 (17 a Sa 14/16) zutreffend aus - stellt im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses den Grundsatz auf, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages nur dann zulässig ist, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ist keiner der im Gesetz genannten Gründe und auch kein gleichwertiger Sachgrund gegeben, ist die Befristung unzulässig. Abweichend von diesem Grundsatz gestattet der Gesetzgeber enumerativ in § 14 Abs. 2 bis 3 TzBfG in bestimmten Konstellationen privilegierte Ausnahmen. Ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot entspricht damit eher der Regelungssystematik (Regel-Ausnahme) des Rechts der Befristung als Begrenzung der Gestattung einer sachgrundlosen Befristung.

5.

26

Auch Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebieten keine zeitliche Begrenzung des Anschlussverbots. Dies führt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zutreffend aus. Zweck dieser Vorschrift ist danach nicht allein die Verhinderung von Kettenbefristungen. Mit den §§ 14 ff. TzBfG sollte die Möglichkeit von sachgrundlosen Befristungen wieder eingeschränkt werden. Nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz gab es seinerzeit mit dem dort geregelten relativ kurzen Unterbrechungszeitraum von vier Monaten die Möglichkeit, zahlreiche Arbeitsverträge ohne Sachgrund befristet hintereinander abzuschließen. Mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sollte die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen grundsätzlich weiterhin ermöglicht werden. Allerdings sollte nach der gesetzlichen Konstruktion der Abschluss von unbefristeten Arbeitsverträgen immer noch der „Normalfall“ sein. Die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung wollte der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gegenüber der früheren Rechtslage nach § 1 Abs. 3 BeschFG wieder zurückführen. Dabei ging es nicht nur darum, den Abschluss von Kettenverträgen zu begrenzen, sondern eine sachgrundlose Befristung künftig nur bei einer Neueinstellung, also bei der erstmaligen Befristung eines Arbeitnehmers durch denselben Arbeitgeber zuzulassen.

27

Die erkennende Kammer schließt sich insoweit den oben dargelegten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Niedersachen im Urteil vom 16. Februar 2016 (9 Sa 376/15 –, zitiert nach juris, Rn 25) an.

28

Auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat im Urteil vom 16. November 2016 (17 a Sa 14/16, zitiert nach juris, Rn 35) zu Recht darauf hingewiesen, dem Sinn und Zweck der Vermeidung von Kettenbefristungen durch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG werde auch dann Rechnung getragen, wenn von einem umfassenden und zeitlich unbeschränkten Anschlussverbot ausgegangen werde. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zur Vermeidung ansonsten bestehender Auslegungsschwierigkeiten eine in jeder Hinsicht klare, weil durchgängig restriktive Regelungsvariante wähle. Im Lichte dieser gesetzgeberischen Intention, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eindeutig zum Ausdruck gekommen sei, verbiete es sich umso mehr, das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens durch eine vom wirklichen Willen des Gesetzgebers abweichende gegenteilige Auslegung der Gerichte letztlich in sein Gegenteil zu verkehren. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

6.

29

Entgegen der Auffassung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 –, zitiert nach juris, Rn 31) ist ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot auch nicht verfassungswidrig.

30

Das vom 7. Senat angenommene angebliche Einstellungshemmnis kann dahingestellt bleiben, weil selbst bei Grundrechtsrelevanz des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in Bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG die Beeinträchtigung der Berufsausübung gerechtfertigt ist. Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr an sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen. Der relativ geringe und nur im Zusammenhang mit einer bestimmten vertraglichen Konstruktion vorkommende Eingriff in die Berufsausübung ist jedoch – das führt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 16.02.2016 – 9 Sa 376/15 –, zitiert nach juris, Rn 28) zutreffend aus - durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber ist frei, sachgrundlose Befristungen zuzulassen, eingeschränkt zuzulassen oder überhaupt nicht zuzulassen. Er ist frei darin, die potenziell oder tatsächlich einstellungshemmende Wirkung des Vorhaltens von Möglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung um anderer sozialpolitischer Ziele willen in Kauf nehmen (Meinel und andere, TzBfG, 5. Auflage, § 14, Rn 269). Ein rigoroses Anschlussverbot würde sich im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bewegen. Zutreffend führt Lipke aus, dass das Bundesarbeitsgericht keine gesetzliche Regelungslücke beschreiben könne, die zu füllen sei. Vielmehr schaffe der 7. Senat selbst eine solche Lücke. Dessen Auslegungsergebnis verleihe dem „Recht auf Befristung“ des Arbeitnehmers einen höheren Stellenwert als dem „Schutz vor ausufernder Befristung“.

31

Schließlich weist Koch (Schaub-Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 16. Auflage, § 39, Rn 13) nach Auffassung der erkennenden Kammer zu Recht darauf hin, mit einer zeitlichen Begrenzung des Anschlussverbotes werde verkannt, dass der Abschluss eines nur sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach dem nationalen sozialpolitischen Verständnis keine für den Arbeitnehmer günstige Position vermittle. Auch nach Auffassung der erkennenden Kammer geht es bei § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht um eine grundrechtlich abzusichernde Chance von vor länger als drei Jahren beschäftigen Arbeitnehmer bei denselben Arbeitgebern, sondern um eine erkennbar vom Gesetzgeber gewollte Begrenzung der sachgrundlosen Befristung auf ein einmaliges Ereignis. Die insoweit vom Gesetzgeber gewollte Begrenzung der sachgrundlosen Befristung unterliegt seiner beschäftigungspolitischen Einschätzungsprärogative (Schaub-Koch, a. a. O., § 39, Rn 13). Es steht deshalb den Gerichten für Arbeitssachen nicht zu, diese Einschätzung durch eine eigene zu ersetzen. Zwar mag eine zeitliche Begrenzung des Anschlussverbotes aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. Diese Entscheidung steht aber dem Gesetzgeber zu und nicht der Rechtsprechung, die den eindeutigen und im Gesetz objektiv erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu beachten hat.

32

Nach alledem ist auf die Berufung der Klägerin die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und der Berufung mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO stattzugeben. Die Revision ist zuzulassen.

33

Anlass zur Aussetzung des Verfahrens bestand für die erkennende Kammer nicht. Zwar hat die Beklagte eine solche Aussetzung beantragt. Diese ist gemäß § 148 ZPO aber nur im Rahmen der gebotenen Ermessensprüfung vorzunehmen. Vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Bestandsschutzstreitigkeit handelt und das Arbeitsgerichtsgesetz insoweit ein Beschleunigungsgebot normiert, war gegen den Willen der Klägerin der Rechtsstreit nicht auszusetzen.


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