Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 538/03
Tenor
Unter Aufhebung des Versäumnisurteils der Kammer vom 10. Juni 2005 wird die Klage (auch hinsichtlich der Klageerweiterung im Schriftsatz vom 7. September 2005) abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. April 2005, die die Beklagte zu tragen hat.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer dynamischen Sach-Gebäudeversicherung wegen eines Brandereignisses vom 26. Januar 2003 geltend.
3Der Kläger betrieb in E auf der S-Straße unter der Bezeichnung „V“ ein Kaufhaus für Sonderposten. Für dieses Objekt bestand bei der Beklagten unter der Nummer ####### eine dynamische Sach-Gebäudeversicherung. Durch diese Versicherung bestand unter anderem auch Versicherungsschutz für Brandschäden. Die Versicherungssumme betrug 444.659 Mark (Stand 1914) zum gleitenden Neuwert. Gemäß dem Versicherungsschein vom 3. Juli 2000 lagen dem Versicherungsvertragsverhältnis unter anderem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die dynamische Sachversicherung von Gebäuden mit überwiegend gewerblicher Nutzung (AVDSG) zugrunde. Am 19. Dezember 2002 wurde der Versicherungsschutz um eine Sach-Inhaltsversicherung erweitert und gleichzeitig auch die Sach-Gebäudeversicherung durch Nachtrag vom gleichen Tag modifiziert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsverhältnisses wird auf den Versicherungsschein vom 3. Juli 2000 nebst Nachtrag vom 12. Dezember 2002 sowie die beigefügten Allgemeinen Versicherungsbedingungen Bezug genommen (Anlagen K 1 und K 2 zur Klageschrift = separates Anlagenkonvolut).
4Bei dem versicherten Objekt selbst handelte es sich um ein versetzbares, mobiles Gebäude mit zwei Ebenen, das im Jahr 1993 von der Leasing-Gesellschaft H GmbH aus O errichtet worden war. Die Besonderheit des Objektes bestand darin, daß das Gebäude auf zwei unterschiedlichen Gründstücken errichtet worden war. Eigentümer dieser Grundstücke waren die D sowie die Stadt E. Im Hinblick auf diese besondere Situation war seitens der Stadt E nur eine befristete Baugenehmigung erteilt worden. In der an den Kläger gerichteten Baugenehmigung vom 6. Mai 1999 (Anlage B 2 c = separater Anlagenordner), die bis zum 5. Mai 2001 befristet war, ist insoweit folgende Bestimmung enthalten:
5„Das beantragte Bauvorhaben für die befristete Nutzung des ehem. D Kaufhauses als Verkaufsstätte für Waren aller Art ist nicht zulässig. In Absprache mit den Trägern öffentlicher Belage kann einer Nutzung für einen Zeitraum von 2 Jahren ausnahmsweise zugestimmt werden. Dieser Sachverhalt ist dem Antragsteller bewußt. In einem noch abzuschließenden städtebaulichen Vertrag auf der Grundlage der Willenserklärung vom 27.04.1999 ist eine vertragliche Regelung darüber abzuschließen, in der der Bauherr nach Ablauf der Befristung den Verkaufspavillion auf eigene Kosten zu beseitigen hat und die Fläche dem Eigentümer im ursprünglichen Zustand zu übergeben hat.
6Eine mittelfristige Verfestigung des Interimsbaus wird hingegen nicht akzeptiert werden können, da dies die Entwicklung der umliegenden Flächen in einer dem Bebauungsplan entsprechenden Weise behindern und die beabsichtigte Aufwertung des Umfeldes erschweren würde.“
7Bis zum Jahr 1999 wurde in dem Gebäude von der Firma D ein Kaufhaus betrieben. Durch notariellen Kaufvertrag vom 12 Februar 1999 (Anlage B 2 b = separater Anlagenordner) erwarb der Kläger das „mobile Geschäftsgebäude“ von der Firma H GmbH. Gemäß der Regelung in § 4 des Vertrages übernahm der Kläger gegenüber der Firma H und der Firma D die Verpflichtung, die Grundstücke zu räumen und auf seine Kosten den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Der Kaufpreis betrug 1,-- DM.
8Durch weiteren Vertrag vom 23. März 2000 (Anlage B 2 f = separater Anlagenordner) verpflichtete sich der Kläger seinerseits unmittelbar gegenüber der Stadt E bis zum 5. Mai 2001 sämtliche baulichen und sonstigen auf dem Grundstück befindlichen Anlagen zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand der Grundstücke wieder herzustellen. In § 3 des Vertrages ist zudem folgende Regelung getroffen worden:
9„Herr M kann vor Ablauf der Befristung eine Verlängerung beantragen. Vor Antragstellung hat er hierüber eine Abstimmung mit dem Dezernat Stadtentwicklung und Bau, Stadtplanungsamt, herbeizuführen. Ein Rechtsanspruch auf Verlängerung besteht nicht.“
10Durch Bescheid vom 10. Dezember 2001 (Anlage B 2 g = separater Anlagenordner) erteilte die Stadt E eine weitere, diesmal bis zum 9. April 2003 befristet Baugenehmigung. Diese enthält unter anderem folgende Ausführungen:
11„Zur Nutzung der ehemaligen D- Container als Verkaufsstätte wurde am 06.05.1999 eine befristete Baugenehmigung erteilt, da mit der Umsetzung des Bebauungsplanes Nr. 123 in dem Teil der Antragsgrundstücke nicht vor dem Jahr 2000 gerechnet werden konnte.
12In Abwägung und nach Einbeziehung der Träger der öffentlichen Belange wird eine befristete Nutzung des im Jahre 1999 errichteten Containers letztmalig in Aussicht gestellt. Die Befristung ist auch insofern relevant, da damit zu rechnen ist, daß zu diesem Zeitpunkt mit der Umsetzung des B-Planes zu rechnen ist.“
13Nachdem das Objekt zunächst bei der O2 Versicherung versichert war, trat die Versicherungsagentur L aus N im Jahr 2000 im Auftrag des Klägers an die Beklagte heran, um das Objekt dort versichern zu lassen. Herr K, der Maklerbeauftragte der Beklagten, besichtigte das Objekt im Januar 2000. Am 3. Juni 2000 kam es zur Policierung der hier streitigen dynamischen Sach-Gebäudeversicherung. Die Versicherungssumme von 444.650,-- Mark (Stand 1914) zum gleitenden Neuwert war dabei von dem Kläger vorgegeben worden.
14Am 26. Januar 2003 kam es zu Brand in dem versicherten Objekt. Später wurde festgestellt, daß an mehreren Stellen Brandbeschleuniger ausgebracht worden waren. Ein zunächst gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Brandstiftung geführtes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Dresden, wurde später unter dem Aktenzeichen 414 Js 12478/04 STA Dresden gegen den Kläger fortgeführt. Dieses Verfahren wurden durch Verfügung vom 23. Juli 2004 gemäß § 170 Abs.2 StPO eingestellt (Bl. 167 ff GA). Auch ein weiteres Ermittlungsverfahren, das gegen den Kläger unter dem Aktenzeichen 414 Js 8283/04 wegen des Verdachts des Versicherungsbetruges anhängig war, wurde ebenfalls durch Verfügung vom 12. Januar 2004 eingestellt (Bl. 192 ff GA).
15Die Beklagte beauftragte den Sachverständige Dipl. Ing. C, Ermittlungen zur Schadenshöhe vorzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten der von ihm getroffenen Feststellugen wird auf den Vorbericht vom 5. Februar 2003 (Anlage K 3 = separates Anlagenkonvolut) und das Gutachten vom 7. April 2003 (Anlage K 17 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. September 2005 = separates Anlagenkonvolut) Bezug genommen. Weiterhin holte die Beklagte bei dem Sachverständigen H2 ein umfangreiches Schlüsselgutachten ein (separater Anlagenordner). Mit Schreiben vom 25. August 2003 (Anlage B 1 zur Klageerwiderung = Bl. 29 GA) lehnte die Beklagte zunächst eine Regulierung des geltend gemachten Schadens mit der Begründung ab, die Ansprüche seien im Hinblick auf die noch laufenden Ermittlungsverfahren gemäß § 11 Abs.3 VVG noch nicht fällig. Mit Schreiben vom 12. Januar 2004 (Anlage B 5 j = separater Anlagenordner) erklärte die Beklagte die Anfechtung der Versicherungsverträge wegen arglistiger Täuschung. Zur Begründung führte sie aus, sie sei bei Vertragsabschluß nicht darüber informiert worden, daß die Nutzungsgenehmigung nur noch bis zum 9. April 2003 verlängert worden sei und der Kaufpreis im Hinblick auf die übernommene Abbruchverpflichtung lediglich 1,-- DM betragen habe.
16Der Kläger hat am 20. Juni 2003 etwaige Ansprüche gegen die Beklagte aus dem hier streitgegenständlichen Brandereignis in Höhe von 180.000,-- € an die L2 abgetreten (Anlage B 2 zur Klageerwiderung = 30 GA). Zudem wurde das Gebäude an die W zur Sicherheit übereignet.
17Der Kläger behauptet, zur Geltendmachung der Ansprüche aktiv legimitiert zu sein. Sowohl die L2 als auch die W hätten ausdrücklich bestätigt, daß er befugt sei, die Ansprüche im eigenen Namen klageweise geltend zu machen. In der Sache selbst ist der Kläger der Ansicht, aufgrund des von der Beklagten eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. C stehe fest, daß die notwendigen Aufräum- und Abbruchkosten mit mindestens 230.000,-- € zu veranschlagen seien. Unter Berücksichtigung der wiederverwendbaren Gebäudeteile betrage der Neuwertschaden 3.547.432,-- €. Gegenüber diesen Ansprüchen könne die Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Brand sei von dem Kläger selbst vorsätzlich herbeigeführt worden. Wie sich aus der Einstellung des Strafverfahrens ergebe, sei dieser Vorwurf haltlos. Aber auch etwaige Obliegenheitsverletzungen des Klägers kämen nicht in Betracht. Insbesondere habe das Objekt über die nach den Versicherungsunterlagen notwendigen Einbruchmeldeanlagen sowie Bewegungsmeldeanlagen verfügt.
18Hinsichtlich des Vertragsabschlusses selbst ist der Kläger der Ansicht, die Höhe des Kaufpreises von 1,-- DM, den er für das Objekt habe zahlen müssen, sei versicherungsrechtlich ohne Bedeutung, da die Versicherung zum gleitenden Neuwert abgeschlossen worden sei. Zudem habe die Beklagte auch keine formellen Fragen vorgelegt. Daß nur eine befristete Baugenehmigung vorgelegen habe, sei der Beklagten bekannt gewesen. Der Beklagten sei ein Kurzexpose bezüglich des Objektes vorgelegt worden (Anlage K 22 zum Schriftsatz vom 7. September 2005 = separates Anlagenkonvolut). Dieses Expose enthalte einen Lageplan, der einen Stempel des Bauamtes aufweise: „Befristet bis zum 31. Dezember 1996“. Dieses Expose sei im Januar 2000 auch Herrn K, dem Maklerbetreuer der Beklagten, übergeben worden. Aber auch der Umstand, daß diese Befristung zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, habe Herrn K nicht veranlaßt, nähere Erläuterungen oder Angaben des Klägers bzw. des von ihm eingeschalteten Versicherungsmaklers einzuholen. Im übrigen habe die Stadt Dresden dem weiteren Fortbestand des Objektes positiv gegenüber gestanden. Es hätten bereits konkrete Pläne bestanden, das vorhanden Gebäude durch den Zukauf von weiteren Grundstücken noch zu erweitern, so daß ein Abriß des Gebäudes trotz der jeweils befristeten Baugenehmigungen nicht zu befürchten gewesen sei.
19Ursprünglich hat der Kläger in dem vorliegenden Verfahren lediglich Aufräum- und Abbruchkosten in Höhe von 230.000,-- € geltend gemacht. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin im Termin zur mündlichen Verahandlung vom 29. April 2005 den Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 26. April 2005 als verspätet gerügt hat, ist dieser im Termin nicht aufgetreten und hat keinen Antrag gestellt. Auf Antrag des Klägers ist die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 10. Juni 2005 verurteilt worden, an den Kläger 230.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5 Februar 2003 zu zahlen (Bl. 373 f GA). Gegen dieses Versäumnisurteil, das der Beklagten am 16. Juni 2005 zugestellt worden ist (Bl. 382 GA), hat diese mit Schriftsatz vom 17. Juni 2005, der am gleichen Tag mittels Telefax bei Gericht eingegangen ist, Einspruch eingelegt (Bl. 377 GA).
20Nach Einlegung des Einspruches durch die Beklagte hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7. September 2005 die Klage auf den Neuwertschaden in Höhe von 3.547.432,-- € erweitert.
21Zuletzt hat der Kläger beantragt,
221. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 10. Juni 2005 aufrechterhalten.
232. Die Beklagte zu verurteilen, weitere Zinsen in Höhe von 10 % über dem Basiszinssatz aus 230.000,-- € seit dem 5. Februar 2003 zu zahlen.
243. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 3.547.432,-- € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs.2 BGB seit dem 5. Februar 2003 zu zahlen.
25Die Beklagte hat beantragt,
26unter Aufhebung des Teilversäumnisurteils die Klage insgesamt abzuweisen.
27Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei für die geltend gemachten Ansprüche nicht aktivlegitimiert, da diese teilweise an die L2 abgetreten seien und die W als Realgläubigerin im Grundbuch eingetragen sei. Zudem sei das Objekt durch Vertrag vom 10. Oktober 2002 von dem Kläger an eine Firma B und Verwaltungs GmbH i.G. verkauft und dann durch weiteren Vertrag vom gleichen Tag wieder an den Kläger zurückgeleast worden. Eine Ermächtigung zur Geltendmachung der Ansprüche im eigenen Namen sei von keinem der übrigen Beteiligten erteilt worden.
28Der Brand selbst sei auf Veranlassung des Klägers gelegt worden. Aus dem vorliegenden Gutachten ergebe sich, daß der Brand vorsätzlich gelegt worden sei. Zudem seien entgegen den Vorgaben des Versicherungsvertrages Brandmelder abgebaut worden. An dem Brand selbst habe aber nur der Kläger ein wirtschaftliches Interesse gehabt, da das Kaufhaus zuletzt nur noch mit finanziellem Verlust gewirtschaftet habe. Zudem habe der Kläger vor Vertragsabschluß nicht darauf hingewiesen, daß das Gebäude nur für einen symbolischen Preis von 1,-- DM gekauft worden sei, wobei sich der Kläger verpflichtet habe, das Gebäude abzureißen. Diese Umstände seien auch gegenüber der finanzierenden L2 verschwiegen worden. Der Abriß des Objektes sei unmittelbar vor dem Brand aktuell geworden, da die letzte bis zum 9. April 2003 befristete Baugenehmigung seitens der Stadt E nicht mehr verlängert worden sei.
29Wegen des weiteren vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
31I.
32Aufgrund des form- und fristgerechten Einspruchs der Beklagten gegen das am 10. Juni 2005 verkündete Versäumnisurteil ist der Prozeß in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden; § 342 ZPO.
33II.
34Die Klage mußte insgesamt, dies gilt auch soweit die Klage nach Erlaß des Versäumnisurteils durch Schriftsatz vom 7. September 2005 erweitert worden ist, unter Aufhebung des Versäumnisurteils abgewiesen werden.
351.
36Dem Kläger stehen gegen die Beklagte wegen des Brandereignisses vom 26. Januar 2003 keine Ansprüche auf Versicherungsleistungen zu. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger für die geltend gemachten Ansprüche aktiv legitimiert ist, da die Beklagte den Abschluß des Versicherungsvertrages mit Schreiben vom 12. Januar 2004 zumindest wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat.
37a)
38Gemäß § 16 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Der Versicherungsnehmer hat aber nicht nur solche Umstände anzugeben, nach denen in einem gesonderten Antragsformular ausdrücklich gefragt worden ist. Sofern seitens des Versicherers - wie im vorliegenden Fall - keine konkreten Fragen gestellt werden, sind zumindest solche gefahrerheblichen Umstände durch den Versicherungsnehmer von sich aus anzugeben, die erkennbar für den Abschluß des Vertrages von Bedeutung sind
39b)
40Der Kläger hat die Beklagte nicht darüber in Kenntnis gesetzt, daß für das zu versichernde Objekt nur eine befristete Baugenehmigung bestand und er nach Ablauf der Genehmigung aufgrund des Vertrages mit der Stadt E verpflichtet war, das Gebäude auf eigene Kosten abzureißen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Da diese Verpflichtungen mit erheblichen Kosten verbunden waren, war dieser Umstand unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten von existentieller Bedeutung. Nur vor diesem Hintergrund ist auch zu erklären, daß der Kläger das Objekt, das später bei der Beklagten versichert worden ist, von der Firma H durch notariellen Kaufvertrag vom 12. Februar 1999 zum Preis von 1,-- DM erwerben konnte. Dieser Kaufpreis läßt sich nur mit dem Umstand erklären, daß der Kläger seinerseits die Verpflichtung der Firma H bzw. der Firma D, das Gebäude nach Ablauf der befristeten Baugenehmigung abzureißen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, im Innenverhältnis mit befreiender Wirkung übernommen hat, so daß dem vereinbarten Kaufpreis nur eine symbolische Bedeutung zukam. Der wirtschaftliche Gegenwert, welcher der Verkäuferin aus dem Verkauf zufloß, ist in der Übernahme der Abriß- und Wiederherstellungskosten zu sehen.
41Bei Abschluß der Versicherung mußte der Kläger davon ausgehen, daß ein baldiger Abriß des Gebäudes zumindest nicht unwahrscheinlich ist. Aus der Baugenehmigung Stadt E vom 6. Mai 1999, die bereits auf den Kläger ausgestellt worden war, ergibt sich eine solche ausdrückliche Beschränkung. In dieser Genehmigung, die bis zum 5. Mai 2001 befristet war, wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine mittelfristige Verfestigung des Interimsbaus nicht akzeptiert wird, sondern die auf einen Zeitraum von zwei Jahren befristete Baugenehmigung nicht ohne weiteres verlängert wird. Dieser fehlende Automatismus wird nochmals durch den Vertrag vom 23. März 2000, den der Kläger unmittelbar mit der Stadt E abgeschlossen hat, bestätigt. In diesem Vertrag übernahm der Kläger die eigenständige Verpflichtung, bis zum 5. Mai 2001 sämtliche auf dem Grundstück befindlichen Anlagen zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand auf seine Kosten wieder herzustellen. Durch den Hinweis in § 3 des Vertrages wurde nochmals klar gestellt, daß ein Rechtsanspruch auf Verlängerung der Baugenehmigung nicht besteht. Zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses war für den Kläger noch vollkommen ungewiß ist, ob er entgegen der befristeten Baugenehmigung das Objekt über diesen Zeitpunkt hinaus noch nutzen kann. Aufgrund der erteilten Genehmigungen und bestehenden Verträgen mußte der Kläger vielmehr davon ausgehen, daß er das versicherte Objekt bereits zum 5. Mai 2001 - und damit etwa ein Jahr nach Abschluß des Versicherungsvertrages - auf eigene Kosten abreißen muß
42c)
43Diese Umstände waren für die Beklagte bei Abschluß des Versicherungsvertrages von entscheidender Bedeutung.
44Mangels entegegenstehender Anhaltspunkte geht der Versicherer davon aus, daß ein Gebäude für die gesamte Dauer der voraussichtlichen Nutzungsdauer, die auf der Grundlage des Errichtungsjahres des Gebäudes ermittelt wird, auch tatsächlich genutzt wird und nicht vorzeitig abgerissen werden muß. Sofern aber die allgemeine Nutzungsdauer aufgrund von besonderen Umständen verkürzt ist, oder aber aufgrund von besonderen behördlichen Anordnungen ein vorzeitiger Abriß des Gebäudes abzusehen ist bzw. in Betracht kommen kann, ist dies für den Abschluß einer Gebäudeversicherung von Bedeutung. Diese auf dem Gebäude lastende zeitliche Nutzungseinschränkung ist insbesondere bei der Bemessung der Versicherungssumme zugrunde zu legen, da gerade die für die im Schadenfall anfallenden Wiederherstellungskosten nicht nach allgemeinen versicherungsmathematischen Berechnungsmethoden auf die allgemeinen Nutzungs- und Ertragswerte abgestellt werden kann.
45Im übrigen war aufgrund der bestehenden Abrißverpflichtung davon auszugehen, daß sowieso in absehbarer Zeit der Abriß des Objektes anstand. Da im Brandfalle nach den Bestimmungen des Vertrages auch die Abbruch- und Aufräumkosten bis zur vollen Höhe der Versicherungssumme seitens der Beklagten zu übernehmen waren, bestand eine erhöhte Gefahr, daß das Objekt kurz vor Ablauf der Nutzungsdauer einen vorsätzlich herbeigeführten Brandschaden erleidet, um die dann anfallenden Abbruchkosten auf den Versicherer abzuwälzen. Es bestand somit auch für den Kläger erkennbares erhöhtes Versicherungsrisiko. In Kenntnis dieser Umstände hätte die Beklagte, worauf diese zutreffend hingewiesen hat, entweder den Versicherungsvertrag überhaupt nicht abgeschlossen oder aber bestimmten Risikobereiche, wie zum Beispiel Abbruch- und Aufräumkosten, vollständig aus dem Versicherungsschutz herausgenommen.
46d)
47In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagten sei bei Abschluß des Vertrages bekannt gewesen, daß für das Gebäude nur eine zeitlich befristete Baugenehmigung erteilt war.
48Insoweit reicht es nach Ansicht der Kammer nämlich nicht aus, daß in einem Expose für das Objekt auch ein Lageplan enthalten war, der einen Stempel des Bauamtes aufweist: „Befristet bis zum 31.12.1996“. Das Expose enthält auf den ersten Seiten eine ausführliche Beschreibung des Objektes. In dieser Beschreibung wird aber nicht erwähnt, daß aufgrund der behördlichen Genehmigungen nur eine zeitlich beschränkte Nutzung des Gebäudes möglich ist. Der bloße Stempel auf einem Lageplan, der dem Expose lediglich als Anlage beigefügt ist, kann einen solchen konkreten Hinweis nicht ersetzen. Zudem war der Stempelvermerk auch nicht so offensichtlich, daß dieser der Beklagten bei Durchsicht der überlassenen Unterlagen hätte unmittelbar auffallen müssen.
49Im übrigen wäre der Beklagten trotz des Stempels immer noch nicht bekannt gewesen, daß sich der Kläger in einem separaten Vertrag verpflichtet hatte, das Gebäude abzureißen. Weder die Baugenehmigung noch der Vertrag mit der Stadt E sind der Beklagten vorgelegt worden. Der Kläger hätte der ihm obliegenden Anzeigepflicht nur genügen können, wenn er die Beklagte durch Vorlage der entsprechenden Verträge über die bestehende befristete Baugenehmigung sowie die in einem gesonderten Vertrag von ihm übernommene Abrißverpflichtung in vollem Umfang informiert hätte.
50e)
51Gegenüber dieser Hinweispflicht kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Verlängerung der Baugenehmigung sei unproblematisch gewesen; die Stadt Dresden habe dem gesamten Projekt positiv gegenüber gestanden
52Einer solchen Einschätzung steht bereits entgegen, daß schon in der Baugenehmigung vom 6. Mai 1999 festgehalten worden ist, daß die weitere Nutzung der Grundstücke in der bisherigen Form der Entwicklung der umliegenden Flächen in einer dem Bebauungsplan entsprechenden Weise behindern und die beabsichtigte Aufwertung des Umfeldes erschweren würde. In dem Vertrag vom 23. März 2000 ist zudem seitens der Stadt E ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer weiteren befristeten Baugenehmigung besteht. Selbst wenn der Kläger davon ausgegangen sein sollte, daß eine Verlängerung der Baugenehmigung möglich ist, war hiermit keinesfalls ein Automatismus verbunden. Aufgrund der behördlichen Unterlagen mußte er bei Abschluß des Versicherungsvertrages - und auf diesen Kenntnisstand ist für den Umfang der Anzeigepflicht abzustellen - davon ausgehen, daß eine ungeschränkte zeitliche Nutzung des Versicherungsobjektes nicht möglich ist.
53f)
54Wenn der Kläger dennoch die Beklagte weder über den Inhalt des Kaufvertrages mit der Firma H GmbH noch darüber informiert, daß lediglich befristete Baugenehmigungen bestehen und er sich aufgrund eines weiteren Vertrages mit der Stadt E verpflichtet hat, das versicherte Gebäude bis zum 5. Mai 2001 und damit noch nicht einmal ein Jahr nach Abschluß des Versicherungsvertrages abzureißen, kann dies nur mit Arglist erklärt werden.
55Da die Beklagte den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB angefochten hat, stehen dem Kläger keine Ansprüche auf Versicherungsleistungen aus dem Brandereignis vom 26. Januar 2003 zu.
562.
57Entgegen dem Antrag der Beklagten handelt es sich bei dem Versäumnisurteil der Kammer vom 10. Juni 2005 nicht um ein Teilversäumnisurteil, da bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die Abbruch- und Aufräumkosten in Höhe von 230.000,-- € rechtshängig waren. Der weitergehende Zeitwertschaden in Höhe von 3.547.432,-- € ist erst durch de Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 7. September 2005 rechtshängig geworden.
58III.
59Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs.1, 344, 709 ZPO.
60III.
61Streitwert:
62bis zum 7. September 2005 : 230.000,-- €
63hiernach: 3.777.432,-- €
64
C2 |
Dr. X |
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