Beschluss vom Landgericht Aachen - 6 T 81/04
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2I.
3Unter dem 06.06.2000 beantragte der Beteiligte zu 1. gemäß § 305 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zugleich beantragte er unter Bezugnahme auf § 287 InsO die Erteilung von Restschuldbefreiung. Als "Anlage 4" zu seinem Insolvenzantrag legte der Beteiligte zu 1. ein Vermögensverzeichnis vor; in der dortigen Rubrik II. 1 kreuzte der Beteiligte zu 1. auf die Frage nach "Girokonten, Tagegeldkonten, Termin- oder Festgeldkonten, Fremdwährungskonten" die Antwort "nein" an. Tatsächlich bestand zu diesem Zeitpunkt bei der Deutschen Bank ein auf den Namen des Beteiligten zu 1. laufendes Girokonto.
4Das Insolvenzgericht leitete auf den Antrag des Beteiligten zu 1. zunächst das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren ein. Mit Beschluss vom 08.01.2002 nahm es das Verfahren über den Eröffnungsantrag wieder auf und leitete es in das Regelinsolvenzverfahren über, nachdem durch Änderung des § 304 InsO (Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 - BGBl. I, S. 2710) die Anwendbarkeit der §§ 304 ff. InsO auf den Beteiligten zu 1. entfallen war.
5Mit Schreiben vom 07.12.2002 und 13.01.2003 teilte der Beteiligte zu 2. mit, er habe am 05.11.2002 von der Existenz des auf den Beteiligten zu 1. laufenden Girokontos erfahren. Ergänzend gab er im Schlusstermin vom 19.03.2003 an, dass er auch bei Befragungen, die er - der Beteiligte zu 2. - zur Vorbereitung seines Sachverständigengutachtens vom 04.02.2002 und seines Berichtes vom 27.06.2002 in seiner Eigenschaft als Sachverständiger bzw. Insolvenzverwalter durchgeführt habe, vom Beteiligten zu 1. nicht über die Existenz dieses Kontos unterrichtet worden sei.
6Auf Antrag der Beteiligten zu 3. und 4. hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.01.2004 gemäß § 290 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 InsO die beantragte Restschuldbefreiung versagt. Gegen diesen ihm am 28.01.2004 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 05.02.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, er habe während des Insolvenzverfahrens keine Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verletzt. Bei dem Konto handele es sich - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - um ein Treuhandkonto, welches er im Jahre 1999 für den von ihm geleiteten "1. offiziellen Schumacher-Fan-Club" eingerichtet habe. Eine Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO komme zudem bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschrift nach der Insolvenzrechtsnovelle auf ihn überhaupt nicht anwendbar sei.
7Der Beteiligte zu 1. beantragt,
8den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 23.01.2004 aufzuheben und die Fortsetzung des Restschuldbefreiungsverfahrens anzuordnen.
9Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 14.05.2004 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Der zunächst zuständige Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 01.06.2000 gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO, § 4 InsO der Kammer zur Entscheidung übertragen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf den angefochtenen Beschluss vom 23.01.2004 (Bl. 566 ff d.A.) sowie den Nichtabhilfebeschluss vom 14.05.2004 (Bl. 627 f d.A.) Bezug genommen.
11II.
12Die gemäß § 289 Abs.2 S. 1 InsO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat in der Sache selbst keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss zu Recht unter Bezugnahme auf § 290 Abs. 1 Nrn. 5. und 6 InsO die Erteilung der Restschuldbefreiung versagt. Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
13Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ist die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zu versagen, wenn der Schuldner in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und die gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung zudem auch dann zu versagen, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der Insolvenzordnung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Die Voraussetzungen beider Vorschriften liegen vor.
141.
15Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass auch in der vorliegenden Fallgestaltung der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO anwendbar ist. Denn zu dem Zeitpunkt, in dem der Beteiligte zu 1. den Eröffnungsantrag gestellt hat, trafen auf ihn die Voraussetzungen des § 304 InsO a.F. zu. Er war deshalb verpflichtet, mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die in § 305 Abs. 1 Nr. 3 näher bezeichneten Verzeichnisse vorzulegen und die erforderlichen Angaben - wahrheitsgemäß und vollständig - zu machen.
16Um dieser Verpflichtung vollständig nachzukommen, hätte der Beteiligte zu 1. auch das von ihm zunächst verschwiegene "Treuhandkonto" angeben müssen. Der Beteiligte zu 1. war Inhaber dieses Kontos, über welches nicht unerhebliche Zahlungsvorgänge abgewickelt wurden. Hieraus folgt - selbstverständlich - die Verpflichtung des Beteiligten zu 1., auch dieses Konto im Rahmen des Vermögensverzeichnisses anzugeben. An dieser Verpflichtung ändert auch der Einwand des Beteiligten zu 1. nichts, es handele sich bei dem Konto um ein "Treu- und Fremdkonto", welches er für die Mitglieder des von ihm geleiteten Fan-Clubs geführt habe. Dies gilt bereits deshalb, weil die Aussage überhaupt nicht zutrifft. Nach dem eigenen Vorbringen des Beteiligten zu 1. (Stellungnahme vom 08.04.2003, Bl. 516 d.A.) sind auf dem Konto nämlich auch Zahlungen zu Gunsten der "Lynen Logistic GmbH" (seiner Arbeitgeberin) eingegangen, die er ebenfalls treuhänderisch entgegengenommen haben will. Auch beschränkt eine etwaige treuhänderische Bindung des Kontos jedenfalls im Außenverhältnis nicht die Möglichkeiten des Beteiligten zu 1., über ein Guthaben zu verfügen. Bereits diese Möglichkeit stellt einen Vermögenswert dar. Ob dieser letztlich zur Gläubigerbefriedigung herangezogen werden kann oder nicht, hatte der Beteiligte zu 2. als Insolvenzverwalter zu prüfen. Für diese Prüfung war er aber gerade auf die vollständige und richtige Information durch den Beteiligten zu 1. angewiesen.
172.
18Darüber hinaus liegt auch der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO objektiv vor. Denn der Beteiligte zu 1. hat nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beteiligten zu 2. auch im Rahmen der durch ihn - den Beteiligten zu 2. - als Insolvenzverwalter durchgeführten Befragung keine Angaben zu dem tatsächlich vorhandenen Konto gemacht. Da der Beteiligte zu 1. aus den bereits dargelegten Gründen zur Offenbarung dieses Kontos verpflichtet war, hat er auch während des Insolvenzverfahrens seine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht verletzt.
193.
20Der Beteiligte zu 1. hat auch zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 290 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 InsO gehandelt. Zur weiteren Begründung kann die Kammer auf die hierzu vom Insolvenzgericht dargelegten Überlegungen Bezug nehmen. Auch nach Einschätzung der Kammer besteht kein Zweifel daran, dass dem Beteiligten zu 1. sowohl bei der Erstellung des Vermögensverzeichnisses als auch im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens die Existenz des hier in Rede stehenden Kontos bewusst war. Sie teilt auch die Einschätzung des Insolvenzgerichts, dass der Beteiligte zu 1. nicht ernsthaft glauben konnte, die Existenz dieses Kontos redlicherweise gegenüber dem Gericht oder dem Beteiligten zu 2. verschweigen zu dürfen.
214.
22Schließlich steht der Versagung der Restschuldbefreiung auch nicht der Umstand entgegen, dass der Beteiligte zu 2. die darauf befindlichen Gelder nach Prüfung letztlich freigegeben hat. Denn zu den Voraussetzungen einer Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nrn. 5 oder 6 gehört nicht, dass sich die Pflichtverletzung des Schuldners zum Nachteil der verfahrensbeteiligten Gläubiger ausgewirkt hat. Dieser teilweise in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. etwa LG Saarbrücken, in: NZI 2000, S. 380 ff.) vermag die Kammer sich nicht anzuschließen. Gegen eine solche Einschränkung spricht nicht nur der Wortlaut der Vorschrift, sondern auch der mit ihr verfolgte Zweck: § 209 InsO soll gewährleisten, dass nur der redliche Schuldner gegen den Willen seiner Gläubiger Restschuldbefreiung erlangen kann. Unter den Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 handelt der Schuldner aber auch dann unredlich, wenn sich der von ihm begangene Verstoß im Ergebnis nicht auf die Befriedigung der Gläubiger ausgewirkt hat (wie hier etwa LG Heilbronn, InVo 2002, S. 417 f. LG Aachen, Beschluss vom 24.06.2003 - 3 T 219/03).
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO, § 97 ZPO.
24Beschwerdewert: 40.000,00 (§ 35 GKG, § 3 ZPO).
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