Urteil vom Landgericht Aachen - 7 O 272/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d:
2Am 02.09.2005 befuhr der Kläger mit seinem Krad die BAB 44 auf dem rechten Fahrstreifen in Richtung B. Der Beklagte zu 1) fuhr mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW Opel Calibra hinter dem Kläger. In Höhe des Straßenkilometers 23.768 unterschätzte der Beklagte die Geschwindigkeit des vor ihm fahrenden Klägers und fuhr auf ihn auf. Durch die Wucht des Aufpralls wurde das Krad des Klägers nach vorne katapultiert und gegen das vor diesem fahrende Fahrzeug des Unfallbeteiligten M geschleudert. Der Kläger selbst wurde durch das Getümmel der beteiligten Fahrzeuge gewirbelt und blieb schließlich schwer verletzt auf dem Seitenstreifen liegen. Zur Behandlung seiner Verletzungen wurde er in das Universitätsklinikum der RWTH B verbracht. Dort wurde der Kläger vom 02. bis zum 05.09.2005 auf der Intensivstation versorgt. Anschließend erfolgte eine Verlegung auf die unfallchirurgische Normalstation, erst am 13.09.2005 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.
3Zur Weiterbehandlung begab sich der Kläger in die Praxis der Unfallchirurgen Drs. L und O. Bereits während der stationären Behandlung im Universitätsklinikum der RWTH B waren eine vordere Beckenringfraktur, eine Commocio cerebri mit multiplen Weichteilverletzungen im Mittelgesícht, eine Rippenserienfraktur 5 + 6 rechts sowie ein Harnwegsinfekt diagnostiziert worden. Die weiterbehandelnden Unfallchirurgen stellten in ihrem Bericht vom 27.10.2005 (Bl 12 GA) fest, dass eine Serienfraktur von der 4. bis zur 9. Rippe mit Verschiebungen bis zur halben Schaftbreite sowie eine mediale Schambeinfraktur vorlagen. Auch 4 Monate nach dem Unfallereignis war der Kläger weiter in Schmerztherapiebehandlung und besuchte 1 - 2 mal wöchentlich die Krankengymnastik. In ihrem Arztbericht vom 10.02.2006 (Bl. 20 GA) hielten die Unfallchirurgen Drs. L und O fest, dass der Kläger vom 02.09 bis zum 01.11.2005 zu 100 % arbeitsunfähig war, vom 02.11.2005 bis zum 26.01.2006 zu 50 % und vom 27.01.2006 bis zum 28.02.2006 zu 20 %.
4Zur weiteren Abklärung einer Sensibilitätsminderung überwiesen die Chirurgen den Kläger einem Neurologen. Der daraufhin vom Kläger aufgesuchte Neurologe L1 stellte in seinem Gutachten vom 21.08.2006 (Bl. 23ff GA) eine druckbedingte Läsion fest. Diese führte er auf den Aufprall beim Unfall und folgenden Druck durch Hämatome zurück.
5Die Angaben des Klägers bezüglich Gefühlsstörungen hielt der Neurologe L1 für glaubhaft. Mit Blick in die Zukunft führte der Neurologe aus, dass sich die Beschwerden im Verlauf von 1 - 2 Jahren nach dem Unfall noch rückbilden könnten. Ebenso sei aber auch eine Verschlimmerung mit der Entwicklung neuralgischer Schmerzen denkbar. Die den Kläger behandelnden Unfallchirurgen erklärten in ihrem Zwischenbericht vom 02.10.2006 (Bl. 27 GA) die Behandlung des Klägers hinsichtlich ihres Fachbereiches als erledigt.
6In seinem fachunfallchirurgischen Gutachten vom 14.11.2006 (Bl. 29 ff GA) kam der Privatdozent Dr. med. F des Universitätsklinikums RWTH B zu dem Ergebnis, dass die knöchernen Verletzungen konsolidiert seien. Verblieben seien Sensibilitätsstörungen, Missempfindungen und Schmerzen im Bereich der rechten Gesäßhälfte, die insbesondere ein längeres Sitzen beeinträchtigten bzw. unmöglich machten. Neurologischerseits seien Schäden im Bereich der Rami Sakralis Posterioris rechts objektiviert. Diese körperlichen Beeinträchtigungen setzten die normale körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers um 10 % herab. Ob bereits ein Dauerzustand vorliege, oder eine Verbesserung, oder aber eine Verschlimmerung der Situation eintreten werde, könne zu dem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden.
7Die materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 02.09.2005 sind, abgesehen von einer offenen Anwaltskostenforderung, seitens der Beklagten zu 2) vollständig reguliert worden. Zwischen den Parteien herrscht ausschließlich Streit über die Schmerzensgeldhöhe. Insofern hat die Beklagte zu 2) dem Kläger bereits 12.000,00 Euro gezahlt. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger ein darüber hinaus gehendes Schmerzensgeld, weitere Anwaltskosten aus einem höheren Streitwert für die vorprozessuale Vertretung, sowie einen immateriellen und materiellen Vorbehalt wegen erwarteter Dauerfolgen.
8Der Kläger behauptet, der Unfall vom 02.09.2005 habe bei ihm zu einer Rippenserienfraktur von der 2. bis zur 9. Rippe mit Verschiebung bis zur halben Schaftbreite und zur medialen Schambeinfraktur geführt. Sämtliche von ihm beschriebenen ärztlichen Behandlungen insbesondere auf die nach dem 21.01.2006, beruhten auf dem streitgegenständlichen Unfall. Die von ihm dem neurologischen Facharzt geschilderten Beeinträchtigungen - Sensibilitätsminderung, Gefühlsminderungen und Schmerzen - lägen tatsächlich vor, und beruhten ebenfalls auf dem Unfall vom 02.09.2005. Aus dem Unfallgeschehen seien Folgeschäden zu erwarten, die noch nicht absehbar und abschließend benennbar seien. Zwar sei der Heilungsverlauf - unstreitig - komplikationslos verlaufen, und überdies die unfallbedingten Verletzungen auf dem unfallchirurgischen Fachgebiet - ebenfalls unstreitig - folgenlos ausgeheilt, für die unfallbedingten Verletzungen auf dem neurologischen Fachgebiet gelte dies jedoch nicht. Durch den Unfall vom 02.09.2005 sei in seinem Gesäß ein Bluterguss entstanden. Der Unfall aus dem Jahr 1994, der damals zu einer HWS - Verletzung geführt habe, sei folgenlos ausgeheilt und habe sich auf das jetzige Unfallereignis, den Verlauf sowie den jetzigen Befund nicht ausgewirkt.
9Der Kläger meint, ein angemessenes Schmerzensgeld betrage mindestens 15.000 Euro, abzüglich der bereits gezahlten 12.000 Euro. Die Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten sei umfangreich und schwierig gewesen, dies belegten schon die Anlagen zur Klageschrift, die zweijährige außergerichtliche Tätigkeit und die Fülle der gewechselten Schriftsätze.
10Mit der am 27.11.2007 zugestellten Klage, beantragt der Kläger,
111.
12die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszins ab Zustellung der Klageschrift abzgl. bereits gezahlter 12.000 Euro zu zahlen;
132.
14festzustellen, dass die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus Anlass des von dem Beklagten zu 1. verursachten und verschuldeten Verkehrsunfalles am 02.09.2005 in Aldenhoven noch entstehen werden, soweit die entsprechenden Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind und
153.
16die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, zur Freistellung des Klägers weitere 114,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszins ab Klagezustellung an die Rechtsanwälte L2 in K zu zahlen.
17Die Beklagten beantragen,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagten meinen, wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, müsse die zu erwartende Entwicklung des Schadensbildes bereits jetzt bei der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigt werden. Für einen Feststellungsantrag bleibe daneben kein Raum.
20Das Gericht hat die Akte 406 Js 1821/05 V beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung zweier Sachverständigengutachten.
21Mit Schriftsatz vom 14.05.2009 hat der Kläger einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt, mit Schriftsatz vom 25.05.2009 haben auch die Beklagten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen hat das Gericht auf den 19. Juni 2009 bestimmt.
22Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
24Das Gericht konnte gem. § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Parteien haben dem zugestimmt und seit der Zustimmung sind noch keine drei Monate verstrichen.
25Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
26Der Feststellungsantrag ist bereits unzulässig, denn das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse fehlt. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der rechtlichen Lage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Unsicherheiten können sich beispielsweise daraus ergeben, dass der vermeintliche Anspruchsgegner seine Einstandspflicht erheblich bestreitet und Verjährung droht, bevor der entstandene Schaden vollständig beziffert werden kann. So kann ein Verletzter, der noch nicht absehbare Spätfolgen befürchtet, mit einem Feststellungsantrag die drohende Verjährung abwenden. Es genügt, wenn ein künftiger Schaden an einem absoluten Rechtsgut entfernt möglich ist. Art, Umfang und sogar Eintritt des Schadens dürfen noch ungewiss sein. Maßgeblich für die Beurteilung des besonderen Feststellungsinteresses ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung allein der Klägervortrag. Ausweislich des Vorbringens des Klägers war zum Zeitpunkt der Klageerhebung offen, ob die von ihm erlittenen Beeinträchtigungen bereits einen Endzustand erreicht haben, oder ob eine Verbesserung oder Verschlimmerung des Zustandes zu erwarten sei. Die von vom Kläger benannten Punkte sind jedoch vor dem Hintergrund, dass das ebenfalls beantragte Schmerzensgeld einheitlich zu bemessen und dabei die künftigen Entwicklungen der Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind, schon bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes zu Grunde zu legen. Zu einem besonderen Feststellungsinteresse führen sie allein nicht. Befürchtungen, dass zu den bereits bestehenden Beeinträchtigungen weitere Schäden im Sinne von unvorhersehbaren Folgeschäden hinzutreten könnten, äußert der Kläger dagegen gerade nicht.
27Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, in der Sache unbegründet.
28Ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegen die Beklagten ergibt sich dem Grunde nach aus § 253 Abs. 2 BGB. Der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) sind dem Kläger wegen des Unfalls vom 02.09.2005 zum Schadensersatz wegen Verletzung des Körpers und der Gesundheit verpflichtet. Für den Beklagten zu 1) ergibt sich das aus § 823 Abs. 1BGB, denn er hat die körperliche Gesundheit des Klägers bei diesem Unfall widerrechtlich und jedenfalls fahrlässig beeinträchtigt. Die Beklagte zu 2) haftet dem Kläger aus § 7 Abs. 1 StVG, denn die Gesundheit des Klägers wurde bei Betrieb des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW Opel Calibra an seiner Gesundheit beschädigt. Aus der Regelung zur Durchgriffshaftung in § 115 VVG ergibt sich, dass der Kläger seine Ansprüche direkt gegen die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung geltend machen kann.
29Mit der Zahlung eines Schmerzensgeldes soll der immateriellen Schaden des Verletzten angemessen ausgleichen werden. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldanspruches hat das Gericht die doppelte Funktion des Schmerzensgelds zu beachten. Der Verletzte soll nämlich einerseits durch die Zahlung einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden erhalten. Er soll in die Lage versetzt werden, sich eine Annehmlichkeit oder Erleichterung zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen zumindest teilweise kompensiert. Neben diese Ausgleichsfunktion tritt andererseits die Genugtuungsfunktion für das erfahrene Unrecht. Dieser Aspekt wirkt sich jedoch regelmäßig nur dann auf die Höhe des Schmerzensgeldes aus, wenn die Beeinträchtigungen auf einer vorsätzlichen oder einer grob fahrlässigen Handlung des Schädigers beruhen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes muss das Gericht alle maßgeblichen Umstände berücksichtigen und ein angemessenes Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung herstellen. Dazu sind vom Gericht verschiedene Bemessungskriterien heranzuziehen. Auf Seiten des Verletzten sind dies zum Beispiel Ausmaß und Schwere der Schmerzen, Verbleiben von Narben und Dauer des Krankenhausaufenthaltes als erhöhende Faktoren, aber gegebenenfalls auch ein Mitverschulden des Geschädigten als anspruchsmindernder Faktor. Auf Seiten des Schädigers können zum Beispiel die besonders brutale Tatausführung erhöhend, oder die persönlich verminderte Einsichtsfähigkeit anspruchsmindernd berücksichtigt werden.
30Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall und nach Abwägung aller einzubeziehenden Faktoren kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass dem Kläger über den bereits gezahlten Betrag von 12.000,00 € hinaus kein Schmerzensgeld zusteht.
31In die Bemessung hat das Gericht anspruchserhöhend einbezogen, dass sich der Kläger vom 02.09.2005 bis zum 13.09.2005 in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum der RWTH B befand, wovon er 4 Tage auf der Intensivstation verbringen musste. Während des Krankenhausaufenthaltes wurde eine vordere Beckenringfraktur diagnostiziert, außerdem musste ein begleitender Harnwegsinfekt behandelt werden. Die Weiterbehandlung nach Ende des stationären Aufenthaltes zog sich über einen Zeitraum von 13 Monaten bei den behandelnden Unfallchirurgen, die von verschiedentlichen Röntgenuntersuchungen und krankengymnastischen Maßnahmen geprägt war.
32Das Gericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass der Kläger durch den Unfall eine Rippenfraktur der 4. bis 9. Rippe erlitt. Der Sachverständige Dr. C hat für sein Gutachten vom 26.09.2008 die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen, insbesondere die Röntgenbilder vom Unfalltag, neu befundet. Dabei hat er die Rippenfraktur der Rippen 4-9 auf zwei Aufnahmen festgestellt (Blatt 138 und 139 GA). Dass er die gestellte Beweisfrage nur mit einem knappen Ja beantwortet hat (Blatt 140 GA), führt nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit seines Gutachtens. Nach seinen vorangestellten Befundungsergebnissen war ein einfaches "Ja" hier ausreichend. Der Sachverständige brauchte diese im Beantwortungsteil nicht noch einmal zu wiederholen.
33Dagegen konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass auch die vom Kläger vorgetragene Schambeinverletzung tatsächlich vorliegt. In diesem Punkt hat der Sachverständige die Beweisfrage ebenfalls mit "Ja" beantwortet, ohne dass sich aus den Erläuterungen für das Gericht nachvollziehbar ergibt, wie der Sachverständige zu diesem Ergebnis gelangt ist. Die dem Sachverständigen zur Neubefundung überlassenen Röntgenaufnahmen zeigen ausweislich seines Gutachtens eine vordere Beckenringfraktur und Sklerosierungssäume mit knöchernen Randausziehungen an den Pfannendächern der Hüfte (Blatt 138 GA). Eine Schambeinfraktur stellt der Sachverständige in diesem Zusammenhang nicht fest, obwohl dies zu erwarten gewesen wäre.
34Weiter hat das Gericht bei seiner Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger auch noch in der Zeit nach Januar 2006 an Schmerzen im Steißbeinbereich litt und eine dauerhafte Sensibilitätsstörung am rechten Gesäß nach dem Unfall zurückbehalten hat. Beide Gutachter haben in ihren Stellungnahmen übereinstimmend festgestellt, dass der Kläger Schmerzen im Steißbeinbereich auch nach dem Januar 2006 hatte (Blatt 140 und 191 GA). Anlass zu Zweifeln an dieser Einschätzung sieht das Gericht nicht. Die Empfindlichkeitsstörung schränkt den Kläger in seiner Lebensführung bereits bei üblichen Aktivitäten, wie Fahrradfahren von mehr als 20 Kilometern und Sitzen von mehr als 60 Minuten, sowie bei seiner Berufsausübung als Feuerwehrmann ein und nicht etwa – wie die Beklagten meinen – erst bei extremen Belastungssituationen. Der Sachverständige Dr. O1 hat in seinem Gutachten vom 30.01.2009 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.04.2009 nachvollziehbar dargelegt, dass beim Kläger nicht lediglich eine subjektive, sondern eine objektivierbare Minderung der Oberflächensensibilität (Hypästhesie) vorliegt (Blatt 216 GA). Die Hypästhesie hatte der Gutachter bei der Untersuchung des Klägers am 26.01.2009 mittels eines Wattestäbchens getestet und für das Versorgungsgebiete der Sakralnervenwurzeln S3 und S4 rechts festgestellt (Blatt 186 GA). Eine entsprechende Störung ohne Erkrankung oder Verletzungsfolge hat der Sachverständige ausgeschlossen (Blatt 215 GA). Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass diese Beeinträchtigungen des Klägers auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen sind. Der Gutachter hat insofern verständlich und nachvollziehbar erläutert, dass und warum die Empfindlichkeitsstörungen nicht unmittelbar nach dem Unfall, sondern mit zeitlicher Verzögerung aufgetaucht sind. In der ersten Zeit nach dem Unfall fehlen auslösende Belastungssituationen, da ein Patient üblicherweise zunächst viel liegt und keine großartigen Aktivitäten entfaltet. Überdies findet eine mechanische Druckeinwirkung auf die Nervenwurzeln erst nach Ablauf einer gewissen Zeit statt, wenn es nämlich beispielsweise im Verlauf des Heilungsprozesses des verletzten Gewebes zu Narbenbildung gekommen ist, die dann Druck auf die Nervenwurzeln ausübt. Anderweitige plausible Erklärungen für die Empfindlichkeitsstörung sind nicht ersichtlich.
35Das Gericht ist nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. O1 zudem davon überzeugt, dass die festgestellte Sensibilitätsstörung zu einer Minderung der körperlichen Leistungsfähigkeit von nicht mehr aber auch nicht weniger als 10 % führt und ein Dauerschaden vorliegt. Das betroffene Versorgungsgebiet ist von seiner Größe her mit der Beeinträchtigung des Nervus cutaneus femoris lateralis vergleichbar. Für dessen Ausfall wird eine Minderung der körperlichen Leistungsfährigkeit von ebenfalls 10 % ausgewiesen. Auch wenn eine Besserung des Missempfindens unter Umständen noch möglich sein könnte, muss nach Ablauf von über 3 Jahren seit dem Unfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer dauerhaften Sensibilitätsstörung ausgegangen werden. Vom Gericht berücksichtigt wurde ferner, dass eine therapeutische Intervention zur Linderung der Empfindlichkeitsstörung nicht möglich ist.
36Bei der Schmerzensgeldbemessung hat das Gericht mindernd einbezogen, dass der Heilungsprozess der unfallchirurgischen Verletzungen komplikationslos verlaufen ist. Der Kläger hat zumindest in dieser Hinsicht keine dauerhaften und bleibenden Beeinträchtigungen davongetragen. Hinzukommt, dass die festgestellte Sensibilitätsstörung den Kläger nicht konstant beeinträchtigt, sondern belastungsabhängig ist. Psychosoziale Beeinträchtigungen oder Auswirkungen auf die seelische Verfassung des Klägers konnten nicht festgestellt werden. Nicht zuletzt hat das Gericht die außergerichtliche Bereitschaft der Beklagten zu 2) zur Zahlung des angemessenen Schmerzensgeldes von insgesamt 12.000,00 € berücksichtigt.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
38Streitwert: 6.000,00 €
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B1 |
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Referenzen
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