Urteil vom Landgericht Aachen - 1 O 147/10
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer angeblichen Falschberatung im Zuge der Beteiligung der Klägerin an einem geschlossenen Immobilienfonds sowie aus Prospekthaftung.
3Die Fundus G1 KG ist eine im Jahre 1992 gegründete KG, die die Immobilie "G B Q" in C-G2 errichtete. Die Beklagten zu 2. und 3. sind - neben anderen - Kommanditisten der Fondsgesellschaft. Die Fremdkapitalquote des Fonds lag bei rd. 25 %.
4Die Klägerin erwarb am 08.12.1993 Anteile an dem geschlossenen Immobilienfonds in Höhe von 50.000,00 DM zuzüglich Agio. Die vorbezeichnete Beteiligung wurde im Hause der Beklagten zu 1. gezeichnet. Ob dem eine Beratung durch einen Mitarbeiter oder Mitarbeiterin der Beklagten zu 1. vorangegangen ist, und welchen Inhalt diese Beratung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.
5Zum Erwerb der Beteiligung nahm die Klägerin bei der Beklagten zu 1. einen Kredit über 50.000,00 DM auf. Das Darlehen wurde im Jahre 1999 vollständig zurückgeführt. Mit der Klage begehrt die Klägerin Rückzahlung der aus Eigenmitteln geleisteten Einlage sowie die Rückzahlung der zur Finanzierung der Einlage geleisteten Tilgungen und Zinszahlungen in Höhe von insgesamt 65.641,58 DM = 33.562,01 € abzüglich erhaltener Ausschüttungen in Höhe von 1.528,23 €, mithin insgesamt 33.312,01 € Zug um Zug gegen Rückübertragung des Kommanditanteils der Klägerin an dem oben genannten Fonds. Zudem macht sie entgangenen Zinsgewinn in Höhe von 4 % p.a. für die Zeit seit Zeichnung der Anlage geltend, was 818,00 € hinsichtlich des eigenfinanzierten Betrages ausmache.
6Die Klägerin behauptet, sie sei im Dezember des Jahres 1993 von einer Mitarbeiterin der Beklagten zu 1. in deren Bankfiliale in T angesprochen worden. Diese habe sich bei der Klägerin erkundigt, ob sie Interesse an einer Möglichkeit zur Optimierung ihrer Vermögensverhältnisse und zur Altersvorsorge habe. Als die Klägerin dies bejaht habe, habe die Beraterin mit ihr ein persönliches Beratungsgespräch in den Räumen der Beklagten zu 1. geführt. Im Rahmen dieses Gespräches habe sie – die Klägerin – der Beraterin erklärt, dass sie vornehmlich auf der Suche nach einer Anlage für das Alter sei und deshalb eine sichere Geldanlage für sie sehr wichtig sei. Die Beraterin habe ihr sodann den streitgegenständlichen G1 anhand des Emmissionsprospekts vorgestellt und im Rahmen des Beratungsgespräches ausgeführt, es bestehe kein Risiko. Im Gegenteil würden hohe Gewinne ausgeschüttet werden und der Fonds sei eine sehr gute Altersvorsorge, weil der Wert der Beteiligung weiter steigen werde. Auf wirtschaftliche Risiken des Fondserwerbs, einschließlich des Totalverlustrisikos habe die Bankmitarbeiterin ebenso wie auf die Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Haftung nicht hingewiesen. Auch dass ein Weiterkauf der Beteiligung nur unter erschwerten Bedingungen möglich sei, habe sie nicht erwähnt. Über erhaltene Provisionen sei nicht aufgeklärt worden.
7Die Klägerin vertritt zudem die Auffassung, dass der Emissionsprospekt fehlerhaft, unvollständig und missverständlich sei. So reichten die darin gemachten Angaben zu einer Wiederverkäuflichkeit der Anlage nicht aus, um den Anleger darauf hinzuweisen, dass eine solche quasi nicht gegeben sei. Auch das Risiko eines Kapitalverlusts bis hin zum Totalverlust sei nicht hinreichend deutlich gemacht. Über die haftungsrechtliche Stellung des Kommanditisten - insbesondere das Wiederaufleben der Haftung bei Ausschüttungen ohne ausschüttungsfähigen Gewinn der Gesellschaft - werde nicht aufgeklärt. Des Weiteren sei die in dem Prospekt zu Grunde gelegte Mittelverwendung nicht hinreichend transparent bzw. hinsichtlich des Agios sogar widersprüchlich. Die Darstellungen zur Mittelverwendung seien geschönt, unrealistisch oder irreführend.
8Die für die Berechnung der Renditeprognosen herangezogene IRR-Methode (Interner Zinsfuß) sei zweifelhaft und eigne sich nicht für die Darstellung eines Renditevergleichs.
9Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Verjährung ihrer Schadensersatzansprüche nicht eingetreten sei, da sie vor dem 01.01.2006 von der Schädigung (unzutreffende Angaben der Beraterin und teilweise unzutreffende Aussagen im Prospekt) und dem Schädiger keine Kenntnis erlangt habe. Dies sei erst im Jahre 2009 der Fall gewesen.
10Die Klägerin beantragt:
11I.
12Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 33.312,01 € nebst jährlichen Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
13Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung des Kommanditanteils der Klägerin an der im Handelsregister des Amtsgerichts Düren unter HRA #### eingetragenen G1 KG mit einem Beteiligungsbetrag von 50.000,00 DM.
14II.
15Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 818,07 € nebst jährlichen Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
16Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung des Kommanditanteils der Klägerin an der im Handelsregister des Amtsgerichts Düren unter HRA #### eingetragenen G1 KG mit einem Beteiligungsbetrag von 50.000,00 DM.
17III.
18Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten als Gesamtschuldner mit der Annahme der Übertragung des Kommanditanteils der Klägerin an der im Handelsregister des Amtsgerichts Düren unter HRA #### eingetragenen G1 KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 50.000,00 DM in Verzug befinden.
19
Die Beklagten beantragen,
20die Klage abzuweisen.
21
Die Beklagte zu 1. bestreitet, dass ein die Klägerin seinerzeit überhaupt von einem ihrer Mitarbeiter beraten worden sei und dass hierbei die von der Klägerin behaupteten Aussagen getätigt worden seien. Die Höhe der Ausschüttungen bestreitet die Beklagte zu 1., ebenso den behaupteten entgangenen Gewinn.
22Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Prospekt zutreffend, vollständig und verständlich über alle relevanten Punkte der Kapitalanlage aufkläre. Insbesondere die Aufklärung über Verlustrisiken, Kosten und Mittelverwendung sei transparent und verständlich.
23Rückvergütungen habe die Beklagte zu 1. von der Fondsgesellschaft nicht erhalten. Vielmehr habe die beratende Bank Innenprovisionen erhalten, über die der Prospekt vollständig aufgeklärt habe und die im Übrigen unter 15 % gelegen hätten. Jedenfalls aber wäre die Aufklärung über die gezahlten Provisionen nicht schuldhaft unterblieben, da im Jahre 1993 der Rechtsprechung des BGH eindeutig eine derartige Verpflichtung - gerade bei geschlossenen Immobilienfonds - nicht zu entnehmen gewesen sei.
24Alle Beklagten berufen sich auf die Einrede der Verjährung und behaupten hierzu, die Klägerin habe spätestens im Jahre 2004 oder 2005 - nachdem sie über die (nicht den Prognosen entsprechende) Geschäftsentwicklung des Fonds durch Übersendung von jährlichen Geschäfts- und Rechenschaftsberichten auf dem Laufenden gehalten worden war und nachdem von 1996 bis 2004 gerade mal eine Rendite von insgesamt 6 % ausgeschüttet worden sei - Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt. Jedenfalls aber läge seit diesem Zeitpunkt grob fahrlässige Unkenntnis vor. Hilfsweise berufen sie sich auf Verwirkung.
25Jedenfalls aber müsse sich die Klägerin - so die Auffassung der Beklagten - bei der Höhe des geltend gemachten Schadens die Steuervorteile anrechnen lassen, die sie durch die Beteiligung erzielt habe.
26Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf die Beitrittserklärung der Klägerin und den Emissionsprospekt, Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe
28Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
29Etwaige Schadensersatzansprüche aus falscher Beratung bzw. Prospekthaftung sind jedenfalls verjährt, § 214 Abs. 1 BGB.
301.
31Bereits für eine Haftung der Beklagten zu 2. und 3. wegen falscher, unvollständiger und missverständlicher Angaben im Emissionsprospekt bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. In dem Prospekt wird zwar nirgendwo ausdrücklich das Totalverlustrisiko erwähnt, ein solches ergibt sich jedoch für den verständigen Leser aus den übrigen Ausführungen und Darstellungen im Prospekt. So wird darin an mehreren Stellen in verständlicher Form darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung der Beteiligung nach den erzielten Mieteinnahmen richtet und dass die hierzu im Prospekt niedergelegten Prognosen nicht eintreffen müssen, sondern dass die Einnahmen aus Vermietung auch geringer ausfallen können.
32Ob die im Prospekt zur Darstellung der Renditeprognosen verwandte „Interne Zinsfußmethode" ausreichend verständlich war, kann dahinstehen, da jedenfalls die hierzu angestellten Rechenbeispiele verständlich und nachvollziehbar sind. Außerdem ergibt sich aus dem Prospekt, dass auch insoweit nur Rendite„prognosen" dargestellt werden, keine sicheren Erwartungen oder Berechnungen.
33Des Weiteren wird im Prospekt auf die Haftung des Anlegers gegenüber Gläubigern nach dem HGB hingewiesen. Insoweit war eine weitergehende Erläuterung nicht notwendig. Der Anleger wurde durch die gemachten Angaben jedenfalls in die Lage versetzt, sich einen Überblick über seine Rechtsstellung in der Kommanditgesellschaft zu verschaffen und - soweit er dies für erforderlich hielt - hierzu auch weitergehenden Rechtsrat einzuholen.
34Hinsichtlich der an die Beklagte zu 1.) gezahlten Provisionen weist der Prospekt lediglich aus, dass 12,22 % sowie das Agio unter anderem dafür eingesetzt werden. Wie hoch die Vergütung der jeweiligen beratenden Bank tatsächlich war, ergibt sich hieraus nicht. Soweit die Klägerin behauptet, die angegebenen Kapitalbeschaffungskosten seien zu niedrig wiedergegeben, weil sie nicht die Platzierungsverpflichtung (4 Mio. DM) und nicht die Eigenkapitaleinzahlungsgarantie (ebenfalls 4 Mio. DM) enthielten und zusammen mit diesen Beträgen die aufzuwendenden Kosten bei über 15 % lägen, ist dem entgegen zu halten, dass der Prospekt die Kosten der Platzierungsgarantie ausdrücklich als Teil der Eigenkapitalbeschaffung ausweist (Bl. 34, 35 des Prospekts) und daneben auch die Kosten der Eigenkapitaleinzahlungsgarantie. Da beide Positionen aber unstreitig nichts mit den gezahlten Bankprovisionen zu tun haben, erschließt sich bereits nicht, inwieweit sich hierdurch der Prozentsatz erhöhen soll, der in die Provisionen geflossen ist. Erhöhen kann sich hierdurch lediglich der Prozentsatz der Eigenkapitalbeschaffungskosten insgesamt, wenn man denn mit dem Klägerin der Ansicht wäre, die beiden o.g. Posten müssten zwingend unter diesen Punkt gefasst werden und könnten nicht - wie ja geschehen - als Einzelpositionen stehen bleiben.
35Insoweit behauptet auch die Klägerin nicht substantiiert, dass die gezahlten Vertriebsprovisionen tatsächlich höher waren als höchstens 12,22 % + 5 % Agio, worüber im Prospekt aber zutreffend aufgeklärt wurde. Das genügt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Aufklärung (BGH, Urteile vom 27.10.2009, XI ZR 337 + 338/08).
36Soweit die Klägerin darüber hinaus rügt, dass die im Prospekt dargestellten Mietprognosen und Renditeerwartungen unrealistisch gewesen seien und insoweit auf ein Gutachten von Herrn F vom 03.12.2009 verweist, ersetzt dieses (nach Auffassung der Kammer unbrauchbare) Gutachten keinen substantiierten Sachvortrag dazu, aus welchem Grund die im Jahre 1993 gemachten Angaben unrichtig gewesen sein sollen. Der insoweit zitierte Privatsachverständige hat den Behauptungen des Prospekts in weiten Teilen lediglich eigene - anderslautende - Behauptungen entgegen gesetzt, ohne dies auch nur im Ansatz hinreichend zu begründen. Soweit er zur Begründung seiner Behauptungen auf (in der Regel nicht näher zitierte) Fachliteratur verweist, ist bemerkenswert, dass diese fast ausschließlich aus der Zeit nach 1993 stammt. So weist das Literaturverzeichnis des Gutachters - der bei der Erläuterung seiner Vorgehensweise selbst ausführt, dass die Beurteilung des Prospekts aus der ex-ante-Sicht zu erfolgen hat - von 13 Nennungen genau eine auf, die aus der Zeit vor 1993 stammt. Alle übrigen stammen aus den späteren 90-er Jahren (6) oder sogar erst aus den Jahren ab 2000 (weitere 6).
37Auch auf die mangelnde Fungibilität der Anlage wurde im Prospekt ausdrücklich hingewiesen. Mehr Angaben hierzu mussten die Beklagten zu 2. und 3. nicht machen. Im Übrigen musste auch einem unerfahrenen Anleger klar sein, dass eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds nicht ähnlich handelbar ist wie eine Aktie.
382.
39Soweit die Klägerin rügt, nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein, widerspricht sie sich insoweit, als sie gleichzeitig angibt, die Erläuterung und Aufklärung zu der Anlage sei anhand des Emissionsprospekts erfolgt. Da darin - wie ausgeführt - zutreffend aufgeklärt wurde, bedurfte es einer weitergehenden Aufklärung nicht.
403.
41Selbst wenn man vorliegend zu der Haftung eines oder aller Beklagten dem Grunde nach kommen würde, wären die geltend gemachten Ansprüche aufgrund der seitens der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzbar, § 214 Abs. 1 BGB.
42Die Ansprüche der Klägerin sind mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt. Die Verjährung richtet sich vorliegend nach §§ 195, 199 BGB i. V. m. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB. Danach verjährt der Anspruch binnen drei Jahren ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von schädigendem Ereignis und Schädiger. Da die grob fahrlässige Unkenntnis bereits 1993 vorlag, begann die Verjährung zum 01.01.2002. Die Klägerin hätte nämlich ab dem Lesen des Prospekts Kenntnis von den schadensbegründenden Umständen erlangen können.
43Jedenfalls aber wäre Verjährung Ende 2008 eingetreten, da die Klägerseite unstreitig sämtliche Geschäftsberichte bis einschließlich des Jahres 2004 erhalten hat. Daraus ergab sich, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Fonds im Verhältnis zu den im Prospekt niedergelegten Prognosen von Anfang an stark defizitär ausfiel, was sich ja auch unmittelbar in den Ausschüttungen niederschlug, die zu keinem Zeitpunkt so ausfielen, wie angeblich prognostiziert. Dies konnte ein verständiger Anleger auch dann erkennen, wenn die Geschäftsberichte grundsätzlich einen positiven Ton anschlugen und bemüht waren, Optimismus bei den Anlegern zu verbreiten. Die mitgeteilten Zahlen waren jedenfalls als objektive Größe einer Überprüfung und einem Vergleich mit den zuvor angestellten Prognoseberechnungen leicht zugänglich.
444.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
46Streitwert:
47Antrag zu 1.: 33.312,01 €
48Antrag zu 2.: 818,07 €
49Antrag zu 3.: 333,12 €
5034.463,20 €
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X Vorsitzende Richterin am Landgericht Q1 hat zur Zeit Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. |
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Referenzen
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