Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (1. Kammer) - 1 Sa 228/17

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.03.2017 – 4 Ca 2812 b/17 – geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin das ihm erteilte Arbeitszeugnis vom 27.10.2016 herauszugeben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen).

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückgabe eines dem Beklagten erteilten Arbeitszeugnisses.

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Der Beklagte war aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 01.07.2014 bis zum 31.10.2016 als Hochbauingenieur in der Verwaltung der klagenden Gemeinde beschäftigt. Sein unmittelbarer Vorgesetzter war der Leiter des Fachdienstes Immobilien und Tourismus H.... Bereichsleiterin und weitere Vorgesetzte war ab Mai 2015 Frau P.... Diese sprach sich im November 2015 in einem internen Vermerk (Anlage K 4, Bl. 23 d. A.) gegen eine Weiterbeschäftigung des Beklagten über den Ablauf der Befristung hinaus aus, die damals noch zum 30.06.2016 vereinbart war.

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Am 16.06.2016 bat der Beklagte den Leiter des Fachdienstes Allgemeine Verwaltung Sch... um die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses. Frau P... teilte Herrn Sch... auf dessen Anfrage mit E-Mail vom 27.06.2016 mit, an der Arbeitsweise des Beklagten habe sich leider nichts geändert. Sie bekräftige ihre Stellungnahme vom 03.11.2015. Unter dem 20.07.2016 erhielt der Beklagte daraufhin ein von der Bürgermeisterin unterzeichnetes, gesiegeltes Zwischenzeugnis mit einer durchschnittlichen Beurteilung, bezüglich dessen Inhalt auf die Anlage K 3 (Bl. 21 d. A.) verwiesen wird. Am 07.10.2016 bewarb sich der Beklagte auf die von der Klägerin ausgeschriebene, bis zum 31.10.2016 von ihm selbst besetzte Stelle eines Diplom-Ingenieurs Hochbau bzw. Architekten Hochbau.

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Am 28.10.2016 wandte sich der Beklagte mit einem von ihm entworfenen Zwischenzeugnis an den stellvertretenden Bürgermeister der Klägerin St... – die Bürgermeisterin selbst war an jenem Tag urlaubsbedingt ortsabwesend – und bat diesen um Unterzeichnung. Herr St... erklärte, er könne das Zeugnis nicht unterschreiben, da er die Leistungen des Beklagten nicht beurteilen könne. Er nahm dann Rücksprache mit Herrn H..., der ihm die Richtigkeit des Zwischenzeugnisses bestätigte. Darauf unterzeichnete Herr St... das Zeugnis und händigte dieses ungesiegelt dem Beklagten aus. Wegen des Inhalts dieses Zwischenzeugnisses, in dem der Beklagte sehr gut beurteilt wird, wird auf die Wiedergabe in der Klageschrift (Bl. 3 und 4 d. A.) verwiesen. Anlässlich einer Besprechung des Sachverhalts am 31.10.2016 erklärte der Beklagte auf Befragen, warum er das Zeugnis nicht über den Fachdienst Allgemeine Verwaltung angefordert habe, es habe sich um eine dringende Angelegenheit gehandelt. Mit Schreiben vom 04.11.2016 widerrief die Klägerin das Zeugnis. Mit ihrer Klage verlangt sie dessen Rückgabe.

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Sie hat behauptet:

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Für die Erstellung von Arbeitszeugnissen sei ausschließlich der Fachdienst Allgemeine Verwaltung und dort deren Leiter Herr Sch... zuständig. Dieser erstelle auf Grundlage einer Beurteilung des jeweiligen Vorgesetzten ein Arbeitszeugnis, das dann mit einem Dienstsiegel versehen und von der Bürgermeisterin unterzeichnet werde. Diese Handhabung sei auch dem Beklagten bekannt, der sich am 16.06.2016 selbst wegen des Zwischenzeugnisses an Herrn Sch... gewandt habe. Der Beklagte habe den Umstand ausgenutzt, dass Herrn St... der Inhalt des Zwischenzeugnisses vom 20.07.2016 nicht bekannt gewesen sei und habe diesen mithilfe von Herrn H... „überrumpelt“. Es habe auch keinen Grund für dieses Vorgehen gegeben. Herr Sch... sei in der fraglichen Woche täglich und am 28.10.2016 bis 12.30 Uhr im Haus gewesen. Einen Anspruch auf ein Zeugnis habe zu jenem Zeitpunkt auch nicht bestanden. Der Beklagte habe Herrn St... an Herrn H... wegen der inhaltlichen Richtigkeit des Zeugnisses verwiesen. Dieser habe gemeinsam mit dem Beklagten Herrn St... getäuscht. Herr H... könne wegen umfangreicher krankheitsbedingter Abwesenheit die Leistungen des Beklagten gar nicht zutreffend beurteilen. Der Beklagte habe auch nicht dringend ein Zeugnis benötigt, da er bereits ein Zwischenzeugnis erteilt bekommen habe.

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Das Zeugnis sei schließlich auch inhaltlich grob unrichtig, und zwar sowohl im Hinblick auf die Aufgabendarstellung als auch auf die Benotung. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze der Klägerin vom 09.12.2016 und 06.03.2017 verwiesen.

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Der Beklagte hat erwidert:

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Im ersten Zeugnis sei er bewusst falsch zu schlecht beurteilt worden. Er habe dringend ein neues Zeugnis benötigt, um sich auf eine Stelle bei der Handwerkskammer L... bewerben zu können, für die die Bewerbungsfrist am 28.10.2016 geendet habe (Kopie der Stellenanzeige als Anlage B 1, Bl. 51 d. A.). Auf Anraten von Herrn H... habe er selbst einen Zeugnisentwurf verfasst und mit diesem abgestimmt. Als sein direkter Vorgesetzter könne Herr H... seine Leistungen am besten beurteilen. Herr St... habe dann am 28.10.2016 Rücksprache mit Herrn H... gehalten, ohne von ihm – Beklagten – dazu aufgefordert worden zu sein. Die Klägerin müsse sich dieses Zeugnis zurechnen lassen. Es sei auch inhaltlich richtig. Die in dem Zeugnis genannten Aufgaben habe er erfüllt. Der übliche Vorgang zur Erstellung von Zeugnissen sei ihm nicht bekannt gewesen. Er bestreite die entsprechenden Behauptungen der Klägerin mit Nichtwissen.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf die Akte verwiesen.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein Herausgabeanspruch. Die Klägerin müsse sich an dem von ihr erteilten Zeugnis festhalten lassen. Der Beklagte habe sie nicht entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben getäuscht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

12

Gegen das am 13.04.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.05.2017 Berufung eingelegt und diese am 12.06.2017 begründet.

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Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag wie folgt:

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Das Vorgehen des Beklagten sei allein erfolgt, weil er erwartet habe, sein Zeugnis werde entsprechend dem schlechteren Zeugnis vom 20.07.2016 formuliert werden und dies habe vermeiden wollen. Sie sei zum Widerruf des Zeugnisses berechtigt, weil dieses grob unrichtig sei. Der Beklagte sei unvertretbar gut beurteilt worden. Das Arbeitsgericht habe ihren Vortrag zu den Täuschungshandlungen des Beklagten nicht zur Kenntnis genommen und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. So sei ihr Stellvertretender Bürgermeister durch den Beklagten im kollusiven Zusammenwirken mit Herrn H... getäuscht und seine Arglosigkeit vom Beklagten ausgenutzt worden. Die vom Arbeitsgericht behauptete „Üblichkeit“, dass Arbeitnehmer sich ihr Zeugnis selbst ausstellten, gebe es bei ihr nicht, wie sie ebenfalls dargelegt und unter Beweis gestellt habe. Herr St... habe auch nicht gewusst, dass der Beklagte sich das Zeugnis selbst geschrieben habe. Ferner habe der Beklagte bewusst die Abwesenheit des Fachdienstleiters Sch... und der Bürgermeisterin ausgenutzt. Herrn St... hätten bei Unterzeichnung wesentliche Informationen gefehlt. Daher müsse sie sich trotz wirksamer Vertretung nicht an dem Zeugnis festhalten lassen.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.03.2017 – 4 Ca 2812 b/16 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin das ihm erteilte Arbeitszeugnis vom 27.10.2016 herauszugeben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

19

Er wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts.

20

Vor Unterzeichnung des Zeugnisses habe Herr St... von sich aus Herrn H... aufgesucht. Herr St... könne als Stellvertretender Bürgermeister und ehemaliger Vorsitzender des Bauausschusses seine Leistungen zutreffend beurteilen. Er bestreite mit Nichtwissen, dass Herr St... von dem Zwischenzeugnis vom 20.07.2016 nichts gewusst habe. Das ihm im Oktober erteilte Zeugnis sei auch inhaltlich korrekt. Das gelte sowohl für die Darstellung seiner Tätigkeiten und Aufgaben als auch für die Leistungsbewertung. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit er sich treuwidrig verhalten habe. Das Arbeitsgericht habe daher die Klage zu Recht abgewiesen. Ein kollusives Zusammenwirken zwischen ihm und Herrn H... zum Nachteil der Klägerin habe es nicht gegeben. Herr St... habe das Zeugnis nach Rücksprache unterzeichnet. Hieran müsse sich die Klägerin festhalten lassen.

21

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist abzuändern, da es die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückgabe des Zeugnisses vom 27.10.2016 zu.

23

I. Ein Arbeitnehmer ist zur Rückgabe eines bereits erteilten Zeugnisses verpflichtet, wenn dieses vom Arbeitgeber wirksam widerrufen wurde. Der Arbeitgeber hat an der Rückgabe in diesen Fällen ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse, weil er fürchten muss, dass sich der Arbeitnehmer mit dem widerrufenen Zeugnis bei Dritten bewirbt und der Arbeitgeber in Regress genommen werden kann (vgl. etwa den Fall BGH vom 15.05.1979 – VI ZR 230/76 -; Juris). Die Rückgabepflicht folgt damit letztlich aus der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB, und zwar unabhängig davon, ob das Zeugnis – wie hier – im bestehenden Arbeitsverhältnis oder erst nach dessen Beendigung erteilt wurde.

24

II. Wann dem Arbeitgeber ein Widerruf des erteilten Zeugnisses möglich ist, wird in der Literatur ohne Nennung einer konkreten Rechtsnorm im Wesentlichen einheitlich wie folgt beurteilt: Hat sich ein Arbeitgeber bei der Erstellung des Zeugnisses im Hinblick auf schwerwiegende, wesentliche Umstände geirrt, weil ihm nachträglich Tatsachen bekannt werden, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden und für einen zukünftigen Arbeitgeber von ausschlaggebender Bedeutung bei der Einstellungsentscheidung sein könnten und es deshalb wesentliche Unrichtigkeiten enthält, kann er gegen Erteilung eines neuen Zeugnisses die Herausgabe des alten verlangen (Knobbe/Leis/Unnuß, Arbeitszeugnisse, 8. Aufl. 2016, S. 45; ebenso: ErfK-Müller-Glöge, 16. Aufl., § 109 GewO, Rn. 56; MüKo-Henssler, 7. Aufl., § 630, Rn. 65; Schaub-Link Arbeitsrechtshandbuch, 17. Aufl., § 147, Rn. 36; Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 21. Aufl., Rn. 519).

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Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die Widerrufsmöglichkeit findet ihre Rechtsgrundlage in dem das gesamte Zivilrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben § 242 BGB. Die Auffassung hilft der Klägerin aber nicht weiter. Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach diesen Grundsätzen liegen nicht vor. Die Klägerin beruft sich für ihr Widerrufsrecht selbst nicht auf ihr nachträglich bekannt gewordene wesentliche Umstände, die eine andere Beurteilung im Zeugnis rechtfertigen könnten. Vielmehr waren der Klägerin alle Umstände bekannt, die die aus ihrer Sicht schlechtere Beurteilung des Beklagten rechtfertigen konnten. Die Klägerin muss sich insoweit das Wissen ihrer Organe und der für sie handelnden Vertreter (§ 166 Abs. 1 BGB analog) zurechnen lassen. Sowohl Frau K... als Bürgermeisterin als auch Herrn Sch... als zuständigem Leiter des Fachdienstes Allgemeine Verwaltung waren sämtliche Umstände, die die Beurteilung des Beklagten betrafen, unstreitig bekannt. Dass das im konkreten Fall handelnde Organ der Klägerin, ihr 2. Bürgermeister St..., von einer abweichenden Einschätzung des Leistungsvermögens des Beklagten nichts wusste, entlastet die Klägerin deswegen nicht. Nur zu einem Fall nachträglicher Kenntniserlangung verhalten sich im Übrigen auch die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 15.05.1979 und des Arbeitsgerichts Passau.

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III. Der Widerruf eines Zeugnisses ist aber nach Auffassung der Kammer auch dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis auf unredliche, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßende Art und Weise erlangt hat.

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1. Aus § 242 BGB haben Rechtsprechung und Lehre seit langem den das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz abgeleitet, dass jedermann in Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat. § 242 BGB beruht nämlich auf dem Gedanken, dass jedem Recht sozialethische Schranken immanent sind (Palandt-Grüneberg, 75. Aufl., § 242, Rn. 1).

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2. Nach Auffassung der Kammer hat der Beklagte in Ausübung seines Rechts auf Erhalt eines Arbeitszeugnisses Treu und Glauben verletzt.

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Das Vorgehen des Beklagten stellt sich nämlich insbesondere nach den Erörterungen im Berufungstermin als zielgerichtete Umgehung des bei der Klägerin vorgesehenen Verwaltungswegs dar, um eine bessere - von den zuständigen Mitarbeitern der Klägerin (Sch... und P...) nicht getragene - Beurteilung seiner Arbeitsleistung zu erlangen.

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a) Im Berufungstermin hat der Beklagte auf Befragen klargestellt, dass ihm der Dienstweg bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen grundsätzlich bekannt gewesen sei. Er wusste also von der entsprechenden Anordnung für die Verwaltung der Klägerin, dass Arbeitszeugnisse durch den Leiter Allgemeine Verwaltung, Herrn Sch..., nach Einholung eines Beurteilungsbeitrags des zuständigen Fachvorgesetzten erstellt werden. Diesen Weg hat der Beklagte umgangen, indem er sich wegen der Erstellung des Zeugnisses direkt an den 2. Stellvertretenden Bürgermeister der Klägerin wandte. Dabei hat er das Zeugnis zuvor nicht mit der nach dem Dienstweg vorgesehenen Bereichsleiterin P..., sondern nur mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten H... abgesprochen.

31

Das Vorgehen des Beklagten ist auch nicht durch die von ihm angeführte besondere Eilbedürftigkeit der Situation gerechtfertigt. Dem Beklagten lag nämlich ein zeitnah erteiltes Zwischenzeugnis vor. Die Klägerin hat ihm unstreitig bereits am 20.07.2016 ein solches erteilt. Es entschuldigt den Beklagten nicht, wenn er meint, dass mit diesem Zwischenzeugnis eine Bewerbung aussichtslos gewesen wäre. Dann hätte er bereits frühzeitig einen Antrag auf Zeugnisberichtigung zunächst bei der Klägerin, ggf. beim Arbeitsgericht stellen können. Ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Lübeck hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor Mitte Oktober 2016 stattfinden können. Selbst wenn die Angelegenheit im Übrigen aus Sicht des Beklagten eilig war, so entschuldigt das immer noch nicht, dass er sich nicht auch noch am 28.10. an Herrn Sch... gehalten hat. Dieser war jedenfalls bis 12.30 Uhr im Hause und hätte aufgesucht werden können.

32

Darum ging es dem Beklagten aber gar nicht. Auf den Vorhalt im Berufungstermin, dass bei Gericht der Eindruck entstanden sei, er – Beklagter – habe sich nicht auf dem Dienstweg an die Klägerin gewandt, weil er habe davon ausgehen müssen, mit dem bisherigen Zeugnis keine Chancen zu haben, auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein, hat der Kläger erklärt: „Auf jeden Fall“. Er hat beredt und nachvollziehbar ausgeführt, dass er mit dem bisherigen Zeugnis keine Chance gesehen habe, sich auf dem Arbeitsmarkt zu bewerben und dass das erste Zeugnis – aus seiner Sicht – „grottenfalsch“ gewesen sei. Auf den juristischen Weg eines Zeugnisberichtigungsrechtsstreits habe er sich im Hinblick auf den von ihm erwarteten Zeitablauf nicht einlassen mögen.

33

Diese Einlassungen des Beklagten im Termin bestätigen das, was ihm die Klägerin vorwirft: Dem Beklagten ging es gerade darum, nicht auf dem Dienstweg ohne Aussicht auf ein verbessertes Zeugnis vorzugehen, sondern unter Umgehung desselben ein ihn aus seiner Sicht zutreffend beschreibendes Zeugnis zu bekommen. Damit tritt aus Sicht des Berufungsgerichts die Unredlichkeit des Handelns des Beklagten offen zu Tage. Wenn es eine Organisationsentscheidung des Arbeitgebers über die Zuständigkeiten bei der Erteilung eines Zeugnisses gibt, diese dem Arbeitnehmer bekannt sind und ihm im Rechtsstaat die Möglichkeit gegeben wird, gegen eine falsche Beurteilung vorzugehen, dann ist es treuwidrig, wenn der Beklagte unter Ausnutzung des Umstandes, dass die zuständige Bürgermeisterin urlaubsbedingt abwesend ist und der zuständige Verwaltungsleiter umgangen wird, sich ein Zeugnis erschleicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es in der Praxis durchaus vorkommt, dass Arbeitnehmer zunächst einen eigenen Entwurf des von ihm gewünschten Arbeitszeugnisses vorlegen. Der Beklagte wusste, dass es diese Praxis bei der Klägerin nicht gibt. Der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens gegen den Beklagten ist auch nicht wegen der eigenen Erstellung des Zeugnisses begründet, sondern weil der Beklagte diesen Entwurf nicht Herrn Sch..., sondern dem mit der Unterzeichnung von Arbeitszeugnissen regelmäßig nicht befassten ehrenamtlich tätigen 2. Bürgermeister vorlegte.

34

IV. Der Beklagte ist zur Zeugnisrückgabe auch nicht nur Zug um Zug gegen Erteilung eines Endzeugnisses durch die Klägerin verpflichtet. Ein zur Zurückbehaltung berechtigender Gegenanspruch (§ 273 Abs. 1 BGB) auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses besteht nach § 109 Abs. 1 S. 3 GewO nur bei einem entsprechenden Verlangen. Ein solches Verlangen hat der Beklagte bislang nicht gestellt.

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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.


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