Urteil vom Landgericht Aachen - 11 O 214/93
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.000 DM nebst 4 % Zinsen pro Jahr seit dem 10.07.1993 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Daß Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 17.200 DM vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger macht einen – rechtlichen – Schmerzensgeldanspruch aufgrund eines Vorfalls geltend, welcher sich am 22.12.1991 gegen Mitternacht vor der Gaststätte „Q“ in B, B1-weg ###, ereignete. Der Kläger hatte diese Gaststätte aufgesucht und alkoholische Getränke zu sich genommen. Nach Mitternacht verließ er die Gaststätte, um sich zu erfrischen. Auf dem Bürgersteig des B1-wegs traf er auf den Beklagten, der ebenfalls alkoholisiert war. Der Kläger sprach den Beklagten darauf an, ob er Türke oder Jugoslawe sei. Es entsann sich eine verbale Auseinandersetzung, in deren Verlauf sich der Kläger entschuldigte und sich darüber erregte, daß der Beklagte die Entschuldigung nicht annehmen wollte. Die Parteien begannen, sich gegenseitig zu schubsen und sich an ihren Jacken zu packen. Es gelang dem Zeugen B2 die Parteien zu trennen, die sich nunmehr im Abstand von wenigen Metern gegenüberstanden. Plötzlich griff der Beklagte in seine Jacke und holte daraus ein Springmesser. Er ging auf den Kläger zu und versetze diesem einen Stich in die linke Seite unterhalb des Rippenbogens. Der Kläger wurde daraufhin in stationäre Behandlung der medizinischen Einrichtungen der Rheinisch-westfälischen Technischen Hochschule in B verbracht. Dort wurde festgesellt, daß sich freie Flüssigkeit im Bauchraum befand, so daß eine explorative Laparotomie durchgeführt werden musste. Es wurde festgestellt, daß das Messer des Beklagten die Milz des Klägers durchstochen und Milzgefäße verletzt hatte. Es kam zu einer Entfernung der Milz. Der Kläger wurde bis zum 13.01.1992 im Klinikum stationär behandelt. Er war bis zum 11.03.1992 arbeitsunfähig. Wegen seiner Tat wurde der Beklagten wegen des Verdachts des versuchten Totschlages vorläufig festgenommen. Er wurde aus der Haft am 12.02.1992 entlassen. Der Beklagte wurde wegen des Vorfalls vom 22.12.1991 durch daß zweitinstanzlich rechtskräftige Urteil des Schöffengerichts in Aachen vom 04.12.1992 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Als Bewährungsauflage wurde dem Beklagten aufgegeben, an den Kläger ein Schmerzensgeld von insgesamt 4.000 DM in monatlichen Raten ab Februar 1993 an in Höhe von 300 DM zu zahlen. Dieser Ratenzahlung kommt der Beklagte bislang nach.
3Der Kläger, dem unstreitig aufgrund der infolge der Verletzung durch den Beklagten notwendigen Operation eine 30 cm lange Narbe im Bauchbereich verblieben ist, behauptet, es seien auch weitere Dauerfolgen vorhanden. So verspüre er beim tiefen Einatmen, beim Husten und schweren Heben Schmerzen in der linken Seite. Auch sei durch die Entfernung der Milz ein erhöhtes Infektionsrisiko eingetreten.
4Der Kläger hält den Beklagten für verpflichtet, an ihn ein Schmerzensgeld von insgesamt 10.000 DM zu zahlen. Hiervon seien abzuziehen die 4.000 DM, die der Beklagte bereits im Rahmen der Bewährungsauflage zu erbringen habe.
5Der Kläger beantragt,
6den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zuzüglich 4 % Zinsen pro Jahr seit Rechtshängigkeit (10.07.1993) zu zahlen.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Er bestreitet mit Nichtwissen, daß bei dem Kläger Dauerfolgen vorhanden sind. Darüber hinaus ist er der Auffassung, daß der Kläger, wenn er, der Beklagte, der Bewährungsauflage in vollem Umfange nachgekommen sei, ein weiteres Schmerzensgeld nicht fordern könne.
10Daß Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akten 81 VRs 113.3/93 StA Aachen sowie durch Inaugenscheinnahme der Narbe des Klägers. Insoweit wird Bezug genommen auf daß Sitzungsprotokoll vom 25.10.1993.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den wechselseitigen Vortrag der Parteien.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Die zulässige Klage ist in vollem Umfange gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i. V. m. § 223 a StGB, §§ 847, 284 ff. BGB begründet.
14Es steht unstreitig fest, daß der Beklagte den Kläger am 22.12.1991 mit einem Springmesser so verletzt hat, daß eine Entfernung der Milz des Beklagten erforderlich wurde.
15Die Kammer ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß dem Kläger noch ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 14.000 DM zusteht.
16Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldanspruches ist zu berücksichtigen, daß dieser Anspruch zunächst einen Ausgleich für die erlittenen Schäden bewirken soll. Darüber hinaus soll daß Schmerzensgeld aber auch zu einer wirklichen Genugtuung des Geschädigten führen, wobei ein Mitwirken des Verschulden des Verletzten nach § 254 BGB als einer der Bewertungsfaktoren mindernd zu beachten ist (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 52. Aufl., § 847 Rdnr. 4,5).
17Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier zu beachten, daß die ursprüngliche Provokation zwar von dem Kläger ausging, dieser sich jedoch hierfür entschuldigt hatte, bevor der Beklagte mit seinem Messer zustach, die Provokation des Beklagten aber ein Ende gefunden hatte. Dies ist unstreitig, ergibt sich aber auch aus der seitens des Klägers in bezug genommen Bekundung des Zeugen B2, bei seiner polizeilichen Vernehmung (Bl. 18 ff. der Beiakte 81 VRs 113.3/93). Bei dieser Sachlage mußte und konnte der Kläger nicht mehr mit einem weiteren aggressiven Verhalten des Beklagten rechnen. Insbesondere brauchte er nicht davon ausgehen, daß der Beklagte nunmehr grundlos mit einem Springmesser, also einem gefährlichen Werkzeug, auf den Kläger einstechen würde. Zwar mag in diesem Zusammenhang zugunsten des Beklagten sprechen, daß er zur Tatzeit alkoholisiert war. Jedoch hat dies nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B3 im Strafverfahren (Bl. 128 der Akte 81 VRs 113.3/93 StA Aachen) nicht dazu geführt, daß bei ihm zur Tatzeit eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB vorgelegen hat.
18Für die Höhe des Schmerzensgeldes war es darüber hinaus von Bedeutung, daß es sich bei der Tat des Beklagten nicht um eine fahrlässige unerlaubte Handlung gehandelt hat. Vielmehr ist er insoweit vorsätzlich vorgegangen.
19Zugunsten des Beklagten kann seiner Ansicht, es sei dem Kulturkreis, dem die Parteien entstammen, nicht wesensfremd, Streitigkeiten mit Körperverletzungen bzw. sogar Messerstechereien zu sühnen, nicht gefolgt werden. Seine diesbezügliche Darlegung ist unschlüssig. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Tatsachen er zu einer solchen Schlußfolgerung kommt. Daß diese nicht zwingend ist, ergibt sich bereits aus dem Umstande, daß der Kläger die Auseinandersetzung geführt hat, ohne zu einem Messer zu greifen.
20Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes kann weiter nicht außer acht gelassen werden, daß die Folgen der Tat für den Kläger nicht unerheblich sind. Neben einem längeren Krankenhausaufenthalt und einer darüber hinausgehenden Zeit der Arbeitsunfähigkeit bleibt als weitere Dauerfolge, daß dem Kläger – unstreitig – die Milz entfernt worden ist. Die in diesem Zusammenhang durchgeführte Operation hat bei dem Kläger, wovon sich die Kammer durch Augenscheinnahme in der Sitzung vom 25.10.1993 überzeugen konnte, eine beträchtliche und verunstaltende Narbe zurückgelassen. Soweit der Beklagte weitere Dauerfolgen mit Nichtwissen bestreitet, ist sein Vortrag teilweise unerheblich, teilweise ist die Kammer vom Gegenteil überzeugt.
21So ist davon auszugehen, daß infolge der Entfernung der Milz bei dem Kläger ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Der Kläger hat nämlich vorgetragen, daß es allgemein medizinischer Erfahrung entspreche, nach Entfernung der Milz von einem derartigen Risiko auszugehen. Dem ist der Beklagte substantiiert nicht entgegengetreten. Insbesondere hat er diese medizinische Erkenntnis nicht in Abrede gestellt. Er bestreitete nur mit Nichtwissen, daß eine derartige Dauerfolge bei dem Kläger eingetreten ist. Dies ist aber unsubstantiiert, da nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher Tatsachen die – unstreitige - allgemeine medizinische Erkenntnis hier keine Geltung haben soll.
22Darüber hinaus ist die Kammer aber auch gemäß § 286 ZPO davon überzeugt, daß ein derartiges Infektionsrisiko ebenso besteht wie die vom Kläger geschilderten Beschwerden im Bauch- bzw. Brustbereich. Nach Augenscheinnahme der Kammer geht diese davon aus, daß die Narbe des Klägers bei den genannten Tätigkeiten (tiefes Einatmen, schweres Heben sowie Husten) zu Schmerzen führen.
23Nach all dem erscheint selbst bei Beachtung des Umstandes, daß der Kläger bereits durch die Inhaftierung des Beklagten, dessen Verurteilung sowie durch die Bewährungsauflage eine gewisse Genugtuung erfahren haben mag, ein Schmerzensgeld in Höhe von 14.000 DM gerechtfertigt.
24Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 284 ff. BGB.
25Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
26Streitwert: 14.000 DM
27Q
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