Urteil vom Landgericht Aachen - 1 O 268/00
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, 1.400 von der Klägerin fertiggestellte
Steuerplatinen für Dampfreinigungsgeräte abzunehmen.
2.
Sie wird weiter verurteilt, an die Klägerin 67.589,21 Euro (= 132.193,- DM) nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 17.03.2000 Zug um Zug gegen Auslieferung von 1.400 Steuerplatinen für Dampfreinigungsgeräte zu zahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
Von den Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin 1/6 und der Beklagten 5/6 auferlegt.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 82.000,- Euro (= 160.378,06 DM) und für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 2.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen, unbedingten und unwiderruflichen Bürgschaft einer in Deutschland zugelassenen Bank oder Sparkasse zu erbringen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin bot der Beklagten am 04.06.1999 die Herstellung von 6.000 Steuerplatinen zum Preis von 57,50 DM pro Stück an. Mit Fax vom 08.06.1999 erteilte die Beklagte den Auftrag zur Fertigung von 6.000 dieser Platinen. Sie führte aus, dass man sich über den Preis unterhalten müsse und lehnte die Stellung einer Bürgschaft ab. Die Klägerin fertigte am 09.06.1999 eine Auftragsbestätigung, die den Preis 57,50 DM enthielt. Am 10.06.1999 teilte die Klägerin mit, sie könne keinen anderen Preis als 57,50 DM einräumen. Die Klägerin überarbeitete die Prototypen der Platinen und machte der Beklagten am 20.07.1999 ein neues Angebot: 200 Platinen zu je 66,- DM und 5.800 zu je 62,- DM. Außerdem beanspruchte sie einen Ausgleich für die Entwicklungskosten. Im August des Jahres 1999 lieferte die Klägerin 200 Platinen zu je 66,- DM und 400 Platinen zu je 62,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Beklagte bezahlte die Entwicklungskosten am 07.02.2000, die Rechnung über 200 Platinen am 26.09.1999 und über 400 Platinen am 08.10.1999. Mit Schreiben vom 09.09.1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der Auftrag über 6.000 Stück sei „nicht rechtskräftig“, weil der Preis reduziert worden sei. Am 09.02.2000 lehnte die Beklagte eine Abnahme weiterer Platinen ab.
3Die Klägerin behauptet, es sei am 08.06.1999 ein Vertrag über 6.000 Platinen zustande gekommen. Hinsichtlich des Preises sei ein Vertrag auf Grundlage des Angebotes vom 20.07.1999 geschlossen worden. Dies ergebe sich aus der Feststellung der Beklagten. Die Überarbeitung sei X2 der von der Beklagten zunächst nicht mitgeteilten Stromspannung in Japan erforderlich geworden. Die Platinen seien fehlerlos gewesen. Am 09.09.1999 sei die Produktion der weiteren 1.400 Platinen angelaufen und vor dem 15.10.1999 fertig gestellt worden. Die Klägerin begehrt Abnahme und Zahlung der 1.400 Steuerplatinen in Höhe von 100.688,- DM.
4Sie hat die Ablehnung der Beklagten vom 09.09.1999 als Kündigung aufgefasst und hat zunächst gemäß § 649 Abs. 2 BGB die vereinbarte Vergütung abzüglich 80 % des Preises als ersparte Aufwendungen in Höhe von 57.536,- DM verlangt. Nach Hinweis durch das Gericht hat sie die Mehrwertsteuer abgezogen und die Klage insoweit zurückgenommen.
5Ein Schreiben (Bl. 45 d. A.) vom 15.10.1999 sei ihr nicht zugegangen. Hinsichtlich der ersparten Aufwendungen behauptet die Klägerin weiter, sie habe an Herstellungskosten für jede Platine 49,39 DM ohne Mehrwertsteuer zahlen müssen. Für die Verpackung und den Versand seien – was zwischen den Parteien unstreitig ist – 2.800,- DM angefallen.
6Für die Verpackung und Durchführung eines Testes der Platinen mittels eines Testgerätes sei ein Zeitaufwand von mindestens fünf Minuten anzusetzen, so dass insgesamt 333,33 Stunden zu berücksichtigen seien. 5 % der Platinen seien mangelhaft gewesen. Der Aufwand hierfür betrage 5 Minuten je Platine. Für die Arbeit des Zeugen N sei ein Stundenlohn in Höhe von 46,10 DM zu berechnen (Bl. 249 d. A.).
7Nachdem die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 2. Zunächst beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung von 158.224,- DM zu verurteilen, beantragt sie nunmehr,
8die Beklagte zu verurteilen,
9I.
101.400 von ihr fertiggestellte Steuerplatinen für Dampfreinigungsgeräte abzunehmen,
11II.
12An sie 132.193,- DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 17.03.2000 Zug um Zug gegen Auslieferung von 1.400 Steuerplatinen für Dampfreinigungsgeräte zu bezahlen sowie
13III
14Festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie behauptet, sie habe die 200 und 400 Platinen nur bestellt, weil sie unter Zeitdruck gewesen sei. Der Zeuge C habe der Klägerin immer wieder mitgeteilt, erst nach Einigung über den Preis könne über den Lieferumfang von 6.000 gesprochen werden. In dem Gespräch am 13.09.1999 habe dieser Punkt geklärt werden sollen. Mit Schreiben vom 15.10.1999 habe sie der Klägerin mitgeteilt, sie könne bei dem Preis nichts weiter abnehmen. Sie bestreitet, dass die 1.400 Platinen am 15.10.1999 fertig gewesen seien. Sie behauptet weiter, die Probeplatinen und die zur Erfüllung des Auftrags hergestellten Platinen hätten nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das sei erst der Nachfolgefirma gelungen. Die Prüfung einer Platine dauere mindestens 15 Minuten, die Nachbesserung mindestens 30 Minuten.
18X2 der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie Vertragsunterlagen Bezug genommen.
19Die Kammer hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschluss vom 12.12.2000 (Bl. 165 f d. A.) und Ergänzungsbeweisbeschluss vom 05.04.2001 (Bl. 259 f d. A.) durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen und Vernehmung von Zeugen. X2 der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen (Bl. 172, 173, 217, 223 d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13.06.2001 (Bl. 338 f d. A.) Bezug genommen.
20Die Akten Staatsanwaltschaft Aachen 60 Js #####/#### und 50 Js 31/96 waren zu Informationszwecken beigezogen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
22Die Klage ist begründe.
23Der Klägerin steht ein Anspruch des versprochenen Werklohns in Höhe von 100.688,- DM brutto für 1.400 Platinen bei einem Stückpreis von 62,- DM netto gemäß § 631 BGB zu. Ein Anspruch auf Abnahme dieser Platinen ergibt sich ebenfalls als Hauptleistungspflicht der Beklagten aus § 631 BGB. Daneben hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch aus § 649 Satz 2 BGB in Höhe von 31.505,- DM.
24Die Parteien haben einen Vertrag über die Lieferung 6.000 Platinen zu einem Stückpreis von 62,- bzw. 66,- DM netto geschlossen. Da die Beklagte den Abruf von 400 Platinen in Kenntnis des Preisangebotes der Klägerin vom 20.07.1999 getätigt hat, hat sie auch den Preis von netto 62,- DM insgesamt akzeptiert. Damit konnte die Klägerin auch für die weiteren zu liefernden Platinen davon ausgehen, dass sie den von ihr vorgeschlagenen höheren Preis verlangen kann, da die Beklagte dieses Angebot durch den Abruf konkludent angenommen hat, zudem das Schreiben vom 20.07.1999 alle für den Vertragsschluss wesentlichen Bestandteile wie Stückpreis und Stückzahl enthielt.
25Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer darüber hinaus fest, dass die 1.400 Platinen bereits vor einer Kündigung durch die Beklagte fertiggestellt worden waren, so dass insoweit ein Vergütungsanspruch gegeben ist. Die Beklagte hat den Werkvertrag mit ihrem Schreiben vom 15.10.1999 und nicht bereits mit Schreiben vom 09.09.1999 gekündigt. Erst aus dem Schreiben vom 15.10.1999 ergibt sich eindeutig, dass sie nicht weiter am Vertrag festhalten will, während das Schreiben vom 09.09.1999 noch einen weiteren Verhandlungsspielraum erkennen lässt. Insbesondere soll nochmals über den Preis verhandelt werden, was in einem Gespräch vom 13.09.1999 geschehen soll. Damit bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass sie nach wie vor von einer Lieferung durch die Klägerin ausgeht, allerdings Zweifel an einem Vertragsschluss hat. Da bereits dieser Punkt in Frage gestellt ist, fehlt es auch an dem erforderlichen Erklärungswillen im Hinblick auf das Lösen von einem bereits geschlossenen Vertrag. Die Klägerin kann deshalb eine Vergütung für alle bis zum 15.10.1999 fertiggestellten Platinen, nämlich 1.400 Stück verlangen. Unschädlich ist, dass sie zunächst den Zugang dieses Schreibens bestritten hat, da sie im Rahmen der Beweisaufnahme Beweis zu der Frage angeboten hat, ob bereits zum 15.10.1999 entsprechend viele Platinen fertiggestellt worden sind, so dass ein darüber hinausgehender Anspruch nicht geltend gemacht wird.
26Der Zeuge U der Firma T hat in seiner schriftlichen Aussage bekundet, dass er bereits am 10.06.2000 einen entsprechenden Auftrag erhalten hat, in dem genaue Liefertermine vorgegeben waren. Seine Aussage steht in Übereinstimmung mit den Rechnungen der Firma T (Bl. 201-205 d. A.), so dass davon auszugehen ist, dass bereits eine entsprechende Zahl von Platinen ausgeliefert worden war.
27Mit dem Zahlungsanspruch korrespondiert die Zug-um-Zug zu erfüllende Verpflichtung der Abnahme der 1.400 Platinen aus § 631 BGB und die Beklagte befand sich gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, so dass eine entsprechende Feststellung antragsgemäß zu treffen war.
28Daneben stehen der Klägerin infolge der am 15.10.1999 erfolgten Kündigung des Auftrages durch die Beklagte Ansprüche auf die vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen in Höhe von 31.505,- DM zu. Hinsichtlich der Herstellungskosten von 49,39 DM je Stück hat die Klägerin Rechnungen der Firma T (Bl. 201 ff d. A.) und eine Auftragsbestätigung vom 19.07.1999 (Bl. 232 d. A.) vorgelegt, aus denen sich der Kostenaufwand ergibt. Das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen ist angesichts des umfassenden und durch Schriftstücke belegten Vortrages der Klägerin unbeachtlich. Darüber hinaus stehen ihr nach unbestrittenem Vortrag 2.800,- DM für Verpackung und Versand der Platinen zu. Hinsichtlich der durchgeführten Tests und der Nachbesserung fehlerhafter Platinen steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass hier maximal 5 Minuten für den Test und 5 Minuten je fehlerhafter Platine für die Nachbesserung angefallen sind. Die Zeugen V und N haben unter Vorführung des für die Tests verwendeten Gerätes plausibel, detailreich und nachvollziehbar bekundet, dass ein Zeitaufwand, wie ihn die Beklagte vorträgt nicht erforderlich war, um die Platinen den notwendigen Maßnahmen zu unterziehen. Das Entnehmen der Platinen aus den Kartons, die Betätigung des Testgerätes und die Nachbesserung haben nach Vorführung des Gerätes in der Beweisaufnahme kaum mehr als fünf Minuten in Anspruch genommen. Auch die Entnahme von einzelnen Steckverbindungen aus der Platine zu deren Reparatur erforderte einen minimalen Zeitaufwand, der bei weitem nicht an die Schätzungen der Beklagten heranreicht. Ihr Eindruck von der Länge der Testvorgänge mag im einzelnen auch damit zusammenhängen, dass ihr das Gerät mit Erklärungen vorgeführt wurde. Unabhängig von der Nachvollziehbarkeit des Testvorgangs durch die Vorführung ergibt sich die Glaubhaftigkeit der beiden Zeugen auch daraus, dass sie auch zu Ungunsten der sie benennenden Partei den Zeitaufwand durchaus höher einschätzten, obwohl die von ihnen vorgeführten Handgriffe wesentlich weniger Zeit beanspruchten.
29Mittels einer Gehaltsabrechnung (Bl. 249 d. A.) des Zeugen N hat die Klägerin darüber hinaus belegt, dass die Kosten hierfür pro Stunde 46,10 DM betrugen.
30Der Zinsanspruch in Höhe von 4 % ergibt sich aus den §§ 284, 286 BGB, 352 HGB, Art. 229 Abs. 1 EBGB.
31Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergibt sich aus §§ 91, 269 Abs. § analog ZPO.
32Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 S. 2, 108 ZPO.
33Streitwert: 80.949,78 Euro (= 158.324,- DM) bis zum 23.06.2001 und danach 67.589,21 Euro (= 132.193,- DM).
34Dr. U. G2 X
35Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.