Urteil vom Landgericht Aachen - 5 S 166/08
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.09.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Heinsberg - 3 C 59/08 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin von einer Restforderung der Firma XXX, gemäß Rechnung Nr. ..... vom 11.03.2008 in Höhe von 275,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 31.05.2008 frei zu stellen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites einschließlich des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 37 % zu tragen.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen.
2II.
3Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
4Restliche Mietwagenkosten stehen der Klägerin gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB lediglich in Höhe von 275,35 € gegen die Beklagte zu, so dass ihrem Freistellungsbegehren lediglich insoweit zu entsprechen war.
5Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Amtsgericht seiner Schadensberechnung den Schwacke-Automietpreisspiegel 2006 zugrunde gelegt hat.
6Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass dem angefochtenen Urteil nicht der Schwacke-Mietpreisspiegel 2007, sondern derjenige aus 2006 zu Grunde liegt. Der vom Kläger geltend gemachte Wochenpreis von 757,00 €, der auch vom Amtsgericht zugrunde gelegt worden ist, ist nämlich dem Mietpreisspiegel 2006 entnommen.
7Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 stellt indes nach Auffassung der Kammer keine geeignete Schätzungsgrundlage dar (so auch OLG München, Urteil vom 25.07.2008 - 10 U 2539/08; LG Dortmund , Urteil vom 03.07.2008 - 4 S 29/08 -).
8Zwar kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sich der Tatrichter nicht mehr im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens bewegt, wenn er den Normaltarif auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 ermittelt (BGH NJW 2008, 1519). Es ist auch nicht Aufgabe des Tatrichters allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzungsgrundlage nachzugehen. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedürfen nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH a.a.O).
9Solch konkrete Tatsachen hat die Beklagte indes vorliegend vorgebracht. Sie hat insbesondere dargelegt, dass nach dem Marktmietpreisspiegel 2008 des Fraunhofer Instituts der Wochenmietpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug nur 356,79 € beträgt, damit weniger als die Hälfte des Preises ausweist, den der Schwacke-Automietpreisspiegel 2006 angibt. Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 10.10.2008 - 6 U 115/08 - ausgeführt, dass der Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts Anlass bietet, die in der Schwacke Liste ausgewiesenen Werte in Zweifel zu ziehen. Dem pflichtet die Kammer bei. Der Kammer ist aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 gegenüber demjenigen von 2003 ganz erhebliche Preissteigerungen ausweist. Im vorliegenden Fall ist nach dem Schwackespiegel 2003 ein Wochenpreis von 518,00 € im gewichteten Mittel gegeben. Dies bedeutet, dass der Schwackespiegel 2006 (757,00 €) eine Steigerung von nahezu 46 % beinhaltet. Diese außergewöhnliche Preissteigerung in einem Zeitraum von nur 3 Jahren ist nicht nachvollziehbar, insbesondere mit der in diesen Jahren herrschenden Inflationsrate nicht erklärbar. Eine Erklärung für diesen Preissprung könnte in der Form der Erhebung, wie Schwacke sie durchführt, möglicherweise zu sehen sein. Schwacke ermittelt die Preise nämlich durch Umfragen bei den Autovermietern. Es liegt daher nahe, dass diese bei ihren Angaben gegenüber Schwacke ein Interesse daran haben, den Normaltarif möglichst hoch anzusetzen. Dies gilt insbesondere, nachdem durch eine Änderung der Rechtsprechung der Unfallersatztarif für die Fälle des Unfallersatzgeschäftes seine Bedeutung verloren und der Normaltarif erheblich an Gewicht gewonnen hat.
10Die Tatsache, dass die Kammer den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 nicht als geeignete Schätzungsgrundlage erachtet, führt nicht etwa dazu, dass sie zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet wäre, um den "richtigen" Mietpreis zu ermitteln. Die Kammer darf vielmehr auf eine andere geeignete Schätzungsgrundlage zurückgreifen (BGH, Urteil vom 14.10.2008 - VI ZR 308/07 -). Eine geeignete Schätzungsgrundlage sieht die Kammer im Schwackespiegel 2003. Dieser ist zustande gekommen, bevor sich die Rechtsprechung zum Unfallersatztarif geändert hat, so dass ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die dort niedergelegten Preise noch nicht unverhältnismäßig hoch angesetzt sind. Es fragt sich allenfalls, ob infolge des Zeitablaufes ein - pauschaler - Zuschlag vorzunehmen ist. Allerdings liegt der Schwacke-Preis 2003 noch immer deutlich über dem Preis des Fraunhoferspiegels 2008 (356,79 €), er übersteigt ihn um nahezu 46 %. Aus diesem Grunde besteht aus Sicht der Kammer keine Veranlassung, einen Aufschlag vorzunehmen.
11Ferner rügt die Beklagte mit der Berufung zu Recht, dass das Amtsgericht der Klägerin einen 20%igen Aufschlag auf den Normaltarif zugebilligt hat. Das Amtsgericht hat diesen Aufschlag ohne nähere Prüfung unter Berufung auf das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 02.03.2007 - 19 U 181/06 - als gerechtfertigt angesehen. Ob in den in diesem Urteil behandelten Fällen den Geschädigten aber ein Normaltarif zugänglich war, ist nicht ersichtlich.
12Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 18.03.2008 - 15 U 145/07, der Rechtsprechung des BGH folgend (vgl. BGH VersR 2007, 515; BGH VersR 2007, 706) aber klargestellt, dass die Nichtzugänglichkeit eines Normaltarifes Voraussetzung ist, um einen 20%igen Aufschlag vorzunehmen. Insoweit obliege die Beweislast dem Geschädigten. Die Beklagte hat vorliegend nicht dargelegt, dass ihr ein Normaltarif nicht zugänglich gewesen sei. Dieser Tatsache steht auch schon der Umstand entgegen, dass sich der Unfall am 15.02.2008 zugetragen hat, die Anmietung des Ersatzfahrzeuges indes erst am 21.02.2008, also 6 Tage später erfolgt ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Kammer, dass von der Nichtzugänglichkeit eines Normaltarifes nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn zwischen Unfall und Anmietung ein Zeitraum verstrichen ist, innerhalb dessen sich der Geschädigte nach anderen Tarifen hätte erkundigen können.
13Hinsichtlich der Mietwagen-Nebenkosten hat die Berufung nur teilweise Erfolg. Im Einzelnen:
14Die Kosten für die Zustellung und Abholung eines Mietwagens sind erstattungsfähig, da ein Unfallgeschädigter diesen Service grundsätzlich in Anspruch nehmen darf (OLG Köln NZV 2007,199). In erster Instanz hat die Beklagte nicht bestritten, dass ein solcher Service seitens des Mietwagenunternehmens erfolgt ist. Soweit sie dies nunmehr im Berufungsverfahren in Abrede stellt, ist ihr Vortrag verspätet (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
15Dass die Kosten für den Abschluss einer Kaskoversicherung vom Geschädigten zu tragen sind, entspricht ganz herrschender Meinung (vgl. OLG Köln a.a.O.).
16Der Geschädigte darf auch Winterreifern in Anspruch nehmen, wenn - wie vorliegend - es sich bei der Mietzeit um eine Zeit handelt, in der Winterreifen üblicherweise zu einer erhöhten Verkehrssicherheit führen (LG Aachen, Urteil vom 07.11.2008 - 7 O 113/08).
17Schließlich hat die Beklagte in erster Instanz nicht bestritten, dass das angemietete Fahrzeug von einem weiteren Fahrer genutzt worden und daher die diesbezügliche Vereinbarung mit dem Mietwagenunternehmen erforderlich gewesen ist. Das erstmalige Bestreiten im Berufungsverfahren ist verspätet.
18Hinsichtlich der Nebenkosten war die vom Amtsgericht vorgenommene Abrechnung im Übrigen insoweit zu berichtigen als die in Ansatz gebrachten Beträge dienjenigen Preise übersteigen, welche der Klägerin tatsächlich in Rechnung gestellt worden sind.
19Es ergibt sich danach auf der Grundlage des Schwackespiegels 2003 folgende Abrechnung:
201. Wochenpauschale (518,00 €) abzüglich 10 % Eigenersparnis: 466,20 €
212. Wochenpauschale Vollkaskoversicherung 147,00 €
223. Winterreifen (Rechnungsbetrag) 50,00 €
234. zusätzlicher Fahrer (Rechnungsbetrag) 32,35 €
245. Zustell- bzw. Abholkosten 32,00 €
25727,55 €
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27Abzüglich der von der Beklagten vorprozessual erbrachten Zahlung in Höhe von 452,20 € verbleibt ein offener Restbetrag von 275,35 €. In dieser Höhe steht der Klägerin ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu.
28Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, 91 Abs. 1 ZPO.
29Berufungsstreitwert: 737,30 €.
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