Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 74/07
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.620,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2006 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger macht gegen die Beklagte wegen eines Unfallereignisses vom 14. Februar 2005 Ansprüche aus einer Unfallversicherung geltend.
3Der Sohn des Klägers, Herr …., unterhält bei der Beklagten unter der Nummer ….. eine Unfallversicherung. Auf diese Versicherung finden unter anderem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (AUB 2000) Anwendung (Anlage K 1 zur Klageschrift = separates Anlagenkonvolut). Die Grundversicherungssumme betrug zuletzt 33.000,-- €. Weiterhin ist eine Progression vereinbart, deren Einzelheiten sich aus den Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel 1000 % (Progression 1000 % Plus) ergeben (Anlage K 2 zur Klageschrift = separates Anlagenkonvolut).
4Am 14. Februar 2005 erlitt der Sohn des Klägers einen Unfalls, als er beim Beladen einer LKW Ladefläche mit der Leiter umkippte und sich beim Aufkommen auf dem Boden eine Verletzung des linken Fußes zuzog. Konkret wurde ein Mehrfragmentbruch des linken Fersenbeins mit Beteiligung des Sprunggelenks diagnostiziert. Diese Verletzung wurde im Klinikum operativ mit einer Platten- Schraubenosteosynthese unter Anlagerung von eigenem Knochenmaterial behandelt.
5Nachdem der Unfall der Beklagten gemeldet worden war, holte sie ein Gutachten des behandelnden Arztes … aus … ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 19. Januar 2006 zu dem Ergebnis, daß das linke obere und untere Sprunggelenk erheblich in seiner Beweglichkeit eingeschränkt sei und eine Bewegungseinschränkung der Zehen sowie eine Schädigung des nervus suralis vorliege. Auf der Grundlage dieses Gutachtens rechnete die Beklagte den Schadenfall mit Schreiben vom 21. Juli 2007 ab, wobei sie von einem Invaliditätsgrad von 5/10 Fußwert ausging (Anlage K 4 zur Klageschrift = separates Anlagenkonvolut). Unter Berücksichtigung der Grundversicherungssumme von 33.000,-- € ergab sich eine Invaliditätsentschädigung von 6.600,-- €, die sie auch auszahlte.
6Durch Vereinbarung vom 22. Januar 2007/24. Januar 2007 trat Herr … die Ansprüche aus der Unfallversicherung an den Kläger ab (Anlage K 3 zur Klageschrift = separates Anlagenkonvolut).
7Der Kläger ist der Ansicht, für die erlittenen Verletzungen sei ein Fußwert von 1/1 in Ansatz zu bringen. Es bestehe allenfalls eine Wackelbeweglichkeit des unteren Sprunggelenkes, die mit einer Versteifung gleichzusetzen sei. Aus der Gliedertabelle ergebe sich bei einer Verletzung des Fußes im Fußgelenk ein fester Invaliditätsgrad von 40 %. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Progression bestehe daher ein Anspruch auf 100 % der Versicherungsgrundsumme von 33.000,-- €. Da die Beklagte bereits 6.600,-- € gezahlt habe, verbleibe eine Restforderung von 26.400,-- €.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.400,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2006 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stehe kein weitergehender Anspruch zu. Da nur das untere Sprunggelenk betroffen sei, könne nicht der volle Fußwert der Gliedertabelle in Ansatz gebracht werden. Eine von ihr eingeholte Stellungnahme von Herrn … sei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Bewertung von Herrn Dr. …, der einen Fußwert von 5/10 angenommen habe, zu hoch gegriffen sei. Es liege nur eine Invalidität von 4/10 Fußwert vor.
13Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14Das Gericht hat gemäß den Beschlüssen vom 18. Mai 2007 (Bl. 53 ff. GA) und 19. Juni 2008 (Bl. 135 GA) Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das fachorthopädische Gutachten von Herrn Prof. Dr. … vom 17. Dezember 2007 (Bl. 112 ff. GA) sowie die ergänzende Stellungnahme 3. Juli 2008 (Bl. 238 ff. GA) Bezug genommen.
15Nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen haben sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17I.
18Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
191.
20Dem Kläger stehen gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht aus der Unfallversicherung wegen des Unfalls seines Sohnes vom 14. Februar 2005 gemäß Ziffer 2.1 AUB 2000 i. V. m. den Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel 1000 % (Progression 1000 % Plus) letztlich noch ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 4.620,-- € zu.
21a)
22Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß die von dem Sohn des Klägers bei dem Unfall erlittene Verletzung eine Invalidität von 28 % rechtfertigt.
23aa)
24Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. … hat in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 17. Dezember 2007 (Bl. 112 ff. GA) nachvollziehbar und widerspruchsfrei festgestellt, daß der Sohn des Klägers durch den Unfall eine Versteifung des unteren und eine Funktionsbeeinträchtigung des oberen Sprunggelenks erlitten hat, die mit einem erhöhten Arthroserisiko im oberen Sprunggelenk verbunden ist. Zudem besteht eine Einschränkung der Beweglichkeit der Zehen, eine Umfangsminderung der Wade, eine Schädigung des Nervus peronäus superfiziales sowie des Nervus suralis. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die eingehenden und in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen auf Seite 7 ff des Gutachtens (Bl. 118 ff. GA) Bezug genommen. Für die hiermit verbundene Einschränkung und Minderung der Leistungsfähigkeit ist nach den Feststellungen des Sachverständigen unter Zugrundelegung des modularen Bewertungssystems von einem Invaliditätsgrad von 27,8 % auszugehen. Gegenüber dieser Invaliditätsbemessung sind von den Parteien nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 3. Juli 2008, in der eingehend erläutert wurde, wie der Invaliditätsgrad ermittelt worden ist, keine Einwendungen mehr erhoben worden.
25Gemäß den Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel werden Invaliditätsgrade mit Dezimalwerte auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet, so daß sich letztlich eine Gesamtinvalidität von 28 % ergibt.
26bb)
27Eine abweichende Beurteilung der Höhe des Invaliditätsgrades ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Argumentation des Klägers, es müsse der volle Fußwert in Ansatz gebracht werden, da das untere Sprunggelenk versteift und damit funktionslos sei.
28Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 9. Juli 2003 (VersR 2003, 1163 ff) ist für die Funktionsunfähigkeit des Fußes im Fußgelenk ausreichend, wenn das Fußgelenk selbst funktionsunfähig ist, auch wenn der übrige Fuß noch über Restfunktionen verfügt. Eine solche Funktionsunfähigkeit des Fußgelenks ist vorliegend aber nicht gegeben. Nach dem allgemeinem Sprachgebrauch, der für die Auslegung der entsprechenden Versicherungsbedingung maßgebend ist, wird mit dem Fußgelenk der gesamte Gelenkskomplex bezeichnet, der sich aus dem oberen Sprunggelenk, dem hinteren unteren Sprunggelenk sowie dem vorderen unteren Sprunggelenk zusammensetzt. Die Funktionsunfähigkeit eines dieser Gelenke ist auch nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht mit einer Funktionslosigkeit des Fußgelenks gleichzusetzen. Dem steht bereits entgegen, daß in der Gliedertabelle gerade nicht der Begriff des Fußes im Sprunggelenk, sondern der übergeordnete Begriff des Fußes im Fußgelenk aufgeführt wird. Das Fußgelenk ist aber, wie sich aus den Feststellungen des Sachverständigen zwar in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt aber nicht aufgehoben.
29b)
30Bei einem Invaliditätsgrad von 28 % ergibt sich unter Berücksichtigung der Progression ein Anspruch auf 34 % der Grundversicherungssumme. Dies ist bei einer Grundversicherungssumme von 33.000,-- € ein Betrag von 11.220,-- €. Da die Beklagte vorgerichtlich bereits 6.600,00 -- € gezahlt hat, verbleibt eine Restforderung von 4.620,-- €.
312.
32Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.
333.
34Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.
35II.
36Streitwert: bis 26.400,-- €.
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Referenzen
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