Beschluss vom Landgericht Aachen - 6 T 115/11
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 02.09.2011 gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 26.08.2011 in der Gestalt des neugefassten Beschlusses vom 27.09.2011 wird kostenpflichtig verworfen.
1
Gründe
2I.
3Mit Schreiben vom 10.06.2011 stellte die Beschwerdegegnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdeführers. Im Gläubigerantrag wurde für den Schuldner die Wohnanschrift: „L- Straße # in ## B“ angegeben. Dabei wurde in der Antragsschrift dargelegt, dass der Schuldner nach Mitteilung der Gerichtsvollzieherin U – bekannt aus anderen Sachen – unbekannt verzogen sei, dass jedoch nach eigenen Recherchen im Haus L- Straße # in ## B davon auszugehen sei, dass der Schuldner nach wie vor dort wohne; zudem habe eine Anfrage bei der Verwaltung des Deutschen Bundestages ergeben, dass dort nur die benannte Wohnanschrift bekannt sei.
4Der Schuldner ist ehemaliger Politiker und bezieht vom deutschen Bundestag entsprechende Bezüge.
5Mit Verfügung des Insolvenzgerichts vom 07.07.2011 wurde die Zustellung des Antrages an den Beschwerdeführer durch Aufgabe zur Post veranlasst. Ausweislich Ziffer 1 der vorgenannten Verfügung ist vermerkt: „Der Eröffnungsantrag ist zulässig“. Mit Schreiben vom 13.07.2011 teilt der Sohn des Schuldners dem Insolvenzgericht mit, dass der Schuldner seinen Wohnsitz in Großbritannien habe. Es wurde eine Meldebestätigung der Stadt B vorgelegt, demnach der Schuldner am 22.04.2009 aus der Wohnung: L- Straße # in ## B ausgezogen ist und sich nach Großbritannien abgemeldet habe. Auf weitere Nachfrage des Insolvenzgerichts bei dem Sohn des Schuldners teilte dieser mit, dass ihm als letzte bekannte Anschrift seines Vaters die Adresse: „'###, #####, ##### Untited Kingdome“ bekannt sei. Mit Schreiben vom 09.08.2011 teilte die Gläubigerin mit, dass durch den Dienstleister D habe ermittelt werden können, dass sich der Schuldner nach wie vor unter der Anschrift L- Straße # in ## B aufhalte. Insoweit legte die Gläubigerin das Schreiben der Firma D vom 29.07.2011 vor, in diesem heißt es: „Er [der Schuldner] hat sich beim Einwohnermeldeamt B ins Vereinigte Königreich, ohne nähere Angaben abgemeldet, aber die unter einem Vorwand befragten Nachbarn (wie z.B. Familie G) bestätigten jedoch, dass er dort noch immer wohnhaft ist.“
6Mit richterlicher Verfügung vom 12.08.2011 wird der Eröffnungsantragsstellerin mitgeteilt, dass das Gericht den Antrag zunächst unter der seitens des Sohnes des Schuldners angegeben Anschrift zustellen werde und beabsichtigt sei, nach Ablauf der Anhörungsfrist einen Sachverständigen mit den Ermittlungen zunächst zur Zuständigkeit des Insolvenzgerichts B zu beauftragen. Der Gläubigerantrag wurde dem Schuldner sodann unter der benannten Adresse in Großbritannien zugestellt.
7Mit Schriftsatz vom 25.08.2011 rügt der Schuldner durch seinen Prozessbevollmächtigten die internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, weil er den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen i.S. des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO bereits seit Jahren nicht in Deutschland, sondern im Vereinigten Königreich habe.
8Mit Beschluss vom 26.08.2011 ordnete das Insolvenzgericht zur Aufklärung des Sachverhalts die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Beschlusses (Bl. 72 GA) Bezug genommen.
9Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 02.09.2011. Infolge der Beschwerde fasste das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 27.09.2011 den Beweisbeschluss vom 26.08.2011 neu. Dieser lautet nunmehr dahingehend, dass zunächst ein schriftliches Sachverständigengutachten darüber eingeholt werden soll, in welchem Land sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) und ob ggf. in einem anderen Mitgliedsstaat bereits ein Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde und ob und ggf. welche Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind. Mit der Erstattung des Gutachtens wurde Herr Rechtsanwalt B1 T aus B beauftragt. Weiterhin heißt es in dem vorgenannten Beschluss: „Der Sachverständige ist berechtigt, Auskünfte über die Verhältnisse, die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit von Bedeutung sind, bei Dritten einzuholen. Der Schuldner hat dem Sachverständigen Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten, soweit dies für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit des Gerichts von Bedeutung ist und sie ihm auf Verlangen bis zur Entscheidung über die Zuständigkeit des Gerichts und ggf. eine anschließende Eröffnung des Verfahrens herauszugeben. Er hat alle Auskünfte zu erteilen, die zur Aufklärung der streitigen Zuständigkeitsfrage erforderlich sind. Es wird darauf hingewiesen, dass das Gericht bei Missachtung dieser Pflichten den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung laden, zwangsweise vorführen lassen oder in Haft nehmen lassen kann (§§ 97, 98 InsO).“
10Mit Beschluss vom 27.09.2011 des Insolvenzgerichts wurde die Beschwerde sodann dem Beschwerdegericht vorgelegt.
11Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass das Insolvenzgericht nicht berechtigt gewesen sei, den Beweisbeschluss – auch in der Gestalt des neugefassten Beschlusses – zu erlassen; insbesondere sei er durch die auferlegten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten in seinen Grundrechten beeinträchtigt. Der Beschluss widerspreche der Gesetzeslage, so insbesondere § 20 InsO.
12Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der weiteren Schriftsätze des Beschwerdeführers im Abhilfe- und Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
13II.
14Das eingelegte Rechtsmittel ist bereits nicht statthaft.
15Zutreffend hat bereits das Insolvenzgericht darauf hingewiesen, dass ein Rechtsmittel gegen die mit Schriftsatz vom 02.09.2011 angegriffene Entscheidung des Insolvenzgerichts vom 26.08.2011 – in Gestalt des infolge der teilweisen Abhilfe neugefassten Beschlusses vom 27.09.2011 - nicht gegeben ist.
16Gemäß § 6 InsO unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die InsO die sofortige Beschwerde vorsieht. Beweiserhebungen gemäß § 5 InsO sind grundsätzlichen nicht mit einem Rechtsmittel angreifbar. Zwar mag gegen eine Maßnahme, die das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren anordnet, die sofortige Beschwerde analog § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO statthaft sein, wenn die Maßnahme von vorneherein außerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse liegt und in den grundrechtlich geschützten räumlichen Bereich des Schuldners eingreift (vgl. BGH ZInsO 2011, 1499-1500 mit Verweis auf BGH, NJW 2004, 2015). Dies ist jedoch nicht der Fall.
17a) Die Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den im Beweisbeschluss vom 27.09.2011 niedergelegten Beweisfragen stellt keine Maßnahme, die von vorneherein außerhalb der gesetzlichen Befugnisse des Insolvenzgerichts liegt, dar. Zwar mag es zutreffen, dass im Zulassungsverfahren grundsätzlich noch keine Amtsermittlungspflicht gem. § 5 InsO besteht (vgl. BGH NZI 2003, 147 mit Verweis auf: AG Dresden, ZIP 2002, 862; Ganter, in: MünchKomm-InsO, § 5 Rdnr. 13; Schmahl, in: MünchKomm-InsO, § 13 Rdnr. 88; Kirchhof, in: Heidelberger Komm. z. InsO, § 14 Rdnr. 22) und diese im Grundsatz erst eingreift, wenn ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt. Abgesehen von den Besonderheiten im Zusammenhang mit der Beurteilung der internationalen Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes und der später noch darzustellenden bereits erfolgten Zulassung durch das Insolvenzgericht hat der Bundesgerichtshof (ZInsO 2011, 1499f.) in seiner Entscheidung vom 14.07.2011 ausgeführt: „Die Anordnung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung liegt nicht generell außerhalb der Befugnisse des Insolvenzgerichts im Eröffnungsverfahren. Der Gesichtspunkt, dass die Pflicht des Insolvenzgerichts zur Amtsermittlung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO) erst eingreift, wenn ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt (Festhaltung BGH, 12. Juli 2007, IX ZB 82/04, ZIP 2007, 1868), rechtfertigt es nicht, in der Einholung des Gutachtens eine Maßnahme zu sehen, die jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und sich damit als objektiv willkürliche Maßnahme darstellt.“ Dabei erachtete der Bundesgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall es ebenfalls als unbedenklich, dass der dortige Beweisbeschluss jenseits der Beweisfrage dahingehend formuliert war, dass der Sachverständige die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlichen Tatsachen ermitteln sollte. Insoweit führte er aus: „Der allgemein gehaltene Auftrag an den Sachverständigen, die für die Beurteilung der Anerkennung der in England erteilten Restschuldbefreiung bedeutsamen Tatsachen zu ermitteln, ermächtigt den Sachverständigen weder zu Beweiserhebungen im Ausland unter Missachtung der dafür geltenden Voraussetzungen noch zu Maßnahmen, die in Grundrechte des Schuldners eingreifen.“ Zudem ist anerkannt, dass ein Gläubigerantrag, soweit er – wie hier - im übrigen zulässig ist, ungeachtet der möglichen örtlichen Unzuständigkeit an den Schuldner zugestellt werden kann und etwaige verbleiben Zweifel an der Zuständigkeit im Folgenden i.R.d. Amtsermittlung durch Einholung eines Gutachtens geklärt werden können (vgl. Rüther-Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 3 A, § 3 Rn. 5f.). Hängt also die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage von einzelnen Tatsachenfragen ab, kann das Gericht im Rahmen des § 5 InsO die Einholung eines Sachverständigengutachtens anordnen – soweit dieses ein geeignetes Beweismittel darstellt. Dies beurteilt sich jeweils an den Umständen des betroffenen Einzelfalles. Im vorliegenden Fall ist dies zur Beantwortung der Frage in welchem Land sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, und ob und ggf. welche Sicherungsmaßnahmen zu treffend sind, zu bejahen.
18b) Letztlich stellen auch die vom Insolvenzgericht im vorgenannten Beweisbeschluss vom 27.09.2011 dem Schuldner auferlegten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten keine Maßnahmen dar, die von vorneherein außerhalb der gesetzlichen Befugnisse des Insolvenzgerichts liegen. Richtig ist zwar, dass dem Schuldner nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 InsO die infolge der umfassenden Verweisung auf die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO statuierten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten erst obliegen, wenn der Insolvenzantrag zulässig ist. Maßgeblich für das Entstehen dieser Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ist jedoch entgegen der Ansicht des Schuldners die erste Zulassung des Insolvenzantrages durch das Insolvenzgericht (vgl. Münchener Kommentar, § 20 Rn. 25; Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, 13 A., § 20 Rn. 7). Stellt sich sodann im Verlauf des Eröffnungsverfahren heraus, dass das Insolvenzgericht den Antrag nicht hätte zulassen dürfen, entfällt die Auskunftspflicht nicht nachträglich (vgl. Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, 13 A., § 20 Rn. 7). Im vorliegenden Fall hat das Insolvenzgericht den Gläubigerantrag vor dem Erlass des hier streitgegenständlichen Beschlusses zugelassen. Dabei ist im Rahmen des hier allenfalls zulässigen Rechtsmittels lediglich zu prüfen, ob diese Zulassung willkürlich erfolgte. Das ist nicht der Fall. Es kann dahinstehen, ob bereits bei der ersten Zustellung durch Aufgabe zur Post ausreichende Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass sich unter der ausgewiesenen Anschrift der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet. Jedenfalls bei der unter dem 15.08.2011 verfügten Zustellung an den Schuldner unter der Anschrift in United Kingdom, ging das Insolvenzgericht offensichtlich zunächst einmal im Grundsatz von einer internationalen Zuständigkeit aus. Insoweit ließ sich das Insolvenzgericht durch die Glaubhaftmachung der Gläubiger im Schriftsatz vom 09.08.2011 leiten. Insoweit legte die Gläubigerin ein Schreiben der ihrerseits beauftragten Firma D vom 29.07.2011 vor, demnach eine Befragung von Nachbarn ergab, dass der Schuldner unter der B Anschrift immer noch wohnhaft ist. An dieser Stelle kann dahinstehen, welche tatsächlichen Anknüpfungstatsachen gegeben sein müssen um in rechtlicher Hinsicht feststellen zu können, wo sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet und somit eine internationale Zuständigkeit anzunehmen ist. Denn die Anknüpfung an den Wohnsitz des Schuldners ist jedenfalls nicht willkürlich. Letztlich steht der Annahme einer Zulassung des Insolvenzantrages auch nicht entgegen, dass das Insolvenzgericht von vorneherein beabsichtigte die örtliche/internationale Zuständigkeit zunächst weiter aufzuklären. In diesem Zusammenhang kann auf die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes zur Vorschrift des § 21 InsO verweisen werden. Zwar setzt auch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich einen zulässigen Insolvenzantrag voraus (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1062-1064). Insoweit hat der BGH jedoch ausgeführt: „Diese enge Handhabung des § 21 InsO ist mit den berechtigten Sicherungsinteressen der Insolvenzgläubiger jedenfalls dann nicht zu vereinbaren, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen mit überwiegender, auf gesicherter Grundlage beruhender Wahrscheinlichkeit gegeben sind und sich das Insolvenzgericht die letzte Gewissheit erst im weiteren Verfahrensablauf verschaffen kann. Dies gilt in besonderem Maße für Zulässigkeitsvoraussetzungen, die - wie Zuständigkeitsfragen - nicht in der Sphäre des Gläubigers wurzeln und erst mit Hilfe eines Sachverständigen oder vorläufigen Insolvenzverwalters, dem entsprechende Befugnisse übertragen worden sind, geklärt werden können.“ (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1062-1064). Vor diesem Hintergrund ist die Vorgehensweise des Insolvenzgerichts – soweit es im Rahmen des zulässigen Rechtsmittels überhaupt der Überprüfung durch das Beschwerdegericht unterstellt ist – nicht zu beanstanden.
19Im Übrigen ist, soweit der Beschwerdeführer auf Art. 19 Abs. 4 GG verweist, anzumerken, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes keinen Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Rechtszuges eröffnet (vgl. BVerfGE 92, 365, 410). Jenseits der oben dargestellten höchstrichterlichen Grundsätze können die Instanzgerichte außerhalb des vom Gesetzgeber eingeräumten Rechtszuges eigenständig keine Rechtsmittelmöglichkeiten zubilligen. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens durch das Beschwerdegericht auch nicht überprüfbar, ob auf der Grundlage des angegriffenen Beschlusses die für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen rechtlichen Anknüpfungstatsachen berücksichtigt wurden.
20Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
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