Beschluss vom Landgericht Aachen - 33 Vollz 134/05
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird verworfen.
Dem Antragsteller wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 1.000,-- € festgesetzt.
1
<b><u>Gründe</u>:</b>
2<b><u>I.</u></b>
3Der Antragsteller verbüßt derzeit in der P1 eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Bedrohung aus einem Urteil vom 13.10.1994 (AZ1). Strafende ist auf den 28.02.2009 notiert. Im Anschluss hieran ist für den Antragsteller die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus demselben Urteil vorgemerkt.
4Der Antragsteller hatte bereits unter dem 01.09.2003 seine Verlegung in eine sozialtherapeutische Abteilung/Anstalt beantragt. Nachdem dieses Begehren seitens des Antragsgegners durch Bescheid vom 16.01.2004 abschlägig beschieden und der hiergegen gerichtete Widerspruch zurückgewissen worden war, hatte der Antargsteller auf gerichtliche Entscheidung angetragen. Mit Beschluss vom 08.09.2004 (AZ2), auf den wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Kammer den angefochtenen Bescheid aufgehoben und Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
5Mit Bescheid vom 23.12.2004 (AZ3) hat der Antragsgegner den Antrag auf Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt/Abteilung erneut abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Verlegung des Antragstellers sei nicht im Sinne von § 9 Abs. 1 StVollzG "angezeigt", da der Antragsteller nach der Stellungnahme des Anstaltspsychologen, SV1, v. 17.11.2004 nicht ausreichend behandlungsfähig sei. Der Antragsteller habe eine testpsychologische Untersuchung verweigert. Es sei zwar von einer kurzfristigen Anpassungsleistung auszugehen, der Antragsteller sei jedoch stets bald wieder in bekannte Verhaltensmuster zurückgefallen. Dieser Einschätzung stehe die bislang offenbar konfliktarme Teilnahme am sozialen Training nicht entgegen. Der Antragsteller habe offenbar gelernt, Verbalisierungsmuster zu bestimmten Problemfeldern abzugeben. Es bleibe aber abzuwarten, ob der Antragsteller das Training vollständig durchstehe. Unverändert sei davon auszugehen, dass eine spezifische Deliktbearbeitung noch nicht sattgefunden habe. Eigene Schuldanteile würden geleugnet, bagatellisiert und ausgeblendet. Hieran vermöge auch das befürwortende Votum vom 29.09.2003 des SV1 nichts zu ändern. Diese Stellungnahme sei von der Bemühung getragen, einen – wenn auch skeptisch beurteilten – abschliessenden Behandlungsversuch zu unternehmen. Auch aus dem jüngeren vollzuglichen Verhalten des Antragstellers seien keine durchgreifenden Verhaltensänderungen ableitbar. Eine ihm in Aussicht gestellte Arbeit habe er abgelehnt, die Beziehung zu einer Frau sei abgebrochen worden.
6Mit Schreiben vom 04.01.2005 hat der Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt und diesen mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12.01.2005 begründet. Dort ist ausgeführt, die negative Beurteilung der Therapieeignung des Antragstellers beruhe auf einer fragwürdigen Diagnostik, da der Antragsteller zu einer erneuten Begutachtung hinsichtlich der Frage der Eignung für die Sozialtherapie bereit gewesen, dies jedoch seitens des Psychologen abgelehnt worden sei. Das Gespräch habe vielmehr lediglich den Vollzugsplan zum Gegenstand haben sollen. Zur Frage der Therapiefähigkeit und Therapiebedürftigkeit könne auf das Gutachten SV2 v. 19.12.1997 verwiesen werden. Danach bedürfe der Antragsteller der Hilfe und die motivationalen Ausgangsvoraussetzungen für einen Behandlungsbeginn seien vergleichsweise günstig.
7Mit Bescheid vom 27.01.2005 (AZ4) wies der Präsident des Landesjustizvollzugsamts den Widerspruch des Antragstellers aus den Gründen des Bescheids vom 23.12.2004 zurück.
8Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11.02.2005 auf gerichtliche Entscheidung angetragen. Er macht geltend, die im Beschluss der erkennenden Kammer v. 08.09.2004 geforderte umfassende Diagnostik habe nicht stattgefunden. Der Antragsteller habe das Gespräch mit dem Anstaltspsychologen verweigert, da dieser schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Drogenproblematik tätig sei und hinsichtlich seiner – des Antragstellers – Person über keinerlei Fachkenntnisse verfüge. Ausserdem sei das Vertrauensverhältnis zu diesem zerstört. Eine externe Begutachtung sei durch den Anstaltspsychologen abgelehnt worden. Auch die Beurteilung der vollzuglichen Entwicklung des Antragstellers seit Erarbeitung der Stellungnahme sei fehlerrhaft. So habe er lediglich zwei Arbeitsstelle innegehabt und die Beziehung zu Frau Z1 sei keinesfalls allein wegen des Verhaltens des Antragstellers zerbrochen. Auch die Teilnahme des Antragstellers am sozialen Training werde nicht ausreichend gewürdigt.
9Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28.02.2005 hat der Antragsteller wortgleiche "eidesstattliche Erklärungen" zweier Mitgefangener vom 14.01.2005 zur Akte gereicht, die ein Gespräch zwischen dem Antragsteller und dem Anstaltspsychologen vom 26.11.2004 widergeben sollen. Der Psychologe habe – nach einer Verweigerung der Diagnostik durch den Antragsteller - sinngemäß ggeäußert: "Wenn Sie nicht bereit sind, mit mir zu sprechen, lehne ich die Eignung ab, auch wenn Sie geeignet sein sollten".
10Der Antragsteller hat darüber hinaus mit eigenem Schreiben vom 02.03.2005 mitgeteilt, er werde "leider niemehr zu einem anderen Gutachter (SV2) vertrauen aufbauen können, zu einem Sachverständigen aus einer JVA schon gar nicht mehr". Er würde sich "auch keinem anderen Sachverständige mehr anvertrauen" und werde sich "nie wieder einem Sachverständigen aus NRW unterziehen". Mit weiterem Schreiben vom 03.05.2005 hat der Antragsteller mitgeteilt, er sei zu einer Begutachtung nach Wahl der Kammer einerstanden.
11Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
12den Antragsgegner unter Aufhebung seines Bescheids vom 23.12.2004 (AZ3) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2005 (AZ4) zu verpflichten, ihn in eine sozaialtherapeutische Einrichtung/Abteilung zu verlegen.
13Der Antragsgegner beantragt,
14den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu verwerfen.
15Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsvorverfahren.
16<b><u>II.</u></b>
17Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. §§ 109 ff. StVollzG zulässig, bleibt in der Sache indessen ohne Erfolg. Rechtsfehlerfrei hat der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers, in eine sozialtherapeutische Einrichtung/Abteilung verlegt zu werden, abgelehnt.
18§ 9 Abs. 1 StVollzG in der seit dem 31.01.1998 geltenden Fassung verpflichtet die Vollzugsbehörde, einen Gefangenen, der – wie der Antragsteller unzweifelhaft – die in der Vorschrift bestimten formellen Voraussetzungen erfüllt, in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, sofern seine Behandlung dort angezeigt ist.
19"Angezeigt" ist die Behandlung eines Gefangenen in der sozialtherapeutischen Anstalt dann nicht, wenn der Gefangene nicht behandlungsbereit, nicht behandlungsbedürftig und/oder nicht behandlungsfähig ist (vgl. Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 10. Auflage 2005, § 9 Rz. 12 mit weit. Nachw.; Rehn in: AK-Strafvollzugsgesetz, 4. Auflage 2000, § 9 Rz. 11 ff.). Im Falle des Antragstellers ist nur letztere Einschränkung diskussionswürdig, ihr Vorliegen im Ergebnis aber zu bejahen: Der Antragsgegner erachtet den Antragsteller mit aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Erwägungen als nicht therapiefähig.
20Die fehlende Eignung des Gefangenen zur Behandlung in einer sozaialtherapeutischen Einrichtung muss – wie aus § 9 Abs. 1 S. 2 StVollzG folgt – auf Gründen beruhen, die in der Person des Gefangenen selbst liegen (vgl. KG, B. v. 28.04.2000 – 5 Ws 754/99 Vollz, NJW 2001, 1806, 1807; OLG Frankfurt/Main, B. v. 27.08.2004 – 3 Ws 845/04, NStZ-RR 2004, 349 = ZfStrVo 2005, 52 [LS]). Solche Gründe können auch in einer auf Dauer angelegten, nicht korrigierbaren Verweigerung der Mitarbeit an der Behandlung bestehen (KG, aaO; OLG Frankfurt/Main, aaO). Eine solche Verweigerungshaltung hat der Antragsgegner im Falle des Antragstellers rechtsfehlerfrei festgestellt; der Antragsteller selbst hat sie im vorliegenden Vefahren eindrücklich demonstriert. Der Antragsteller hat – wie er im Kern nicht in Abrede stellt – eine (erneute) testpsychologische Untersuchung, die Aufschluss über seine Therapieeignung hätte geben können, verweigert. Soweit der Antragsteller in der Widerspruchsbegründung vom 12.01.2005 ausführt, der Anstaltypsychologe habe eine Begutachtung im Hibnlick auf die Eignung des Antragstellers für die Sozialtherapie abgelehnt, hält der Antragsteller dieses Vorbringen – wie insbesondere die von ihm beigebrachten zwei "eidesstattlichen Erklärungen" erweisen – im gerichtlichen Verfahren nicht mehr aufrecht. Er bringt nunmehr vielmehr vor, die Exploration (teilweise) verweigert zu haben, weil der Anstaltspychologe mit seiner Persönlichkeitsproblematik nicht vertraut sei bzw., weil dieser seine Eignung bereits attestiert hatte. Der Antragsteller dokumentiert hiermit unmissverständlich, dass er zu bestimmen sucht, unter welchen Umständen und Bedingungen eine Exploration stattzufinden hat. Es steht zu erwarten – und wird durch die Entwicklung im gerictlichen Verfahren bestätigt -, dass der Antragsteller auch in der sozialtherapeutischen Einrichtung ähnlich verfahren würde. Dass aber eine solche Haltung ein therapeutisches Arbeitsbündnis nicht zu tragen vermag, hat der Antragsgegner zu Recht angenommen.
21Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller mit mit eigenem Schreiben vom 02.03.2005 mitgeteilt, er werde "leider niemehr zu einem anderen Gutachter (SV2) vertrauen aufbauen können, zu einem Sachverständigen aus einer JVA schon gar nicht mehr". Er würde sich "auch keinem anderen Sachverständige mehr anvertrauen" und werde sich "nie wieder einem Sachverständigen aus NRW unterziehen". Die Behandlung in der sozialtherapeutishen Abteilung der JVA Aachen umfasst ausweislich des der Kammer vorliegenden Behandlungskonzepts eine verpflichtende Psychodiagnostik sowie – je nach Lage des Einzelfalles – ggf. auch die Durchführung einer Psychotherapie. Vor der Aufstellung des ersten Behandlungsplans wird über jeden Bewohner vom diagnostisch zuständigen Psychologen ein Basisgutachten gefertigt. Es liegt auf der Hand, dass der Antragsteller sich dem zuständigen Psychologen der sozialthetrapeutischen Abteiung würde öffnen und anvertrauen müssen. Hierzu ist der Antragsteller offensichtlich nicht bereit, wie gleichfalls seine Weigerung erweist, mit dem Anstaltspsychologen im Rahmen der Exploration zusammenzuarbeiten. Diese Wertung wird auch nicht durch das Schreiben des Antragstellers vom 03.05.2005 in Frage gestellt. Hier ist nur die Rede davon, dass er bereit sei, sich von einem Sachverständigen nach Wahl der Kammer begutachten zu lassen. Seine vorher erklärte Weigerung, sich einem anderen Sachverständigen als eben SV2 anzuvertrauen und zu öffnen wird hierdurch weder erklärt noch in Frage gestellt. (Auch) vor diesem Hintergrund ist der Antragsgegner rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, im Falle des Antragstellers sei dessen Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt wegen dessen Behandlungsunfähigkeit nicht angezeigt.
22Prozesskostenhilfe konnte dem Antragsteller nach alledem nicht bewilligt werden, da seinem Begehren die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt (§§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 ZPO)
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG
24Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 60, 53 Abs. 1 und 3 GKG.
25<b>Rechtsmittelbelehrung</b>
26<b>I.</b>
271. Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die <b>Rechtsbeschwerde</b> zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung dieser Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
282. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorn nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
29<b>II.</b>
303. Die Rechtsbeschwerde muss bei dem Landgericht Aachen <b>binnen eines Monats</b> nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.
314. Aus der Begründung muss hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Wird die Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren gerügt, müssen die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben werden.
325. Die/Der Antragsteller/in als Beschwerdeführer/in kann die <b>Rechtsbeschwerde nur in einer von einer Rechtsanwältin/einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts</b> einlegen und begründen.
33<b>III.</b>
346. Gegen die Entscheidung über die Verpflichtung, Kosten oder notwendige Auslagen zu tragen, kann, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- € übersteigt (vgl. OLG Köln, B. v. 07.11.2003 – 2 Ws 607/03), bei dem Landgericht Aachen <b>binnen einer Woche</b> nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle sofortige Beschwerde eingelegt werden.
35<b>IV.</b>
367. Befindet sich die/der Antragstellerin nicht auf freiem Fuß, kann sie/er die Erklärungen, die sich auf die Rechtsbeschwerde oder die sofortige Beschwerde beziehen, auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle desjenigen Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, in der sie/er auf behördliche Anordnung verwahrt wird. Zur Wahrung der Fristen genügt es, wenn innerhalb der Frist die Niederschrift aufgenommen wird.
378. Bei schriftlichen Erklärungen genügt es zur Fristwahrung nicht, dass die Erklärung innerhalb der Frist zur Post gegeben wird. Die Frist ist vielmehr nur dann gewahrt, wenn die Erklärung vor dem Ablauf der Frist bei dem Gericht eingeht.
389. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages.
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