Urteil vom Landgericht Aachen - 6 S 35/09
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 14. Januar 2009 - 101 C 85/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor seiner Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils von ihm zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Kläger schlossen unter dem 25. August 2002 mit dem Beklagten als (neuem) Vermieter einen schriftlichen Mietvertrag über das Wohnhaus X1 in X2. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte der Kläger zu 1) die Wohnung bereits ca. 15 und die Klägerin zu 2) mehr als 5 Jahre. Ausweislich des Mietvertrages betrug die Wohnfläche ca. 100 m². Die monatlich zu zahlende Miete wurde mit 495,98 € nebst 3,56 € für die Haftpflichtversicherung vereinbart. Zudem enthält der Mustermietvertrag unter § 3 Nr. 3 folgende AGB-Regelung:
4"Die Betriebskosten, wie nachfolgend spezifiziert, sind als Vorschuss vom Mieter an den Vermieter zu zahlen und werden jährlich per _______ mit dem Mieter abgerechnet. Die Umlegung der Kosten für Sammelheizung und Warmwasserversorgung ist in § 6 dieses Vertrages vereinbart.
5- Die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks, insbesondere Grundsteuer
- Die Kosten der Wasserversorgung
- Die Kosten der Entwässerung Niederschlagswasser (handschriftlich eingefügt)
- (durchgestrichen)
- Die Kosten der Straßenreinigung und Müllabfuhr
- (durchgestrichen)
- (durchgestrichen)
- (durchgestrichen)
- Die Kosten der Schornsteinreinigung
- Die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung
- (durchgestrichen)
- (durchgestrichen)
- (durchgestrichen)
- Sonstige Betriebskosten
- (durchgestrichen)
Das Mietverhältnis wurde zum 31. Dezember 2007 beendet. Nebenkostenvorauszahlungen wurden von Seiten der Kläger nicht gezahlt. Jedoch hatte der Beklagte stets nach Ablauf des Abrechnungsjahres eine Abrechnung über die jährlich angefallenen Niederschlags- und Schmutzwasserkosten sowie die Müllgebühren erteilt. In den Jahren bis 2006 hatten die Kläger diese Kosten auch immer ausgeglichen. Für das Jahr 2007 waren Niederschlags- und Schmutzwasserkosten sowie Müllgebühren in einer Gesamthöhe von 443,36 € entstanden. Diese Kosten beglichen die Kläger jedoch nicht. Unter dem 14. Januar 2008 forderten die Kläger den Beklagten auf, an sie 6.798,24 € zu zahlen. Zur Begründung gaben sie an, die Wohnung weise nicht die im Mietvertrag angegebene Größe auf, weshalb sie in den Jahren von 2002 bis 2007 zu viel an Miete gezahlt hätten.
7Die Kläger haben zunächst behauptet die Wohnung weise statt der im Mietvertrag angegebenen 100m² lediglich eine Grundfläche von 80,96m² auf. Sie sind daher der Ansicht gewesen, ihnen stehe ein Rückerstattungsanspruch wegen zu viel gezahlter Miete für die Jahre 2002 bis 2007 in Höhe von 6.798,24 € zu (19,04m²*4,96€=94,42€ monatlich; 94,42€*72Monate).
8Die Kläger haben ferner behauptet, die abweichende Wohnungsgröße sei ihnen während ihrer Mietzeiten nicht aufgefallen. Erst nach ihrem Auszug sei ihnen von ihrem Prozessbevollmächtigten angeraten worden, die Wohnungsgröße nachprüfen zu lassen.
9Mit ihrer Klage haben sie ursprünglich die Zahlung eines Betrages in Höhe von 6.798,24 € begehrt. Am 30. Juli 2008 hat das Amtsgericht ein Teilanerkenntnisurteil über einen inzwischen auch beglichenen Betrag in Höhe von 1.638,88 € erlassen. Nachdem das Amtsgericht weiterhin Beweis über die Grundfläche der Wohnung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben und der Sachverständige eine Grundfläche von 83,19m² ermittelt hatte, haben die Kläger ihre Klage auf 6.001,92 € abzüglich gezahlter 1.638,88 € ermäßigt.
10Die Kläger haben erstinstanzlich zuletzt beantragt,
11den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.001,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Januar 2008 abzüglich am 20. August 2008 geleisteter 1.638,88 € zu zahlen.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Zudem hat er gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung mit den Nebenkosten für das Jahr 2007 in Höhe von 443,36 € sowie mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 293,34 € erklärt. Diesbezüglich hat er behauptet, es habe im Bad der streitgegenständlichen Wohnung einen Wasserschaden geben, der von den Klägern nicht zeitnah gemeldet worden sei, wodurch sich der Schaden vergrößert habe. Die hierdurch erforderlichen Sanierungsarbeiten hätten Kosten in Höhe von 293,34 € verursacht.
15Die Kläger sind der Ansicht gewesen, zur Zahlung von Nebenkosten aufgrund des Mietvertrages nicht verpflichtet zu sein. Zudem haben sie behauptet, aufgrund eines Rechtsirrtums – was unstreitig ist – die Nebenkosten in der Vergangenheit erstattet zu haben.
16Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 14. Januar 2009, den Klägern zugestellt am 30. Januar 2009 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von weiteren 2.356,56 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Miete sei wegen der Größenabweichung gemäß § 536 BGB gemindert gewesen. Dabei hat das Amtsgericht eine Istgröße von 83,19m² und eine Sollgröße der Wohnung von 95m² angenommen. Da es sich bei der Angabe im Mietvertrag um eine ca.-Angabe handele, sei von einer Sollgröße von 95 bis 105m², also mindestens 95m² auszugehen. Von der sich daraus berechnenden Rückforderung in Höhe von 4.438,80 € seien die Nebenkosten in Höhe von 443,36 € in Abzug zu bringen.
17Die Kläger haben unter dem 13. Februar 2009 Berufung gegen das Urteil eingelegt und diese am selben Tage auch begründet.
18Sie sind der Ansicht die Zugrundelegung einer vereinbarten Wohnungsgröße von lediglich 95m² widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Wohnflächenabweichungen. Ferner habe auch keine Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung von Nebenkosten bestanden, weshalb dem Beklagten ein aufrechenbarer Gegenanspruch nicht zugestanden habe.
19Sie beantragen daher,
20unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Aachen vom 14. Januar 2009 (101 C 85(08) den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 6.001,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Januar 2008 abzüglich am 20. August 2008 gezahlter 1.638,88 € und abzüglich am 02. Februar 2009 gezahlter 2.629,04 € zu zahlen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
24II.
25Die zulässige Berufung ist unbegründet.
26Den Klägern steht kein weitergehender Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB gegen den Beklagten zu. Die Miete war in dem Zeitraum von 2002 bis 2007 gemäß § 536 Abs. 1 BGB wegen der abweichenden Wohnfläche gemindert, jedoch nicht in dem von den Klägern begehrten Umfang. Das Abweichen der tatsächlichen von der im Mietvertrag angegebenen Mietfläche stellt einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB dar, sofern eine gemietete Wohnung eine Wohnfläche aufweist, die mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist, bedarf es nicht (BGH NJW WuM 2005, 573; BGH NJW 2004, 1947; BGH WuM 2004, 268). Das gilt auch, wenn - wie hier - im Mietvertrag die Wohnfläche des Mietobjekts bereits mit dem Zusatz "ca." versehen wird. Liegt eine Wohnflächendifferenz (im Mietvertrag angegebene "ca.-Fläche" im Verhältnis zur tatsächlichen Fläche) von mehr als 10% vor (sog. Erheblichkeitsgrenze), so ist eine darüber hinausgehende Maßtoleranz - nicht anzuerkennen (vgl. BGH WuM 2004, 268). Die Formulierung lässt erkennen, dass es den Parteien nicht entscheidend auf die genaue Wohnungsgröße von 100m² ankommt, sondern durchaus Toleranzen hingenommen werden sollten. Auch für solche Toleranzen ist jedoch die Grenze dort zu ziehen, wo die Unerheblichkeit einer Tauglichkeitsminderung i.S. des § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB endet (vgl. BGH a.a.O.). Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist die Bruttomiete einschließlich einer Nebenkostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten.
27Zutreffend hat das Amtsgericht insoweit festgestellt, dass eine erhebliche Flächenabweichung vorliegt. Zwar bestehen aus Sicht der Kammer Bedenken im Hinblick auf die zugrunde gelegte tatsächliche Wohnfläche von 83,19m². Soweit der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. X3 in seinem Gutachten vom 06. November 2008 zu diesem Ergebnis gelangt ist, ist nämlich zu bemerken, dass der Sachverständige die Terrassenfläche mit 25% (2,21m²) in Ansatz gebracht. Nach § 4 Nr. 4 WoFlV sind Außenflächen mit ¼ bis ½, in der Regel jedoch mit ¼ anzurechnen. Gemäß § 44 Abs. 2 II. BV, der auf den vorliegenden aus 2002 stammenden Mietvertrag anzuwenden ist, sind Außenflächen jedoch mit bis zu 50% anzurechnen. Grundsätzlich sind bei der Ermittlung von Wohnflächen im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 II. BV – vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarungen oder anderweitiger ortsüblicher Berechnungsweisen, was hier nicht ersichtlich ist – Außenflächen mit dem Höchstsatz des § 44 Abs. 2 II. BV, also 50%, anzurechnen (BGH, Urteil v. 22. April 2009, VIII ZR 86/08). Dies führt vorliegend dazu, dass die Istgröße der Wohnung nicht wie von dem Sachverständigen festgestellt 83,19m², sondern 2,21m² mehr, mithin 85,4m² beträgt.
28Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Kammer der Auffassung des Amtsgerichts folgt, dass sich die Minderung nicht aus einer vereinbarten Wohnfläche von 100m², sondern lediglich von 95m² berechnet. Aus der mietvertraglichen Vereinbarung folgt, dass die Wohnfläche ca. 100m² betragen sollte. Inhalt einer solchen Vereinbarung ist, dass Wohnungsgröße hiervon auch nach unten oder oben abweichen kann. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit von 100m² ausgegangen werden. Vielmehr umfasst die Sollbeschaffenheit eine Spanne, wobei es nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht diese mit +/- 5% angenommen hat. Da die vereinbarte Sollbeschaffenheit demnach eine Wohnungsgröße von mindestens 95m² umfasste, ist auch die Minderung nur aus der Differenz bis zu dieser Größe zu berechnen.
29Zutreffend hat das Amtsgericht schließlich auch erkannt, dass der Anspruch der Kläger in Höhe eines Betrages von 443,36 € nach §§ 387, 389 BGB untergegangen ist. Dem Beklagten stand nämlich in dieser Höhe ein Anspruch auf Zahlung von Nebenkosten aus § 535 Abs. 2, 556 BGB zu. Dabei kann es dahinstehen, ob zwischen den Parteien monatliche Vorauszahlungen oder nur eine jährliche Umlage der Nebenkosten vereinbart war, da die Nebenkosten in beiden Fällen von den Klägern zu tragen waren. In dem Mietvertrag haben die Parteien bestimmte Nebenkosten herausgestrichen und zudem das Niederschlagswasser hinzugefügt. Diese Eintragung ist nur dann nachvollziehbar, wenn entsprechend § 3 Ziff. 3 Satz 2 des Mietvertrages die nicht gestrichenen Nebenkosten von dem Mieter zu tragen sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Kosten der Haftpflichtversicherung ausdrücklich in die Miete miteinbezogen wurden. Durch diese Regelung handelt es sich hinsichtlich der Kosten der Haftpflichtversicherung um eine Teilinklusivmiete. Im Übrigen waren die aufgeführten Nebenkosten gesondert von den Klägern zu tragen. Für diese Auslegung spricht auch, dass die Nebenkosten in den Folgejahren auch stets von den Klägern gezahlt wurden und der Vertrag mithin auch entsprechend gelebt wurde. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob durch die späteren Zahlungen konkludent eine vertragliche Vereinbarung getroffen worden ist, da diese bereits von vorneherein bestand.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2 ZPO.
31Die Revision war in Anbetracht der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur Berechnung der Minderung bei ca.-Wohnflächenangaben in Mietverträgen hinsichtlich dieser Frage nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.
32Streitwert:
331. Instanz:
34bis zum 30.07.2008: 6.798,24 €
35vom 31.07.2008 bis zum 27.11.2008: 5.159,36 €
36ab dem 28.11.2009: 4.363,04 €
372. Instanz: 2006,48 €
38
X4 | X5 | Q |
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