Urteil vom Landgericht Aachen - 6 S 4/06
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Dezember 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Aachen - 84 C 501/05 - abgeändert und - wie folgt - neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen seiner Pro-zessbevollmächtigten 937,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09. September 2005, sowie weitere 76,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. September 2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Der Kläger macht Ansprüche aus einem mit Beginn zum 01. September 2004 bei der Beklagten abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag geltend. Diesem liegen die Allgemeinen Bedingungen der C Rechtsschutzversicherung (nachfolgend: ARB 2004) zugrunde.
3Der Kläger bestellte am 17. März 2005 bei der Fa. B GmbH ein Neufahrzeug zum Preis von 16.545,00 €. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem Kläger durch die Verkäuferin zugesagt, dass das Fahrzeug am 09. April 2005 geliefert werde. Unter dem 18. März 2005 teilte die Fa. B GmbH als Liefertermin mit: "unverbindlich schnellstmöglich". Am 09. April 2005 wurde der Kläger bei der Fa. B GmbH vorstellig, um sich nach dem Liefertermin zu erkundigen. Anlässlich dieses Besuchs wurde auf dem Kaufvertrag vermerkt: "Avisiert für den 14. Juni 2005 +/- 2 Tage". Mitte Juni 2005 wurde der Kläger gebeten, bis Ende des Monats abzuwarten, dann wurde ihm erneut erklärt, dass das Fahrzeug noch nicht lieferbar sei. Daraufhin nahm der Kläger Ende Juni 2005 anwaltliche Hilfe in Anspruch.
4Die Beklagte erteilte dem Kläger auf Anfrage von dessen Prozessbevollmächtigten vom 06. Juli 2005 unter dem 08. Juli 2005 Deckungszusage. Nachdem die Fa. B GmbH auch auf eine Nachfristsetzung durch die anwaltlichen Vertreter vom 04. Juli 2005 nicht geliefert hatte, wurde für den Kläger gegenüber der Verkäuferin mit Schreiben vom 15. Juli 2005 der Rücktritt vom Vertrag ausgesprochen und dies gleichzeitig mit der Aufforderung verbunden, zu erklären, dass keine Abnahmeverpflichtung besteht. Dem wurde von Seiten der Fa. B GmbH mit Schreiben vom 15. Juli 2005 nachgekommen. Darin heißt es wie folgt:
5(...), wir akzeptieren hiermit Ihren Rücktritt vom Kaufvertrag für einen Toyota Yaris Edition S vom 17. März 2005.
6Ferner erklären wir, dass mit der Annahme Ihres Rücktritt alle gegenseitigen Ansprüche aus diesem Vertrag abgegolten sind."
7Zu einer weiteren Erklärung des Klägers kam es hiernach nicht.
8Die Prozessbevollmächtigten stellten dem Kläger unter dem 28. Juli 2005 einen Betrag in Höhe von 937,05 € in Rechnung. Mit Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 28. Juli 2005 wurde die Beklagte zum Ausgleich des Rechnungsbetrages aufgefordert. Die Beklagte lehnte jedoch mit Schreiben vom 03. August 2005 die Zahlung ab und berief sich auf die Ausschlussregelung gemäß § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 2004.
9Die genannte Vorschrift lautet wie folgt:
10"(3) Der Versicherer trägt nicht
11(…) b) Kosten, die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist; (…)"
12Mit Schreiben vom 05. August und 30. August 2005 wurde die Beklagte durch die klägerischen Prozessbevollmächtigten erneut zur Zahlung – zuletzt unter Fristsetzung bis zum 08. September 2005 – aufgefordert.
13Der Kläger macht nunmehr zusätzlich die außergerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren (50 % einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 937,05 €) geltend.
14Das Amtsgericht hat in dem angefochten Urteil einen Anspruch des Klägers unter Hinweis auf die Regelung in § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 2004 verneint und die Klage abgewiesen.
15Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, die von der Beklagten angeführte Ausschlussregelung des § 5 Abs. 3 lit b) ARB 2004 stünde seinem Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte nicht entgegen.
16Der Kläger beantragt,
17das angefochtene Urteil abzuändern und
18die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten 937,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09. September 2005 sowie weitere 76,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. September 2005 zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Entscheidungsgründe
22Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
23A.
24Die Klage ist begründet und das angefochtene Urteil daher abzuändern. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten aus §§ 1, 158 ff VVG, §§ 1 ff ARB 2004 zu.
25I.
26Zwischen den Parteien besteht zu Gunsten des Klägers ein Rechtschutzversicherungsvertrag. Bei dem von dem Kläger mit dem Autohaus B GmbH geführten außergerichtlichen Streit handelt es sich unstreitig auch um einen Versicherungsfall im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen. Demgemäß hat auch die Beklagte dem Kläger unter dem 08. Juli 2005 Deckungszusage erteilt. Die von dem Kläger geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren sind auch vom Leistungsumfang der Versicherung gedeckt. Grundsätzlich trägt der Versicherer nach § 5 Abs. 1 a) die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung. Nur diese Kosten werden durch den Kläger auch geltend gemacht.
27II.
28Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Ausschlussregelung in § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 2004 berufen, weil die durch den Kläger erstattet verlangten Kosten dieser Regelung nicht unterfallen.
291.
30Die Ausschlussregelung greift nach Auffassung der Kammer zunächst deshalb nicht, weil es sich nicht um Kosten handelt, die nicht dem Verhältnis des vom Kläger angestrebten Ergebnisses zum erzielten Erfolg entsprechen.
31a)
32Die von der Beklagten als Ausschlussgrund angeführte Regelung hat keinen eindeutigen Inhalt, weil sich anhand der Formulierung nicht eindeutig und zweifelsfrei bestimmen lässt, welchen Fall diese Vorschrift betreffen soll. Gemäß der Regelung in § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 2004 trägt der Versicherer nicht die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung entstandenen Kosten, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Erfolg entsprechen.
33Diese Regelung hat nach Auffassung der Kammer keinen eindeutigen Inhalt. Obsiegt der Versicherungsnehmer vollständig, beträgt das Verhältnis von angestrebtem Ergebnis zum erzielten Erfolg "1" (beispielsweise 1.000,- € "gewollt" zu 1.000,- € "erzielt"). Hätte beispielsweise der Versicherungsnehmer durch eine einvernehmliche Erledigung mit seiner geltend gemachten Forderung nach 1.000,- € nur in Höhe von 700,- € Erfolg, beträgt das Verhältnis des angestrebten Ergebnisses zum erzielten Erfolg 1.000,- zu 700,- € (oder berechnet 1,43). Das umgekehrte Verhältnis (Erfolg zu Ergebnis) entspricht 70%. Selbst wenn die genannten 70 % als "sinnvolle" Grundlage berücksichtigt werden, hätte der Versicherer unter Berücksichtigung der doppelten Verneinung in der Klausel die Kosten nicht zu übernehmen, die nicht diesem Verhältnis entsprechen, also die restlichen 30 %. (Nicht dem genannten Verhältnis von 70% entsprechen die restlichen 30%; diese sind nicht zu übernehmen.) Dieses Verständnis behauptet aber auch die Beklagte nicht.
34Demnach hat nach Einschätzung der Kammer die Klausel keinen eindeutigen Inhalt.
35b)
36Somit ist - vor einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Regelung - im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob der Klausel der von der Beklagten beigemessene Inhalt entnommen werden kann. Vor einer Beurteilung der Wirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Versicherungsbedingungen ist der Inhalt der Klausel durch Auslegung zu ermitteln. Ohne vorangegangene Auslegung fehlt die notwendige Klarheit darüber, welcher Inhalt der Klausel im Einzelnen anhand der gesetzlichen Vorschriften über die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu kontrollieren ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (vgl. BGH NJW 1993, 2369; NJW-RR 1996, 857 (858) jeweils m.w.N.). Nach Einschätzung der Kammer ist der Regelung in § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 2004 auch im Wege der Auslegung der von der Beklagten angeführte Inhalt nicht zu entnehmen, weil sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung nicht dahin verstehen müsste, dass der Rechtsschutzversicherer die Rechtsanwaltskosten nicht übernimmt, obschon er (der Versicherungsnehmer) mit den geltend gemachten Ansprüchen in voller Höhe Erfolg hat.
37Die Auslegung hat zunächst vom Wortlaut der Regelung her auszugehen. Eine Auslegung im Sinne des von der Beklagten angeführten Verständnisses der Regelung lässt der Wortlaut der Vorschrift nicht zu. Der Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Kenntnisse kann dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 b) ARB 2004 nämlich nicht entnehmen, dass die Rechtsschutzversicherung für die eigenen Kosten trotz seines (teilweisen) Obsiegens im Rahmen einer einverständlichen Regelung nicht aufkommen wird. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer rechnet - insbesondere dann, wenn ihm eine Deckungszusage bereits erteilt wurde - nicht damit, die Kosten des eigenen für ihn tätigen Rechtsanwalts unabhängig von der Frage des Bestehen eines Erstattungsanspruchs gegen den unterlegenen (oder zur Vermeidung eines Rechtsstreits einlenkenden) Gegner selbst tragen zu müssen. Vielmehr wird der verständige Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrages und bei Erhalt der Deckungszusage davon ausgehen, dass sein Kostenrisiko vollständig von der Rechtsschutzversicherung getragen wird. Etwas anderes kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer - auch wenn grundsätzlich zweifelsfrei im Sinne der Versichertengemeinschaft ein Bedürfnis besteht, unnötige Kostenzugeständnisse des Versicherungsnehmers zu vermeiden - der hier in Streit stehenden Klausel nicht entnehmen.
38Die sonst zulässige Einbeziehung von Begleitumständen im Rahmen der Auslegung kommt vorliegend nicht in Betracht. Der Grundsatz, wonach Begleitumstände berücksichtigt werden können, sofern sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen, hat für die Auslegung von vertraglichen Erklärungen uneingeschränkte Bedeutung, kann jedoch bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht herangezogen werden. Nicht maßgebend ist, was sich der Verfasser der Bedingungen bei der Abfassung vorstellte. Die Entstehungsgeschichte, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben. Versicherungsrechtliche Überlegungen können allenfalls insoweit berücksichtigt werden, wie sie sich aus dem Wortlaut der Bedingungen für den verständigen Versicherungsnehmer unmittelbar erschließen (vgl. BGH NJW-RR1996, 857 (858) m.w.N.).
39Nach diesen Grundsätzen kann die streitbefangene Klausel nicht über die Einbeziehung der Begleitumstände und den Sinn und Zweck der Regelung die von der Beklagten ihr zugemessene Bedeutung erfahren. Soweit in der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung darauf abgestellt wird, dass "der Rechtsschutzversicherer nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der Ausschlussregelung des § 5 Abs. 3 lit b) ARB 2004 nicht die Kosten tragen soll, die bei einer Entscheidung durch Urteil nach Maßgabe der §§ 91 ff ZPO dem Gegner aufzuerlegen gewesen wären" und dass vermieden werden soll, dass der Versicherte zu Lasten der Versichertengemeinschaft seinem Gegner Kostenzugeständnisse macht, um diesen zu einem weiteren Entgegenkommen in der Hauptsache zu veranlassen, entspricht dies möglicherweise den Erkenntnissen einer Person mit versicherungsrechtlichen Spezialkenntnissen, die sich mit dieser Klausel auseinandersetzt. Dem Wortlaut der Klausel und auch dem Ergebnis einer Auslegung durch einen Versicherungsnehmer ohne versicherungspflichtige Spezialkenntnisse entspricht dies aber nicht.
40Dies gilt auch unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der Versicherungsbedingungen, die für den Versicherungsnehmer die alleinige Grundlage für seine Auslegung und den "erkennbaren Sinnzusammenhang" darstellen. Nach § 1 ARB 2004 sorgt der Versicherer dafür, dass der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann und "trägt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten (Rechtsschutz)". Gemäß § 5 Abs. 1 h) ARB 2004 trägt der Versicherer auch die dem Gegner durch die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen entstandenen Kosten, soweit der Versicherungsnehmer zu deren Erstattung verpflichtet ist. § 5 Abs. 3 a) ARB 2004 regelt, dass der Versicherer die Kosten nicht trägt, die der Versicherungsnehmer ohne Rechtspflicht übernommen hat. Nach § 5 Abs. 3 g) trägt er auch solche Kosten nicht, zu deren Übernahme ein anderer verpflichtet wäre, wenn der Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht bestünde. Den genannten Vorschriften über die Versicherungsleistungen ist jedoch nicht - auch nicht den übrigen Bedingungen - der Grundgedanke zu entnehmen, dass der Versicherer auch eigene Kosten des Versicherungsnehmers unabhängig von dem Bestehen eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs gegen den Gegner nicht zu tragen hat. Die letztgenannte Vorschrift spricht sogar dafür, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen die Versicherung nur dann nicht besteht, wenn der Versicherungsnehmer ohne den Versicherungsvertrag gegen einen Dritten einen Anspruch auf Kostenerstattung hätte, der jedoch durch den Versicherungsvertrag ausgeschlossen ist, wobei der Versicherer nach allgemeinen Regeln den entsprechenden Anspruch notfalls darzulegen und zu beweisen hat. Hiermit soll ausgeschlossen werden, dass ein Dritter aufgrund des Bestehens des Versicherungsvertrages zu Unrecht zu Lasten der Versichertengemeinschaft entlastet wird (vgl. Harbauer, Rechtschutzversicherung, 7. Aufl., § 5 Rn 25). Auch dieser Vorschrift lässt sich mithin der Gedanke, dass die eigenen Kosten - ohne Rücksicht auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch - nicht übernommen werden, gerade nicht entnehmen.
41Darüber hinaus kann im Rahmen der Auslegung auf die Interessenlage der Beteiligten abgestellt werden. Geboten ist aber eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 133 Rn 18). Auch danach ergibt sich jedoch kein zweifelsfreier Inhalt der Erklärung, weil die Interessenlagen der Parteien sich entgegenstehen und die Interessenlage der Beklagten als Verwenderin der AGB nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck kommt.
42Der von der Beklagten behauptete Inhalt der Klausel ist auch nicht aus anderen Gründen – insbesondere im Rahmen einer Auslegung nach Treu und Glauben - gerechtfertigt. Vorliegend ist es zu einer außergerichtlichen "Beilegung" des Streits über die Lieferung des Fahrzeugs gekommen, ohne dass ein Zugeständnis des Klägers in der Kostenfrage im Ansatz zu erkennen ist. Letztlich kann aber nicht mit der von der Beklagten behaupteten Deutlichkeit angenommen werden, dass dem Kläger gegen die Fa. B GmbH ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, den dieser ohne Weiteres geltend machen kann und es daher der Inanspruchnahme der Beklagten nicht bedarf. Grundsätzlich kann es für das Einlenken eines Anspruchsgegners und das außergerichtliche Zugeständnis auf einen geltend gemachten Anspruch vielfältige Gründe geben, so etwa die Vermeidung eines unerwünschten Streits zur Wahrung einer guten Geschäftsbeziehung oder die eigene Unsicherheit über die Rechtslage und das Zugeständnis zur Vermeidung weiterer Kosten hinsichtlich derer Unsicherheit besteht, von wem sie dann zu tragen sind. Vorliegend kommt auch in Frage, dass das Autohaus B GmbH der Aufforderung deshalb nachgekommen ist, weil eine anderweitige Möglichkeit zur Veräußerung des Fahrzeugs bestanden hat. Das Einlenken eines Anspruchsgegners ist mithin nicht zwangsläufig mit der Kostentragungspflicht verbunden, die es rechtfertigen könnte, den Versicherungsnehmer auf die Geltendmachung der Kostenerstattungsansprüche zu verweisen. Der nach dem Verständnis der Beklagten in der Vorschrift des § 5 Abs. 3 lit. b) enthaltene Ausschluss ohne Einschränkung dahingehend, ob ein anderer materiell-rechtlich zur Kostenübernahme verpflichtet ist, ist daher nicht mit dem Verständnis einer Rechtsschutzversicherung zu vereinbaren.
43Auch nach der Auslegung der Klausel kommt eine Anwendung auf den vorliegenden Fall daher nicht in Betracht.
442.
45Die Ausschlussregelung greift aber auch deshalb nicht, weil die Kosten nicht im Zusammenhang mit einer "einverständlichen Erledigung" entstanden sind.
46Dem Wortlaut der Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass auch das nur einseitige Nachgeben ohne jedwede gemeinsame Willensbildung von der Regelung erfasst sein soll. Vielmehr ist dem Wortlaut der Klausel nach anzunehmen, dass lediglich die Erledigung von der Klausel erfasst sein soll, im Zuge derer die Streitenden gemeinsam Einigkeit in Bezug auf die Streitfrage erzielen. Insoweit ergibt sich auch unter Berücksichtigung des in Rechtsprechung und Literatur angeführten Sinn und Zwecks der Regelung nichts Anderes, weil vermieden werden soll, dass der Anspruchsteller, der sich mit dem Gegner einigt, diesem Kostenzugeständnisse macht, dafür in der Streitfrage mehr erzielt, als ihm zugestanden hätte und somit den Versicherer und die Versichertengemeinschaft unnötig belastet. Kommt es aber zwischen dem Anspruchssteller und dem Gegner zu keinerlei Kontakten, sondern lediglich zu einem einseitigen nicht abgesprochenen Nachgeben, ist auch dieser Sinn und Zweck der Vorschrift nicht betroffen. Eine einverständliche Erledigung setzt daher nach dem Wortlaut, aber auch unter Berücksichtigung des Regelungszwecks eine zweiseitige Absprache voraus, die im vorliegenden Fall nicht zu bejahen ist. Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs nicht annehmen, dass der Fall des einseitigen Nachgebens von der streitgegenständlichen Regelung erfasst wird.
473.
48Die Beklagte kann sich daher nicht auf den Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 3 b) berufen. Vielmehr hat die Beklagte die von dem Kläger geltend gemachten Kosten, entstanden aus der Tätigkeit des jetzigen Prozessbevollmächtigten im Rahmen der erteilten Deckungszusage zu tragen.
49B.
50Der Zinsanspruch betreffend die Hauptforderung folgt aus 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB, nachdem die Beklagte durch Schreiben vom 30. August 2005 zur Zahlung bis zum 08. September 2005 aufgefordert wurde.
51C.
52Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu, nachdem die Beklagte unberechtigt die Zahlung der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten verweigert hat. Der Anspruch ist zutreffend berechnet. Der Anspruch auf Zinsen folgt insoweit aus §§ 291 S. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
53D.
54Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55E.
56Gegen die Entscheidung der Kammer war gemäß §§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
57Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH NJW-RR 2004, 537). Typische Ausgestaltung grundsätzlicher Bedeutung sind Musterprozesse zu in der Rechtspraxis typischen Vereinbarungen (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, § 543 Rn 11). Die Frage des Verständnisses bzw. der Auslegung und des Bedeutungsgehalts der hier in Streit stehenden Klausel nach § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 2004 kann aufgrund der Verwendung der ARB 2004 in einer Vielzahl von Versicherungsverträgen in einer Vielzahl von Fällen zu entscheiden sein. Beide der Entscheidung zugrunde gelegten Fragen wurden bereits, wie die von den Parteien vorgelegten instanzgerichtliche Urteile belegen, unterschiedlich entschieden. Beide Frage werden zudem in den einschlägigen Kommentierungen diskutiert und in Abweichung zu der Entscheidung der Kammer beantwortet.
58Die aufgeworfenen Fragen sind für den vorliegenden Fall auch entscheidungserheblich. Die Zulassung der Revision setzt allgemein voraus, dass die zu klärende Rechtsfrage entscheidungserheblich ist.
59Zwar wurde das Urteil durch die Kammer auf zwei - gleichrangige - Begründungen gestützt, die das Ergebnis tragen. Nachdem jedoch beide Fragen grundsätzliche Bedeutung haben, ist bei einer Entscheidung über die Revision jedenfalls eine - wenn das Revisionsgericht in einer der Fragen eine andere Auffassung als die Kammer vertreten sollte - auch die andere der aufgeworfenen Fragen zu entscheiden. Anderenfalls kann im Revisionsrechtszug die Entscheidung der weiteren - zweiten - Frage dahin gestellt bleiben.
60Berufungsstreitwert: bis 1.200,00 €
61L Q X
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Referenzen
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