Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 103/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um das Bestehen und Ansprüche auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie schlossen am 03.05.2004 auf Antrag der Klägerin vom 18.07.2003 einen Versicherungsvertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsscheinnummer ##-########. Der Versicherung liegen die AVB der Beklagten zugrunde.
3Im Sommer 2007 stellte die Klägerin Antrag auf Leistung aufgrund einer im März 2007 eingetretenen Berufsunfähigkeit wegen reaktiver Depressionen und Angstzuständen.
4Mit Schreiben vom 28.05.2008 trat die Beklagte vom Versicherungsvertrag zurück und erklärte zugleich die Anfechtung des Vertrags wegen falscher Angaben im Antrag zum Abschluss des Versicherungsvertrags. Das Schreiben endete mit folgendem Satz:
5"Wir weisen darauf hin, dass vermeintliche Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach Zugang dieses Schreibens gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Verstreicht diese Frist ungenutzt, ist der vermeintliche Anspruch schon wegen bloßem Fristablauf verwirkt."
6Auf Anlage K3 wird Bezug genommen.
7Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung wurde bis zum 28.02.2009 verlängert.
8Die Klägerin behauptet, sie sei berufsunfähig. Sie habe alle Angaben zur Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet.
9Die Klageschrift ist am 02.03.2009 vorab per Fax bei Gericht eingegangen. Mit Datum vom 11.03.2009 sind bei Gericht die Kopien der Vorschussrechnungen an die Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten eingegangen. Am 20.05.2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei Gericht telefonisch das Aktenzeichen erfragt und sich nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Mit Schriftsatz vom 28.05.2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Übersendung der Vorschussrechnung gebeten. Am 18.06.2009 ist der Kostenvorschuss eingezahlt worden. Die Klageschrift ist der Beklagten am 09.07.2009 zugestellt worden.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.950,82 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 28.05.2008 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie behauptet, die Klägerin habe die Gesundheitsangaben im Antragsgespräch falsch beantwortet. Zudem fehle es an einer Darlegung, welcher Beruf von der Klägerin ausgeübt wurde und an einer die Berufsunfähigkeit konkretisierenden ärztlichen Feststellung. Sie ist überdies der Ansicht, die Klage sei gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F. verfristet.
15Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I.
17Die Klage ist unbegründet.
18Die Klägerin hat die Frist zur Geltendmachung gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F. versäumt. Schon aus diesem Grund ist der Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsvertrag im Hinblick auf die geltend gemachte Berufsunfähigkeit verwirkt.
19Nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat.
20Zur Fristwahrung genügt die Einreichung der Klage, soweit „demnächst“, d. h. ohne eine nicht unerhebliche von dem Kläger oder seinem Prozessbevollmächtigten durch einfache Fahrlässigkeit verursachte Verzögerung zugestellt wird (Prölss/Martin, § 12 Abs. 3 Rn).
21Fristablauf war nach ordnungsgemäßer Belehrung durch die Beklagte mit Schreiben vom 28.05.2008 der 28.02.2009. Zwar ist die Klage am 02.03.2009 und somit vor Fristablauf eingegangen, da der 28.02.2009 ein Samstag war (§ 222 ZPO i.V.m. § 193 BGB). Die Zustellung erfolgte indes erst am 09.07.2009 und damit mehr als vier Monate nach Fristablauf. Eine Rückwirkung der Zustellungswirkung (§ 167 ZPO) auf den Tag des Eingangs der Klageschrift ist jedoch zu verneinen, da die Zustellung nicht "demnächst" erfolgte.
22Vorliegend ist die Verzögerung der Zustellung fahrlässig verursacht worden, indem von Seiten der Klägerin über elf Wochen nach Einreichung der Klage am 02.03.2009 nichts geschehen ist, bevor sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 20.05.2009 telefonisch nach dem Stand des Verfahrens erkundigte und daraufhin eine Kostenforderung anmahnte. Etwaiges Verschulden des Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 85 ZPO).
23Zwar muss ein Kläger den Gerichtskostenvorschuss grundsätzlich nicht selbst berechnen und einzahlen. Er kann zunächst die Anforderung des Gerichts abwarten. Verzögert sich die Aufforderung des Gerichts, muss er allerdings die Kostenforderung anmahnen, selber berechnen und einzahlen (Musielak, ZPO § 167 Rn. 10).
24Ist eine Klage vor Fristablauf eingereicht, aber erst über zwei Monate nach Fristablauf zugestellt worden, so ist die Zustellung in der Regel nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn der Gerichtskostenvorschuss fast zwei Monate nach Fristablauf eingezahlt worden ist, auch dann nicht, wenn der Vorschuss bis dahin vom Gericht nicht angefordert worden war (vgl. BGHZ 69, 361 = NJW 1978, 215). Ein Prozessbevollmächtigter muss wesentlich früher entweder die gerichtliche Berechnung und Anforderung des Vorschusses in Erinnerung bringen oder den Vorschuss von sich aus berechnen und einzahlen oder durch die Partei einzahlen lassen. Das ist ihm im Rahmen einer angemessenen Fristenkontrolle zumutbar und mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Gegenpartei unerlässlich (BGH a.a.O). Die gilt umso, wenn über 11 Wochen mit der Einleitung weiterer Schritte durch den Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten gewartet wird.
25Die schuldhafte Untätigkeit des Rechtsanwalts war auch kausal für die Verzögerung der Zustellung.
26Auf die Frage der Wirksamkeit von Anfechtung und Rücktritt durch die Beklagte kommt es daher vorliegend nicht an.
27II.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
29III.
30Streitwert: 18.950,82 Euro
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Referenzen
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