Urteil vom Landgericht Aachen - 10 O 95/10
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt an die Kläger einen Betrag von 75.600,00 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Sachverhalt
2Die Parteien streiten um Kosten für die Beseitigung von Mängeln am Objekt der Kläger in der C-str. 2 in M-G. Die Kläger sind die Bauherren des Objekts. Der Beklagte war als Bauunternehmer und Architekt an diesem Bauvorhaben tätig. Bezüglich dieser Arbeiten betrieben die Parteien bereits ein Verfahren vor dem Landgericht Aachen unter dem Aktenzeichen 12 O 222/04. In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 21.04.2009 folgenden Vergleich:
3„1. Der Kläger verpflichtet sich, diejenigen Mängel an dem streitgegenständlichen Bauwerk zu beseitigen, die aus den im vorliegenden Rechtsstreit gerichtlich eingeholten Gutachten ergeben, und zwar bis zum 31.12.2009.
4Die Parteien sind sich dabei einig, dass der Architekt G1 I aus B die Aufsicht bei der Beseitigung der Mängel führt und insbesondere bindend zwischen den Parteien entscheidet, ob eine Mängelbeseitigung vorliegt.
5…
6Für den festgestellten Mangel an der Abdichtung vereinbaren die Parteien ergänzend, dass zunächst versucht werden soll, die Mängelbeseitigung durch Reparatur gem. Sachverständigengutachten X vorzunehmen. Erst wenn sich durch Erklärung des Architekten I herausstellt, dass eine Reparatur ausscheidet, soll die Neuvornahme erfolgen.“
7Am 18.05.2009 schloss der Beklagte mit dem Streitverkündeten einen Vertrag über die Durchführung der im Vergleich festgehaltenen Maßnahmen und Aufgaben (Bl. 49).
8Am 10.06.2009 legte der Streitverkündete die Baustelle still.
9Mit Schreiben vom 16.06.2009 an den Streitverkündeten teilte der Beklagte mit, wie er die Mängel, die Gegenstand des Vergleiches war, im Einzelnen nachzubessern beabsichtigte. Auf den Inhalt des Schreibens auf Blatt 50 der Akte wird Bezug genommen.
10Der Streitverkündete teilte mit Schreiben vom 19.06.2009 an den Beklagten schriftlich mit, dass die Art der Nacherfüllung nicht in Betracht komme. In diesem Schreiben heißt es: „Ich bin nach reiflicher Überlegung und intensiver Recherche zu der fundierten Auffassung gelangt, dass vorliegend nur eine Erneuerung eine ordnungsgemäße Mangelbeseitigung darstellt. Dies schon, da ihr damaliger Nachunternehmer kein Verarbeitungsprotokoll erstellt hat, obwohl dies nach den Vorschriften der DIN 18195-6 erforderlich gewesen wäre. Das von Ihnen erwähnte Kertscher Bulletin (Stand 2000) enthält übrigens ebenfalls ausdrücklich einen entsprechenden Hinweis.
11Ein weiterer und wichtiger Grund für meine Entscheidung ist die nur punktuelle Verklebung der Perimeterdämmung auf der Abdichtung. Hintergrund der Forderung einer vollflächigen Verklebung bei von außen drückendem Wasser ist neben der Vermeidung unnötigen Wärmeverlustes durch die Dämmung hinterlaufendes Wasser insbesondere, dass zwingend die Gefahr des Abdrückens der Bitumendickbeschichtung vom Untergrund durch einwirkendes Wasser und damit Beschädigung der Abdichtung vermieden werden muss. Diese Gefahr ist vor Ort gegeben.
12Bezüglich Ihrer Ansicht, dass eine vollflächige Verklebung einer Schutzschicht (Perimeterdämmung) auf der Abdichtung zum Zeitpunkt der damaligen Ausführung nicht gefordert werden sei irren Sie: … Allein schon wegen dieser Bedenken sehe ich mich außerstande, einer anderen Lösung als einer Neuerstellung zuzustimmen, da diese auf andere Art und Weise nicht auszuräumen sind.
13Zur genaueren Abstimmung der weiteren Arbeiten halte ich einen Baustellentermin, zu dem die von Ihnen als ausführender Nachunternehmer vorgesehenen Firma I2 hinzukommen sollte, für notwendig. Dieser soll am Montag den 19.06.2009, 10.00 Uhr, C-straße, stattfinden.“
14Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte gerade mit den Mängelbeseitigungsarbeiten an der Außenabdichtung begonnen und an zwei Stellen eine Baugrube ausgehoben und mit Holz verbaut. Ein Verarbeitungsprotokoll lag nicht vor.
15Mit Schreiben vom 23.06.2009 forderte der Beklagte den Streitverkündeten auf, ihmdie Möglichkeit zur Mängelbeseitigung ohne Neuherstellung zu geben. Dies lehnte der Streitverkündete mit Schreiben vom 27.06.2009 ab. In dem dortigen Schreiben heißt es: „Natürlich kann und will ich Ihrem Mandanten nicht die Art und Weise der Mangelbeseitigung vorschreiben, sehe es aber im Rahmen der Umsetzung des Vergleiches als meine Pflicht an, ihn (also sobald dies für mich feststeht) darauf hinzuweisen, dass ich ihm jedenfalls bei der von ihm vorgesehenen Vorgehensweise niemals die Bestätigung ausstellen kann und werde, dass seine Leistung mangelfrei erbracht ist.“
16In der Folgezeit kam es wiederholt zu Schriftsätzen ähnlichen Inhalts. Auf den Inhalt der Akte wird insoweit Bezug genommen.
17Nachdem die Frist aus dem Vergleich abgelaufen ist, machen die Kläger nunmehr die Kosten für die Neuherstellung geltend. Die Arbeiten sind überwiegend seitens der Kläger ausgeführt worden. Eine Gesamtfertigstellung mit Gesamtabrechnung ist aber noch nicht erfolgt.
18Die Kläger sind der Ansicht, dass der Beklagte an die Entscheidung des Streitverkündeten gebunden ist und daher das Werk neu herstellen muss und jetzt vorschusspflichtig ist.
19Die Kläger beantragen,
20den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 75.600,00 EUR zu zahlen.
21Der Beklagten beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Der Beklagte behauptet, dass der Streitverkündete bereits am 10.06.2010 mündlich mitgeteilt habe, dass eine Mängelbeseitigung nicht in Betracht kommt.
24Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Streitverkündeten fehlerhaft war und dass daher die Kosten für die Neuherstellung nicht verlangt werden könnten. Insbesondere sei zunächst der Versuch der Nacherfüllung zu unternehmen gewesen.
25Die Akte 12 O 224/ 04 waren beigezogen.
26Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Streitverkündeten I sowie Anhörung der Sachverständigen X. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2011 (Bl. 202 ff. d.A.) Bezug genommen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe
29Die zulässige Klage ist begründet.
30Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Vorschuss für die Neuherstellung der Abdichtung in Höhe von 75.600,00 EUR gemäß §§ 637 Abs. 3, 634 Nr. 2 BGB in Verbindung mit dem Vergleich vom 21.04.2009. Auch wenn nach unstreitigem Vortrag die Arbeiten überwiegend seitens der Kläger fertiggestellt wurden, bedurfte es keiner Umstellung auf einen Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 BGB, da dieser erst nach Abrechnung der Arbeiten eingreift.
31Die Parteien haben sich im Vergleich vom 21.04.2009 hinsichtlich der Frage, ob eine Mängelbeseitigung durch Reparatur vorgenommen werden kann, dem Urteil des Streitverkündeten unterworfen. Danach obliegt es allein ihm, festzustellen, ab wann nur noch eine Neuherstellung in Betracht kommt.
32Die Entscheidung ist nicht offenbar unbillig und daher wirksam. Zwar enthält der Vergleich keine Reglung, welchen Maßstab der Streitverkündete bei seiner Entscheidung zu Grunde legen muss, doch ist im Vergleich festgelegt, dass die Entscheidung für die Parteien bindend sein soll. Dem Sinne und Zweck der Regelung - die Mängel unter Beachtung der Interessen beider Parteien zu beseitigen - ist zu entnehmen, dass es keine völlig freie Entscheidung sein kann, sondern diese nach ordnungsgemäßem Ermessen erfolgen und auch erst dann bindend sein soll. Eine vergleichbare gesetzliche Regelung findet sich in den §§ 317 ff. BGB. Nach § 317 BGB ist, wenn eine Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen ist, anzunehmen, dass sie nach billigem Ermessen zu treffen ist. Sie ist nach § 319 BGB nur dann nicht verbindlich, wenn die Entscheidung offenbar unbillig ist. Diese läge nur dann vor, wenn die Bestimmung der Leistung in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt, und sich die Unbilligkeit, wenn auch nicht jedermann, so doch einem sachkundigen und erfahrenen Beobachter aufdrängt (BGH Urteil vom 26.04.1991 - V ZR 61/90; Grüneberg in: Palandt 2011, § 319 BGB Rdn. 3). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall übertragbar.
33Der Streitverkündete hat bereits in seinem Schreiben vom 19.06.2009 dargelegt, dass eine es aus seiner Sicht einer Erneuerung bedarf, da kein Vergleichsprotokoll erstellt worden ist, welches nach DIN 18195-6 erforderlich gewesen ist. Zudem gab er an, dass er die Gefahr sehe, dass aufgrund der nur punktuellen Verklebung der Perimeterdämmung ein Wärmeverlust auftreten und Wasser die Dämmung hinterlaufen könne, was zu einem Abrutschen der Bitumenbeschichtung führen kann. Diese Gefahr sei vor Ort gegeben.
34Der Streitverkündete gab zudem in seiner Aussage an, dass er nur Zugriff auf ein Leistungsverzeichnis für einen Rohbau hatte und eben keine Dokumentation vorgelegen habe. Zudem könne er bei Flickarbeiten nicht alles überwachen, besonders nicht die Stellen die nicht geflickt werden, dies insbesondere da gerade nicht alles geöffnet würde. Er habe es dann als billiger angesehen alles neu zu machen.
35Dass diese Entscheidung nicht offensichtlich unbillig ist, zeigt die Aussage der Sachverständigen X. Zwar ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen X, dass es theoretische Nacherfüllungsmöglichkeiten gibt, die nach ihren eigenen Angaben so gemeint waren, dass zunächst die schadhaften Stellen ausgebessert werden sollten und dann überprüft werden sollte, ob die Arbeiten dicht sind. Zudem wies sie darauf hin, dass zuerst mit den Arbeiten begonnen werden müsse, um festzustellen, ob die Nachbesserung Sinn macht und dass man dies nur beim Öffnen hätte feststellen können. Doch gab sie auch an, dass für eine Nachbesserung sicher bekannt sein müsse, welches Material wie verarbeitet wurde. Zudem gab sie an, dass die fehlende Dokumentation nicht hätte nachgeholt werden können. Es kann aber nicht als offensichtlich unbillig angesehen werden, wenn der ausführende Architekt die eine Art der Nacherfüllung verweigert, weil er aufgrund einer fehlenden Dokumentation die Grundlage für eine Überprüfung nicht gegeben sieht. Dass dies von einem sachkundigen Beobachter genauso gesehen wird, zeigt allein schon die Anhörung der Sachverständigen, die wiederholt angab, dass es sehr gut verstehen könne, dass der Streitverkündete für die Arbeiten keine Gewährleistung übernehmen wollte. Dann kann aber die Entscheidung nicht gegen Treu und Glauben verstoßen.
36Hinzukommt, dass die Sachverständige X angibt, dass es zur Ausführung eines Termins mit dem ausführenden Nachunternehmer bedurfte und dass sie die Arbeiten ohne einen solchen Termin nicht durchführen würde. Ein solcher Termin hat nicht stattgefunden, obwohl im Schreiben des Streitverkündeten vom 19.06.2009 ein entsprechender Terminvorschlag gemacht wurde. Dabei kann dahinstehen, ob die Firma I2 als Nachunternehmer zeitnah auf der Baustelle gewesen wäre, da ein Termin bis zum Ablauf der im Vergleich vorgesehenen Frist nicht stattgefunden hat. Auf die Frage, ob ein solcher Termin seitens des Beklagten verweigert wurde, kommt es daher nicht an.
37Dem steht auch nicht entgegen, dass der Streitverkündete in seiner Aussage angab, dass er den Beklagten nicht für tauglich hielt, die „Flickarbeiten“ durchzuführen, da er die DIN-Norm 4125 für die Anfertigung von Verbaumaßnahmen nicht kannte, denn er gab ebenso an, dass dies nur ein Baustein für seine Entscheidung war. Eine Entscheidung ist nicht unbillig, wenn sie auch andere Kriterien heranzieht, zumal diese auf die fachliche Qualifikation abzielten.
38Auch die Stilllegung am 10.06.2010 stellt keine offensichtliche Unbilligkeit dar, da diese zum einen keine endgültige Stilllegung darstellte und Streitverkündete in seiner Aussage glaubhaft dargelegt hat, dass die Stilllegung nur auf unzureichende Verbaumaßnahmen zurückzuführen sei. Diese Entscheidung betrifft aber nicht die Frage er Mängelbeseitigung.
39Die Entscheidung des Streitverkündeten war nicht unbillig und daher bindend, so dass die von diesem gewählte Art der Nacherfüllung nicht in Betracht kam. Da die Arbeiten nicht bis zum 31.12.2009 - der im Vergleich vorgesehenen Frist für die Mängelbeseitigung - fertiggestellt wurde, konnten die Kläger nach §§ 634 Nr. 3, 637 Abs. 3 BGB einen Vorschuss auf die Arbeiten verlangen. Dieser Vorschuss ist durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen (BGH Versäumnisurteil vom 11. 3. 2004 - VII ZR 339/02). Ein Betrag von 75.600,00 EUR ist nach Überzeugung des Gerichts nicht unbillig. Dieser Betrag wurde auch von der Sachverständigen X im Gutachten vom 11.06.2007 (Bl. 875 der Akte 12 O 222/04) als Betrag für die voraussichtlichen Kosten angegeben.
40Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.
41Streitwert: 75.600,00 EUR Dr. I3 | ||
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Referenzen
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