Urteil vom Landgericht Aachen - 4 O 37/97
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.833,08 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.10.1996 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits werden der Beklaagten 14 % und der Klägerin 86 % auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Klägerin jedoch nur gegen eine Sicherheitsleistung von 2.500,00 DM, für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.700,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund Versicherungsantrags vom 25.09.1995 (Bl. 10, 11 d.A.) privat krankenversichert; als Versicherungsbegin war der 01.10.1995 vereinbart. Dem Vertrag liegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten - und Krankenhaustagegeld - Versicherung (AVB-MB/KK 1994) zugrunde. Die Klägerin reichte in der Folgezeit Abrechnungen für Schwangerschaftsuntersuchungen zwischen dem 02.02.1996 und dem 26.04.1996 sowie für Medikamente (Bl. 14 - 17 d.A.) bei der Beklagten zur Liquidation ein; an Entbindungskosten rechnete die Klägerin darüber hinaus 10.984,75 DM bei der Beklagten ab (Bl. 32, 33 d.A.). Zahlungen seitens der Beklagten erfolgten nicht; diese verweigerte vielmehr mit Schreiben vom 10.07.1996 (Bl. 73, 74 d.A.) - der Klägerin eingegangen am 11.07.1996 (Bl. 75 d.A.) - die Begleichung der Entbindungskosten und wies die Klägerin auf die Rechtsfolgen des § 12 VVG hin. Mit Schreiben vom 11.10.1996 (Bl. 84 ff. d.A.) verneinte die Beklagte erneut ihre Einstandspflicht für sämtliche geltend gemachten Behandlungskosten und berief sich hinsichtlich der Entbindungskosten darauf, dass zum Entbindungszeitpunkt die - nicht abbedungenen - besonderen Wartezeiten nicht abgelaufen gewesen seien.
3Mit der am 31.01.1997 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Leistung aus dem Krankenversicherungsvertrag weiter. Sie vertritt hinsichtlich der Vorsorgeuntersuchungen die Auffassung, dass Versicherungsfall nicht die Feststellung der Schwangerschaft als solche, sondern jede einzelne notwendig werdende Behandlung sei. Die Beklagte sei auch zur Tragung der Entbindungskosten verpflichtet, da es sich um eine Frühgeburt gehandelt habe; der eigentliche Geburtstermin sei für Mitte Juni 1996 ausgerechnet gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei aber die besondere Wartezeit bereits verstrichen gewesen.
4Die Klägerin beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.108,86 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.10.1996 zu zahlen.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie beruft sich zunächst auf § 12 Abs. 3 VVG und steht auf dem Standpunkt, die Klägerin habe ihren Anspruch verspätet geltend gemacht. Hinsichtlich der Kosten der Vorsorgeuntersuchungen handele es sich um einen vor Beginne des Versicherungsschutzes eingetretenen Versicherungsfall. Die Klägerin habe nämlich bereits am 28.09.1995 von der bei ihr bestehenden Schwangerschaft erfahren. Bei einem - bei der Klägerin vorliegenden - annormalen Schwangerschaftsverlauf sei aber von einem einzigen zusammenhängenden Versicherungsfall auszugehen. Jedenfalls sei sie aber nicht verpflichtet, die Kosten der ambulanten Behandlung vom 22., 24. und 26.04.1997 zu tragen, da die Klägerin sich zu diesem Zeitpunkt in Verzug mit fälligen Beitragszahlungen befunden habe. Sie - die Beklagte - habe die Klägerin unter dem 04.04.1996 bezüglich der rückständigen Prämien gemahnt; da eine vollständige Zahlung der fälligen Beitragsrückstände bis zum 19.04.1996 erfolgt sei, habe sich die Klägerin ab dem 20.04.1996 in Verzug befunden. dieser sei erst mit einer am 23.05.1996 erfolgten Zahlung von 305,00 DM beendet gewesen. Hinsichtlich der am 22., 24. und 26.04.1996 erfolgten ambulanten Behandlungen sei sie daher gemäß § 39 Abs. 2 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei.
9Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11Die Klage hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
12Der Klägerin steht gegen die Beklage aus §§ 1, 49 VVG, 1, 4 MRKK, ein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankenversicherungsvertrag in Höhe von 1.833,08 DM zu, während ein darüber hinausgehender Anspruch nicht begründet ist.
13I.
14Ein Anspruch der Klägerin hinsichtlich der Entbindungskosten in Höhe von 10.984,75 DM scheitert bereits - ohne dass die zwischen den Parteien streitige Frage des Ablaufs der besonderen Wartefristen aus § 3 Abs. 3 MBKK der Erörterung bedürfte - an der Vorschrift des § 12 Abs. 3 VVG. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf Leistung nicht innerhalb von 6 Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Dabei beginnt die Frist, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Vorliegend hat die Beklagte mit Schreiben vom 10.07.1996 (Bl. 73, 74 d.A.) jedenfalls den Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Entbindungskosten schriftlich abgelehnt. Sie hat die Klägerin auch auf die Rechtsfolge des § 12 VG in ausreichender Form hingewiesen. Dieses Schreiben ist der Klägerin - wie diese nicht bestreitet (§ 138 Abs. 3 ZPO) und sich auch aus der Auskunft der E vom 21.03.1997 (Bl. 75 d.A.) ergibt - am 11.07.1996 zugegangen. Dementsprechend endete die 6-Monats-Frist des § 12 Abs. 3 S. 1 VVG mit Ablauf des 11.01.1997 (§ 188 Abs. 2 BGB). Die Klägerin hat die vorliegende Klage aber erst am 31.01.1997 bei Gericht eingereicht; ihr Anspruch auf Erstattung der Entbindungskosten ist daher gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 VVG verfristet.
15II.
16Die Klägerin hat freilich - zunächst dem Grunde nach - aus §§ 1, 49 VVG, 1, 4 MBKK einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der für die ambulanten Behandlungen entstandenen Kosten. Die Beklagte kann sich insoweit nicht auf die Vorschrift des § 12 Abs. 3 S. 1 VVG berufen; der entsprechende Anspruch der Klägerin ist daher nicht verfristet. Hinsichtlich der Kosten für die ambulante Vorsorgebehandlung fehlt es nämlich an den gem. § 12 Abs. 3 S. 2 VVG erforderlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen der Fristversäumung. Im Schreiben vom 10.07.1996 (Bl. 73, 74 d.A.) wird nämlich seitens der Beklagten lediglich der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Entbindungskosten, nicht aber auch der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Vorsorgeuntersuchungen zurückgewiesen. Nach dem klaren Wortlaut des § 12 Abs. 3 S. 2 VVG muss aber der Versicherer - will er sich auf den Einwand der Verfristung gem. § 12 Abs. 3 S. 1 VVG berufen, - "den erhobenen Anspruch" ablehnen. Hiermit kann aber nur der jeweilig geltend gemachte einzelne Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis gemeint sein. Das Scheiben vom 10.07.1996 verhält sich aber nur zu den Entbindungskosten, wie sich um einen auf deren ausdrücklicher Nennung, zum anderen aber auch daraus ergibt, dass die Beklagte davon spricht, die Klägerin habe "weitere" Kostenrechnungen anlässlich der Entbindung eingereicht. Auch im weiteren Verlauf dieses Schreibens ist lediglich von den Aufwendungen für die Entbindung, nicht aber von den Aufwendungen für die ambulanten Vorsorgeuntersuchungen die Rede. Der "erhobene Anspruch" der Klägerin, den die Beklagte mit Schreiben vom 10.07.1996 zurückweist, ist demzufolge nur derjenige auf Erstattung der Entbindungskosten, nicht aber auch derjenige auf Erstattung der Kosten für die ambulanten Vorsorgeuntersuchungen. Nur hinsichtlich der Entbindungskosten können daher - wie gezeigt - die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 S. 1 VVG (Leistungsfreiheit des Versicherers) eintreten, nicht aber hinsichtlich der Kosten für die ambulanten Vorsorgeuntersuchungen. Es ginge angesichts der Strenge der Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 VVG auch nicht an, den Versicherungsnehmer auch mit solchen Ansprüchen auszuschließen, hinsichtlich derer er auf die Folgen der Fristversäumung nicht hingewiesen worden ist.
17Hinsichtlich der Kosten der ambulanten Vorsorgeuntersuchungen kann sich die Beklagte auch nicht auf die - Vertragsinhalt gewordene - Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 2 MBKK berufen. Hiernach wird für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, nicht geleistet. Indes sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt. Die Kammer vermag nämlich die Auffassung der Beklagten, im Rahmen einer Problemschwangerschaft sei die - unstreitig vor Versicherungsbeginn eingetretene - Schwangerschaft selbst als der Versicherungsfall anzusehen, nicht zu teilen. Diese Auffassung befindet sich im Widerspruch zum klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 MBKK. Danach ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung und als Versicherungsfall gelten auch Untersuchungen medizinisch notwendiger Behandlungen wegen einer Schwangerschaft. Damit stellt der Wortlaut der MBKK gerade nicht auf die Schwangerschaft selbst, sondern auf die anlässlich der Schwangerschaft erforderliche Heilbehandlung ab. Die Regelung des § 1 Abs. 2 MBKK kann daher nur darin verstanden werden, dass Versicherungsschutz nach Versicherungsbeginn - hier: 01.10.1995 - für jede einzelne ambulante Vorsorgemaßnahme besteht, so sie medizinisch notwendig ist, und Versicherungsleistungen nur für solche Untersuchungen verweigert werden können, die zwischen Beginn der Schwangerschaft und Beginn des Versicherungsschutzes durchgeführt werden (so auch OLG Zweibrücken, VerR 1992, 953). Eine andere Betrachtungsweise gerade bei Problemschwangerschaften würde darüber hinaus zu dem wenig interessengerechten Ergebnis führen, dass Versicherungsschutz dort zu versagen wäre, wo auf Seiten des Versicherungsnehmers ein größeres Interesse hieran besteht als bei einer komplikationslos verlaufenden Schwangerschaft. Dass im übrigen die von der Klägerin vorgenommenen Vorsorgeuntersuchungen und Medikationen medizinisch nicht indiziert gewesen seien, behauptet die Beklagte selbst nicht. An ihrer Einstandspflicht für die Kosten der Vorsorgeuntersuchungen dem Grunde nach kann daher kein Zweifel bestehen.
18In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte auch nicht auf das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.03.1953 (VersR 1953, 250) berufen - dieser Entscheidung lagen andere, mit den hier vereinbarten nicht zu vergleichende Versicherungsbedingungen zugrunde.
19Die Beklagte kann indes gemäß § 39 Abs. 2 VVG die Erstattung der Kosten für die am 22., 24. und 26.04.1996 vorgenommenen ambulanten Vorsorgemaßnahmen in Höhe von insgesamt 277,82 DM verweigern. Gemäß § 39 Abs. 1 VVG kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer dann eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen bestimmen, wenn dieser eine Folgeprämie nicht rechtzeitig zahlt. Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintritts mit der Zahlung der Prämie im Verzug, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei (§ 39 Abs. 2 VVG). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, so dass die Beklagte sich hinsichtlich der am 22., 24. und 26.04.1996 vorgenommenen Heilbehandlung zu Recht hierauf beruft. Die Beklagte trägt unwidersprochen und damit zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO) vor, die Klägerin unter dem 04.04.1996 zur Begleichung von Folgeprämien angemahnt zu haben; die Klägerin befand sich daher mit dem 20.04.1996 in Verzug. Die Beklagte trägt gleichfalls unwidersprochen vor, dass eine vollständige Begleichung der geschuldeten Prämien am 23.05.1996 erfolgte. Erst mit diesem Tage waren daher die Verzugswirkungen beendet. Für die in diesem Zeitraum erfolgten ambulanten Maßnahmen beruft sich daher die Beklagte zu Recht auf ihre Leistungsfreiheit gemäß § 39 Abs. 2 VVG. Auf diesbezügliche Rechtsfolgen hat sie die Klägerin auch mit Schreiben vom 04.04.1996 - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - hingewiesen (§ 39 Abs. 1 S. 1 VVG). Die Klägerin kann daher die Kosten für die am 22., 24. und 26.04.1996 vorgenommenen ambulanten Maßnahmen in Höhe von insgesamt 277,82 DM nicht beanspruchen.
20Danach ergibt sich die folgende Abrechnung:
21Rechnung Dr. med. Daugert vom 22.04.1996
22(Bl. 14 d.A.): 1.098,35 DM
23Rechnung Dr. Ortmann vom 28.04.1996
24(Bl. 15, 16 d.A.): 952,88 DM
25Rechnung der Gemeinschaftspraxis für Laborato-
26riumsmedizin und Mikrobiologie vom 18.03.1996
27(Bl. 17 d.A.): 59,67 DM
28gesamt 2.110,90 DM
29abzgl. 277,82 DM
30Anspruch der Klägerin 1.833,08 DM
31Zinsen auf die Klageforderung kann die Klägerin unter Verzugsgesichtspunkten (§§ 284, 288 BGB) in gesetzlicher Höhe seit dem 16.10.1996 beanspruchen. Mit Schreiben vom 11.10.1996 lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ernsthaft und endgültig ab, sie befand sich daher spätestens ab dem 16.10.1996 in Verzug.
32III.
33Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 709 S. 1, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
34Streitwert: 13.108,86 DM
35I K Dr. N
36ist beurlaubt
37und kann nicht unter
38schreiben
39I
4041
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
42Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
43Ohne Tatbestand (gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.