Urteil vom Landgericht Aachen - 1 O 506/05
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 01.12.2004 (Az.: 19 IN 895/04) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Zahnarztes Dr. C aus X (nachfolgend: Schuldner) bestellt. Zuvor war am 23.07.2004 vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet worden.
3Der Schuldner hatte der Klägerin zur Sicherung ihrer Ansprüche seine Praxis- und Laboreinrichtung mit Verträgen vom 08.07.1987, 23.05.1989, 19.03.1990 und 03.07.1991 übereignet. Im zur Vorlage im Berichts- und Prüfungstermin erstatteten Bericht schätzte der Beklagte den Zeitwert des betrieblichen Anlagevermögens auf 30.000,00 € (Bl. 24 GA). Die Gläubigerversammlung beschloss im Berichtstermin am 01.03.2005, dass das Unternehmen des Schuldners vorläufig fortgeführt werden soll.
4Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie könne für die Weiternutzung des Anlage-vermögens einen Ausgleich in Höhe von 6,22 % p.a. aus dem geschätzten Zeitwert (= 1.866,00 € jährlich) verlangen. Für den Zeitraum vom 23.10.2004 bis zum 31.05.2005 beziffert sie ihren Anspruch mit 1.129,97 €. Für den Zeitraum ab dem 01.06.2005 könne sie monatlich einen Betrag in Höhe von 155,50 € (1.866,00 € ./. 12) beanspruchen. Hierfür begehrt sie Feststellung mit ihrem Antrag zu 2).
5Weiterhin vertritt sie die Ansicht, Ersatz des Wertverlustes in Höhe von 10 % jährlich beanspruchen zu können. Für den Zeitraum vom 23.10.2004 bis zum 31.05.2005 begehrt sie deshalb Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.816,67 €. Für die Zeit ab dem 01.06.2005 begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte monatlich einen Betrag in Höhe von 250,00 € (3.000,00 € ./. 12) zu zahlen verpflichtet ist.
6Die Klägerin hat beantragt,
71. den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.757,64 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2005 zu zahlen,
82. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ab dem 01.08.2005 monatlich 250,00 € bis zum Ende der Wertminderung der mit den Verträgen vom 08.07.1987, 23.05.1989, 19.03.1990 und 03.07.1991 an die Klägerin sicherungsübereigneten Praxis- und Laboreinrichtung oder bis zur vollständigen Befriedigung der Klägerin zu zahlen, sowie monatlich weitere 155,50 € bis zur Verwertung der sicherungsübereigneten Praxis- und Laboreinrichtung zu zahlen.
9Der Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er vertritt die Auffassung, die der Klägerin zur Sicherheit übereigneten Gegenstände seien für die Betriebsfortführung unverzichtbar, daher unpfändbar und nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst. Er sei deshalb nicht verfügungsbefugt, woran die Ansprüche der Klägerin scheiterten. Jedenfalls aber habe er die Gegenstände mit seinem Schreiben vom 10.06.2005, mit dem er auf die vorprozessuale Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin reagierte, freigegeben.
12Zudem verstoße die Einforderung der Ansprüche gegen Treu und Glauben, da die Klägerin in der Gläubigerversammlung selbst an dem Beschluss mitwirkte, dem Schuldner die Einrichtung zur Praxisfortführung zu belassen. Schließlich sei auch eine Verwertbarkeit faktisch nicht gegeben.
13Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Schuldner habe sich durch die Sicherungsübereignung selbst des Pfändungsschutzes begeben, weshalb die Labor- und Praxiseinrichtung nicht insolvenzfrei sei. Andernfalls stehe ihr jedenfalls seit Eintritt der Verwertungsreife gegenüber dem Schuldner und damit auch gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Gegenstände zu. Der Rechtsgrund für den Besitz sei mit Eintritt der Verwertungsreife weggefallen. Behalte der Schuldner bzw. der Beklagte diese Gegenstände, um sie zur Bereicherung der Insolvenzmasse zu nutzen, stehe ihr der geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu bzw. aus §§ 987, 988 BGB.
14Entscheidungsgründe
15Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keine Ansprüche gegen die Masse auf Nutzungs- oder Wertersatz aufgrund der Weiterbenutzung der ihr zur Sicherheit übereigneten Labor- und Praxiseinrichtung durch den Schuldner.
16Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 169 S. 1 InsO. Nach dieser Norm kann der Gläubiger ab dem Berichtstermin Zinsen aus der Insolvenzmasse verlangen, solange ein Gegenstand nicht verwertet wird, zu dessen Verwertung der Insolvenzverwalter nach § 166 InsO berechtigt ist.
17Ein Verwertungsrecht an dem der Klägerin zur Sicherheit übereigneten Praxis- und Laboreinrichtungsgegenständen steht dem Beklagten nicht zu. Nach § 166 Abs. 1 InsO darf der Insolvenzverwalter bewegliche Sachen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, verwerten, wenn sie sich in seinem Besitz befinden. Diese Vorschrift setzt voraus, dass die Sache haftungsrechtlich zur Insolvenzmasse gehört. Zwar gehören Gegenstände, die der Schuldner einem Gläubiger zur Sicherheit übereignet hat, im Grundsatz haftungsrechtlich zur Insolvenzmasse (Lwowski in: MünchKomm, InsO, § 35 Rn. 141). Nach § 36 Abs. 1 InsO werden jedoch Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, vom Insolvenzbeschlag nicht erfasst, soweit nicht Absatz 2 der Norm ihre Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse bestimmt.
18Die Labor- und Praxiseinrichtungsgegenstände des Schuldners, der Zahnarzt ist, unterfallen dem Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, der die zur Berufsausübung erforderlichen Gegenstände eines Arztes ausdrücklich aufzählt. Damit sind sie insolvenzfrei. § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO bestimmt lediglich, dass Sachen, die nach § 811 Abs. 1 Nrn. 4 und 9 ZPO der Zwangsvollstreckung nicht unterliegen, vom Insolvenzbeschlag erfasst werden. Die Aufzählung einzelner Ziffern des § 811 Abs. 1 ZPO verdeutlicht, dass die in den übrigen Ziffern der Pfändungsschutzvorschrift bezeichneten Gegenstände nicht als Ausnahme zu § 36 Abs. 1 InsO haftungsrechtlich zur Insolvenzmasse gehören.
19Der Ansicht der Klägerin, der Schuldner habe mit Übereignung der Gegenstände an sie zur Sicherheit auf seinen Pfändungsschutz verzichtet, weshalb diese vom Insolvenzbeschlag erfasst würden, tritt die Kammer nicht bei. Ob sich der Schuldner, der einem Gläubiger Gegenstände zur Sicherheit übereignet, diesem gegenüber des Pfändungsschutzes aus § 811 Abs. 1 ZPO begibt (so AG Köln NJW-RR 2003, 987 [988]; OLG Bamberg MDR 1981, 50 [51]; OLG Frankfurt NJW 1973, 104), erscheint im Hinblick auf die Regelung in § 811 Abs. 2 ZPO fraglich. Nach § 811 Abs. 2 ZPO kann eine in den Ziffern 1, 4 und 5 bis 7 des ersten Absatzes der Norm genannte Sache vom Vorbehaltseigentümer wegen einer durch den Eigentumsvorbehalt gesicherten Forderung aus dem Verkauf dieser Sache gepfändet werden. Dass lediglich das Pfändungsrecht des Vorbehaltseigentümers genannt ist, spricht dafür, die Ausnahme eng begrenzt ausschließlich für diesen zuzulassen (gegen eine Privilegierung des Sicherungseigentums auch Stöber in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 811 Rn. 7). Diese Frage bedarf indes keiner abschließenden Stellungnahme. Selbst wenn in einer Sicherungsübereignung zugleich ein Verzicht auf Pfändungsschutz läge, würde dieser Verzicht nur zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber gelten. Denn eine Begebung des Schutzes aus § 811 Abs. 1 ZPO wäre durch das Vertragsverhältnis vermittelt und könnte nicht über dieses hinaus Wirkungen entfalten.
20Mangels Verwertungsrechts des Beklagten hinsichtlich der der Klägerin zur Sicherheit übereigneten Praxis- und Laboreinrichtung kann diese auch nicht einen durch die Weiterverwendung der Gegenstände möglicherweise eingetretenen bzw. eintretenden Wertverlust gemäß § 172 Abs. 1 InsO ersetzt verlangen.
21Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §§ 812 ff. BGB oder aus §§ 987 ff. BGB aufgrund der Weiterbenutzung der Praxis- und Laboreinrichtung durch den Schuldner kann die Klägerin nicht geltend machen. Dem steht bereits entgegen, dass der Schuldner zu Recht den Besitz an diesen Gegenständen ausübt und mit der Klägerin keine besondere Regelung getroffen hat, nach der ihr Ansprüche auf die gezogenen Nutzungen zustünden (vgl. BGH NJW 1980, 226 f.; Ganter in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 95 Rn. 63). Die Klägerin hat mit dem Schuldner in den Sicherungsübereignungsverträgen jeweils unter Ziffer 4.1 vereinbart, ihm die übereigneten Sachen leihweise zu belassen und ihm die Weiterbenutzung ge-stattet. Vereinbart ist, dass die Klägerin dieses Besitzrecht widerrufen kann, wenn sie dies für erforderlich halten darf. Solange das Recht zum Besitz nicht widerrufen ist, stellt sich die Weiterbenutzung der Labor- und Praxiseinrichtung mithin als vertragsgemäß dar. Dass gegenüber dem Schuldner dieses Recht widerrufen oder ein Herausgabeverlangen geltend gemacht wurde, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 2. Alt., 711 Satz 1, 2, 709 Satz 2 ZPO.
23Streitwert: Antrag zu 1): 3.757,64 €
24Antrag zu 2): 13.624,80 €
25gesamt: 17.382,44 €
26C Dr. G G
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Referenzen
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