Beschluss vom Landgericht Aachen - 6 T 101/11
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 07.07.2011 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
Gründe
2I.
3Der Schuldner betreibt mit zwei Vollzeitkräften und einer Teilzeitkraft ein Einzelunternehmen mit dem Geschäftszweig Blumeneinzelhandel, Friedhofsgärtnerei und Landschaftsbau an zwei Betriebsstätten in N und L.
4Mit Antrag vom 22.02.2011, beim Amtsgericht eingegangen am 26.02.2011, Aktenzeichen 91 IN 68/11, beantragte die Antragstellerin zu 1) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, weil der Schuldner mit der Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 31.01.2011 in Höhe von 4.086,76 Euro in Rückstand geraten war. Der Eröffnungsantrag wurde dem Schuldner zugestellt. Mit Antrag vom 09.03.2011 beantragte zudem die Antragstellerin zu 2), Aktenzeichen 91 IN 85/11, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil der Schuldner Beiträge zur Kranken-, Pflege-, und Renten- und Arbeitslosenversicherung, zur Umlage, sowie einschließlich der Nebenkosten des Zwangsversteigerungsverfahrens für die Zeit vom 01.07.2010 bis 28.02.2011 in Höhe von 3.676,60 Euro schuldete. Auch dieser Antrag wurde dem Schuldner zugestellt. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 28.04.2011 Beweiserhebungen u.a. zum Vorliegen eines Insolvenzgrundes an. Der Sachverständige M erstattete unter dem 05.05.2011 dahin Bericht, dass im Hinblick auf die offenstehenden Forderungen der Antragstellerinnen und dem Nichtvorhandensein von flüssigen Mitteln von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen sei. Mit Beschluss vom 09.05.2011 ordnete das Amtsgericht auf Anregung des Sachverständigen die vorläufige Insolvenzverwaltung an.
5Die Lebensgefährtin des Schuldners leistete in der Zeit vom 11.05.2011 bis zum 16.05.2011 insgesamt Zahlungen in Höhe von 15.147,08 EUR an Gläubiger des Schuldners, deren Forderungen fällig waren. Unter diesen Gläubigern befinden sich auch die Antragstellerinnen. Der Schuldner ist nach den zwischen ihm und seiner Lebensgefährtin geschlossenen Vereinbarungen jedenfalls derzeit nicht zur Rückzahlung des geleisteten Betrages verpflichtet. Mit der S, der Grundpfandrechtsgläubigerin, vereinbarte der Schuldner einen Aufschub der Verwertung der Sicherheiten bis zum 30.09.2011. Den beiden in der Betriebsstätte in N beschäftigten Arbeitnehmerinnen sprach der Schuldner zum Ende des Monats Mai die Kündigung aus und meldete die bei der Antragstellerin zu 2) versicherte Vollzeitkraft zum Ende des Monats Mai ab. Weitere Arbeitnehmer des Schuldners sind bei der Antragstellerin zu 2) derzeit nicht gemeldet.
6Der vorläufige Insolvenzverwalter erstattete mit Datum vom 19.05.2011 sein Abschlussgutachten und kam zu dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Antragstellung eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe, diese aber nicht mehr bestehe. Wegen der Einzelheiten wird auf das zu den Akten gereichte Abschlussgutachten (91 IN 68/11, Bl. 98 ff d.A.) Bezug genommen. Die Antragstellerin zu 1) hat den Antrag mit Schreiben vom 17.05.2011, eingegangen beim Amtsgericht am 20.05.2011, für erledigt erklärt und beantragt, dem Schuldner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Antragstellerin zu 2) berief sich hingegen auf § 14 Abs. 1 S. 2 InsO und erklärte mit Schreiben vom 28.05.2011, dass sie um Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens bitte; eine Erledigung wurde ausdrücklich nicht erklärt.
7Der Schuldner hat sich mit Schreiben vom 06.06.2011 der Erledigungserklärung der Antragstellerin zu 1) angeschlossen und beantragte, der Antragstellerin zu 1) die Kosten aufzuerlegen.
8Mit Beschluss vom 07.07.2011 hat das Amtsgericht die Verfahren 91 IN 68/11 und 91 IN 85/11 unter Führung des zuerst genannten Verfahrens verbunden, den Eröffnungsantrag der Antragstellerin zu 2) als unzulässig abgewiesen und die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Schuldners diesem und der Antragstellerin zu 2) zu gleichen Teilen auferlegt; die Kosten der Antragstellerin zu 1) wurden dem Schuldner auferlegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass
9die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 2 InsO, der die Weiterverfolgung des Eröffnungsantrags trotz Befriedigung des Gläubigers ermöglicht, nicht vorlägen. § 14 Abs. 1 S. 2 InsO setzt voraus, dass in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens gestellt worden ist. Dabei ergäbe sich sowohl aus dem Wortlaut, als auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, dass lediglich ein bereits abgeschlossenen Antragsverfahren gemeint sei. Hinzu kommt, dass auch Bedenken hinsichtlich eines fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin zu 2) bestünden, da ausweislich der Gesetzesbegründung von einem trotz Erfüllung der Forderung fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis lediglich bei den Sozialversicherungsträgern und dem Fiskus auszugehen sei.
10Mit Ihrer Beschwerde vom 28.07.2011 wendet sich die Antragstellerin zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 07.07.2011 und ist der Auffassung, dass ihr Eröffnungsantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen worden sei; es läge ein Fall des § 14 Abs. 1 InsO vor; gerade der vorliegende Fall sei auch von der Vorschrift erfasst; dass nur abgeschlossene Antragsverfahren gemeint seien ließe sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren. Der Antrag sei allenfalls unbegründet gewesen. Darüberhinaus sei die Kostenentscheidung unzutreffend.
11II.
12Zu Recht hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Denn die sofortige Beschwerde ist zwar gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. § 6 InsO zulässig, aber nicht begründet.
131. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Eröffnungsantrag der Antragstellerin zu 2) unzulässig ist.
14Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und sowohl seine Forderung als auch den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Unstreitig war die Forderung der Antragstellerin zu 2) im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts über den Eröffnungsantrag erfüllt und der Antrag daher unzulässig. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 2) waren vorliegend auch nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO erfüllt. Danach wird der Eröffnungsantrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird, wenn in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden war. Zwar weist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hin, dass vor ihrem Antrag bereits der Antrag der Antragstellerin zu 1) anhängig geworden ist. Jedoch geht das Amtsgericht unter Anwendung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung, d.h. der Auslegung nach Wortsinn, Systemzusammenhang, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift, zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO nur dann als erfüllt anzusehen sind, wenn dem entscheidungsgegenständlichen Eröffnungsantrag bereits ein abgeschlossenes Antragsverfahren vorangegangen ist.
15Bereits der Wortlaut der Vorschrift stützt dieses Auslegungsergebnis. Die Formulierung „gestellt worden war“ deutet darauf hin, dass der Antrag nicht mehr anhängig ist und impliziert, dass das durch ihn eingeleitete Verfahren abgeschlossen ist. Der systematische Zusammenhang steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Zutreffend weist das Amtsgericht darauf hin, dass letztlich auch die Entstehungsgeschichte für eine solche Auslegung spricht. Im Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 17/3030, 17/3361 heißt es (BT-Drucks 17/3452, S.6):
16„Durch die Änderung soll – in Anlehnung an eine Regelung im Mietrecht – ein Insolvenzantrag nach Erfüllung der zugrunde liegenden Forderung künftig nur dann aufrecht erhalten werden können, wenn gegen den Schuldner in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits einmal ein Insolvenzantrag gestellt und das vorangegangene Verfahren nach der Begleichung der Forderung nicht fortgeführt wurde. Im Falle der Erfüllung einer Forderung nach einem erstmaligen Insolvenzantrag innerhalb von zwei Jahren bleibt es damit auch künftig bei der bisherigen Rechtslage. Die vorangegangene Antragstellung ist vom antragstellenden Gläubiger glaubhaft zu machen. Dadurch werden Unternehmen vom Anwendungsbereich der Regelung des Regierungsentwurfs ausgenommen, die aufgrund einer lediglich temporären Liquiditätslücke ihre Verbindlichkeiten, insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge oder Steuerforderungen, nicht bedienen können, obwohl sie aus eigener Kraft noch sanierungsfähig wären.“
17Damit spricht die Gesetzesbegründung nicht nur von einem „vorangegangenen Eröffnungsantrag“ und einem „vorangegangenen Eröffnungsverfahren“, wodurch verdeutlicht wird, dass auch der Gesetzgeber von einem bereits abgeschlossenen Eröffnungsverfahren ausgegangen ist. Vielmehr wird zudem ausdrücklich klargestellt, dass durch diese Regelung diejenigen Unternehmen privilegiert werden sollen, die aufgrund einer lediglich temporären Liquiditätslücke ihre Verbindlichkeiten nicht bedienen können. Dies entspricht im Übrigen dem Sinn und Zweck dieser Regelung, der ebenfalls die von der Kammer geteilte Auslegung des Amtsgerichts stützt. Es ist nicht auf den formalen Aspekt des bloßen Vorhandenseins zweier Anträge, sondern darauf abzustellen, ob die Anträge dieselbe temporäre Liquiditätslücke betreffen. Dies ist anzunehmen, wenn das bereits laufende Antragsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Ein anderes Verständnis dieser Ausnahmevorschrift würde diese sinnentleeren. Gegen eine Auslegung im Sinne der Beschwerdeführerin spricht zudem, dass auch in ihrer Lesart des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO ihr Anwendungsbereich nicht als eröffnet angesehen werden kann, wenn dem Antragsteller ein Austausch der dem Antrag zugrunde liegenden Forderung möglich wäre. Es ist nämlich – insbesondere bei einem Dauerschuldverhältnis - nicht einzusehen, dass der Gläubiger während eines noch nicht abgeschlossenen, aber von ihm initiierten Insolvenzverfahrens durch die Stellung eines weiteren Antrages die Wirkung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO erzielen kann. Nichts anderes kann dann aber für einen weiteren Gläubiger gelten, der während eines anhängigen Eröffnungsverfahrens (s)einen Eröffnungsantrag stellt. Es gäbe auch insoweit keinen sachdienlichen Grund diesen gegenüber dem verfahrensbetreibenden Antragsteller zu privilegieren.
182. Der Antragsgegnerin waren auch die Kosten des Verfahrens anteilig aufzuerlegen, § 4 InsO, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Insoweit hat das Amtsgericht das Unterliegen der Antragstellerin zu 2) im Rahmen der einheitlich gebildeten Kostenmischentscheidung zutreffend berücksichtigt. Insbesondere waren dem Schuldner die Kosten nicht gemäß § 14 Abs. 3 InsO insgesamt aufzuerlegen. Gemäß § 14 Abs. 3 InsO hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt und der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin zu 2) ist § 14 Abs. 3 InsO weder direkt noch analog anwendbar. Gegen eine direkte Anwendung spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Mangels Regelungslücke kommt indes auch keine analoge Anwendung in Betracht. Es besteht keine Notwendigkeit § 14 Abs. 3 InsO auf den Fall der Unzulässigkeit des Antrages analog anzuwenden, da dieser Fall durch die Anwendung der §§ 91, 91 a ZPO sachgerecht erfasst wird (vgl. Pape in RWS Kommentar zur InsO, § 14 Rn. 172; a.A. wohl Gundlach/Rautmann NZI 2011, 315, 317f.). Der Gläubiger, der sich trotz Erfüllung seiner Forderung auf den Sonderfall des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO beruft, geht das Risiko ein, die Kosten des Verfahrens tragen zu müssen, wenn die Voraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt sind. Dies entspricht auch dem allgemeinen Grundgedanken des Kostenrechts, demnach den Gläubiger, der seine erfüllte Forderung weiterhin verfolgt, die gesamte Kostenlast des Verfahrens trifft. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 2) - daraus, dass infolge der bereits durchgeführten Ermittlungen im vorliegenden Fall feststand, dass im Zeitpunkt der Antragstellung eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorlag. Denn maßgeblich für die Unzulässigkeit des Antrages der Antragstellerin zu 2) ist, das die Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO eben nicht vor.
19Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 4 InsO, § 97 ZPO.
20Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, da die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist.
21Streitwert: 4.000,00 Euro.
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