Urteil vom Landgericht Aachen - 6 S 68/97
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.02.1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts Eschweiler 6 C 92/94 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
2Entscheidungsgründe
3Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
4Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
5Allerdings scheitert die Klage nicht bereits aus dem Grund, dass eventuelle Schadensersatzansprüche nach § 852 BGB verjährt wären. Entscheidend ist insoweit, ab wann die Klägerin Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen hatte, ab welchem Zeitpunkt es also der Klägerin aufgrund der ihr bekannten Tatsachen zuzumuten war, Klage zu erheben, die bei verständiger Würdigung der vorgetragenen Tatsachen Erfolgsaussicht hatte (vgl. nur Palandt-Thomas, 59. Aufl., § 852 BGB, Rn. 4; Staudinger-Schäfer , 12. Aufl., § 852 BGB, Rn. 6). Eine hinreichende Kenntnis hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer noch nicht durch das Gutachten des ... vom September 1990 erlangen können. Dies folgt zum einen daraus, dass das Gutachten des ... darlegt, mit einer gewissen Einschränkung (die nur für das Titan gelten dürfte) seien alle Elemente aus Spalte II – also auch das Element Eisen - als ubiquitär, also überall verbreitet, anzusehen. Ein Bezug zum Werk der Beklagten wird hierbei gerade nicht hergestellt. Zum anderen wird in dem Gutachten auch für die Elemente der Tabelle III (also auch für das Element Chrom), die "u.U. als Emission bei der Handhabung von Metallen austreten" eine Einschränkung dahingehend gemacht, dass keine Aussage dazu möglich sei, inwieweit dieser Umstand für das Gebiet Eschweiler generell zutreffe. Aus dem im September 1990 erstellten Gutachten des ... ergab sich für die Klägerin daher kaum mehr als die – bis dahin ohnehin bestehende – Vermutung, das Werk der Beklagten könne der Verursacher sein. Eine ausreichende Tatsachengrundlage besaß die Klägerin vielmehr erst im Anschluss an die von der Beklagten erteilte Auskunft und die Auswertung der Unterlagen durch den Sachverständigen ... am 24.07.1992. Hier wird ein ursächlicher Zusammenhang "als wahrscheinlich" hingestellt. Zwar ließe sich der maßgebliche Zeitpunkt vom Juli 1992 noch um einige Monate vorverlegen, da die Klägerin nach Erhalt des ...Gutachtens im September 1990 noch bis zum Juli 1991 zugewartet hat, bis sie die Beklagte unter Fristsetzung zur Anerkennung der Ersatzpflicht aufgefordert und sodann im Juni 1991 Auskunftsklage erhoben hat. Doch selbst wenn man die Kenntniserlangung damit um ca. neun Monate auf Ende 1991 vorverlagern wollte, wäre die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB, die gemäß § 17 UmweltHG auch für die Ansprüche aus § 1 UmweltHG Anwendung findet, bei Erhebung der Klage im März 1994 noch nicht abgelaufen gewesen.
6Folglich konnte das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs nicht dahingestellt bleiben. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat indes ergeben, dass der Klägerin ein derartiger Anspruch nicht zusteht.
7Ein Schadensersatzanspruch folgt insbesondere nicht aus § 1 UmweltHG. Die in dieser Vorschrift normierte Haftung des Anlagenbetreibers setzt voraus, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der von der Anlage ausgehenden Umwelteinwirkung und dem eingetretenen Schaden besteht. Dabei kann sich der Geschädigte auf die Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 UmweltHG berufen, wenn die Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet ist, den entstandenen Schaden zu verursachen.
8Soweit sich die Klägerin zuletzt auf die Freifeldlagerung, den Schlackebehandlungsplatz sowie den Wall als maßgebliche Emissionsquellen bezogen hat, fehlt es bereits an der grundsätzlichen Eignung dieser Anlagen zur Schadensverursachung. Dies folgt aus den von der Beklagten hierzu eingereichten Unterlagen in Verbindung mit der eingeholten Auskunft des ... vom 01.02.2000 sowie den Erläuterungen des Sachverständigen ... vom ... im Termin vom 06.07.2000.
9Die Freifeldlagerung kann bereits deshalb nicht als maßgeblicher Emittent angesehen werden, da die Freifeldlagerung von der Beklagten nie in Anspruch genommen wurde. Die Lagerung der Rohstoffe wurde vielmehr stets in Hallen vorgenommen, wie der Sachverständige ..., dem die Verhältnisse im Werk der Beklagten aufgrund von Kontrollen des ... bekannt sind, in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beklagten dargelegt hat.
10Der Schlackebehandlungsplatz sowie der Wall sind grundsätzlich ebenfalls nicht zur Schadensverursachung geeignet. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... vom 11.05.1998 in Verbindung mit den mündlichen Erläuterungen im Termin vom 05.11.1998 sind die Schäden wahrscheinlich durch Regenereignisse in Verbindung mit Staubemissionen zurückzuführen, wobei es eine hohe Staubkonzentration gegeben haben müsse, um die nötige Staubbefrachtung des jeweiligen Regentropfens zu erreichen. Staubemissionen gehen jedoch im Regelfall weder vom Schlackebehandlungsplatz noch vom Wall aus. Der Sachverständige ... hat diesbezüglich dargelegt, dass die Schlacke in fester Form zum Schlackebehandlungsplatz transportiert werde, so dass hierbei Stäube nicht entstehen. Dies steht auch nicht in Widerspruch zu der Nebenbestimmung Nr. 5 in der Anlage 2 zum Genehmigungsbescheid des ... vom 04.02.1986 betreffend u.a. den Schlackebehandlungsplatz und den Wall. Der Sachverständige ... hat nachvollziehbar darlegen können, dass es sich bei dem dort normierten Verbot der Wallaufschüttung ab einer gewissen Windstärke sowie in den Fällen, in denen Staubemissionen entstehen können, um eine vorsorgliche Anordnung handele, die keine Rückschlüsse auf die generelle Staubeignung im hier zu beurteilenden Fall zulasse. Gleiches gelte für die Befeuchtung des noch heißen Materials. Sie diene nämlich lediglich im Nebeneffekt dazu, dass etwaiger Staub gebunden werde. In der Hauptsache werde durch diesen Vorgang – worin auch der Zweck des Schlackebehandlungsplatzes bestehe – giftiges Chrom VI in ungefährliches Chrom III umgewandelt. Im Regelfall gehen folglich von Schlackebehandlungsplatz und Wall keine Stäube aus, so dass diesen Anlagen grundsätzlich die Eignung im Sinne des § 6 Abs. 1 UmweltHG fehlt. Staub entsteht auf mechanischem Wege nur dann, wenn der Radlader, der die im Prinzip feste Schlacke anliefert, das Material zerbröckelt. Ob sich hieraus allerdings die Eignung zur Schadensverursachung entnehmen lässt, erscheint bereits zweifelhaft, da sich der Schlackebehandlungsplatz ausweislich der im Termin vom 06.07.2000 in Augenschein genommenen Planskizze und angesichts der nicht bestrittenen Entfernungsangaben ca. 650 m vom Werk der Klägerin entfernt befindet. Zwar hat der Sachverständige ... als mögliche Schadensursache in seinem Gutachten vom 11.05.1998 auch etwaige Verwehungen von gelagerten Stäuben erwähnt. Er hat aber insbesondere bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor der Kammer nochmals betont, dass es eine hohe Staubkonzentration gegeben haben müsse, um die Regentropfen ausreichend mit Staub zu befrachten. Ob dies angesichts der Entfernung der in Betracht kommenden Emissionsquelle von den betroffenen Scheiben möglich ist, erscheint zweifelhaft, bedarf aber letztlich keiner abschließenden Entscheidung.
11Denn jedenfalls wurden der Schlackebehandlungsplatz und der Wall ebenso wie die als geeignete Schadensverursacher in Betracht kommenden Öfen 11, 74 und 75 (vgl. auch den Hinweisbeschluss der Kammer vom 17.12.1998) bestimmungsgemäß im Sinne des § 6 Abs. 2 UmweltHG betrieben, so dass die Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 UmweltHG zumindest aus diesem Grund entkräftet worden ist. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UmweltHG liegt ein bestimmungsgemäßer Betrieb vor, wenn die besonderen Betriebspflichten eingehalten worden sind und auch keine Störung des Betriebes vorliegt. Eine Definition der besonderen Betriebspflichten enthält wiederum § 6 Abs. 3 UmweltHG. Besondere Betriebspflichten sind danach solche, die sich aus verwaltungsrechtlichen Zulassungen, Auflagen und vollziehbaren Anordnungen und Rechtsvorschriften ergeben, soweit sie die Verhinderung von solchen Umwelteinwirkungen bezwecken, die für die Verursachung des Schadens in Betracht kommen. Sind insoweit besondere Kontrollen vorgeschrieben, wird gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 1 UmweltHG die Einhaltung der entsprechenden Betriebspflichten vermutet, wenn die Kontrollen in dem Zeitraum durchgeführt wurden, in dem die in Frage stehende Umwelteinwirkung von der Anlage ausgegangen sein kann, und diese Kontrollen keinen Anhalt für die Verletzung der Betriebspflichten ergeben haben. Zu beachten ist dabei, dass im Rahmen des Zivilprozesses nicht geprüft wird, ob die Kontrollen ihrerseits zur Überwachung der Betriebspflichten geeignet sind. Diese Auffassung, über die während des Erlasses des Umwelthaftungsgesetzes kontrovers diskutiert worden ist, hat sich durchgesetzt. Folglich hat der Zivilrichter ohne eigene Überprüfungsmöglichkeit davon auszugehen, dass die Kontrollen zur Überwachung der Einhaltung der Betriebspflichten geeignet sind (vgl. hierzu Landmann/Rohmer, § 6 UmweltHG, Rn. 57a).
12Den Nachweis, dass die maßgeblichen Anlagen der Beklagten im Rahmen der erteilten Genehmigungen betrieben wurden, durchgeführte Kontrollen seitens des ... nicht zu Beanstandungen geführt haben und auch kein relevanter Störfall eingetreten ist, hat die Beklagte geführt.
13Hinsichtlich des Schlackebehandlungsplatzes und des Walls kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass diese Anlagen ohne Genehmigung betrieben wurden. Bis zur Bestandskraft des neuen Genehmigungsbescheides vom 04.02.1986 im Jahr 1991 wurden die ursprünglichen Anlagen auf der Grundlage des seinerzeitigen Bescheides aus dem Jahr 1976 betrieben. Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme von Schlackebehandlungsplatz und Wall im Oktober 1995 war die Genehmigung auch noch nicht abgelaufen. Die Genehmigung sollte lediglich für den Fall erlöschen, dass nicht binnen zwei Jahren nach dem Eintritt der Rechtswirksamkeit mit dem Bau begonnen und nicht nach weiteren zwei Jahren die Inbetriebnahme erfolgen würde. Ob der maßgebliche Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit des Bescheides hier mit Ablauf der Klagefrist auf den 06.08.1991 (1 Monat nach Zugang des Bescheides am 05.07.1991) oder mangels Beschwer der Beklagten bereits auf den 05.07.1991 fällt, mag dahinstehen. Denn ausweislich eines von dem Sachverständigen ... eingesehenen Besprechungsvermerks wurde mit dem Bau bereits im Juni 1993 begonnen, und damit in jedem Fall innerhalb der zweijährigen Frist. Dass die Inbetriebnahme sodann erst im Oktober 1995 und damit nach Ablauf von mehr als weiteren zwei Jahren erfolgte, steht der Wirksamkeit der Genehmigung ebenfalls nicht entgegen. In dem Genehmigungsbescheid war bereits vorgesehen, dass die Fristen aus wichtigem Grund auf Antrag verlängert werden konnten. Insoweit hat die Beklagte vorgetragen, dass die Frist stillschweigend verlängert worden sei. Dies hat der Sachverständige ... im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am 06.07.00 bestätigt. Nach seinen Ausführungen stellte der spätere Baubeginn für das ... kein Problem dar. Es sei der Behörde maßgeblich auf eine ordnungsgemäße Abdichtung des Walls angekommen, die allerdings auch nicht für die hier streitgegenständlichen Emissionen, sondern lediglich für die Frage etwaiger Gewässerverunreinigungen von Bedeutung gewesen sei.
14Ebenso haben die seitens des ... durchgeführten Kontrollen keine Beanstandungen ergeben. Dies gilt auch für die Ziffer 13 der Nebenbestimmungen der Anlage 2 zum Genehmigungsbescheid vom 04.02.1986, wenngleich hier ebenfalls festzustellen ist, dass diese Nebenbestimmung sich lediglich auf den Aspekt der möglichen Gewässerverunreinigung und nicht auf Staubemissionen bezieht. Da im übrigen ein regelmäßiger Kontrollrhythmus nicht vorgeschrieben ist, konnte die Behörde im Rahmen des ihr obliegenden pflichtgemäßen Ermessens die Kontrollen durchführen. Ob diese Kontrollen daher häufiger oder intensiver hätten durchgeführt werden müssen, ist für das vorliegende Verfahren aus den oben dargelegten Gründen ohne Belang.
15Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht darüber hinaus zur Überzeugung der Kammer weiter fest, dass der Ofen 11 genehmigungskonform betrieben wurde. Grundlage des Betriebs ist insoweit der Genehmigungsbescheid des ... vom 16.09.1980. Die für die Frage der Emissionen maßgebliche Ziffer 3 der Nebenbestimmungen hat allerdings nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen ... nur noch hinsichtlich der Ziffer 3 c) für den hier maßgeblichen Zeitraum ab dem Jahr 1989 Gültigkeit. Da der Notkamin im Ofen 11 bereits frühzeitig verschlossen wurde und die Entlüftung permanent über die Druckschlauchfilteranlage erfolgt, war die Erfassung der Daten gemäß Ziffer 3 a) der Nebenbestimmung obsolet geworden. Weil auch die kritische Abgastemperatur gemäß Ziffer 3 b) der Nebenbestimmung nicht erreicht wurde, wurde seitens des ... als der zuständigen Überwachungsbehörde mit der Beklagten verabredet, dass lediglich noch der Abgasventilatorbetrieb gemäß Ziffer 3 b) der Nebenbestimmungen registriert werden sollte. Dass insoweit kein formeller Bescheid ergangen ist, kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen, da lediglich entscheidend sein kann, ob die behördlicherseits gemachten Vorgaben durch den Anlagenbetreiber eingehalten worden sind.
16Eine Kontrolle im Jahr 1999 führte nicht zu Beanstandungen. Da es im Ermessen des ... als der zuständigen Behörde liegt, wie oft kontrolliert wird, kann es der Beklagten ebenfalls nicht zum Nachteil gereichen, wenn für die vorherigen Jahre keine Kontrollen durchgeführt worden sind, sich diesbezüglich in den – jedenfalls in den seit dem Jahr 1991 vorliegenden - Akten auch keine Messprotokolle befinden.
17Schließlich liegt bezüglich des Ofen 11 auch kein relevanter Störfall vor. Hier käme allenfalls der Vorfall aus dem Jahr 1997 in Betracht, bei dem festgestellt wurde, dass an der Haube der sog. Beschickung eine zu große Lücke bestand. Zum einen aber liegt der Störfall bereits zeitlich nach dem hier maßgeblichen Verursachungszeitraum. Zum anderen hat die bestehende Lücke nach den Darlegungen des Sachverständigen ... auch praktisch keine Auswirkung auf die Emissionen gehabt. Bei dem Anfahren des Ofen 11 gegebenenfalls festzustellendes "Qualmen" oder Auftreten von "Nebel" stellt sich in Wahrheit als harmloses Austreten von Wasserdampf dar, da der Ofen nicht kontinuierlich betrieben wird und somit angesammelte Feuchtigkeit verdampft, wie der Sachverständige ... erläutert hat. Ebenfalls ohne Auswirkung auf die Emissionen blieb schließlich auch der Defekt an einem der 423 Schläuche des Ofen 11, der sich zudem im Mai 1997 und damit ebenfalls zeitlich nach dem hier relevanten Zeitraum ereignete.
18Der Betrieb von Ofen 74 bewegt sich ausweislich der eingeholten Auskunft des ... vom 24.03.1999 und den hierzu von dem Sachverständigen ... im Termin vom 15.07.1999 abgegebenen Erläuterungen ebenfalls im Rahmen der vom ... im Jahr 1971 erteilten und mit Bescheid aus dem Jahr 1975 modifizierten Genehmigung. Insbesondere ergaben die seitens des Staatlichen Umweltamtes durchgeführten stichprobenartigen Kontrollen keine Beanstandungen. Die von Mitarbeitern des ... bzw. des ... als dessen Rechtsvorgänger eingesehenen Messstreifen des kontinuierlich arbeitenden Staubmessgerätes ergab in keinem Fall die Überschreitung des zulässigen Staubgrenzwertes von 20 mg/m3. Auch die von dem zuständigen Messinstitut ... vorgenommenen Messungen anlässlich von Kalibrierungen der kontinuierlich arbeitenden Messgeräte in den Jahren 1989 und 1996 zeigten Werte deutlich unterhalb des Zulässigen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... und der eingeholten amtlichen Auskunft des ... gibt es keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, Überschreitungen der Grenzwerte oder Betriebsstörungen. Folglich liegt auch insoweit ein bestimmungsgemäßer Betrieb im Sinne des § 6 Abs. 2 UmweltHG vor. Unerheblich ist insoweit, dass der Sachverständige ... anlässlich seiner Anhörung im Termin vom 15.07.1999 zum Teil keine exakten Angaben dazu machen konnte, wann genau die Kontrollen und Prüfungen stattgefunden haben. Entscheidend ist allein, dass Kontrollen vorgenommen worden sind, die nicht zu Beanstandungen geführt haben. Da es im Ermessen der Überwachungsbehörde liegt, ob und wann kontrolliert wird, hat die Beklagte hierauf keinen Einfluss. Ihr kann es folglich auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Behörde im Nachhinein nicht mehr imstande ist, hierzu nähere Angaben zu machen oder aber die meterlangen Messstreifen nur stichprobenartig auswertet. Pflicht der Beklagten ist es insoweit lediglich, das kontinuierlich arbeitende Messgerät zu betreiben und die produzierten Messstreifen drei Jahre aufzubewahren. Dieser Pflicht ist die Beklagte nachgekommen, die durchgeführten Kontrollen, die nach den Darlegungen des Sachverständigen ... etwa einmal jährlich erfolgen, in früheren Jahren etwa ein- bis zweimal im Jahr, blieben ohne Beanstandungen. Dies ist für das Eingreifen der Vermutungswirkung nach § 6 Abs. 4 UmweltHG nach Auffassung der Kammer ausreichend.
19Ein bestimmungsgemäßer Betrieb liegt auch hinsichtlich des mit Ausnahme eines Einsatzes im Mai 1996 lediglich bis zum 30.06.1993 betriebenen Ofen 75 vor. Das hier installierte kontinuierlich arbeitende Messgerät zeigte sich bei seiner letzten turnusmäßigen Kalibrierung und der damit zugleich einhergehenden Überprüfung im Jahr 1991 voll funktionsfähig. Auch die anlässlich der seinerzeit durchgeführten Messung festgestellten Staubwerte lagen allesamt unterhalb des Grenzwertes. Soweit die Klägerin im Anschluss an die eingeholte Auskunft des ... vom 24.03.1999 mutmaßte, dass zwei der Messwerte die Grenzwerte überschritten hätten, konnte der Sachverständige ... darlegen, dass es sich bei den kritischen zwei Messwerten - wie bereits die Formulierung in der eingeholten Auskunft nahe legte – lediglich um zwei "erhöhte" Werte innerhalb des zulässigen Spektrums und nicht um "überhöhte" Werte handelte. Auch im übrigen wurden bei den durchgeführten stichprobenartigen Kontrollen keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. Als einzige Betriebsstörung ist der behördlichen Auskunft zufolge ein Bruch einer Förderschnecke aktenkundig geworden. Insoweit konnte der Sachverständige ... jedoch nachvollziehbar erläutern, dass diese Störung keine Relevanz für die Frage der Emissionen hatte.
20Da insgesamt ein bestimmungsgemäßer Betrieb der Anlagen vorlag, konnte die Klägerin somit nicht in den Genuss einer zu ihren Gunsten eingreifenden Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 UmweltHG kommen. Ohne Rückgriff auf diese Vermutungswirkung konnte die nunmehr im vollem Umfang beweisbelastete Klägerin die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 1 UmweltHG indes nicht beweisen.
21Positive Feststellungen haben sich zur Frage der Kausalität nicht treffen lassen. Auch der Sachverständige ... hat in seinen der Klägerin günstigsten Aussagen lediglich von einer hohen Wahrscheinlichkeit gesprochen.
22Der Klägerin konnte vorliegend aber auch das Eingreifen eines Anscheinsbeweises nicht über die bestehenden Beweisschwierigkeiten hinweghelfen. Hierfür muss nämlich ein typischer Geschehensablauf feststehen, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge geschlossen werden kann. Bloße Wahrscheinlichkeiten reichen dabei nicht aus. Vielmehr muss der behauptete Vorgang zu jenen gehören, die schon auf den ersten Blick nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen (vgl. Zöller-Greger, 21. Aufl., Vor § 284 ZPO, Rn. 29 m.w.N.). Nur dann also, wenn ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend besteht, dass zwischen einer bestimmten Handlung und einem bestimmten Erfolg ein Kausalzusammenhang besteht, spricht auch im konkreten Einzelfall der erste Anschein dafür, dass zwischen einer solchen Handlung und einem solchen Erfolg ein Kausalzusammenhang besteht (Landmann/Rohmer, § 6 UmweltHG, Rn 5). Ein entsprechender Erfahrungssatz kann im Streitfall aber nicht herangezogen werden. Dass es aufgrund von Staubemissionen zu Verätzungen auf Glasscheiben kommt, ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Der Sachverständige ... hat hierzu im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer ausgeführt, dass es außergewöhnliche Faktoren geben müsse, die zum Schadenseintritt führen konnten. Es müsse irgendetwas dafür sorgen, dass es zum Schadenseintritt komme. Eine hohe Staubkonzentration sei erforderlich, um die Regentropfen ausreichend mit Staub zu befrachten. Angesichts dieser Aussagen bleibt bereits die konkret mögliche Verursachung unklar. Es kann nicht auf den ersten Blick nach der Lebenserfahrung auf ein nach bestimmten Grundsätzen ablaufendes Muster geschlossen werden. Als gesichert kann lediglich angenommen werden, dass gewisse Mengen an Staub aus bestimmten Emissionsquellen, die sich mit Regentropfen verbunden haben müssen, das Schadensbild verursachen können. Ein Erfahrungssatz dergestalt, dass Staubemissionen vom Werk der Beklagten in Verbindung mit Regen zur Verätzung von Fensterscheiben führen, kann hieraus aber nicht entnommen werden. Hierzu bedarf es des Hinzutretens weiterer – letztlich unbekannter – Umstände. Auch fehlt es an der Häufigkeit gleichgelagerter Ereignisse, da der Sachverständige ... mit Bestimmtheit nur anzugeben vermochte, dass es ein Schadensereignis vor 1990 und eines nach 1990 gegeben haben müsse. Des weiteren fehlt es an positiven Feststellungen zu einer aufgetretenen hohen Staubkonzentration. Hierzu hat der Sachverständige ... aber bereits im Gutachten vom 11.05.1998 angeführt, dass der Frage nach möglichen Staubverwehungen oder unkontrollierten Staubaustritten eine hohe Bedeutung zukomme.
23Schließlich kann die Kausalität auch nicht im übrigen gemäß § 286 ZPO im Wege der freien Beweiswürdigung als bewiesen angesehen werden. Im Einzelfall kann hierbei bestehenden Beweisschwierigkeiten zugunsten des Geschädigten damit begegnet werden, dass praktisch alle anderen Schadensursachen ausgeschlossen werden können (vgl. etwa Landmann/Rohmer § 6 UmweltHG, Rn. 4). Dies setzt aber jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit der geltend gemachten Schadensursache und den zumindest annähernd sicheren Ausschluss von Alternativen voraus. Nach Auffassung der Kammer ist der Schadenseintritt nach der durchgeführten Beweisaufnahme zwar mit Emissionen erklärbar, die vom Werk der Beklagten ausgehen. Die vorstehenden Ausführungen zum Anscheinsbeweis, die maßgeblich auf den Darlegungen des Sachverständigen ... anlässlich seiner Anhörung vor der Kammer fußen, zeigen aber bereits, dass für die Annahme einer "hohen Wahrscheinlichkeit" keine Anhaltspunkte bestehen. Dafür ist der Verursachungsprozess zu unklar geblieben und das Vorliegen einer hohen Staubkonzentration nicht feststellbar. Letzterem maß der Sachverständige aber – wie erwähnt – eine hohe Bedeutung bei. Mehr als eine in Betracht kommende Möglichkeit ist nach Ansicht der Kammer folglich nicht belegt. Diese Möglichkeit mag zwar – wie der Sachverständige ... in seinem Gutachten vom 11.05.1998 dargelegt hat - wahrscheinlicher sei, als die von ihm als ebenfalls denkbare Alternativen aufgezeigten Ursachen. Allerdings fehlen nicht nur hinsichtlich der aufgezeigten Alternativen, sondern auch bei der Frage der Staubemissionen die entscheidenden Anhaltspunkte im Tatsächlichen.
24Folglich ist die Klägerin für das Vorliegen der Kausalität beweisfällig geblieben.
25Mangels Beweises der Ursächlichkeit kommt daher auch eine Haftung aus anderen Normen wie § 823 Abs. 1 BGB oder § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, die dem Geschädigten ebenso den Nachweis der Ursächlichkeit auferlegen, gleichfalls nicht in Betracht.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
27Berufungsstreitwert: 6.390,24 DM.
28H N Dr. E
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