Beschluss vom Landgericht Aachen - 3 T 119/13
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
1
Gründe
2I.
3Die Betroffene erteilte den Beteiligten zu 2 und zu 3 durch undatierte Urkunde (Bl. 15 d.A.) eine Vorsorgevollmacht.
4Mit Schreiben vom 28.05.2012 (Bl. 1 ff. d.A.) beantragte Herr X T1, ein Sohn der Betroffenen, die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene. Zur Begründung führte er aus, dass die Beteiligten zu 2 und zu 3 ihre Vollmacht missbrauchten, indem sie der Betroffenen Taschengeld und Unterlagen vorenthielten.
5Nach mehrfacher Anhörung hat das Amtsgericht Monschau den Antrag auf Einrichtung einer Kontrollbetreuung mit Beschluss vom 26.06.2012 (Bl. 39 f. d.A.) zurückgewiesen, mit der Begründung, dass die Betroffene die Bevollmächtigten selbst überwachen könne und dass keine konkreten Anhaltspunkte für eine interessenwidrige Ausübung der Vollmacht bestünden.
6Unter dem 14.02.2013 regte die T2 M , in deren Seniorenheim die Betroffene zu diesem Zeitpunkt lebte, die Einrichtung einer Betreuung an (Bl. 54 f. d.A.). Zur Begründung führte die T2 M aus, dass der Verdacht der Veruntreuung von Geld durch die Bevollmächtigten bestünde, da sowohl die Zahlung von Pflegewohngeld als auch die Zahlung von Beihilfe durch die Behörden abgelehnt worden seien und die Bevollmächtigten mit der Zahlung von Heimkosten für die Monate Januar und Februar in Verzug seien. Darüber hinaus läge eine geregelte Taschengeldzahlung an die Betroffene nicht vor; diese könne daher alltägliche Dinge nicht bezahlen und auch nicht an Ausflügen teilnehmen.
7Das Amtsgericht hörte die Betroffene daraufhin am 28.02.2013 persönlich an (Bl. 56 f. d.A). Sie bestätigte, dass sie nicht über Bargeld verfüge, gab jedoch auch an, dass es bei der Vollmacht des Beteiligten zu 2 bleiben solle.
8Der Beteiligte zu 2 nahm zu den Vorwürfen des Seniorenheims am 16.03.2013 Stellung (Bl. 60 f. d.A.). Er gab an, dass er der Betroffenen zuletzt 50,00 EUR gegeben habe, diese das Geld aber regelmäßig verstecke. Die Zahlungsrückstände seien entstanden, weil es einen Zuständigkeitswechsel der Beihilfestelle gegeben habe; in Kürze sei jedoch mit einer Zahlung zu rechnen.
9Das Amtsgericht holte zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen ein psychiatrisches Fachgutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau T3 L1 ein, das diese unter dem 20.03.2013 erstattete (Bl. 68 ff. d.A.).
10Mit Schreiben vom 02.04.2013 kündigten die Bevollmächtigten gegenüber der T2 M den Heimvertrag (Bl. 80 d.A.); seit dem 01.05.2013 lebt die Betroffene im Haushalt der Beteiligten zu 2 und zu 3.
11Mit Beschluss vom 19.04.2013 (Bl. 84 f. d.A.) bestellte das Amtsgericht Monschau den Beteiligten zu 4 unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit bis längstens zum 19.04.2015 zum Kontrollbetreuer für die Betroffene.
12Gegen diesen Beschluss haben die Betroffene und die Beteiligten zu 2 und zu 3 am 25.04.2013 Beschwerde eingelegt (Bl. 99 d.A.). Der Beteiligte zu 2 führte hierzu unter Vorlage entsprechender Belege (Bl. 102 ff. d.A.) aus, dass Pflegegeld und Beihilfe zwischenzeitlich bewilligt seien und der Rückstand gegenüber dem Pflegeheim sich auf 4.421,19 EUR reduziert habe.
13Das Amtsgericht Monschau hat der Beschwerde mit Beschluss vom 03.05.2013 (Bl. 110 d.A.) nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
14Unter dem 14.05.2013 sprach die Beteiligte zu 3 beim Amtsgericht Monschau vor und teilte mit, dass sie das vom Hausarzt verordnete Medikament „S“ abgesetzt habe, da das Medikament schlimme Nebenwirkungen verursachen könne; seitdem habe sich der Zustand der Betroffenen verbessert.
15Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon haben die Beteiligten zu 2 und zu 3 mit Schreiben vom 30.05.2013 Gebrauch gemacht (Bl. 173 ff. d.A.).
16Wegen der übrigen Einzelheiten, insbesondere wegen des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
17II.
18Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen in formeller Hinsicht unbedenklich.
19In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
20Zu Recht hat das Amtsgericht eine Kontrollbetreuung für die Betroffene eingerichtet. Auch bestehen keine Bedenken gegen die Auswahl des Beteiligten zu 4 als Kontrollbetreuer.
21Gemäß § 1896 Abs. 3 BGB kann das Betreuungsgericht einen Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinen Bevollmächtigten bestellen. Mit dieser Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und ggf. die Vollmacht zu widerrufen (vgl. BGH, Beschluss vom 01.08.2012 - XII ZB 438/11 = FamRZ 2012, 1631-1633 m. w. N.; zitiert nach juris). Ferner setzt die Einrichtung der Kontrollbetreuung ihre Erforderlichkeit voraus, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall erteilt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung kann deshalb gerade nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist gemäß § 1896 Abs. 1a BGB auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten. Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. BGH, a.a.O.). Dies wiederum kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil die zu besorgenden Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und/oder besonderem Umfang sind oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. BGH, a.a.O.).
22Die vorgenannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
23Nach dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Frau L1, dem die Kammer aufgrund seiner Nachvollziehbarkeit umfassend folgt, leidet die Betroffene an einer senilen Demenz. Sie ist aufgrund dieser Erkrankung nicht mehr in der Lage, sich mit der Regelung komplexer, insbesondere finanzieller Angelegenheiten auseinanderzusetzen. Bei der Betroffenen besteht eine deutliche Einschränkung der kognitiven Funktionen, insbesondere des Kritik- und Urteilsvermögens. Die Tragweite ihres Handelns vermag die Betroffene nicht zu überblicken, so dass sie die Konsequenzen ihrer Handlungen nicht mehr abschätzen kann. Deshalb ist sie auch nicht mehr in der Lage, frei von Einflüssen und mit freiem Willen über die Notwendigkeit der Betreuung zu entscheiden.
24Da die Betroffene komplexe Zusammenhänge auch im Hinblick auf die Verwaltung ihres Vermögens nicht mehr überblicken kann, ist sie nicht in der Lage, das Handeln ihrer Bevollmächtigten zu überwachen. Möglichkeiten der Behandlung oder Rehabilitation bestehen nicht, vielmehr wird die Betroffene voraussichtlich dauerhaft an der senilen Demenz leiden. Andere Hilfen, die die Anordnung einer Kontrollbetreuung entbehrlich machen könnten, sind nicht ersichtlich.
25Ferner bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird, da aufgrund konkreter Tatsachen Bedenken gegen die Redlichkeit der Beteiligten zu 2 und zu 3 bestehen. Denn es gibt dringenden Grund zu der Annahme, dass die Bevollmächtigten missbräuchlich und zum Nachtteil der Betroffenen mit der Vollmacht umgehen.
26So ist insbesondere nicht erklärlich, warum die Bevollmächtigten trotz der nicht unerheblichen Bezüge der Betroffenen es unterlassen haben, die Heimkosten für die Betroffene ordnungsgemäß zu bezahlen. Auch nach Bewilligung der Beihilfe und des Pflegegeldes bestanden nach den von den Bevollmächtigten vorgelegten Rechnungen im April 2013 Zahlungsrückstände in Höhe von 4.421 EUR. In diesem Zusammenhang ist durch den Kontrollbetreuer zu klären, ob die Bezüge der Betroffenen in deren Sinne durch die Bevollmächtigten verwendet werden.
27Im Hinblick auf die von der Sachverständigen diagnostizierte schwere Erkrankung der Betroffenen ist zudem zweifelhaft, ob die medizinische und pflegerische Versorgung der Betroffenen im Haushalt der Bevollmächtigten gewährleistet ist. Diese Zweifel ergeben sich auch daraus, dass die Beteiligten zu 2 und zu 3 die von der Sachverständigen aufgestellte Diagnose nach ihrer Stellungnahme nicht akzeptieren. Hinzu kommt, dass die Bevollmächtigten nach ihrem eigenen Vorbringen eigenmächtig und gegen den Rat des Hausarztes ein Medikament der Betroffenen abgesetzt haben. In diesem Zusammenhang wird der Kontrollbetreuer zu klären haben, ob die Entscheidungen der Bevollmächtigten betreffend den Aufenthalt und die medizinische Versorgung der Betroffenen mit deren Interessen vereinbar sind.
28Schließlich haben die Bevollmächtigten ausweislich der Stellungnahme vom 30.05.2013 namens der Betroffenen gegen Herrn X T1, Sohn der Betroffenen, und Frau S T4, Tochter der Betroffenen, Klage u.a. auf Unterlassung der Kontaktaufnahme zur Betroffenen erhoben. Da sich aus den Äußerungen der Betroffenen im Rahmen der gerichtlichen Anhörungstermine und des Gesprächs mit der Sachverständigen keine Anhaltspunkte für zerrüttete Verhältnisse zwischen der Betroffenen und den vorgenannten Kindern ergeben haben, ist nicht erklärlich, warum ein solches Unterlassen im Interesse der Betroffenen liegen sollte. Insoweit ist zu befürchten, dass die Bevollmächtigten mit der Klage auf dem Rücken der Betroffenen die langjährig bestehenden Streitigkeiten unter den Geschwistern austragen.
29Schließlich bestehen keine Zweifel an der nach § 1897 Abs. 1 BGB erforderlichen Eignung des Beteiligten zu 4 als Kontrollbetreuer. Insbesondere liegen auch die in § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB geregelten Voraussetzungen für die Bestellung des Beteiligten zu 4 in seiner Eigenschaft als Berufsbetreuer vor, da andere geeignete Personen, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung der Betroffenen bereit sind, nicht vorhanden sind.
30Die Kammer hat von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen abgesehen, da eine solche bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und nach dem gesamten Inhalt der Akten von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (vgl. § 68 Abs. 3 FamFG).
31Das Verfahren ist gemäß § 128 b KostO gebührenfrei. Eine Entscheidung über die Erstattung der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten gemäß §§ 81 ff. FamFG war nicht veranlasst.
Rechtsmittelbelehrung
32Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zulässig, die binnen einer Frist von einem Monat nach schriftlicher Bekanntgabe dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einzulegen und zu begründen ist. Die Rechtsbeschwerde kann nur schriftlich durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und begründet werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie angehören, vertreten lassen.
33Aachen, 04.06.20133. Zivilkammer
34Dr. W Vorsitzender Richter am Landgericht | L2 Richterin am Landgericht | T5 Richter am Landgericht |
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Referenzen
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