Beschluss vom Landgericht Aachen - 33 StVK 394/10 K und 33 StVK 895/09 K
Tenor
Es wird abgelehnt, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19. April 1985 (XX a - 3/85; 111 Js 203/84 StA Düsseldorf) für erledigt zu erklären.
1
G r ü n d e
2I.
31.
4Durch das im Tenor näher bezeichnete, seit dem 05. September 1985 rechtskräftige Urteil des Landgerichts Düsseldorf wurde gegen den Verurteilten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung auf eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren erkannt. Außerdem wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
5Den Sachverhaltsfeststellungen zufolge ging der Verurteilte nach seiner letzten Haftentlassung am 07. Januar 1980 erstmals in seinem Leben eine feste Bindung zu einer Frau ein. Beide sprachen täglich erheblich dem Alkohol zu. Die Beziehung war durch häufige Streitigkeiten und Auseinandersetzungen gekennzeichnet und es kam deshalb mehrfach zu Trennungen. Im April 1984 kam es nach einer Auseinandersetzung zu einer erneuten Trennung, die der Verurteilte als endgültig ansah. Frustriert über die Trennung und den Verlust seines Lebenskreises sprach er am 14. April 1984 ein 8-jähriges Mädchen an, das allein mit dem Fahrrad auf dem Rheindeich in Düsseldorf fuhr. Der Anblick des zierlichen Kindes löste bei ihm sexuelles Interesse aus. Er erschlich das Vertrauen des Kindes und brachte es dazu, ihm zunächst auf eine nahegelegene Rasenfläche zu folgen. Dort bot er dem Mädchen 5,00 DM an, wenn er „fummeln“ dürfe. Er hatte dabei die Vorstellung, am Geschlechtsteil des Kindes mit seinen Fingern zu manipulieren. Um seinen Tatplan ausführen zu können, führte er das Kind sodann zu der uneinsehbaren flußabgewandten Seite des Deiches. Er zog das nunmehr Gegenwehr leistende Kind die Böschung hinunter und warf es dort zu Boden. Sodann riss er dem Gegenwehr leistenden Kind Strumpfhose und Schlüpfer herunter und manipulierte mit einer Hand heftig am Geschlechtsteil, wobei er auch einen Finger in den Scheidenbereich einführte. Weil sein Opfer nunmehr aus Angst laut schrie, legte er ihr eine Hand fest auf den Mund. Obwohl ihm das Mädchen in die Hand biß und mit Kopf heftige Ausweichbewegungen machte, so dass es ihm nicht vollständig gelang, die Schreie zu unterdrücken, manipulierte er weiter im Genitalbereich des Kindes. Weiter mit einer Hand heftig am Geschlechtsteil reibend, würgte er nunmehr das Kind so fest, dass dieses binnen kurzer Zeit jede Gegenwehr aufgab und schließlich das Bewusstsein verlor. Als der Verurteilte bemerkte, dass sich das Gesicht seines Opfers rot-blau verfärbte, er die Hand vom Genitalbereich wegzog und an dieser starke Blutspuren entdeckte, wurde er ernüchtert und ließ von dem Kind ab. Er setzte sich neben das am Boden liegende Kind und überlegte, was er tun solle. Dort wurde er von zwei Frauen entdeckt und angesprochen und eilte, als er beide mit Ausreden nicht mehr hinhalten konnte, weg, konnte aber alsbald von anderen Passanten eingeholt und der Polizei übergeben werden. Durch die Bemühungen der beiden Frauen erlangte das Kind nach etwa 5 Minuten das Bewusstsein wieder. Der Verurteilte stand zur Tatzeit unter einer Blutalkoholkonzentration von maximal 1,28 Promille.
6Sachverständig beraten hat die Strafkammer weiter festgestellt, dass die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war. Bei ihm liege eine von zwischenmenschlichen Beziehungsstörungen geprägte Persönlichkeitsproblematik vor, die sich vor allem in Kontaktschwierigkeiten manifestiere. Seine Selbstunsicherheit und die Angst vor erwachsenen Frauen führe zur Sexualität mit Kindern, auf die er ausweiche. Hinzu gekommen sei die krisenhafte Zuspitzung der Beziehung zu seiner Partnerin sowie der Alkoholeinfluss.
7Zur Anordnung der Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer dargelegt, dass die Disposition zu solchen Taten bei dem Verurteilten tief verwurzelt sei. Die Persönlichkeitsproblematik bestehe in dem Fehlen einer stabilen männlichen Identität, seiner Beziehungsangst, seiner nie erwachsen gewordenen Sexualität, die ihn zu anonymen weiblichen Wesen (anonymen kleinen Mädchen), zu Opfern statt zu Partnern hinziehe. Auch wenn er über gut 20 Jahre lang nicht durch Sexualdelikte aufgefallen sei, sei die Prognose sehr ungünstig; die Tat stelle eine Steigerung dar.
82.
9Der Verurteilte war bereits zuvor in erheblichem Maße strafrechtlich in Erscheinung getreten; unter anderem war er wie folgt verurteilt worden:
10a.) |
Die Staatsanwaltschaft Koblenz sah am 23. Juli 1957 in einem Verfahren wegen Erregung geschlechtlichen Ärgernisses in Tateinheit mit Unzucht mit Kindern von der Verfolgung ab und erteilte dem Verurteilten eine Ermahnung und eine Arbeitsauflage. |
b.) |
Das Jugendschöffengericht Solingen stellte am 11. Juni 1958 gegen ihn ein weiteres Verfahren wegen des Vorwurfs der Unzucht mit Kindern in Tateinheit mit Erregung geschlechtlichen Ärgernisses mit der Begründung ein, dass der Verurteilte wegen einer neurotischen Fehlentwicklung und wegen seelischen Infantilismus nicht verantwortungsreif sei. |
c.) |
Durch Entscheidung vom 30. August 1959 verhängte das Jugendschöffengericht Düsseldorf gegen den Verurteilten wegen Erregung geschlechtlichen Ärgernisses in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, einen vierwöchigen Jugendarrest. Den Feststellungen zufolge hatte er sich am 17. Mai, 17. Juli und 13. August 1959 in schamverletzender Weise jungen Mädchen und Frauen gezeigt und hierbei in einem Falle einer der Geschädigten unter der Kleidung an das Geschlechtsteil gefasst. |
d.) |
Am 28. November 1962 verurteilte ihn das Jugendschöffengericht Düsseldorf wegen Erregung geschlechtlichen Ärgernisses in drei Fällen, darunter in einem fortgesetzten Fall und wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von 9 Monaten, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Feststellungen des Jugendschöffengerichts hatte der Verurteilte im Zeitraum vom 30. Juli bis zum 09. August 1992 mehrfach vor Frauen, unter anderem auch in den Geschäftsräumen einer Bank, onaniert. Die Strafe wurde später in die Jugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten wegen Diebstahls in zwei Fällen und versuchtem schweren Diebstahl des Jugendschöffengerichts Düsseldorf vom 31. Juli 1963 einbezogen; diese verbüßte er bis zum 15. Juni 1964 vollständig. |
e.) |
Erneut das Jugendschöffengericht Düsseldorf verhängte gegen ihn durch Urteil vom 28. Oktober 1964 wegen Unzucht mit einem Kind und wegen versuchter Unzucht mit einem Kind eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten; darüber hinaus wurde seine Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt angeordnet. Den Urteilsfeststellungen zufolge stellte sich der Verurteilte am 25. Juni 1964 in den Gang zur Mädchentoilette in einer Volksschule. Er fasste zunächst einer 7 Jahre alten Schülerin unter dem Rock an das Geschlechtsteil und rieb daran. Danach hielt er eine 12-jährige Schülerin an, zeigte mit der Hand auf ihr Geschlechtsteil und fragte, was das Kind „da vorne“ denn habe. Nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe bis zum 01. Mai 1965 wurde die Maßregel bis zur bedingten Entlassung des Verurteilten am 11. März 1966 vollstreckt. Seit dem 16. Januar 1969 ist die Maßregel erledigt. |
f.) |
Durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 08. Februar 1967 wurde gegen ihn wegen schweren Diebstahls im Rückfall in sechs Fällen, Diebstahls im Rückfall in fünf Fällen und versuchten Diebstahls im Rückfall auf eine Gesamtgefängnisstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten erkannt. Der Verurteilung lag vor allem die Begehung von Autodiebstählen zugrunde, die er im Mai 1966 mit einem Mittäter begangen hatte. Die Strafvollstreckung war am 29. November 1968 erledigt. |
g.) |
Am 17. April 1969 erkannte das Landgericht Düsseldorf gegen ihn wegen Diebstahls im Rückfall in zwei Fällen auf eine Gesamtgefängnisstrafe von 2 Jahren. Grundlage der Verurteilung waren im Januar 1969 begangene Diebstahlstaten, wobei der Verurteilte unter anderem einen Homosexuellen bestohlen hatte, mit dem er sich zuvor angefreundet hatte. Die nach einer Teilverbüßung erfolgte Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung musste später widerrufen werden. Die Strafe hat er sodann vollständig bis zum 08. Februar 1972 verbüßt. |
h.) |
Abermals das Landgericht Düsseldorf erkannte gegen den Verurteilten am 08. Januar 1971 wegen schweren Diebstahls in zwei Fällen und wegen versuchten schweren Diebstahls auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren. Der Verurteilung lagen in der Zeit vom 08. August 1970 bis zum 15. August 1970 begangene PKW-Diebstähle und -einbrüche zugrunde. Nach einer Teilverbüßung wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt, die später widerrufen wurde. Nach erneuter Strafhaft bis zum 08. Januar 1980 erfolgte eine nochmalige Aussetzung des verbleibenden Strafrestes, der mit Wirkung vom 31. Juli 1984 - trotz der nachfolgend darzustellenden Verurteilung - erlassen wurde. |
i.) |
Durch Urteil vom 23. November 1973 verhängte das Landgericht Köln gegen den Verurteilten wegen schweren Raubes eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Nach den Sachverhaltsfeststellungen der Strafkammer hatte der Verurteilte am 06. Juni 1973 eine 71 Jahre alte Frau in einer Parkanlage überfallen und ihr die Handtasche entrissen. Er wurde nach der Tat von einem Passanten verfolgt und festgenommen. Die Strafkammer hatte den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. (Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung durch die Tat) angenommen. Die Strafe verbüßte der Verurteilte bis zum 06. Juni 1979 vollständig. |
j.) |
Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte ihn am 20. Februar 1996 wegen Diebstahls und schwerer Brandstiftung zu einer dreijährigen Gesamtfreiheitsstrafe. Nach den Sachverhaltsfeststellungen entwendete der Verurteilte im Zeitraum vom 08. bis zum 12. Mai 1994 aus der Wohnung einer Nachbarin verschiedene Gegenstände, unter anderem einen Fotoapparat und Schmuck, nachdem diese seiner Mutter den Wohnungsschlüssel gegeben hatte, um Handwerker einzulassen. Um den aufgekommenen Diebstahlsverdacht von sich abzulenken, legte er am 27. Mai 1994 (nicht Gegenstand der Verurteilung) und später am Abend des 04. Juni 1994 und den ersten Morgenstunden des 05. Juni 1994 jeweils mit Terpentin getränkte Lappen vor die Wohnungstür der Nachbarin, die er sodann anzündete. Bei der Brandlegung im Juni 1994 entzündete sich die Tür, die Fußleiste und die Türzarge. Hinsichtlich der Brandstiftung ist das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ausgegangen, da sich aus der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten ergebe, dass er von seiner Mutter stark abhängig und alles zu tun bereit sei, dieser gegenüber nicht unangenehm aufzufallen. Die Einzelstrafen aus dieser Verurteilung und die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 1994 wurden durch Beschluss vom 04. März 1997 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und zwei Wochen zurückgeführt. |
3.
12Nachdem sich der Verurteilte vom 14. April 1984 bis zum 22. November 1984 und sodann vom 09. Dezember 1984 bis zum 04. September 1985 in Untersuchungshaft befunden hatte, verbüßte er bis zum 29. April 1990 die Freiheitsstrafe in vorliegender Sache. Im Anschluss hieran wurde die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung aufgenommen. Die weitere Vollstreckung der Maßregel wurde durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 07. Oktober 1992 zur Bewährung ausgesetzt, der Verurteilte wurde am 16. November 1992 aus dem Maßregelvollzugs entlassen. Er wurde unter anderem angewiesen, eine bereits aufgenommene Sexualtherapie und eine begonnene Androcourbehandlung fortzusetzen. Nachdem er unbekannten Aufenthalts war und keinen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer hielt, wurde gegen den Verurteilten am 01. März 1995 Sicherungshaftbefehl erlassen. Vom 29. Mai 1995 bis zur Aufhebung des Sicherungshaftbefehls durch Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 08. Juni 1995, durch den zugleich die Führungsaufsichtszeit um 1 Jahr verlängert wurde, befand sich der Verurteilte sodann in der Sicherungsunterbringung. Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte ihn am 20. Februar 1996 wegen Diebstahls und schwerer Brandstiftung zu einer dreijährigen Gesamtfreiheitsstrafe. Die Einzelstrafen aus dieser Verurteilung und die Geldstrafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 1994 wurde durch Beschluss vom 04. März 1997 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Wochen zurückgeführt. In der Zeit vom 20. Januar 1996 bis zum 31. Januar 1999 befand er sich in der vorgenannten Sache zunächst in Untersuchungshaft und verbüßte sodann die Freiheitsstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 04. März 1997 vollständig bis zum 31.01.1999. Im Hinblick auf die dieser Verurteilung zugrunde liegenden Taten hatte zuvor die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf durch Beschluss vom 04. November 1996 die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung widerrufen. Seit dem 01. Februar 1999 wird seitdem die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung erneut vollstreckt. 10 Jahre dieser Maßregel waren am 04. Juli 2006 vollstreckt.
13Im Juni 2010 wurde bei dem Verurteilten der Teil eines Beines bis einschließlich des Knies abgenommen.
143.
15Zuletzt hat es die Kammer mit Beschluss vom 18.06.2010 (33 StVK 394/10 K), auf dessen Gründe wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Antrag des Verurteilten vom 17.05.2010, die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung sofort zu beenden, zurückgewiesen und zugleich abgelehnt, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19. April 1985 (XX a - 3/85; 111 Js 203/84 StA Düsseldorf) für erledigt zu erklären.
16Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hin hat das OLG Köln mit Beschluss vom 06.12.2010 (2 Ws 529/10) die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Verurteilten an die Kammer zurückverwiesen.
174.
18Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Aachen hat in einer schriftlichen Stellungnahme vom 23.02.2010 eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nicht befürwortet; auf diese Stellungnahme hat sie unter dem 08.09.2011 vollumfänglich Bezug genommen. Mit Beschluss vom 20.04.2010 Tag entschied die Strafvollstreckungskammer, ein Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. S einzuholen, wobei der Gutachtenauftrag mit Beschlüssen vom 19.05.2010 und vom 12.09.2011 ergänzt wurde. Unter dem 05.04.2011 hat die Sachverständige ihr Gutachten erstellt, das, nachdem bei dem Verurteilten in dessen Zelle ein Ordner mit pornografischen Inhalts gefunden wurde, unter dem 30.09.2011 ergänzt wurde. Unter dem 20.10.2011 hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf – wie bereits unter dem 16.05.2011 - beantragt, die Fortdauer der Unterbringung zu beschließen.
19Der Verurteilte ist am heutigen Tage von der Kammer mündlich angehört worden.
20II.
21Die Überprüfung der Notwendigkeit weiterer Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat ergeben, dass auch gegenwärtig – jedenfalls zurzeit - nicht zu erwarten ist, der Verurteilte werde außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtwidrigen Taten mehr begehen (§ 67d Abs. 2 StGB).
22Mit „Erwartung“ im Sinne der genannten Vorschrift ist gemeint, dass eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit straffreier Führung des Verurteilten gegeben sein muss. Materiell fordert dabei das aus dem Grundgesetz abgeleitete Übermaßverbot, die Sicherungsbelange der Allgemeinheit und den Freiheitsanspruch des Verurteilten im Einzelfall abzuwägen (vgl. BVerfGE 70, 297, 311). Der Richter hat im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffes ins Verhältnis zu setzen. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Verurteilten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Je länger die Unterbringung andauert, umso strenger sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges. Der Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruches stößt jedoch dort an Grenzen, wo es nach Art und Maß der von dem Verurteilten drohenden Gefahren vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, diesen in Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297, 315; BVerfG, Urteil vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 -, NJW 2004, 739, 742).
23Dabei ist, obwohl § 67d Abs. 2 StGB nur rechtswidrige Taten aufführt, entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf solche Taten abzustellen, deren Begehung zur Anordnung der Maßregel führen kann. Nur die fortbestehende Gefahr erheblicher Taten rechtfertigt die Fortsetzung des Maßregelvollzugs (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 67d Rdnr. 10; Stree in: Schönke/Schröder, StGB, 7. Auflage, § 67d Rdnr. 9).
24Gemessen an den vorstehend dargelegten Grundsätzen ist auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnisse zur gebotenen Bewertung der Persönlichkeit des Verurteilten, seines Vorlebens, der Tatumstände, des Gewichts der bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgüter, des Vollzugsverhaltens, der Lebensverhältnisse und der sonstigen prognostisch relevanten Gesichtspunkte weiterhin zu besorgen, dass er im Falle seiner Entlassung zum gegenwärtigen Zeitpunkt erneut einschlägige Straftaten von erheblichem Gewicht begehen würde. Von der in dem eingangs genannten Urteil, durch welches die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, festgestellten Gefährlichkeit des Verurteilten muss derzeit weiterhin ausgegangen werden.
25Dies gilt indes auch unter Berücksichtigung der strengen Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 – 2 BvR 2365/09 – (NJW 2011, 1931), die hier in Bezug auf die Überprüfung der Fortdauer der Maßregel hinsichtlich des Verurteilten zu beachten sind.
26Nach dieser gemäß § 31 BVerfGG bindenden Entscheidung ist die Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB, soweit diese zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren- wie hier - Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) begangen wurden (sog. Altfälle), mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes unvereinbar.
27Sie darf derzeit allein in den vom Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG gezogenen Grenzen noch übergangsweise angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG leidet. Voraussetzung für die Fortsetzung der Sicherungsverwahrung ist eine durch die psychische Störung bedingte konkrete schwere Gefährdung zukünftiger Tatopfer. Anderenfalls ist die Entlassung des Sicherungsverwahrten spätestens mit Wirkung zum 31.12.2011 anzuordnen.
28Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung insofern damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darstelle. Sie werde zusätzlich dadurch verschärft, dass sie entgegen der früheren, im Zeitpunkt der Anlasstaten geltenden Rechtslage nachträglich über zehn Jahre hinaus unbefristet verlängert werden könne. Damit liege ein besonders schwerer Eingriff in das Vertrauen der in ihrem Freiheitsgrundrecht betroffenen Grundrechtsträger vor. Die mit der Sicherungsverwahrung unvermeidlich verbundene dauerhafte Entziehung der äußeren Freiheit sei mit der Freiheitsstrafe selbst bei Wahrung des Abstandsgebots vergleichbar, so dass der Erwartung des Untergebrachten, die Freiheit zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zu erlangen, besondere Bedeutung zukomme (vgl. BVerfG a.a.O., Rnn. 132-137).
29Der Abstand des Vollzuges der Sicherungsverwahrung von der Freiheitsstrafe sei in seiner derzeitigen Ausgestaltung unzureichend. Dies erhöhe das Gewicht des verletzten Vertrauens und nähere sich daher einem absoluten Vertrauensschutz (BVerfG a.a.O. Rn. 139).
30Der Eingriff in das Freiheitsrecht ist deshalb verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig. Das Bundesverfassungsgericht führt insoweit weiter aus, dass unter Berücksichtigung dieser Wertungen und in Anbetracht des erheblichen Eingriffs in das Vertrauen der in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG betroffenen Sicherungsverwahrten der legitime gesetzgeberische Zweck der angegriffenen Vorschriften, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, weitgehend hinter das grundrechtlich geschützte Vertrauen in ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (so in den „Altfällen“ im Anwendungsbereich des § 67 d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB) beziehungsweise in das Unterbleiben einer Anordnung der Sicherungsverwahrung (so in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) zurückzutreten habe. Eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung könne daher nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt werde und eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten sei. Lediglich in solchen Ausnahmefällen könne noch von einem Überwiegen der öffentlichen Sicherheitsinteressen ausgegangen werden.
31Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann hier – auch nicht unter Auflagen und Weisungen – eine Entlassung des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug – zumindest zurzeit - nicht erfolgen.
32Im Einzelnen ist wie folgt hierzu auszuführen:
33Nach dem Ergebnis des Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. S, die der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als besonders sachkundige Sachverständige bekannt ist, ist bei dem Verurteilten eine „gemischte“ Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Persönlichkeitsanteilen zu diagnostizieren. Hinzu tritt eine Störung der Sexualpräferenz mit exhibitionistischen und pädophilen Neigungen. Hierbei handelt es sich insgesamt um eine psychische Störung i.S.d. § 1 ThUG, weil nach der Gesetzesbegründung zum ThUG jedenfalls auch dissoziale Persönlichkeitsstörungen und kombinierte Persönlichkeitsstörungen hiervon umfasst werden (vgl. BT-Drucks. 17/3403 S. 52f). Entscheidend für diese Einordnung des Verhaltens einer Person als psychische Störung ist der Grad der objektiven Beeinträchtigung der Lebensführung in sozialer und ethischer Hinsicht, der anhand des gesamten – auch des strafrechtlich relevanten Verhaltens - des Betroffenen zu bestimmen ist (vgl. BVerfG - 3. Kammer des 2. Senats -, Beschluss vom 15.09.2011 – 2 BvR 1516/11 -). Die Schwelle der Vorschriften zur Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB muss dabei nicht überschritten sein. Angesichts der von der Sachverständigen dargelegten Manifestierung der Persönlichkeitsstörungen des Verurteilten, bei denen auch keine positive Entwicklung mehr zu erwarten ist, und der bestehenden Delinquenz des Verurteilten, kann damit zur Überzeugung der Kammer ohne Frage eine Persönlichkeitsstörung in Bezug auf den Verurteilten im oben beschriebenen Sinne angenommen werden.
34Darüber hinaus besteht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf den Verurteilten jedenfalls zurzeit noch eine hochgradige Gefahr weiterer schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten, die aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist
35Bei der Bestimmung der hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten muss als Auslegungsmaßstab die von dem Bundesverfassungsgericht in den Vordergrund gestellte Verhältnismäßigkeit bei Berücksichtigung des Vertrauensschutzes des Verurteilten, nach Verbüßung seiner Strafe seine Freiheit wiederzuerlangen, herangezogen werden. Dieser Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zeigt, dass die „hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“ einzelfallbezogen unter Berücksichtigung aller Umstände festzustellen ist. Die Beachtung der Verhältnismäßigkeit erfordert, den gebotenen Schutz der bedrohten Rechtsgüter, den Grad der drohenden Gefahr, den Freiheitsanspruch des Verurteilten und dessen Vertrauen, nach Verbüßung der Strafe entlassen zu werden, in die Betrachtung einzubeziehen. Die beiden Merkmale „hochgradige Gefahr“ und „schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten“ können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Um einen Widerspruch zu dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu vermeiden, müssen sich diese Teilaspekte aufeinander beziehen und gegenseitig ergänzen, sodass sie gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Verurteilten als Korrelat in die Abwägung eingestellt werden können. Daher wird das hinter dem Begriff „hochgradige Gefahr“ stehende Rückfallrisiko besonders hoch sein müssen, wenn innerhalb des vorgegebenen Rahmens schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten die Begehung eines Delikts im Raume steht, das sich am unteren Rand dieser Bandbreite bewegt. Andererseits kann bei dem denkbar schwersten Delikt nicht dieselbe Rückfallgefährlichkeit wie bei anderen Straftaten aus dem oben genannten Rahmen der schwersten Gewalt- und Sexualdelikten verlangt werden. Dies würde dem Prinzip widersprechen, dass die staatliche Ordnung die Intensität des geschuldeten Rechtsschutzes nach dem Grad der bedrohten Rechtsgüter zu bemessen hat (vgl. hierzu insgesamt OLG Nürnberg, NJW-Spezial 2011, 665 m.w.N.). Damit kann im vorgegebenen Rahmen ein „Weniger“ an Gefährlichkeit durch ein „Mehr“ an drohender Rechtsgutsverletzung ausgeglichen werden. Es sind daher ähnliche, wenn auch von den Maßstäben her verschiedene Erwägungen anzustellen wie bei der Prognose nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wo ebenfalls je nach Schwere möglicher neuer Taten unterschiedliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung zu stellen sind (BGH NStZ-RR 2005, 172; OLG Hamm StV 1988, 340; OLG Nürnberg, a.a.O.). Bei besonders gefährlichen vorausgegangenen Taten ist die Aussetzung dann in der Regel weniger leicht zu verantworten (BGH NStZ-RR 2003, 200; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999,346; Fischer, StGB 58. Aufl. § 57 Rdn. 12a m.w.N.).
36Diese Überlegungen besitzen aber keine unbegrenzte Geltung. Der von dem Bundesverfassungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgegebene Begriff „hochgradige Gefahr“ beinhaltet, dass auch bei dem denkbar schwersten Delikt, einer Straftat gegen das Leben, ein geringeres oder mittleres Rückfallrisiko nicht ausreicht, um zusammen mit der drohenden Rechtsgutsverletzung dasselbe Gewicht wie das entgegenstehende Freiheitsgrundrecht des Verurteilten gewinnen zu können. Die gleiche Überlegung gilt dem Begriff der schwersten Gewalt- oder Sexualstraftaten. Diese Voraussetzung schließt es aus, selbst bei höchster Rückfallgefahr eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung anzuordnen, wenn keine Verletzung der genannten Rechtsgüter droht. Um jedoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen zu können, muss sowohl dem Begriff der hochgradigen Gefahr als auch dem der schwersten Gewalt- oder Sexualstraftaten eine gewisse Bandbreite zugemessen werden. Diese sind untereinander ins Verhältnis zu setzen und so dem individuellen Grundrecht des Verurteilten gegenüber zu stellen. Die „hochgradige Gefahr“ beginnt jedenfalls oberhalb eines mittleren Rückfallrisikos (vgl. auch insoweit OLG Nürnberg, a.a.O.).
37Auch unter Berücksichtigung dieser Erwägungen muss hier in Bezug auf den Verurteilten eine solche hochgradige Gefahr weiterer schwerster Gewalt- und/oder Sexualtaten angenommen werden.
38Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Aachen ist in der aktuellen schriftlichen Stellungnahme vom 23.02.2010 durch die Äußerung des zuständigen Anstaltspsychologen unter anderem recht ausführlich auf in der Vergangenheit eingeholte Gutachten eingegangen. Sie hat geschildert, dass im Oktober 2002 bzw. Juli 2005 eine externe Therapie einvernehmlich beendet wurde bzw. in letztem Fall gescheitert sei. Hierzu teilte der externe Therapeut mit, in 3 probatorischen Sitzungen habe der Verurteilte weitere Arbeitsaufträge bzw. ein Behandlungsziel nicht nennen können. Im persönlichen Kontakt habe der Anstaltspsychologe seit Mai 2007 keinen von den geschilderten Befunden abweichenden Eindruck gewinnen können. Bezüglich der ihm empfohlenen Gesprächsgruppe für Sicherungsverwahrte habe er eine Teilnahme im Herbst 2007 zugesagt, es sich dann aber anders überlegt. Der Anstaltspsychologe hat weiter ausgeführt, bei dem Verurteilten liege eine Paraphilie vor. Er leide nicht hierunter, sondern unter der Inhaftierung. Von einer Behandlungsbedürftigkeit und -notwendigkeit könne ausgegangen werden, die Behandlungsmotivation sei indes extrinsisch bedingt. Das für eine therapeutische Behandlung erforderliche Minimum an Introspektions- und Reflektionsfähigkeit sei nach wie vor nicht zu erkennen. Seit der Begutachtung durch Dr. F 2007 habe er weder Kontakt zum psychologischen Dienst gesucht noch ein Interesse an irgendeiner Art von Behandlungsmaßnahmen gezeigt. Sich weiter verfestigende Hinweise auf einen dementiellen Abbauprozess seien, so der Anstaltspsychologe im Anschluss an Dr. F, besonders kritisch zu bewerten, da sie zu einer weiteren Akzentuierung der vorhandenen Persönlichkeitsmerkmale führen würden, die bereits für sich eine kritische Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose ergäben, zumal der Verurteilte sich weiterhin aktiv und körperlich allenfalls geringgradig eingeschränkt zeige.
39Die sehr erfahrene Sachverständige Prof. Dr. S hat in ihrem Gutachten vom 05.04.2011 umfassend dargestellt, dass aufgrund der bei dem Verurteilten bestehenden Persönlichkeitsproblematik und der nach wie vor bestehenden Alkoholproblematik derzeit nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass die bei dem Verurteilten durch die Taten zutage getretene Gefährlichkeit nicht mehr bestehe. Trotz seiner körperlichen Einschränkung könne er, ggf. nach erneuten Alkoholkonsum, potentielle kindliche Opfer durch sexuelle Übergriffe seelisch schädigen. Die Gutachterin stellt insoweit zwar eine gewisse Entaktualisierung dieser Gefahr fest, hält eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung aber nur dann für verantwortbar, wenn ein sozialer Empfangsraum bestünde, in dem über die Versorgung im Rahmen der allgemeinen Lebensführung hinaus Betreuungs- und Kontrollinstanzen existieren würden, die beispielsweise die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen und den Alkoholkonsum betreffen. Sie hat insoweit im Anhörungstermin hierzu nochmals deutlich herausgestellt, dass im Falle einer Entlassung des Verurteilten „auf die Straße“, also ohne eine besondere Beaufsichtigung und Kontrolle, von einer hochgradigen Gefahr erneuter schwerer Sexualstraftaten auszugehen sei und eine Entlassung nur in eine Einrichtung mit einem engen strukturellen Rahmen erfolgen könne.
40Nach der überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen, der sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, werde die Einrichtung „O“ in Aachen, die bislang als einzige Einrichtung bereit war, den Verurteilten aufzunehmen, diesen Vorgaben der Sachverständigen indes nicht gerecht. Die Sachverständige hat im Anhörungstermin der Kammer nach Erläuterung des Konzepts durch einen Verantwortlichen der Einrichtung „O“ plausibel und überzeugend dargelegt, dass dieses keine hinreichend engmaschigen Kontrollen gewährleisten würde. Dies gelte nach den Feststellungen der Sachverständigen umso mehr, als zur weiteren Risikoverminderung empfehlenswert sei, dass der Verurteilte möglichst wenig Kontakt zu seinem Lebensgefährten, Herrn I habe, was aufgrund der räumlichen Nähe zur Wohnung des Herrn I und der fehlenden Kontrollmöglichkeiten jedoch nicht gewährleistet werden könne.
41Den diesbezüglich überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung an. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem Konzept der „O“ der Verurteilte einen nicht unerheblichen Zeitraum des Tages, insbesondere an den Wochenenden, unbetreut wäre und auch innerhalb der Betreuungszeiten nur eine eingeschränkte Kontrolle des Lebenswandels des Untergebrachten erfolgen würde, scheint diese Einrichtung auch der Kammer nicht geeignet, die weiterhin bestehende hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer schwerster Straftaten, worunter die seelische Schädigung von Kindern im Falle sexueller Übergriffe durch den Verurteilten fraglos fallen würde, entscheidend zu minimieren.
42Es ist daher dringend erforderlich, eine entsprechende Einrichtung mit einer engmaschigeren Betreuung für Herrn XXX finden, die der derzeit noch bestehenden hohen Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Sexualstraftaten ausreichend zu begegnen vermag. Eine solche Einrichtung steht derzeit jedoch nicht zur Verfügung, sodass eine Entlassung aus der Maßregel derzeit auch nach den neuen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Betracht kommt.
43Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in Anbetracht der Schwere der zu erwartenden Straftaten weiterhin gewahrt.
44C Q M
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