Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 162/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Versicherungsprämien.
3Die Parteien waren durch zwei fondsbasierte Rentenversicherungsverträge miteinander verbunden. Den Vertrag mit der Vertragsnummer XXXXXXXXXXX (im Folgenden: Vertrag Nr. 86) schlossen die Parteien aufgrund des Antrags des Klägers vom 02.06.2004 mit Wirkung zum 01.07.2004. Den Vertrag mit der Nummer XXXXXXXXXXX (im Folgenden: Vertrag Nr. 31) schlossen sie aufgrund des Antrags des Klägers vom 25.06.2004 mit Wirkung zum 01.08.2004.
4Die vom Kläger unterzeichneten Antragsformulare enthielten jeweils auf der letzten Seite unmittelbar über der Unterschriftenzeile identische Belehrungen über ein Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers. Diese Belehrungen lauten:
5„Dem Versicherungsvertragsgesetz zufolge können Sie innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
6Nach Eingang der Anträge bei der Beklagten, übersandte diese dem Kläger die unter dem 11.06.2004 (Vertrag Nr. 86) beziehungsweise unter dem 02.07.2004 (Vertrag Nr. 31) ausgestellten Versicherungsscheine jeweils nebst einem Policenbegleitschreiben zu. Unstreitig waren den Versicherungsscheinen die von der Beklagten verwendeten allgemeinen Versicherungsbedingungen beigefügt. Die Policenbegleitschreiben enthielten jeweils unter der Überschrift „Widerspruchsrecht“ folgende Information:
7„Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. ...“
8Die monatlichen Beiträge für die beiden Versicherungsverträge beliefen sich auf 215,00 € bzw. 25,00 €. Zu dieser Zahlungsweise heißt es in § 10 der Versicherungsbedingungen für beide Verträge gleichermaßen unter anderem:
9„..
10§ 10 Was haben Sie bei der Beitragszahlung zu beachten?
11Zahlungsweise
12(1) Die Beiträge zu Ihrer Fondsgebundenen Rentenversicherung sind durch laufende jährliche Beitragszahlungen (Jahresbeiträge) zu entrichten. Selbstverständlich können Sie mit uns auch vereinbaren, die Jahresbeiträge in unterjährlichen Raten (hlabjährlich, vierteljährlich oder monatlich) zu zahlen. Zahlen sie die Beiträge in unterjährlichen Raten, werden hierzu Ratenzuschläge erhoben. Ihre Höhe finden Sie im Versicherungsschein.
13Beitragsfälligkeit
14(2) Der erste Beitrag wird sofort nach Abschluss des Versicherungsvertrages fällig, jedoch nicht vor dem vereinbarten Beginn der Versicherung. Alle weiteren Beiträge (Folgebeiträge) sind jeweils zum vereinbarten Fälligkeitstag an uns zu zahlen: Jahresbeiträge werden zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres fällig. Haben Sie mit uns vereinbart, die Beiträge in unter jährlichen Raten zu zahlen, so werden die Raten erst zu Beginn eines jeden Ratenzahlungs-Abschnitts fällig ...“
15Mit Schreiben vom 18.09.2009 kündigte der Kläger beide Verträge mit Wirkung zum 31.10.2009. Neben dem Kündigungsschreiben sandte er der Beklagten die Versicherungsscheine im Original zu. Die Beklagte rechnete daraufhin die Verträge ab und zahlte die sich jeweils ergebenden Rückkaufwerte an den Kläger aus.
16Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.12.2009 widersprach der Kläger dem Vertrag Nr. 86 und sodann mit anwaltlichem Schreiben vom 02.06.2010 auch dem Vertrag Nr. 31.
17Der Bevollmächtigte des Klägers forderte die Beklagte auf, die Differenz zwischen den jeweiligen Rückkaufswert und den jeweils geleisteten Prämien zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 7 % auf alle eingezahlten Prämien. Daraus ergaben sich folgende Abrechnungen:
18Für den Vertrag 86Summe aller eingezahlten Prämien 11.180,00 €abzgl. Rückkaufswert 5.535,04 €Differenz 5.644,96 €zzgl. Zinsen auf alle Prämien 3.043,41 €Klageforderung 8.688,37 €
19Für den Vertrag 31Summe aller eingezahlten Prämien 1.297,50 €abzgl. Rückkaufswert 424,80 €Differenz 872,70 €zzgl. Zinsen auf alle Prämien 378.45 €Klageforderung 1.251,15 €
20Der Kläger ist der Ansicht, die Beiträge (Prämien) seien insgesamt zurückzufordern, weil die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge (von Anfang an) nicht wirksam zustande gekommen seien. Dies folge aus der Unvereinbarkeit des jeweils nach Maßgabe von § 5 a VVG a.F. auf der Grundlage des so genannten „Policen-Modells“ durchgeführten Vertragsschlusses mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. § 5 a VVG a.F. gestatte, dass allgemeine Versicherungsbedingungen und sonstige Vertragsinformationen erst mit der Annahme eines Angebots des Versicherungsnehmers durch den Versicherer übermittelt und zum Gegenstand des Versicherungsvertrages gemacht werden. Wolle sich der Versicherungsnehmer auf die ihm jetzt erst bekannt gemachten Inhalte nicht einlassen, sei er gezwungen, den Versicherungsvertrag innerhalb der von § 5 a VVG a.F. bestimmten Fristen zu widerrufen. Dies verstoße gegen Artt. 35, 36 der sogenannten "Lebensversicherungsrichtlinie" vom 05.11.2002 in Verbindung mit deren Anhang III, die vorschrieben, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages u.a. die Modalitäten der Ausübung des Widerrufs- und Rücktrittsrechts mitzuteilen seien. Durch § 5 a Abs. 1 VVG werde bewirkt, dass der Versicherungsnehmer dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages binnen einer Frist von 14 Tagen widersprechen müsse, nachdem er erfahren habe, dass der Vertrag abgeschlossen worden sei. Schon der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht führe dazu, dass ein nach dem Policen-Modell geschlossene Vertrag von Anfang an unwirksam sei.
21Die (rückwirkende) Unwirksamkeit der beiden Versicherungsverträge ergebe sich jedenfalls daraus, dass - ungeachtet des Ablaufs aller in § 5 a VVG a.F. genannten Fristen - den Versicherungsverträgen durch die Rechtsanwaltsschreiben vom 21.12.2009 und vom 02.06.2010 widersprochen worden sei. Die Versäumung der Frist von einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie nach § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. sei ebenfalls im Hinblick auf den Verstoß gegen die dem nationalen Recht vorrangige Regelung in Art. 36 Abs. 1 der Lebensversicherungsrichtlinie irrelevant. Über dieses Rücktrittsrecht müsse der Versicherungsnehmer belehrt werden. Ohne eine vor Vertragsschluss erfolgte entsprechende Belehrung über das Widerspruchsrecht begännen die Widerspruchsfristen nach § 5 a VVG a.F. nicht zu laufen mit der Folge, dass der Widerspruch zeitlich unbefristet ausgeübt werden könne.
22Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, die Verträge seien infolge Widerrufs nach § 355 BGB (a.F.) unwirksam mit der Folge, dass jedenfalls unter diesem Aspekt die gezahlten Beiträge wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Beklagten zurückfordert werden könnten. Bei der Vereinbarung der unterjährlichen Zahlungsweise handele es sich um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub im Sinne von § 499 Abs. 1 BGB und damit um eine Kreditierung im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 PAngV. Das Widerrufsrecht sei nach Maßgabe von § 355 Abs. 2 BGB fristgerecht und damit wirksam ausgeübt worden, weil mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über das Widerrufsrecht eben dieses Recht nicht erloschen sei.
23Schließlich vertritt der Kläger die Auffassung, ihm stehe nach Maßgabe der sogenannten „Kickback“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegen die Beklagte gemäß § 280 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe der geleisteten Prämien zu. Die Beklagte habe ihn als Verbraucher beim Vertragsschluss nicht darüber informiert, dass sie von den Fonds, in die sie die Prämien der Versicherungsnehmer investiere, Rückvergütungen (sog. Kick-backs) erhalte. Dadurch sei es ihm (dem Kläger) bei Vertragsschluss nicht möglich gewesen zu überblicken, in welchem Umfang durch derartige Rückvergütungen das Eigeninteresse der Beklagten am Vertragsschluss beeinflusst worden sein mag. Die zu Aktienfonds und Medienfonds ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auf Versicherungsprodukte entsprechend anwendbar. Entsprechend der Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens im Falle einer Aufklärung sei davon auszugehen, dass der Versicherungsvertrag nicht geschlossen worden wäre und daher Prämien nicht gezahlt worden wären.
24Der Kläger beantragt,
251. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.939,52 € nebst Zinsen in Höhe von 7% seit dem 05.01.2010 zu zahlen,
262. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.038,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
27Der Kläger regt - unter Konkretisierung von Fragestellungen - hilfsweise an,
28die Sache gemäß Art 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte hält die zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsverträge für anfänglich wirksam. Sie vertritt die Ansicht, die mit Schreiben vom 21.12.2009 und 02.06.2010 erklärten Widersprüche seien gemäß § 5 a VVG a.F., der nicht gegen Europarecht verstoße, verfristet. Sie ist weiterhin der Meinung, § 355 BGB sei auf den Vertrag der Parteien nicht anwendbar. Die Vereinbarung einer unterjährlichen Zahlung begründe keinen Verbraucherkredit. Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Pflicht zur Aufklärung über Prämienrückvergütungen bestehe nicht. Die sog. Kick-back-Rechtsprechung zum Kapitalanlagerecht lasse sich auf Versicherungsprodukte nicht übertragen.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Parteivorbringens zur Tatsachen- und Rechtslage wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34I.
35Die zulässige Klage ist unbegründet.
361. Antrag zu 1 (Rückforderung von Prämien nebst Zinsen)
37Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Rückzahlung von Prämien und Zinsleistungen in Höhe von insgesamt 9.939,52 €.
38a) Anspruch auf Rückzahlung von Prämien
39aa) Ein Anspruch auf Rückzahlung von Prämien ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Die Prämien sind stets und dauerhaft mit Rechtsgrund gezahlt worden. Die hier in Rede stehende Versicherungsverträge ist weder ipso iure wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, noch wegen fristgerechter Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5 a Abs. 1 VVG a.F. (von Anfang) unwirksam gewesen.
40Die zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsverträge waren nicht von Anfang an wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, namentlich wegen Verstoßes gegen Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.11.2002 über Lebensversicherungen (im Folgenden: Richtlinie 2002/83/EG) in Verbindung mit deren Anhang III unwirksam. Die genannten Bestimmungen schreiben vor, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages u.a. die Modalitäten der Ausübung des Widerrufs- und Rücktrittsrechts mitzuteilen sind.
41(1) Auch ein nach Maßgabe von § 5 a VVG a.F. nach dem sogenannten Policenmodell bewirkter Vertragsschluss wird der Zielsetzung der Richtlinie 2002/83/EG gerecht. Nach § 5 a Abs. 1 (S. 2), Abs. 2 S. 1 VVG a.F. gilt ein Lebensversicherungsvertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers und seiner weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, sofern der - entsprechend belehrte - Versicherungsnehmer dem Vertrag nicht binnen 14 Tagen nach Überlassung der Klauselwerke widerspricht. Die Zielsetzung von Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG, den Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss über die Versicherungsbedingungen zu unterrichten, wird auch durch einen Vertragsschluss nach dem Policenmodell erreicht. Denn nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, der die Kammer folgt, ist der Vertrag bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist schwebend unwirksam (OLG Köln VuR kompakt 2010, 181; OLG Frankfurt VersR 2005, 631; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837; Prölss, in: Prölss/Martin, 27. Aufl. 2004, § 5 a Rn. 9; Römer, in: Römer/Langheid, 2. Aufl. 2003, § 5 a Rn. 24; Schwintowski, in: Berliner Kommentar zum VVG, 1999, § 5 a Rn. 78; jeweils m.w.N.). Der Vertrag kommt entsprechend § 184 Abs. 1 BGB rückwirkend zustande, wenn der Versicherungsnehmer ihm nicht innerhalb der Widerspruchsfrist widerspricht (Prölss, a.a.O., § 5 a Rn. 10; Römer, a.a.O., § 5 a Rn. 25 m.w.N.). Da die Widerspruchsfrist erst mit Übermittlung der Verbraucherinformation zu laufen beginnt, gewährleistet das Policenmodell, dass der Versicherungsnehmer an seine mit dem Versicherungsantrag abgegebene Willenserklärung erst nach Übermittlung der Verbraucherinformation gebunden ist. Das Ziel der Richtlinien ist somit auch beim Vertragsschluss nach § 5 a VVG a.F. erreicht (Prölss, a.a.O., § 5 a Rn. 7; Lorenz, VersR 1995, 616).
42(2) Ohne Bedeutung ist, dass die zum Widerspruchsrecht nach § 5 a Abs. 1 VVG a.F. erteilten Belehrungen unzureichend sein dürften. Anders als § 5 a Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 VVG a.F. dies verlangt, soll nach den dem Kläger erteilten Belehrungen der Lauf der Widerspruchsfrist bereits in Gang gesetzt werden, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und nicht auch die Verbraucherinformation nach § 10a VAG zugegangen ist. Dies steht hier einem wirksamen, weil mit dem EG-Recht konformen Vertragsschluss nicht entgegen. Denn jedenfalls mit Ablauf der in § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. normierten Ausschlussfrist von einem Jahr nach Zahlung der jeweils ersten Prämie wurden die beiden hier in Rede stehenden Verträge im Jahr 2005 rückwirkend wirksam. Die erst in 2009 bzw. 2010 erklärten Widersprüche kamen damit mehrere Jahre zu spät. Zwar sind ein solchermaßen begründete Vertragsschlüsse mit dem Inhalt von Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG nicht in Einklang zu bringen. Gleichwohl ist von der rechtlichen Maßgeblichkeit von § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. im vorliegenden Fall auszugehen.
43(a) Zweifelhaft ist bereits, ob den Richtlinien, auf die sich der Kläger beruft, eine horizontale Direktwirkung zwischen Privatrechtssubjekten zukommt. Grundsätzlich sind europäische Richtlinien zwischen Privatpersonen nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfen einer Umsetzung in nationales Recht. Insofern sieht Art. 249 Abs. 3 EGV bzw. Art. 288 Abs. 3 AEUV ein zweistufiges Rechtssetzungsverfahren vor. Zwar erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung eine unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen in eng begrenzten Ausnahmefällen – insbesondere auch im Falle der nur unzulänglichen Umsetzung einer Richtlinie – an. Das bei § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG aber nicht der Fall. Dazu müsste die Richtlinienbestimmung inhaltlich unbedingt und genau gefasst sein. Die hier in Rede stehenden Richtlinienbestimmungen besagen jedoch nur, dass dem Verbraucher vor Vertragsschluss Informationen zu übermitteln sind. Sie regeln jedoch nicht, welche Rechtsfolgen die unterbliebene Übermittlung nach sich zieht. Für eine Regelung wie § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. ist daher Raum.
44(b) Im übrigen darf nach dem Kontext, in dem Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG steht, angenommen werden, dass durch diese Regelung den Mitgliedstaaten keine Vorgaben für das Versicherungsvertragsrecht gemacht werden sollten, sondern lediglich Vorgaben für die Regelung der Versicherungsaufsicht. Die Zielsetzung der Richtlinie 2002/83/EG wird in den ihr vorangestellten Erwägungen dahin formuliert, dass Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedsstaaten beseitigt werden sollen (vergleiche Erwägung 2 der Richtlinie 2002/83/EG). Ferner ergibt sich aus Erwägung 44, dass die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarktes im Versicherungssektor sein soll. Die den Mitgliedstaaten gelassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmensverpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, soll eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer darstellen. Diesen Vorgaben für die Regelung der Versicherungsaufsicht hat der Gesetzgeber durch die Umsetzung in § 10 a VAG Genüge getan (Oberlandesgericht Köln VuR kompakt 2010, 181, Oberlandesgericht Frankfurt VersR 2005, 631).
45(3) Nach alledem bestehen gegen ein wirksames Zustandekommen der Versicherungsverträge keine europarechtlichen Bedenken.
46bb) Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Prämien ergibt sich auch nicht aufgrund eines Widerrufs der Angebotserklärungen vom 02.06.2004 bzw. vom 25.06.2004 aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1, 355, 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. Dem Kläger stand kein Widerrufsrecht nach §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1, 355 BGB a.F. zu, denn bei den in § 10 der Allgemeine Versicherungsbedingungen für den Fall der unterjährlichen Prämienzahlung vorgesehenen Ratenzuschlägen handelt es sich nicht um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub im Sinne von § 499 Abs. 1 BGB a.F.
47Aus der Begründung des Regierungsentwurfs zum Verbraucherkreditgesetz, welches mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 01.01.2002 aufgehoben wurde und dessen Regelungen in das BGB integriert worden sind, geht hervor, dass Dauerschuldverhältnisse mit laufenden Zahlungen nicht schon dann vom Verbraucherkreditrecht erfasst werden, wenn die Tarife nach der Zahlungsweise (monatlich, vierteljährlich usw.) gestaffelt werden, wie dies bei Versicherungsverträgen häufig der Fall ist wird. Bei einer solchen Tarifgestaltung liegt kein Zahlungsaufschub vor; vielmehr stehen Rabattgesichtspunkte im Vordergrund (BT-Drucksache 11/5462, S. 17). Dies entspricht der gängigen Praxis, wonach eine jährliche Zahlungsweise die Ausnahme bildet, eine unterjährige Zahlung der Prämien aber den Regelfall darstellt.
48Ein Zahlungsaufschub ist nur anzunehmen, wenn die Fälligkeit der gegen den Verbraucher gerichteten Geldforderung zu seinen Gunsten durch Vereinbarung eines vom dispositiven Recht abweichenden Fälligkeitszeitpunkts vertraglich hinausgeschoben wird (Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage <2004>, § 499 Rn. 8). Eine solche Vereinbarung haben die Parteien vorliegend aber nicht getroffen. Die Vereinbarung der monatlichen Fälligkeit der Prämien weicht nicht von einer dispositiven gesetzlichen Regelung, die eine jährliche Fälligkeit vorsieht, ab. Eine solche gesetzliche Regelung existiert nämlich nicht. Das Versicherungsvertragsgesetz enthält mit § 35 a.F. (entspricht § 33 Abs. 1 VVG n.F.) lediglich eine Regelung der Fälligkeit von Einmalprämien und Erstprämien. Die Fälligkeit von Folgeprämien ist dagegen nicht im VVG geregelt, sondern richtet sich gemäß § 271 Abs. 1 BGB nach der Parteivereinbarung (OLG Stuttgart v. 23.12.2010, 7 U 187/10; LG Köln v. 7.7.2010, 26 O 609/09- jeweils zitiert nach juris).
49cc) Ein Anspruch des Klägers auf Prämienrückzahlung ergibt sich auch nicht als Schadensersatzforderung gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB.
50Ein solcher Anspruch kann nicht mit Erfolg auf pflichtwidriges Verschweigen von Rückvergütungen der den Lebensversicherungsverträgen wirtschaftlich zugrunde liegenden Fonds (sog. „Kick-Back“-Zahlungen) gestützt werden. Die Beklagte war gegenüber dem Kläger nicht verpflichtet, ihn vor dem jeweiligen Vertragsschluss über derartige Kick-Backs zu unterrichten. Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kick-Back-Zahlungen bei Fondsanlagevermittlungen auf Versicherungsprodukte entsprechend anwendbar ist. Nach dieser Rechtsprechung muss eine Bank, die Fondsanteile empfiehlt, darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält (BGH NJW 2007, 1876). Verletzt die Bank diese Aufklärungspflicht, macht sie sich gegenüber dem Anleger schadensersatzpflichtig. Diese Grundsätze sind jedoch auf den Abschluss fondsgebundener Lebensversicherungen nicht anwendbar (LG Köln v. 7.7.2010, 26 O 609/09 - juris -). Wenngleich der Kunde beim Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch die Auswahl des mit dem Vertrag verbundenen Investmentfonds auf die Ausgestaltung seiner Vermögensanlage Einfluss nehmen kann, schließt er ausschließlich einen Vertrag mit dem Versicherer ab. Vermittelt dagegen ein Finanzdienstleister einen Investmentfonds, wird die Kapitalanlagegesellschaft zum Vertragspartner des Kunden, der selbst Fondsanteile erwirbt. Der Kunde hat in diesem Fall ein Interesse an der Offenlegung etwaiger Kick-Back-Zahlungen, um entscheiden zu können, ob das angebotene Produkt tatsächlich seinem Interesse dient oder dem Interesse der Bank an einer hohen Rückvergütung.
51b) Mangels Hauptanspruch steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von bereits kapitalisierten Zinsen bzw. als Nebenforderung der Ansprüche auf Prämienrückforderung in Höhe von 7 % dem 05.01.2010 geltend gemachten Zinsen zu.
522. Antrage zu 2 (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten)
53Mangels vorgerichtlich geltend zu machenden Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
54II.
55Das erkennende Gericht sieht sich aus den genannten Gründen nicht dazu veranlasst, entsprechend der Anregung des Klägers das Verfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV auszusetzen und die vom Kläger in seinem Antrag gestellten Fragen dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen. Als erstinstanzliches Gericht ist es hierzu gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV auch nicht verpflichtet.
56III.
57Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sowie auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
58IV.
59Der Streitwert wird auf 9.939,52 45 € festgesetzt.
60C |
T |
G |
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.