Beschluss vom Landgericht Aachen - 3 T 203/10
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und zu 2) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e :
2I.
3Auf Antrag der Beteiligten zu 4) ordnete das Amtsgericht Geilenkirchen mit Beschluss vom 11.12.2008 (Bl. 2 d.A.) die Zwangsversteigerung des o.g. Grundstücks an. Die Beteiligte zu 4) betreibt die Zwangsversteigerung aufgrund vollstreckbarer Ausfertigung der Urkunde des Notars N in H vom 18.12.1996 (UR.-Nr.: 2699/1996). Die Anordnung der Zwangsversteigerung erfolgte wegen des durch diese Urkunde begründeten dinglichen Anspruchs aus der im Grundbuch unter Abteilung III Nr. 1 zugunsten der Beteiligten zu 4) eingetragenen Grundschuld, namentlich wegen des Grundschuldkapitals in Höhe von 132.935,88 €, wegen Grundschuldzinsen in Höhe von 18 % seit dem 1.1.2005, 5 % Nebenleistung, Zustellkosten in Höhe von 29,50 € und Verfahrenskosten. Der Anordnungsbeschluss wurde den Beteiligten zu 1) und zu 2) am 13.12.2008 zugestellt (Bl. 19 f d.A.).
4Unter dem 15.12.2008 beantragten die Beteiligten zu 1) und zu 2) die Einstellung des Verfahrens gemäß § 30 a ZVG und 765 a ZVG (Bl. 21 d.A.). Unter dem 29.12.2008 begründeten sie diesen Antrag u.a. damit, dass ihre Tochter, die Beteiligte zu 3) "seit dem 21.11.2008 lebensbedrohlich erkrankt und als Notfall im Klinikum B in stationärer Behandlung sei" (Bl. 23 d.A.). Ergänzend führten die Beteiligten zu 1) und zu 2) im Schriftsatz vom 19.1.2009 aus, dass sie natürlich bemüht seien, das Objekt zu verkaufen, dass dabei aber das Zwangsversteigerungsverfahren von Nachteil sei. Der Einstellungsantrag wurde durch Beschluss vom 23.1.2009 zurückgewiesen (Bl. 28 d.A.). Gegen diesen Beschluss legten die Beteiligten zu 1) und zu 2) am 12.2.2009 Rechtsmittel ein (Bl. 33 d.A.), ohne dieses zu begründen. Das Rechtsmittel wurde am 23.4.2009 zurückgenommen (Bl. 44).
5Nachdem das Amtsgericht das schriftliche Gutachten des Sachverständigen H vom 18.5.2009 (Bl. 58 ff d.A.) sowie dessen ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen vom 4.7.2009 (Bl. 124 ff d.A.) und vom 8.10.2009 (Bl. 160 d.A.) eingeholt und den Beteiligten jeweils Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, setzte es durch Beschluss vom 5.1.2010 den Verkehrswert gemäß § 74 a ZVG auf 220.000 € fest (Bl. 172 d.A.).
6Durch Beschluss vom 5.1.2010 bestimmte das Amtsgericht Geilenkirchen Termin zur Zwangsversteigerung auf den 15.4.2010 – 9.00 h (Bl. 174 d.A.). Diese Terminsbestimmung wurde den Beteiligten zu 1) und zu 2) am 26.1.2010 zugestellt (Bl. 188 d.A.) sowie öffentlich bekanntgemacht (Bl. 179 d.A.).
7Unter dem 16.3.2010 stellten die Beteiligten zu 1) und zu 2) erneut einen Antrag auf einstweilige Einstellung des Verfahrens nach § 765 a ZPO (Bl. 190 d.A.). Zur Begründung wurde wieder die "schwere Erkrankung" der Beteiligten zu 3) angeführt, welche nun erstmals mit "Anorexia nervosa" näher bezeichnet wurde. Beigefügt war ein Attest des behandelnden Ärztin, der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Q, vom 9.3.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 193 d.A.).
8Auf Antrag der Beteiligten zu 5) ließ das Amtsgericht Geilenkirchen durch Beschluss vom 31.3.2010 den Betritt der Beteiligten zu 5) zu der angeordneten Zwangsversteigerung zu (Bl. 205 d.A.). Die Beteiligte zu 5) betreibt die Zwangsversteigerung aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.9.2008 (Az.: 08.0137835-0-5). Die Zulassung des Beitritts erfolgte wegen des dinglichen Anspruchs aus der im Grundbuch unter Abteilung III Nr. 6 zugunsten der Beteiligten zu 5) eingetragenen Zwangssicherungshypothek in Höhe von 1.410,21 € nebst Zinsen.
9In dem Versteigerungstermin am 15.4.2010 blieben die Beteiligten zu 8) und zu 9) mit einem Gebot von 180.000 € Meistbietende. Der Bevollmächtigte der Beteiligten zu 4), Herr X, beantragte, im Hinblick auf den Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765 a ZPO vom 16.3.2010 erst in 10 Tagen über den Zuschlag zu entscheiden. Wegen der weiteren Einzelheiten, des Verlaufs des Versteigerungstermins und der Versteigerungsbedingungen wird auf das Versteigerungsprotokoll Bezug genommen (Bl. 241 d.A.).
10Durch Beschluss vom 26.4.2010 hat das Amtsgericht Geilenkirchen den Beteiligten zu 8) und zu 9) den Zuschlag für einen durch Zahlung zu berichtigenden Betrag von 180.000 €, verzinslich ab Beschluss Verkündung bis zum Verteilungstermin mit 4 % Jahreszinsen, erteilt (Bl. 258 d.A.). In demselben Beschluss hat das Amtsgericht den Vollstreckungsschutzantrag vom 16.3.2010 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Vollstreckung nicht gegen die guten Sitten verstoße und der Gläubigerin ein weiterer Aufschub der Vollstreckung nicht zumutbar sei. Gegen diesen ihnen am 27.4.2010 zugestellten (Bl. 267 d.A.) Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und zu 2) am 11.5.2010 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 275 d.A.). Zur Begründung führten sie aus, dass die Zwangsversteigerung und der damit verbundene Wohnungswechsel bei ihrer Tochter, der Beteiligten zu 3), zu einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen würde, der sich sogar lebensbedrohlich auswirken könne, so dass die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung gegen die guten Sitten verstoße. Der sofortigen Beschwerde war das Attest der behandelnden Ärztin, Q, vom 7.5.2010 beigefügt (Bl. 277 d.A.). Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte der Kammer zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 281 d.A.).
11Durch Beschluss vom 21.6.2010 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 568 ZPO auf die Kammer übertragen (Bl. 311 d.A.). Sodann beauftragte die Kammer die Sachverständige C mit Einverständnis der Schuldner (Bl. 356 f d.A.) mit der Erstellung eines Gutachtens entsprechend dem Beweisbeschluss vom 21.6.2010 (Bl. 316 d.A.) bzw. 6.7.2010 (Bl. 340 d.A.). Als die Beteiligten zu 8) und zu 9) aus dem Zuschlagsbeschluss die Zwangsräumung betreiben wollten, beantragten die Beschwerdeführer unter dem 1.11.2010 die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (Bl. 390 d.A.), nachdem das Amtsgericht durch Beschluss vom 28.10.2010 die einstweilige Einstellung der Zwangsräumung abgelehnt hatte (Bl. 392 d.A.). Die Kammer stellte daraufhin die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Geilenkirchen vom 26.4.2010 – 7 K 96/08 – einstweilen ohne Sicherheitsleistung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens ein (Bl. 400 d.A.). Parallel zu dem Einstellungsantrag vom 1.11.2010 legten die Beteiligten zu 1) und zu 2) Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 28.10.2010 ein (Bl. 396 d.A.), über welche in dem Verfahren 3 T 363/10 entscheiden wurde.
12Die Kammer hat das Gutachten der Sachverständigen C vom 12.11.2010 (Bl. 435 d.A.) eingeholt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Gutachten wurde den Beschwerdeführern am 24.11.2010 zugestellt (Bl. 463 d.A.). Mit Schriftsatz vom 18.2.2011 lehnten die Beschwerdeführer die Sachverständige C wegen Besorgnis des Befangenheit ab (Bl. 513 d.A.). Diesen Befangenheitsantrag hat die Kammer durch Beschluss vom 21.2.2011 als verspätet zurückgewiesen (Bl. 521 d.A.). Schließlich hat die Kammer zusätzlich auch das Ergänzungsgutachten der Sachverständigen C vom 12.3.2011 (Bl. 545 d.A.) eingeholt und den Beteiligten wiederum Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wegen des Inhalts der beiden Gutachten wird auf die schriftlichen Ausführungen der Sachverständigen C Bezug genommen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
14II.
15Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und zu 2) ist statthaft gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 96 ZVG, 793, 567ff ZPO und auch im Übrigen in formeller Hinsicht unbedenklich.
16In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Zu Recht und ohne erkennbare Verfahrensfehler hat das Amtsgericht den Beteiligten zu 8) und zu 9) durch den angefochtenen Beschluss den Zuschlag erteilt. Gemäß § 100 Abs. 1 ZVG kann die sofortige Beschwerde gegen einen Zuschlagsbeschluss nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 - 85 a ZVG verletzt oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt worden ist. Diese Aufzählung der Beschwerdegründe ist erschöpfend. Deshalb dürfen nur sie vom Beschwerdegericht nachgeprüft werden, wobei eine Verletzung der §§ 81, 83 Nr. 1 - 5, 84 - 85 a ZVG zusätzlich nur dann zu beachten ist, wenn eine entsprechende Rechtsverletzung von dem Beschwerdeführer ausdrücklich gerügt worden ist. Lediglich die in § 83 Nr. 6 und Nr. 7 ZVG bezeichneten Versagungsgründe hat das Beschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 100 Abs. 3 ZVG). Eine den genannten Grundsätzen entsprechende Überprüfung des angefochtenen Beschlusses lässt jedoch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer erkennen.
17Insbesondere verbietet sich die Versteigerung der Immobilie nicht unter dem Gesichtspunkt einer mit den guten Sitten nicht zu vereinbarenden Härte für die Tochter der Beteiligten zu 1) und zu 2), die Beteiligte zu 3). Es liegt insoweit keine Verletzung der gemäß § 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu beachtenden Bestimmung des § 83 Nr. 6 ZVG i.V.m. § 765a ZPO vor.
18Nach § 765a ZPO ist eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme auf Antrag des Schuldners dann ganz oder teilweise aufzuheben, zu untersagen oder einstweilen einzustellen, wenn die Maßnahme ansonsten unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten schlechthin unvereinbar ist, insbesondere den elementaren Wertentscheidungen des Grundgesetzes zuwiderläuft. Ebenso wenig wie bei der Zwangsräumung schließt dabei eine bestehende Suizid- oder sonstige Lebensgefahr für den Schuldner oder einen ihm nahestehenden Verwandten die Zuschlagserteilung im Rahmen der Zwangsversteigerung von vornherein vollständig aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der auch in der Zwangsvollstreckung geschützten Grundrechte auch des Schuldners eine umfassende Würdigung aller Umstände vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2005 – V ZB 99/05, NJW 2006, 505 [506] m.w.N., und Beschluss vom 4. Mai 2005 - I ZB 10/05, NJW 2005, 1859 [1860]). Diese Interessenabwägung kann im Einzelfall dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und (in absoluten Sonderfällen) auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Schuldners oder eines nahestehenden Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung danach nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist vielmehr stets die Abwägung der – in diesen Fällen ganz besonders gewichtigen – Interessen des betroffenen Schuldners mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Auch dieser kann sich auf seine Grundrechte berufen, deren Schutz und Durchsetzung das Zwangsvollstreckungsverfahren gerade zu dienen bestimmt ist. Unterbleiben Räumungsvollstreckung oder Zuschlagserteilung wegen der Annahme einer Lebens- oder ernstlichen Gesundheitsgefahr, die immerhin auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums eingegriffen und sein verfassungsrechtlich verankerter Anspruch auf effektiven Rechtsschutz desselben beeinträchtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2005 – V ZB 99/05, NJW 2006, 505 [506] m.w.N.). Hinsichtlich der drohenden Gefahren hat das Gericht den Sachverhalt sorgfältig zu prüfen, gegebenenfalls durch Einholung amtsärztlicher Gutachten (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 11. Oktober 2000, Rechtspfleger 2001, 91 f.).
19Im vorstehend beschriebenen Sinne konnte das Beschwerdegericht eine überwiegend wahrscheinliche und akute Lebensgefahr oder ernstliche Gesundheitsgefahr als mögliche Folge der Zuschlagserteilung für die Tochter der Schuldner nicht feststellen.
20Insbesondere hat die Sachverständige C sowohl in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 12.11.2010 als auch in dem Ergänzungsgutachten vom 12.3.2011 überzeugend und ohne weiteres nachvollziehbar ausgeführt, dass durch die Zuschlagserteilung und weitere Abwicklung des Versteigerungsverfahrens keine unzumutbare ernstliche Gesundheitsgefahr für die Tochter der Beteiligten zu 1) und 2) zu erwarten sei. Die Kammer schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen vollumfänglich an. So führt die Sachverständige C insbesondere überzeugend aus, dass aus kinder- und jugendpsychiatrisch fachärztlicher Sicht bei Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht zu befürchten sei, dass sich die Erkrankung der Beteiligten zu 3) derart verschlechtern werde, dass dadurch eine lebensbedrohliche Situation oder anderweitige somatische Komplikation entstehen würde. Auch seien keinerlei Hinweise auf eine Selbsttötungsabsicht der Beteiligten zu 3) vorhanden. Vielmehr verfüge die Tochter der Beschwerdeführer über hinreichende soziale Kompetenzen, um mit der belastenden Situation der Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens umgehen zu können. Diese sozialen Kompetenzen habe sie beispielsweise auch schon bei ihrem kürzlich erfolgten Schulwechsel gezeigt, den sie ohne Schwierigkeiten bewältigen konnte.
21Die Sachverständige geht dabei nicht nur davon aus, dass eine Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens für die Beteiligte zu 3) zumutbar und ohne Gesundheitsgefahren zu bewältigen sein wird, sondern sieht in der Klärung der derzeit unklaren Wohnortperspektive sogar eine Chance für die (weitere) Genesung der Tochter der Beschwerdeführer. Dies führt die Sachverständige insbesondere darauf zurück, dass die Tochter der Beschwerdeführer eine hohe Loyalität gegenüber ihrer Familie zeige und durch Aufrechterhaltung ihrer Erkrankung die Verantwortung für die Sicherstellung des Verbleibs der Familie in dem Haus übernommen habe. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen auch mit der Einschätzung der behandelnden Ärztin der Beteiligten zu 3), der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Frau I (ehemals Q), die den Eindruck hatte, dass die Beteiligte zu 3) an ihrer Essstörung gewissermaßen festhalte, um eine Auseinandersetzung mit den innerfamiliären Konflikten vermeiden zu können. Von daher geht die Sachverständige C in ihrem Gutachten vom 12.11.2010 davon aus, dass die Abwicklung des Zwangsversteigerungsverfahrens sogar eine zusätzliche Entlastung für die Beteiligte zu 3) darstellen wird, da die finanzielle und familiäre Situation dann geklärt und stabiler werden würde, so dass durch den Fortgang des Verfahrens sogar ein weitere emotionale Stabilisierung bei der Beteiligten zu 3) erwartet werden könne, und gerade kein ernstlicher gesundheitlicher Schaden drohe.
22Dementsprechend ist die Einschätzung der Sachverständigen C, das Rückfallrisiko für die Beteiligte zu 3) sei auch im Falle einer Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens als gering einzustufen, ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend. Zumal die Beteiligte zu 3) nach der Einschätzung der Sachverständigen sogar ohne konsequente psychotherapeutische Weiterbehandlung schon jetzt eine emotionale Stabilisierung erreichen und die Symptomatik der Anorexia entaktualisieren konnte.
23Die gleichwohl – möglicherweise – verbleibende Gefahr einer durch die Zuschlagserteilung veranlassten Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Tochter der Schuldner im Sinne eines nicht vollends abschätzbaren Restrisikos – die gesundheitliche Entwicklung kann schließlich auch im Falle einer sorgfältigen ärztlichen Analyse nicht vorhergesagt werden –, hatte das Gericht im Rahmen einer umfassenden Abwägung der Interessen von Schuldner, Gläubiger und Ersteher zu berücksichtigen. Folgende Überlegungen sind insoweit maßgeblich: Nach den Ermittlungen des Beschwerdegerichts ist nicht mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die von den Schuldnern behauptete Gefahr verwirklichen wird. Das verbleibende Restrisiko hingegen ist nach Auffassung des Gerichts auch anders als durch Verweigerung des Zuschlags an den Ersteher zu bekämpfen. Insbesondere empfiehlt die Sachverständige C die Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung, wobei eine Familientherapie und/oder Elternberatung grundsätzlich effektiver sei als eine individualtherapeutische Behandlung. Sofern die Sachverständige für den (nach ihrer Einschätzung unwahrscheinlichen) Fall einer Exazerbation der essstörungsspezifischen Symptomatik eine temporäre teil- bzw. vollstationäre Behandlung als notwendig erachtet, ist Folgendes anzumerken: Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass in den Fällen, in denen ein Rechtsmittel gegen eine Zwangsräumung oder Versteigerung mit der Gefahr drohender Selbsttötung begründet wird, der Gefährdete nicht zuletzt selbst gehalten ist, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern (vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. November 2005 – V ZB 99/05, NJW 2006, 505 [506] m.w.N.). Ausgehend von diesem Grundsatz erachtet das Beschwerdegericht es auch hier – im Fall der Zuschlagsbeschwerde - für erforderlich – und ohne weiteres zumutbar – , dass die Beteiligte zu 3) (bzw. die sich auf ihre Gefährdung berufenden Erziehungsberechtigten) alle erforderlich werdenden Maßnahmen ergreifen, um eine weitere Gefährdung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes abzuwenden. Hierzu kann im (unwahrscheinlichen) Ernstfall einer Exazerbation der Magersuchtsymptomatik auch die Durchführung einer temporären teil- bzw. vollstationären Behandlung gehören.
24Demgegenüber ist im Rahmen der Abwägung der wiederstreitenden Interessen zu vergegenwärtigen, dass die Beteiligte zu 4) bereits erhebliche zeitliche und über die Zinsbelastung finanzielle Einbußen bei der Durchsetzung ihres titulierten Anspruches hinnehmen musste, so dass ihr ein weiteres Zuwarten angesichts der nach Aktenlage nicht wahrscheinlichen Gefahr für die Tochter der Schuldner nicht länger zuzumuten ist.
25Die beiden Gutachten der Sachverständigen C haben auch eine belastbare Grundlage, da die Sachverständige die Beteiligte zu 3) ausführlich persönlich sowohl körperlich als auch testpsychologisch untersucht hat. An der Wissenschaftlichkeit und Zuverlässigkeit der Methoden der Sachverständigen sowie an deren Neutralität bestehen keinerlei Zweifel. Insbesondere vermögen auch die Ausführungen der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 8.4.2011 nicht, derartige Zweifel zu begründen, zumal eine wörtliche und vollständige Widergabe der gesamten Exploration nicht erforderlich ist, um ein tragfähiges Gutachten zu erstatten.
26Schlussendlich hat das Amtsgericht auch die von Amts wegen zu berücksichtigenden Vorschriften der §§ 83 Nr. 7, 43 Abs. 1, 73 Abs. 1 ZVG beachtet: Die Bestimmung des Versteigerungstermins ist mehr als 6 Wochen vor dem Versteigerungstermin bekannt gemacht worden (§ 43 Abs. 1 ZVG). Ausweislich des Versteigerungsprotokolls ist im Termin auch die 30minütige Frist zwischen der Aufforderung zur Abgabe von Geboten und dem Zeitpunkt, in welchem bezüglich sämtlicher zu versteigernder Grundstücke die Versteigerung geschlossen wird (§ 73 Abs. 1 ZVG), eingehalten worden.
27Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht, da sich die Beteiligten im Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (vgl. BGH Beschluss vom 26.10.2006, Az.: V ZB 188/05).
28Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 3 ZPO zuzulassen, da die Sache von besonderer Bedeutung ist und daher die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
29Beschwerdewert: 180.000 € (§ 3 ZPO: entspricht dem Meistgebot)
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Referenzen
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