Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 318/11
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.400,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 900,00 Euro seit dem 05.02.2011, 05.03.2011, 05.04.2011, 05.05.2011, 05.06.2011 soweit seit dem 05.07.2011 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin betreibt eine Privatschule in S. Mit den Beklagten schlossen sie am 18.05.2009 einen Schulvertrag für deren Tochter G. Vereinbart wurde ein monatliches Schulgeld von 620,00 Euro plus Nebenkosten (= 900,00 Euro) sowie eine dreimonatige Probezeit. Weiter wurde im Schulvertrag (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 23.08.2011, Bl. 19 d. A.) u. a. Folgendes geregelt:
3Nr. 2: "[…] Sollten zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns oder später die Schülerleistungen den Unterrichtsanforderungen oder den Anforderungen zur Erlangung des vereinbarten Schulabschlusses nicht genügen, kann die Schule jeweils zu den Halbjahres- und/oder Versetzungszeugnissen eine Rückstufung bzw. die Wiederholung einer Jahrgangsstufe veranlassen."
4Nr. 5: Abs. 2: "Alle Zahlungen sind spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Monatsfällig. […]"
5Nr. 6: "Die Abmeldung einer Schülerin / eines Schülers muss per Einschreiben mit Unterschrift Eltern/Erziehungsberechtigten unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Schuljahres erfolgen. […] Außer der Kündigungsmöglichkeit mit Frist von drei Monaten zum Ende des Schuljahres besteht im Laufe eines Schuljahres keine Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung. […]"
6Mit Schreiben vom 02.11.2010 erklärten die Beklagten die ordentliche Kündigung des Schulvertrages. Die Klägerin erwiderte, die Kündigung zum 31.07.2011 zu akzeptieren. Für die Monate Februar bis Juli 2011 zahlten die Beklagten unter Hinweis auf ihre Kündigungserklärung kein Schulgeld mehr.
7Die Klägerin behauptet, dass die Unterrichts- und Lerneinheiten in der Schule der Kläger nicht auf Schulhalbjahre angelegt seien, sondern das Schuljahr organisatorisch und pädagogisch auf zwölf Monate angelegt sei. Zum Halbjahr gebe es allenfalls geringfügige Änderungen in den Stundenplänen; es änderten sich aber nicht die Fächer und die Anzahl der auf die Fächer entfallenden Stunden, sondern es würden allenfalls aus organisatorischen Gründen die Zeiten der einzelnen Stunden verändert. Hinzu komme, dass die Klägerin alles tue, um eine Klassenstärke von 15 Schülern nicht zu übersteigen. Sie brauche daher Planungs- und Kalkulationssicherheit für das gesamte Schuljahr
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.400,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 900,00 Euro seit dem 05.02.2011, 05.03.2011, 05.04.2011, 05.05.2011, 05.06.2011 soweit seit dem 05.07.2011 zu zahlen.
10Die Beklagten beantragen,
11die Klage abzuweisen.
12Sie sind der Auffassung, dass die Kündigungsregelung im Schulvertrag unwirksam sei. Es sei erforderlich, zumindest eine zweite Kündigungsmöglichkeit zum Ende des Schulhalbjahres einzuräumen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15I.
16Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des vertraglich vereinbarten Schulgeldes in tenorierter Höhe. Denn der Vertrag wurde durch die Kündigung der Beklagten erst zum Ablauf des 31.07.2011 beendet.
17Gemäß Nr. 6 des Schulvertrages war es den Beklagten verwehrt, den Vertrag vor Ablauf des Schuljahres zum 31.07. ordentlich zu kündigen. Diese Regelung ist wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden. Einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB hält sie stand.
18Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 9c) BGB liegt schon deshalb nicht vor, weil hier nicht die dreimonatige Kündigungsfrist, sondern die Laufzeit des Vertrages beanstandet wird.
19Die Regelung in Nr. 6 stellt aber auch keine unangemessene Benachteiligung der Beklagten im Sinne des § 307 BGB dar. Hierzu hat bereits das Amtsgericht Eschweiler - 27 C 62/11 - in seinem Urteil vom 12.07.2011 ausgeführt:
20"Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 17.10.2008, III ZR 74/07, zitiert nach juris; BGH, NJW 1984,1531 f.).
21Die Anwendung des vorgenannten Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist (BGH, Urteil vom 17.01.2008, III ZR 74/07, zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten dadurch, dass lediglich eine Kündigungsmöglichkeit im Jahr zum Schuljahresende ist zu verneinen.
22Gegenüber stehen sich im vorliegenden Fall das Interesse der Kläger an einer effektiven Verwirklichung ihrer Bildungsziele und das Interesse der Beklagten nicht über einen beträchtlichen Zeitraum dem Zahlungsverlangen weiter ausgesetzt zu sein. Die Beklagten selbst haben vornehmlich mit der wirtschaftlichen Auswirkung der Kündigungsklausel argumentiert.
23Das Gericht verkennt nicht, dass eine nicht fristgerechte Kündigung für den Vertragspartner der Kläger einen unter Umständen beträchtlichen finanziellen Nachteil bringen kann, dadurch dass die nicht unerheblichen monatlichen Beträge für ein weiteres Jahr bzw. im ungünstigsten Fall für weitere 15 Monate entrichtet werden müssen.
24Gleichwohl stellt nach Auffassung des Gerichts die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit der Beklagten auf eine einmalige Möglichkeit zum Ablauf des Schuljahres mit einer dreimonatigen Frist keine Benachteiligung dar, weil die Interessen der Klägerseite überwiegen. Die Kläger haben als Privatschulbetreiber ein billigenswertes Interesse daran, ihre Vertragspartner längerfristig zu binden, da sie gehalten sind zur Aufrechterhaltung des Schulablaufs und Lehrplans - immerhin sichern die Kläger bei Vertragsschluss den jeweiligen Vertragspartnern zu, dass ihre Kinder in der Schule der Kläger Schulabschlüsse bis zur allgemeinen Hochschulreife erreichen können - Lehrkräfte einzustellen und zu beschäftigen, einen dazugehörigen Verwaltungsapparat aufrecht zu erhalten und Räume sowie Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen. Eine verlässliche Kalkulation ist insoweit nur dann möglich, wenn die Unterrichtsverträge über eine gewisse Laufzeit geschlossen werden (OLG Köln, Urteil vom 15.07.1997, 15 U 189/96, zitiert nach juris). Es muss daher grundsätzlich dem Schulträger überlassen bleiben, die Zeiträume der Bindung seiner Schüler und ihrer Eltern an bestimmte Unterrichtseinheiten festzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 28.02.1985, IX ZR 92/84, zitiert nach juris).
25Hinsichtlich der Frage der Benachteiligung der jeweiligen Vertragspartner ist zudem zu beachten, dass der einzelne grundsätzlich selbst gehalten ist, zu überprüfen, ob er vertragliche Bindungen, deren finanzielle Auswirkungen bei Vertragsschluss eindeutig festgelegt werden, für sich sinnvoll eingehen kann oder ob er besser Abstand davon nimmt.
26Dem Risiko, dass sich ein Schüler nach Anmeldung in der Privatschule dort nicht wohl fühlt oder durch den angewandten Lernplan über- oder unterfordert wird mit der Folge, dass das angestrebte Ausbildungsziel aufgrund der konkreten Schulsituation und den Fähigkeiten des Schülers gefährdet ist, wird in dem Privatschulvertrag, den die Kläger verwenden, dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass eine Probezeit von sechs Monaten festgelegt wird. Innerhalb dieser Zeit haben die "neuen" Schüler ausreichend Gelegenheiten, zu erproben, inwiefern ihnen das System der klägerischen Schule zusagt und inwiefern ihre Erwartungen erfüllt bzw. nicht erfüllt werden.
27Im Zeitpunkt der Kündigungserklärung der Beklagten hatte deren Tochter G die Schule bereits mehrere Jahre besucht. Das System und der Lehrablauf dürften sowohl der Tochter als auch den Beklagten als Erziehungsberechtigten hinlänglich bekannt gewesen sein. Eklatante Abweichungen vom Ablauf im Vergleich zu den Vorjahren wurden nicht vorgebracht. Nach dem Ablauf einer angemessenen Probezeit stellt bei einer Privatschule, die - dies gilt es auch zu berücksichtigen - entgegen einem Internat einen geringeren Eingriffs in die Lebensumstände des Schülers darstellt, weil der Schüler gerade nicht zusätzlich zum Lernen auch sein "Leben" in der Schule verbringt, eine Kündigungsmöglichkeit jeweils nur zum Schuljahresende [ermöglicht] keine unangemessene Vertragsklausel dar.
28Soweit beispielsweise der BGH in einer Entscheidung vom 28.02.1985 (IX ZR 92/84) und das OLG Köln in einer Entscheidung vom 15.07.1997 (15 U 189/96) Klauseln, die die Kündigungsmöglichkeiten jeweils nur zum Schuljahresende erlaubten für unwirksam erklärten, bestand in beiden dort zu entscheidenden Fällen jeweils die Besonderheit, die von den erkennenden Senaten auch betont wurde, dass - anders als im vorliegenden Vertragsverhältnis - keine Probezeit vereinbart worden war. Gerade der BGH begründete seine Entscheidung, die dortige Klausel als unangemessen anzusehen, damit, dass die Beschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts auch für das erste Schuljahr nur zum Jahresende möglich war. Er betonte in den Entscheidungsgründen aber ausdrücklich, dass es grundsätzlich kein einheitliche Interessenlage gebe, die die Feststellung erlaube, dass vertragstypischer, ausgewogener Inhalt eines Schul- und Internatsvertrags ein nicht erst zum Schuljahresende ausübbares Kündigungsrecht sei (BGH, Urteil vom 28.02.1985, IX ZR 92/84, zitiert nach juris, dort Rn. 24)."
29Dem schließt sich das Gericht an. Im Ergebnis überwiegt damit das Interesse der Klägerin, für das durchgehende Schuljahr Personen- und Sachmittel zuverlässig kalkulieren zu können, die Interessen der Beklagten. Dem können die Beklagten nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es auch möglich sei, Schüler zum Halbjahr zu versetzen. Denn wie die Beklagten selbst vortragen, wird der Unterricht teils klassenübergreifend gestaltet, so dass die "Verschiebung" eines Schülers sich weniger stark auswirkt. Das ist nicht zu vergleichen mit dem Wegfall eines Schülers zum Halbjahr mit der Folge, dass für ein halbes Jahr kein Schulgeld mehr gezahlt wird und der Schule Mittel fehlen, mit denen sie kalkuliert hat. Zudem handelt es sich bei der Versetzung eines Schülers um einen Ausnahmefall. Das ändert nichts daran, dass ein Schuljahr als eine organisatorische Einheit anzusehen ist. Auch das Argument der Kläger, die Immobilie stünde ohnehin wirtschaftlich im Besitz der Klägerin, verfängt nicht. Zum einen entstehen durch den Besuch eines Schülers weit mehr Kosten als nur die für die Bereitstellung von Klassenräumen etc., zum anderen verursacht auch eine im Eigentum stehende Immobilie ständig Kosten. Insgesamt ist daher von auszugehen, dass die Klägerin auf die Planungssicherheit für das gesamte Schuljahr angewiesen ist, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Schule zu gewährleisten.
30Den Interessen der Beklagten dagegen wird durch die Gewährung einer dreimonatige Probezeit hinreichend Genüge getan. Zudem steht ihnen im Härtefälle das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu.
31Letztlich überwiegen daher die Interessen der Klägerin die Interessen der Beklagten. Die Regelung in Nr. 6 des Schulvertrags ist wirksam und somit steht der Klägerin ein Anspruch auf das Schulgeld bis Ende Juli 2011 zu.
32Anhaltspunkte für eine Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung sind nicht dargetan.
33Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
34II.
35Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 101, 709 ZPO.
36III.
37Streitwert: 5.400,00 Euro
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Referenzen
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